JudikaturVwGH

Ra 2022/17/0147 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
31. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revisionen 1. des N J, und 2. des O J, beide vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2022, 1. W191 2254736 1/3E und 2. W191 2254737 1/3E, betreffend Abweisung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 56 AsylG 2005 sowie Erlassung von Rückkehrentscheidungen samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den Revisionswerbern jeweils Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1.1. Der im September 2002 geborene Erstrevisionswerber und der im März 2006 geborene Zweitrevisionswerber sind die leiblichen Kinder der G B (im Folgenden: Mutter), alle drei sind serbische Staatsangehörige. Die Mutter schloss im Februar 2019 die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger, der im Jänner 2022 verstarb.

1.2. Die Revisionswerber und ihre Mutter reisten im Jahr 2019 in Österreich ein und beantragten wiederholt die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Ein solcher wurde ihnen jedoch nicht erteilt.

1.3. In einem weiteren Verfahren sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Behörde) im Dezember 2021 von Amts wegen aus, dass der Mutter der Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei, eine Frist von 14 Tagen für ihre freiwillige Ausreise eingeräumt werde und ein Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren (wegen Eingehens einer Aufenthaltsehe) gegen sie erlassen werde.

Die dagegen erhobene Beschwerde der Mutter wies das Bundesverwaltungsgericht im Februar 2022 ab.

1.4. Der gegen diese Entscheidung erhobenen außerordentlichen Revision der Mutter gab der Verwaltungsgerichtshof mittlerweile mit Erkenntnis vom 23. Dezember 2024, Ra 2022/17/0062, statt und hob die Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften (Verletzung der Verhandlungspflicht) auf.

2.1. In den hier gegenständlichen Verfahren begehrten die Revisionswerber mit Anträgen vom 25. November 2021 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 56 AsylG 2005.

2.2. Diese Anträge wies die Behörde mit Bescheiden vom 23. März 2022 ab und sprach unter einem aus, dass gegen die Revisionswerber jeweils eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, ihre Abschiebung nach Serbien zulässig sei und eine Frist für ihre freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt werde.

2.3. Die Behörde stellte über oben Pkt. 1.1. bis 1.3. hinaus fest, die Revisionswerber hielten sich seit dem Jahr 2019 in Österreich auf, wo auch ihre Mutter lebe. Polizeiliche Erhebungen hätten ergeben, dass die Mutter eine Aufenthaltsehe geschlossen habe.

Die Revisionswerber hätten seit ihrer Einreise bereits Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für Familienangehörige gestellt, die sie wieder zurückgezogen hätten. Weiters hätten sie Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 gestellt, die zurückgewiesen worden seien.

Die Revisionswerber hätten die Dauer ihres sichtvermerksfreien Aufenthalts (90 Tage innerhalb von 180 Tagen) erheblich überschritten.

Die Revisionswerber seien ledig und hätten keine Sorgepflichten. Sie seien kranken und sozialversichert sowie gesund und im arbeitsfähigen Alter, sie gingen aber keiner ordentlichen Beschäftigung nach. Sie hätten außer zueinander und zu ihrer Mutter keine familiären Bindungen und Beziehungen in Österreich. Ihre restlichen Familienangehörigen lebten in Serbien.

Ferner traf die Behörde umfangreiche Feststellungen zur Lage in Serbien.

2.4. Rechtlich folgerte die Behörde, ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 könne nicht erteilt werden. Die Revisionswerber hätten in Österreich zwar familiäre Bindungen und Beziehungen zueinander und zu ihrer Mutter, mit der sie zusammenlebten. Gegen die Mutter sei jedoch mittlerweile eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen worden. Weitere familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet seien nicht bekannt, die restliche Familie lebe in Serbien. Auch eine sonstige Aufenthaltsverfestigung bzw. sonstige relevante soziale Bindungen könnten nicht angenommen werden. Wohl seien die Revisionswerber in Österreich behördlich gemeldet, kranken und sozialversichert sowie gesund und arbeitsfähig, sie gingen aber keiner ordentlichen Beschäftigung nach und hätten bisher auch über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, vielmehr seien sie seit rund drei Jahren unrechtmäßig aufhältig. Davor hätten sie ihr gesamtes Leben in Serbien verbracht. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie dort über keine sozialen Bindungen und Beziehungen mehr verfügten. Es sei ihnen durchaus möglich, ihr weiteres Leben im Herkunftsstaat zu verbringen. Bei Abwägung der maßgeblichen Interessen im Sinn des Art. 8 EMRK komme daher die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht.

Ein Aufenthaltstitel gemäß § 56 AsylG 2005 könne ebenso nicht erteilt werden, da sich die Revisionswerber erst seit drei Jahren in Österreich aufhielten, ihr Aufenthalt stets unrechtmäßig gewesen sei und sie auch keine legale Erwerbstätigkeit zur Bestreitung ihres Unterhalts ausübten. Da sie die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel nicht erfüllten, seien unter einem Rückkehrentscheidungen (samt Nebenaussprüchen) zu erlassen.

3. Gegen diese Bescheide erhoben die Revisionswerber jeweils Beschwerde, beantragten die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachten vor, sie hätten sich in Österreich rasch integriert und seien mittlerweile fest verwurzelt. Sie besuchten die Schule, sprächen fließend Deutsch und hätten alle ihre Freunde im Bundesgebiet. Da sich ihre Mutter wegen der (gegen sie ergangenen) „negativen Entscheidung“ nicht mehr in Österreich aufhalte, lebten sie mittlerweile bei ihrer Tante und deren Ehemann in Wien. Ihre Mutter habe sie in die Obhut der Tante gegeben, die sich fortan um sie kümmere. Sie wollten auch bei der Tante bleiben, zu der sie eine enge Beziehung hätten. Eine von der Behörde angenommene gemeinsame Rückkehr mit ihrer Mutter nach Serbien komme nicht in Betracht, da sich diese nicht dort (sondern in Deutschland) aufhalte. Eine Rückkehr der Revisionswerber allein sei nicht möglich, da sie in Serbien keine Bezugsperson mehr hätten; auch wüssten sie nicht einmal, wo sie dort nächtigen könnten. Es liege daher ein überholter Sachverhalt vor, die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung seien nicht hinreichend ermittelt worden.

4.1. Mit den angefochtenen (inhaltsgleich begründeten) Erkenntnissen vom 30. Juni 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden nur: Verwaltungsgericht) die Beschwerden der Revisionswerber gegen die Bescheide vom 23. März 2022 ohne Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4.2. Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen zu den von den Revisionswerbern und ihrer Mutter in der Vergangenheit (erfolglos) gestellten Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln sowie zu dem die Mutter betreffenden amtswegigen Verfahren (in dem eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot erlassen wurde). Darüber hinaus ging es im Wesentlichen von dem bereits von der Behörde zugrunde gelegten Sachverhalt aus.

Ergänzend hielt es fest, der Erstrevisionswerber habe in Serbien eine Ausbildung zum Mechatroniker absolviert. In Österreich habe er an einem Vorbereitungslehrgang für Berufstätige in technischen Fachrichtungen für Maschinenbau teilgenommen. Seit dem Schuljahr 2019/20 besuche er eine Höhere Technische Bundeslehranstalt in Wien. Er spreche Serbisch als Muttersprache und habe mittlerweile Deutsch- bzw. Integrationskurse auf Niveau A2, B1 und B2 besucht sowie ÖSD Deutschzertifikate auf Niveau A1 und A2 erlangt.

Der Zweitbeschwerdeführer besuche seit dem Schuljahr 2019/20 eine Neue Mittelschule in Wien. Er spreche ebenso Serbisch als Muttersprache und habe ÖSD Deutschzertifikate auf Niveau A1 und A2 erlangt.

Im Herkunftsstaat lebe noch die Großmutter mütterlicherseits der Revisionswerber. In Österreich lebe weiters die Tante der Revisionswerber (Schwester der Mutter) mit ihrer Familie.

4.3. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe einschlägiger Rechtsvorschriften und Judikatur im Wesentlichen, der beantragte Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 sei zu versagen und unter einem eine Rückkehrentscheidung gegen die Revisionswerber zu erlassen. Diese besuchten zwar die Schule und hätten sich Deutschkenntnisse angeeignet, allerdings hielten sie sich erst seit rund vier Jahren in Österreich auf. Hingegen hätten sie den überwiegenden und prägenden Teil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wo sie sozialisiert worden seien und der Erstrevisionswerber auch eine Ausbildung abgeschlossen habe. Zudem beherrschten sie die Landessprache. Sie könnten daher gemeinsam nach Serbien zurückkehren und dort vorübergehend bei ihrer Großmutter leben. Da eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung auch gegen ihre Mutter vorliege, könne davon ausgegangen werden, dass die Rückkehr in den Herkunftsstaat gemeinsam im Familienverband erfolge. In Anbetracht dessen sei es auch unschädlich, dass der Zweitrevisionswerber im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch minderjährig (gewesen) sei. Den Kontakt zu ihrer in Österreich lebenden Tante könnten die Revisionswerber im Rahmen von Besuchen und im Wege moderner Kommunikationsmittel aufrechterhalten. Demnach überwiege das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen der Revisionswerber.

Was die beantragte Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 betreffe, so komme eine solche schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Revisionswerber nicht bereits seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhielten.

Mangels Vorliegens entgegenstehender Gründe im Sinn des § 50 FPG sei weiters die Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerber in den Herkunftsstaat auszusprechen. Die Frist für die freiwillige Ausreise sei mit 14 Tagen festzusetzen.

4.4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung führte das Verwaltungsgericht aus, der wesentliche Sachverhalt erscheine aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt. Es liege kein Beschwerdevorbringen vor, das mit den Revisionswerbern mündlich hätte erörtert werden müssen. Die betreffenden Ausführungen stellten keine erheblich erscheinenden neuen Tatsachen oder Beweise dar, die eine Verhandlungspflicht auslösten.

5.1. Gegen diese Erkenntnisse wenden sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machenden außerordentlichen Revisionen mit Aufhebungsanträgen.

Die Revisionswerber bringen zur Zulässigkeit der Revisionen unter anderem vor, das Verwaltungsgericht habe ihren Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Unrecht nicht entsprochen. Sie hätten in den Bescheidbeschwerden einen von den Feststellungen der Behörde abweichenden Sachverhalt behauptet, sodass die Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht vorgelegen seien. Das Verwaltungsgericht hätte in der Verhandlung die erforderlichen Ermittlungen (insbesondere durch Vernehmung der Revisionswerber) durchführen und auf dieser Basis den relevanten Sachverhalt feststellen müssen.

5.2. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Revisionssachen zur gemeinsamen Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Revisionen sind aus dem von den Revisionswerbern geltend gemachten Grund zulässig und auch berechtigt.

7.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann selbst bei Vorliegen eines ausdrücklichen Antrags eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht (vgl. etwa VwGH 18.2.2019, Ra 2016/22/0115, Pkt. 6.1., mwN).

7.2. Vorliegend stützte sich das Verwaltungsgericht beim Absehen von einer mündlichen Verhandlung auf den erstgenannten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA VG. Mit diesem hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, eingehend befasst (§ 43 Abs. 2 VwGG). Demnach muss der wesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch immer die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Behörde muss die die maßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten außer Betracht bleiben kann (vgl. etwa auch VwGH 15.1.2020, Ra 2017/22/0047, Pkt. 6.2., mwN).

7.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung), kann die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden. Vielmehr kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände besondere Bedeutung zu (vgl. etwa VwGH 30.6.2021, Ra 2018/22/0124, Pkt. 7.3., mwN).

8.1. Nach dem Vorgesagten kann somit das Verwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung trotz ausdrücklichen diesbezüglichen Antrags absehen, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Dies ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn in der Beschwerde ein dem Ergebnis der behördlichen Ermittlungen entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet wird. Von einer derartigen Konstellation, in der der wesentliche Sachverhalt nicht als geklärt erscheint, ist hier auszugehen.

8.2. Die Behörde stützte die Versagung des beantragten Aufenthaltstitels im Wesentlichen darauf, dass sich die Revisionswerber gemeinsam mit ihrer Mutter seit ungefähr drei Jahren unrechtmäßig in Österreich aufhielten, dass sie außer zueinander und zur Mutter keine familiären Bindungen und Beziehungen im Bundesgebiet aufwiesen, dass auch eine sonstige Aufenthaltsverfestigung bzw. sonstige relevante soziale Bindungen (etwa eine Erwerbstätigkeit) nicht vorlägen, dass die restlichen Familienangehörigen in Serbien lebten, dass die Revisionswerber dort ihr bisheriges Leben verbracht hätten, dass sie dort weiterhin über soziale Bindungen und Beziehungen verfügten und mit ihrer Mutter dorthin zurückkehren könnten, um in Hinkunft dort zu leben.

8.3. Dem traten die Revisionswerber in der Beschwerde entgegen, indem sie in einigen Punkten einen entgegenstehenden relevanten Sachverhalt behaupteten. So brachten sie insbesondere vor, dass sie in Österreich mittlerweile fest verwurzelt seien (sie besuchten die Schule, sprächen fließend Deutsch und hätten alle Freunde hier), dass sie nicht mehr bei ihrer Mutter, die mittlerweile das Bundesgebiet verlassen habe, sondern bei ihrer Tante lebten, unter deren Obhut sie die Mutter gegeben habe, dass sich die Tante seitdem um sie kümmere, sie zu dieser auch eine enge Beziehung hätten und bei ihr bleiben wollten, dass eine gemeinsame Rückkehr mit der Mutter nach Serbien nicht in Betracht komme, da sich diese nicht dort (sondern in Deutschland) aufhalte, sowie dass für die Revisionswerber auch eine Rückkehr allein nicht möglich sei, da sie im Herkunftsstaat keine Bezugsperson und keine Unterkunft mehr hätten.

8.4. Diesem Beschwerdevorbringen folgte das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Erkenntnissen nur zum Teil (etwa was den behaupteten Schulbesuch und die Deutschkenntnisse der Revisionswerber betrifft). Im Übrigen trug es den Ausführungen in der Beschwerde anders als von ihm im Zusammenhang mit seinen Überlegungen zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht nicht Rechnung, indem es insbesondere zu ihrem behaupteten nunmehrigen Familienleben und zur behaupteten Unmöglichkeit ihrer Rückkehr nach Serbien keine erkennbaren Ermittlungen durchführte (und keine Feststellungen traf). In Anbetracht dessen hätte aber das Verwaltungsgericht nicht davon ausgehen dürfen, dass ohnehin ein vollständig erhobener bzw. geklärter Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA VG vorliege und folglich die Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung erfüllt seien. Dies umso mehr, als es wesentlich um die Intensität der sozialen Bindungen der Revisionswerber geht, bei deren Prüfung wie schon gesagt (oben Pkt. 7.3.) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in Bezug auf die für die Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände ein besonderes Gewicht zukommt (vgl. etwa auch VwGH 14.4.2022, Ro 2018/22/0007, Pkt. 7.2., mwN).

9. Das Verwaltungsgericht hat daher, indem es zu Unrecht davon ausging, dass von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden könne, seine Entscheidungen mit einem Verfahrensfehler belastet. Die angefochtenen Erkenntnisse waren deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

10. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. März 2025