Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des O R, vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 89a/34, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Jänner 2025, W223 2281621 1/7E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1.1. Der Revisionswerber, ein nordmazedonischer Staatsangehöriger, reiste im August 2001 illegal in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde im April 2007 im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen und unter einem die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat festgestellt. Im Oktober 2007 wurde die Ausweisung des Revisionswerbers im Instanzenzug rechtskräftig ausgesprochen.
Der Revisionswerber verblieb in der Folge von einigen kurzen Aufenthalten im Herkunftsstaat abgesehen unrechtmäßig im Bundesgebiet. Er kam dabei auch seiner behördlichen Meldepflicht nicht nach.
1.2. Im März 2012 wurde der Revisionswerber wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der versuchten Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt.
2.1. Am 7. November 2022 stellte der Revisionswerber schließlich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Behörde) unter Berufung auf seinen langjährigen Aufenthalt und seine behauptete umfassende Integration in Österreich den hier gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.
2.2. Diesen Antrag wies die Behörde mit Bescheid vom 29. September 2023 ab und sprach unter einem aus, dass gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nordmazedonien festgestellt werde und eine Frist für seine freiwillige Ausreise von 14 Tagen eingeräumt werde.
Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab. Ferner sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3.2. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision mit einem Aufhebungsantrag.
4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat jedoch die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
5.1. In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Wesentlichen vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es dem Antrag des Revisionswerbers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht entsprochen habe.
Das Bundesverwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine und folglich gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben könne. Es habe dabei jedoch die (näher angeführte) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs außer Acht gelassen, wonach die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen des Drittstaatsangehörigen in Österreich nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden könne und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen - vor allem auch in Bezug auf die nach Art. 8 EMRK relevanten Umstände - besondere Bedeutung zukomme.
5.2. Mit diesem Vorbringen zeigt der Revisionswerber aber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG auf.
6.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann selbst bei Vorliegen eines ausdrücklichen Antrags eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht (vgl. etwa VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0147 und 0148, Pkt. 7.1., mwN).
6.2. Vorliegend stützte sich das Bundesverwaltungsgericht beim Absehen von einer mündlichen Verhandlung auf den erstgenannten Tatbestand des § 21 Abs. 7 BFA VG. Mit diesem hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017 und 0018 (vgl. insbes. Pkt. 5.12.), eingehend befasst (§ 43 Abs. 2 VwGG). Demnach muss der entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichts noch immer die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Behörde muss die die maßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Verwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten außer Betracht bleiben kann (vgl. etwa auch VwGH 20.12.2016, Ra 2016/01/0102, Rn. 9 und 10; 31.5.2024, Ra 2024/20/0286, Rn. 13, mwN).
7.1. Gegenständlich legt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht von den soeben dargestellten Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG abgewichen wäre.
7.2. Mit dem oben (Pkt. 5.1.) wiedergegebenen lediglich allgemein bzw. pauschal gehaltenen und keinen Bezug zu den konkreten Umständen des gegenständlichen Falls herstellenden Zulässigkeitsvorbringen wird nicht im Ansatz dargelegt, dass die Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt hätte. Derartiges ist auch nicht zu sehen.
Vorliegend wird in keiner Weise konkret und substanziiert dargetan, dass der Revisionswerber in der Beschwerde dem von der Behörde festgestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt etwa dahingehend, dass dieser von der Behörde nicht vollständig erhoben worden sei entgegengetreten wäre. Ebenso wird den maßgeblichen beweiswürdigenden Erwägungen der Behörde nicht konkret und substanziiert entgegengetreten. Vielmehr beschränkt sich das Vorbringen in der Beschwerde im Wesentlichen darauf, die der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels und der erlassenen Rückkehrentscheidung zugrunde liegende rechtliche Würdigung (Interessenabwägung) zu bekämpfen.
Der Revisionswerber legt auch nicht ansatzweise dar, dass der festgestellte Sachverhalt bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweise. Gegenteiliges ist auch nicht zu sehen.
8.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt. Daraus ist aber keine „absolute“ (generelle) Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung abzuleiten. Vielmehr kann in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden (vgl. etwa VwGH 20.10.2021, Ra 2021/20/0034, Rn. 20; 30.10.2019, Ra 2019/14/0245, Rn. 9; je mwN).
8.2. Gegenständlich legt die Revision im (wie schon gesagt) bloß abstrakt bzw. pauschal gehaltenen, keinen konkreten Bezug zu den Umständen des Falls herstellenden Zulässigkeitsvorbringen nicht dar, dass bzw. inwieweit das Bundesverwaltungsgericht nicht von einem eindeutigen Fall im Sinn des Vorgesagten hätte ausgehen und folglich nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen. Derartiges ist auf Basis der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen unstrittigen Feststellungen auch nicht zu sehen.
9. In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juni 2025