JudikaturBVwG

I421 2302938-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
24. Juli 2025

Spruch

I421 2302938-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Südsudan, vertreten durch BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1010 Wien gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2024, IFA-Zahl/Verfahrenszahl XXXX , nach Durchführung einer Verhandlung am 10.06.2025 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Ein südsudanesischer Staatsbürger (im Folgenden BF genannt) stellte am 24.06.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag im Wesentlichen mit staatlichem Druck begründete. Im Jahr 2017 habe es einen Konflikt zwischen der Regierung und der Opposition gegeben, sein Vater sei Soldat für die Regierung gewesen. Regierungsgetreue hätten dem BF unterstellt, er würde seinen Vater verstecken. Er sei auch monatlich von der „National Security“ kontrolliert worden, schließlich habe ihm seine Frau empfohlen, die Heimatstadt zu verlassen. Für den Rückkehrfall befürchte er unmenschliche Behandlung oder den Tod, sein Halbbruder sei bereits getötet worden [Aktenseite des Behördenakts (im Folgenden: AS) 15].

Bei der ersten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden auch BFA oder belangte Behörde) am 31.10.2023 brachte der BF hinsichtlich seiner Fluchtmotive zusammengefasst vor, ihm sei 2017 unterstellt worden, seinen Vater – einen abgängigen Soldaten – zu verstecken. Man habe den BF bedroht und gefoltert, ihm als protestantischer Christ sei verboten worden, in die Kirche oder zu Jugendtreffen zu gehen. Da seine Frau dem „oppositionellen“ Stamm der Nuer angehöre, sei er auch verfolgt worden. Im Rückkehrfall werde er definitiv ermordet [AS 43 ff]. In weiterer Folge brachte der BF eine Stellungnahme zu den Länderinformationen ein [AS 125 ff]. Im Rahmen der zweiten Einvernahme am 10.09.2024 schilderte der BF die Situation seiner Angehörigen und brachte weitere Bescheinigungsmittel in Vorlage [AS 101 ff, 139 ff].

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde vom 17.10.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt. I.) abgewiesen, dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) zuerkannt und eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.) [AS 185 ff].

Gegen Spruchpunkt I. wurde fristgerecht mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 14.11.2024 wegen behaupteter inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Der BF werde asylrelevant verfolgt, wegen unterstellter oppositioneller Gesinnung und Zugehörigkeit einer sozialen Gruppe (dem Familienverband). Die Inanspruchnahme staatlichen Schutzes sei ausgeschlossen, der Staat nicht schutzfähig oder –willig [AS 257 ff]. Die Spruchpunkte II. und III. erwuchsen unangefochten in Rechtskraft.

Am 10.06.2025 hielt das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit des BF, seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin der englischen Sprache ab. Eine Vertretung der belangten Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die vorstehend getroffenen Ausführungen zum Verfahrensgang werden mit Ausnahme des Parteienvorbringens wie wiedergegeben festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person und den Fluchtmotiven des BF:

Der volljährige, unbescholtene, gesunde und arbeitsfähige BF ist südsudanesischer Staatsangehöriger, verheiratet, Vater von fünf Kindern, Angehöriger der Volksgruppe der Dinka und bekennt sich zum protestantischen Christentum. Er beherrscht seine Muttersprache Dinka, Englisch, Arabisch und etwas Deutsch.

Seine Identität steht nicht fest. Der BF ist persönlich unglaubwürdig.

In Österreich absolvierte er vor eineinhalb Monaten den Pflichtschulabschluss, lernt Deutsch und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Ein Cousin lebt in Vorarlberg.

Zur Historie seiner Ortsveränderungen sowie zu Fluchtroute und –modus können keine Feststellungen getroffen werden.

Der BF unterliegt keiner asylrelevanten Verfolgungsgefahr und hat den Südsudan nicht aus asylrelevanten Gründen verlassen.

1.2. Zum Herkunftsstaat (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Südsudan, Gesamtaktualisierung vom 13.07.2021, letzte Kurzinformation eingefügt am 28.04.2022):

1.2.1. Politische Lage

Der Südsudan ist eine Republik, die gegenwärtig von einer Übergangsregierung regiert wird, die gemäß den Bedingungen der im August 2015 und September 2018 unterzeichneten Friedensabkommen gebildet wurde. Staatsoberhaupt und Regierungschef ist Präsident Salva Kiir Mayardit, dessen Autorität sich aus seiner Wahl 2010 zum Präsidenten der damals halbautonomen Region Südsudan innerhalb der Republik Sudan ableitet. Das Referendum von 2011 über die Selbstbestimmung der Südsudanesen, bei dem sich 98 Prozent der Wähler für die Abspaltung vom Sudan entschieden, wurde von internationalen Beobachtern als frei und fair bewertet. Seitdem wurden alle Regierungspositionen nicht mehr gewählt sondern ernannt (USDOS 30.3.2021).

Im Jahr 2013 entwickelte sich ein Machtkampf innerhalb der Regierungspartei (Sudan People's Liberation Movement) zu einem bewaffneten Konflikt. Präsident Salva Kiir beschuldigte den damaligen ersten Vizepräsidenten, Riek Machar Teny, einen Putsch geplant zu haben. Die beiden Führer appellierten an ihre jeweiligen ethnischen Gemeinschaften, und der Konflikt weitete sich aus. Die Parteien unterzeichneten mehrere Waffenstillstandsvereinbarungen, die in dem Friedensabkommen von 2015 gipfelten. Der Waffenstillstand hielt im Allgemeinen von August 2015 bis Juli 2016, als die Kämpfe in Juba wieder ausbrachen und sich schließlich auf den Rest des Landes ausweiteten. Die wichtigsten Kriegsparteien unterzeichneten 2018 ein „wiederbelebtes“ Friedensabkommen, das sogenannte Revitalized Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan (R-ARCSS), das bis Mitte September 2020 hielt. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und anderen Gruppen, die das Friedensabkommen nicht unterzeichnet haben, wurden in der Region Greater Equatoria fortgesetzt. Die subnationale Gewalt, die oft als „interkommunal“ bezeichnet wird, aber häufig politische Ursachen hat, hielt ebenfalls an - insbesondere in den Bundesstaaten Jonglei und Warrap (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 25.3.2021).

Wahlen wurden aufgrund intensiver Gewalt und Unsicherheit ab 2013 mehrmals über mehrere Jahre verschoben. Seitdem hat der Präsident per Dekret lokale Regierungsbeamte und Parlamentarier entlassen und ernannt. 2015 und erneut 2018 verabschiedete der Gesetzgeber Änderungen der Übergangsverfassung, mit denen die Amtszeit des Präsidenten, des nationalen Gesetzgebers und der Staatsversammlungen um drei Jahre verlängert wurde. Das 2018 unterzeichnete Friedensabkommen sah die Verlängerung aller Amtszeiten um drei Jahre Übergangszeit vor (USDOS 30.3.2021). Im Feber 2020 begannen die Parteien mit der Bildung der neuen Übergangsregierung der nationalen Einheit, unter der Führung von Präsident Salva Kiir, mit Riek Machar als erstem Vizepräsidenten und vier weiteren Vizepräsidenten aus Oppositionsgruppen. Die Parteien setzten wichtige Bestimmungen des Friedensabkommens nicht um, darunter Sicherheitsvorkehrungen oder die Einrichtung von Mechanismen zur Rechenschaftspflicht. Auch die im Friedensabkommen vereinbarte Frauenquote in der Regierung von 35 Prozent wurde nicht eingehalten (AI 7.4.2021; vgl. HRW 13.1.2021).

Die Regierung, die Sudan People's Liberation Movement/Army in Opposition (SPLA/IO), die National Democratic Front und Gruppen, die das Friedensabkommen von 2018 nicht unterzeichnet hatten, verpflichteten sich im Jänner 2020 zu einem Waffenstillstand. Dieser Waffenstillstand wurde im April 2020 gebrochen, als die Kämpfe in Yei, Lobonok, Mundri, Maridi und anderen Teilen der Region Äquatoria wieder ausbrachen. Die Friedensgespräche wurden im Oktober 2020 wieder aufgenommen (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021), wurden jedoch zum Teil durch die Pandemie unterbrochen (AI 7.4.2021). Jedenfalls wurde im Oktober 2020 ein historisches Abkommen mit mehreren Rebellengruppen wurde unterzeichnet (AN 27.6.2021).

Präsident Salva Kiir löste am 8. Mai 2021 das Parlament auf. Dieser Schritt stand im Einklang mit dem Friedensabkommen. Das neue Parlament sollte alsbald gebildet und von 400 auf 550 Mitglieder erweitert werden und Mitglieder aller Parteien des Abkommens umfassen (BAMF 10.5.2021; vgl. Reuters 9.7.2021). Bereits am 10. Mai 2021 beschloss Präsident Kiir ein neues Parlament, das im Einklang mit den Bestimmungen des Friedensabkommens von 2018 steht; und auch die Nationalversammlung wurde entsprechend erweitert (BAMF 17.5.2021). Die nächsten Wahlen sieht das R-ARCSS eigentlich für 2022 vor. Dieser Termin wird aber aufgrund der schleppenden Umsetzung des Abkommens wohl nach hinten verschoben werden (AA 25.3.2021).

Die Gespräche zwischen der Regierung und der Sudan People's Liberation Movement-Nord (SPLM-Nord) in Juba, Südsudan, wurden Mitte Juni 2021 wegen zu diesem Zeitpunkt nicht näher spezifizierten Meinungsverschiedenheiten unterbrochen (AN 27.6.2021).

Berichten zu Folge haben sich der Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar am 31.3.2022 auf ein ergänzendes Abkommen zum Friedensabkommen von 2018 geeinigt. Damit wurden die zuletzt aufkommenden Befürchtungen einer erneuten gewaltsamen Eskalation zwischen beiden Lagern entkräftet. Das Abkommen verpflichtet zudem beide Parteien erneut auf Einhaltung des bereits bestehenden Waffenstillstands (BAMF 4.4.2022; vgl. BAMF 25.4.2022). Die Vertreter der SPLM-IO kritisierten wenige Wochen später die Umsetzung der getroffenen Vereinbarungen. Demnach verstoße der Präsident gegen die Vereinbarungen und schaffe beispielsweise Posten für eigene Leute, die zuvor nicht abgesprochen worden seien. Zudem habe Kiir drei Posten gestrichen, die für Vertreter der SPLM-IO vorgesehen waren. Die Bildung gemeinsamer Streitkräfte ist eine Bedingung des Friedensabkommens von 2018, sowie eine der Voraussetzungen für das Ende der Übergangsregierung durch Wahlen für eine neue Regierung. Die Mission der UN im Südsudan bezweifelt die Durchführbarkeit der für Feber 2023 geplanten Wahlen. Hindernisse seien vor allem eine unzureichende logistische Vorbereitung und die anhaltend schlechte Sicherheitslage in Teilen des Landes (BAMF 25.4.2022).

1.2.2. Sicherheitslage

Es besteht für das gesamte Land ein erhebliches Sicherheitsrisiko (EDA 28.4.2022); die instabile Lage ist weiterhin gekennzeichnet von zahlreichen Konflikten auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, so auch in den Grenzgebieten zu Uganda und der Demokratischen Republik Kongo (AA 28.4.2022). Derzeit kommt es in praktisch allen Provinzen zu bewaffneten Auseinandersetzungen (BMEIA 28.4.2022), besonders in den Gliedstaaten Western Equatoria, Central Equatoria und Eastern Equatoria, Unity, Jonglei und Upper Nile, wo sich Erdölförderanlagen befinden. Die Lage ist unberechenbar (EDA 28.4.2022; vgl. AA 28.4.2022) und seit Ausbruch des Bürgerkriegs völlig instabil und von zahllosen bewaffneten Konflikten gekennzeichnet. Derzeit kommt es in praktisch allen Provinzen zu bewaffneten Auseinandersetzungen (BMEIA 28.4.2022).

Die Kämpfe zwischen Regierungs- und Oppositionskräften und der NAS hielten auch im vierten Jahr an. Nach Angaben der UNO griffen Mitglieder der NAS ein Krankenhaus an und setzten neben anderen Menschenrechtsverletzungen mindestens drei Menschen sexueller Gewalt aus (AI 29.3.2022). Die Gewalt brachte die Konfliktparteien und die mit ihnen verbündeten lokalen Gruppen gegeneinander auf. Die monatelangen Spannungen gipfelten im Juni 2021 in Kämpfen im Bezirk Tambura im Bundesstaat West-Äquatoria zwischen konkurrierenden lokalen Gruppen, die auf der einen Seite den South Sudan People's Defence Forces (SSPDF) der Regierung angehören, und der Sudan People's Liberation Army-In Opposition (SPLA-IO) auf der anderen Seite. Die Spaltung der SPLA-IO im August 2021 führte zu Kämpfen zwischen den Gruppen im Norden. Die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und der National Salvation Front (NAS), einer nichtstaatlichen bewaffneten Gruppe, im Bundesstaat Zentral- und Westäquatoria gingen weiter (AI 29.3.2022). Berichten zufolge wurden 2021 mindestens 21 humanitäre Helfer getötet und 63 verletzt (RW 16.3.2022). Am 1.3.2022 griffen Kämpfer der National Salvation Front (NAS) im Bezirk Yei im Bundesstaat Zentraläquatoria zwei Fahrzeuge von Ärzte ohne Grenzen an, die zu einer mobilen Klinik im Gebiet Minyori unterwegs waren. Das gesamte Eigentum des Personals, Medikamente und Funktelefone wurden aus den Fahrzeugen geplündert und anschließend in Brand gesetzt. Die Mitarbeiter mussten sich zu Fuß in Sicherheit zu bringen. Daraufhin setzte Ärzte ohne Grenzen seine Aktivitäten in Yei aus, bis die Sicherheitslage geklärt war (RW 22.3.2022).

Von Juni bis Oktober 2021 führten lokale Gruppen, die einerseits mit der SSPDF und andererseits mit der SPLA-IO verbunden sind, eine Terrorkampagne gegen die Zivilbevölkerung der Gemeinden Balanda und Azande im Bezirk Tambura durch. Nach Angaben der örtlichen Regierung wurden dabei rund 300 Menschen getötet. Kämpfer beider Seiten töteten Zivilisten, indem sie sie erschossen oder ihnen die Kehle durchschnitten; sie entführten Zivilisten, verstümmelten Leichen, setzten Wohnviertel in Brand und plünderten und zerstörten ziviles Eigentum, Schulen und Gesundheitseinrichtungen (AI 29.3.2022). Nach UN-geprüften Regierungsangaben wurden durch die Kämpfe mehr als 80.000 Menschen vertrieben. Familien wurden auf der Flucht getrennt und einige konnten auch nach Monaten nicht wieder zusammengeführt werden. Den Vertriebenen in den Lagern und Aufnahmegemeinschaften fehlte es an Nahrungsmitteln, Medikamenten und angemessenen Unterkünften (AI 29.3.2022; vgl. HRW 13.1.2022).

Hunderttausende Menschen flüchteten wegen des Konflikts. Humanitäre Hilfe wurde behindert und blockiert. Alle Konfliktparteien verübten schwere Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, einschließlich der wahllosen und gezielten Tötung von Zivilisten, der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindern, sexueller Gewalt und der Zerstörung von Eigentum (AI 29.3.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Mindestens 52 Menschen, darunter auch Kinder, wurden außergerichtlich hingerichtet. Die Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen blieb die Norm und die Regierung versäumte es, den Hybridgerichtshof für den Südsudan (HCSS) einzurichten. Die Sicherheitskräfte gingen weiterhin mit rechtswidriger Überwachung gegen Regierungskritiker vor und nahmen sie in einigen Fällen willkürlich fest und inhaftierten sie. Auf die Aufrufe zu friedlichen Protesten reagierten sie mit einer Welle der Repression. Es wurden Todesurteile verhängt und Hinrichtungen vollstreckt (AI 29.3.2022).

In der Hauptstadt Juba kommt es immer wieder zu nächtlichem Schusswaffengebrauch. In Südsudan bestehen außerhalb der größeren Städte vielerorts Gefahren durch gewaltsam ausgetragene interkommunale Konflikte, marodierende Sicherheitskräfte und Kriminalität (AA 28.4.2022). Am 27.1.2022 wurde in Walgak town, Akobo county, ein NGO-Mitarbeiter außer Dienst bei einem mutmaßlichen Rachemord zwischen Clans erschossen (RW 16.3.2022).

Die Vereinten Nation geben an, dass der Südsudan zu einem der gefährlichsten Einsatzgebieten für humanitäre Helfer geworden ist (HRW 13.1.2022). In anderen Gebieten hielten die Kämpfe zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Sub-Clans an und führten zu mindestens 441 Vorfällen, bei denen es zu Menschenrechtsverletzungen kam, darunter willkürliche Tötungen, Verletzungen, Entführungen, konfliktbedingte sexuelle Gewalt, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Folter und andere Misshandlungen sowie die Plünderung und Zerstörung von Zivileigentum, so die UN (AI 29.3.2022).

Es kam weiterhin zu Angriffen bewaffneter Jugendlicher auf deutlich gekennzeichnete humanitäre Fahrzeuge. Die UN berichteten, dass mindestens fünf humanitäre Helfer getötet und zwei willkürlich festgenommen wurden (AI 29.3.2022).

Die Mission der Vereinten Nationen im Südsudan (UNMISS) dokumentierte Hunderte von Fällen von Tötungen und Verletzungen von Zivilisten, die meisten davon durch gemeindebasierte "Zivilschutzgruppen"(HRW 13.1.2022). Die UNMISS teilte am 25.4.2022 mit, dass zusätzliche Friedenstruppen in den Landkreis Leer entsandt wurden, nachdem es dort zu Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen, Enthauptungen, Brandschatzungen von Zivilisten und Angriffen auf humanitäre Helfer gekommen war. Zwischen dem 17.2. und dem 7.4.2022 wurden etwa 72 Zivilisten getötet, mindestens 11 verletzt und 64 Fälle von sexueller Gewalt registriert (UNNS 25.4.2022).

Auch die humanitäre Situation verschlechtere sich dem Bericht zufolge. So seien im Oktober 2021 103.000 Menschen auf Hilfe angewiesen gewesen, zum jetzigen Zeitpunkt seien es 240.000 Menschen. Aufgrund der vorherrschenden Probleme sprach sich der Bericht für eine sechsmonatige Verlängerung der UNISFA-Mission über den 15.10.2022 hinaus aus (BAMF 25.4.2022).

Laut französischem Außenministerium kann die Gefahr eines terroristischen Angriffs angesichts des regionalen Kontextes nicht völlig ausgeschlossen werden (FD 28.4.2022). Außerdem besteht landesweit Minengefahr (EDA 28.4.2022; vgl. FD 28.4.2022).

1.2.3. Rechtsschutz / Justizwesen

Die Übergangverfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und erkennt auch Gewohnheitsrecht an (USDOS 30.3.2021). Das südsudanesische Justizsystem ist ausgesprochen schwach. Das gesamte Land verfügt nur über rund 180 ausgebildete Richter. Neben dem formellen Gesetz bestehen viele traditionelle Rechtsregelungen sowie ein Case Law britischer Prägung. Vor allem auf dem Land spielen die traditionelle Rechtsprechung der „Chiefs“ und das Gewohnheitsrecht weiter eine wichtige Rolle. Das Justizgesetz von 2008 wiederum sieht die Einrichtung von Gerichten auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene (County) vor; unterhalb der Landesebene existieren aber nur wenige Gerichte; hier dominiert die traditionelle Gerichtsbarkeit der Chiefs, die nach Angaben der Regierung rund 80 Prozent aller Fälle „regeln“. Das R-ARCSS (Revitalized Agreement on the Resolution of the Conflict in South Sudan) sieht die Einführung einer Übergangsgerichtsbarkeit vor. UNMISS unterstützt den Aufbau von mobilen Gerichten (AA 25.3.2021).

Die Regierung ergriff auch noch keine erkennbaren Maßnahmen zur Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission, einer Stelle für Entschädigung und Wiedergutmachung sowie eines mit internationalen und südsudanesischen Richtern besetzten Gerichtshofs (Hybrid-Gericht). Das von der Afrikanischen Union unterstützte Hybrid-Gericht soll zuständig sein für die Untersuchung und strafrechtliche Verfolgung von völkerrechtlichen Verbrechen und anderen gravierenden Menschenrechtsverletzungen, die seit Dezember 2013 begangen worden sind (AI 7.4.2021). Die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding mit der AU (Afrikanischen Union) und die Verabschiedung eines Gesetzes über den Gerichtshof stehen noch aus (HRW 13.1.2021).

Ein eigenes Gesetz sieht vor, dass Verbrechen gegen Zivilisten von zivilen Gerichten verhandelt werden sollen. Dennoch wurden im September 2020 26 Soldaten von einem Kriegsgericht der Armee für Verbrechen verurteilt, darunter Vergewaltigungen, Plünderungen, Tötungen und Schikanen seit dem Ausbruch des Konflikts in der Region Yei im Jahr 2016 (HRW 13.1.2021).

Im Dezember 2019 kündigte der NSS [Geheimdienst] die Einrichtung eines Sondertribunals an, das Prozesse gegen Offiziere wegen Verbrechen gegen den Staat und Übergriffen auf Zivilisten führen soll. Bisher wurde nur ein Offizier wegen der Tötung eines Kollegen vor Gericht gestellt (HRW 13.1.2021).

1.2.4. Sicherheitsbehörden

Das South Sudan National Police Service (SSNPS) untersteht dem Innenministerium und ist für den Vollzug der Gesetze und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung innerhalb des Staates verantwortlich. Die South Sudanese People's Defense Forces (SSPDF) sind für die Sicherheit im ganzen Land zuständig und unterstehen dem Ministerium für Verteidigung und Veteranenangelegenheiten. Das Internal Security Bureau des Nationalen Sicherheitsdienstes (NSS), das dem Ministerium für Nationale Sicherheit untersteht, hat Verhaftungsbefugnisse in Fällen der nationalen Sicherheit, operiert aber weit über seine gesetzlichen Befugnisse hinaus (USDOS 30.3.2021). Die südsudanesische Polizei (SSNPS) besteht mehrheitlich aus früheren Soldaten der Befreiungsarmee SPLA. Die Reform der SSNPS kommt nicht voran. Korruption und Fehlverhalten von Polizisten sind an der Tagesordnung; die Polizisten sind überwiegend Analphabeten (AA 25.3.2021). Zahlreiche irreguläre Kräfte, darunter vom NSS betriebene Milizen, operieren mit offizieller Billigung. Den zivilen Behörden gelingt es nicht, eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aufrechtzuerhalten (USDOS 30.3.2021). Es kommt zu schweren Fälle von Missbrauch und massiven Menschenrechtsverletzungen durch die SSPDF/SPLA. 2020 wurden wiederholt Armeeangehörige von Militärgerichten wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig (AA 25.3.2021). Trotz vereinzelter Beispiele für die Verfolgung dieser Verbrechen war Straflosigkeit weit verbreitet und blieb ein großes Problem (USDOS 30.3.2021).

Die Parteien des Friedensabkommens (2018) hatten es auch versäumt, wichtige Gesetze wie das Gesetz zum NSS von 2014 zu ändern. Die Bemühungen um eine Reform des Sicherheitssektors waren nicht erfolgreich, auch weil der NSS - die am besten ausgerüstete Sicherheitsbehörde des Landes und ein wichtiger Akteur der Repression - aus dem Prozess ausgespart blieb (AI 7.4.2021).

1.2.5. Folter und unmenschliche Behandlung

Das Jahr 2020 war geprägt von Konflikten, Verstößen der Sicherheitskräfte, fest etablierter Straflosigkeit und mangelndem Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit. All dies ist durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie noch verstärkt worden (HRW 13.1.2021).

Die Übergangsverfassung verbietet Folter und unmenschliche Strafen (AA 25.3.2021). In der Praxis schließen Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste Folter (auch mit Todesfolge) ein (AA 25.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Missbräuche durch Sicherheitskräfte kamen im ganzen Land vor. Trotz vereinzelter Fälle von Strafverfolgung für diese Verbrechen blieb Straflosigkeit weit verbreitet und stellt ein großes Problem dar. In Konfliktzonen kam es durch Regierungs- und Oppositionskräfte, bewaffnete Milizen, die mit beiden verbunden sind, und sich bekriegende ethnische Gruppen zu Folter und Misshandlungen (USDOS 30.3.2021). Die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien gingen weiter, insbesondere im Süden. Soldaten begingen schwere Verstöße und Misshandlungen, einschließlich Kriegsverbrechen. Sie töteten Zivilisten, verübten sexuelle Gewalt, plünderten das Hab und Gut von Zivilisten, brannten Dörfer nieder und zerstörten Eigentum und Gebäude. Infolgedessen wurden viele Dörfer unbewohnbar gemacht, es kam zu intern Vertriebenen (AI 7.4.2021).

Der Geheimdienst NSS unterhält eine Einrichtung, wo er Zivilisten festhält, verhört und manchmal foltert, und es gibt auch geheime, inoffizielle Haftzentren. Berichten zufolge starben mehrere Häftlinge an den Folgen von Folter – einschließlich Elektroschocks und Schlägen (USDOS 30.3.2021).

1.2.6. Korruption

In der Übergangsverfassung ist Korruption als strafbare Handlung verankert, jedoch wird dieses Verbot von der Regierung nicht effektiv umgesetzt – Beamte sind weiterhin korrupt und Straffreiheit stellt ein Problem dar. Korruption war in allen staatlichen Bereichen endemisch (USDOS 30.3.2021). Der Südsudan ist ein kleptokratischer Staat, der von einer korrupten, militarisierten Elite regiert wird. Das System aus Korruption, Klientelismus und Patronage, das von den militärischen und politischen Eliten aufgebaut wurde, reicht bis in die Zeit vor der Unabhängigkeit des Landes zurück und ist darauf ausgelegt, Loyalität zu belohnen. Die Aufdeckung von Korruption im Südsudan ist eine unmittelbare, direkte Bedrohung für Präsident Kiir und seine Verbündeten (FDL 3.2021). Diese ausufernde Korruption und Wirtschaftskriminalität, die illegalen Reichtum in wenigen Händen konzentrieren, schüren weiterhin Missstände und treiben Konflikte an (HRC 4.2.2021). Laut Corruption Perceptions Index von Transparency International liegt der Südsudan auf Rang 179 von 180 Ländern (TI 28.1.2021). Die Überarbeitung und Änderung von Gesetzen zur Korruptionsbekämpfung sind noch ausstehend (HRC 4.2.2021).

1.2.7. Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Übergangsverfassung verankert (AA 25.3.2021). 2020 kam es vermehrt zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Subclans. Vor allem im Süden des Landes gab es immer noch vereinzelt Zusammenstöße zwischen den Parteien des bewaffneten Konflikts. Alle Konfliktparteien sind für schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und das humanitäre Völkerrecht verantwortlich. Dazu gehören auch die Tötung von Zivilpersonen, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldaten sowie sexualisierte Gewalt. Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen bleibt die Norm. Die Sicherheitskräfte nehmen nach wie vor tatsächliche und mutmaßliche Gegner der Regierung und andere Kritiker willkürlich fest und inhaftierten sie (AI 7.4.2021; vgl. USDOS 30.3.2021; HRW 13.1.2021). Es kommt weiterhin zu außergerichtlichen Tötungen, Misshandlungen, Entführungen, sexuellen Übergriffen und willkürlichen Verhaftungen von Zivilisten (USDOS 30.3.2021). Abgesehen von einigen Gerichtsverfahren, in denen Fälle sexualisierter Gewalt behandelt wurden, gingen völkerrechtliche Verbrechen auch 2020 straflos aus (AI 7.4.2021).

In der Praxis ist die Pressefreiheit erheblich eingeschränkt. Der Druck auf Journalisten ist erheblich, Selbstzensur ist verbreitet. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wird nur bedingt durch die Übergangsverfassung garantiert (AA 25.3.2021). Weiterhin kommt es zu Inhaftierungen von regierungskritischen Journalisten, Aktivisten und Zivilpersonen (HRW 13.1.2021). Die Geheimdienste halten sie über lange Zeiträume hinweg willkürlich und unter harten Bedingungen, ohne Anklageerhebung oder Aussicht auf einen Prozess in Haft. Es kommt auch zu exzessiver Gewaltanwendung auf unbewaffnete Demonstranten (AI 7.4.2021).

1.2.8. Haftbedingungen

Viele Haftanstalten sind überfüllt und unterfinanziert (AA 25.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021) und die Haftbedingungen sind hart und lebensbedrohlich. Die sanitären Anlagen sind schlecht, und die medizinische Grundversorgung ist mangelhaft. Die Häftlinge erhalten in manchen Gefängnissen nur eine Mahlzeit pro Tag und sind von der Unterstützung durch Familie oder Freunde abhängig (USDOS 30.3.2021). Politische Straftäter werden außerhalb des normalen Strafvollzugs in gesonderten Gebäuden des Nationalen Sicherheitsdienstes untergebracht. Es gibt glaubhafte Berichte über Folter in diesen Gefängnissen. Auch Hausarrest ist üblich. Angehörige der Opposition werden auch ohne Verfahren festgehalten (AA 25.3.2021). Das National Prison Service erlaubt Besuche von unabhängigen Menschenrechtsbeobachtern, einschließlich der Mitarbeiter von UNMISS, NGOs, internationalen Organisationen sowie von Journalisten (USDOS 30.3.2021).

1.2.9. Todesstrafe

Die Todesstrafe wurde im Südsudan bis heute nicht abgeschafft und die entsprechende Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet (AA 25.3.2021). Die Todesstrafe wird nach wie vor ausgesprochen, und Hinrichtungen werden vollstreckt (AI 7.4.2021). 2019 ist von mindestens 13 Hinrichtungen auszugehen, so viele wie nie zuvor in einem Jahr seit der Unabhängigkeit 2011 (AA 25.3.2021).

1.2.10. Religionsfreiheit

Die Religionsfreiheit ist in der Übergangsverfassung Art. 8 (2) garantiert und wird auch in der Praxis geachtet. Dies gilt auch für den Islam. Offizielle Veranstaltungen werden stets mit christlichem und islamischem Gebet eröffnet. Kirchen und Gemeinschaften können frei von staatlicher Repression operieren (AA 25.3.2021). Staat und Kirchen sind nach Art. 8 (1) der Übergangsverfassung getrennt (AA 25.3.2021; vgl. USDOS 30.3.2021). Die Übergangsverfassung verbietet religiöse Diskriminierung und gewährt religiösen Gruppen die Freiheit, Gottesdienste abzuhalten und sich zu versammeln, sich zu organisieren, zu lehren, Eigentum zu besitzen, finanzielle Zuwendungen zu erhalten, zu kommunizieren und Publikationen zu religiösen Themen herauszugeben sowie karitative Einrichtungen zu gründen (USDOS 12.5.2021).

Die Gesamtbevölkerung wird auf 10,5 Millionen geschätzt (Schätzung Mitte 2020). Etwa 60 Prozent der Bevölkerung sind Christen, 33 Prozent Anhänger indigener Religionen und 6 Prozent Muslime. Andere religiöse Gruppen sind der Baha'i-Glaube, Buddhismus, Hinduismus und Judentum. Die massive Vertreibung der Bevölkerung aufgrund des fast zehnjährigen Konflikts sowie eine große Anzahl von Pastoralisten, die regelmäßig innerhalb und zwischen den Ländern wandern, machen es schwierig, die Gesamtbevölkerung und ihre religiöse Demographie genau zu schätzen. Viele derjenigen, die indigenen religiösen Überzeugungen anhängen, leben in abgelegenen Teilen des Landes und kombinieren christliche und indigene Praktiken (USDOS 12.5.2021).

Das Netzwerk religiöser Gruppen bleibt eine wichtige Quelle der Stabilität in einem ansonsten instabilen Land. Ein vielfältiges Netzwerk von katholischen, protestantischen und muslimischen inländischen und internationalen Organisationen bot und bietet Schutz vor den Kämpfen (USDOS 12.5.2021).

1.2.11. Minderheiten

Das Land hat mindestens 60 ethnische Gruppen und eine lange Geschichte interethnischer Konflikte. Ethnische Gruppen werden grob in die Gruppen Nilotisch (Dinka, Nuer und Shilluk), Nilo-Hamitisch und Südwest-Sudanesisch eingeteilt (USDOS 30.3.2021).

Aufgestauter Unmut über wahrgenommene oder tatsächliche Ungleichbehandlung und Verteilung von Ressourcen sowie politische Ausgrenzung tragen zu Konflikten bei (USDOS 30.3.2021). Im ganzen Land haben Auseinandersetzungen, darunter auch Viehdiebstähle, zwischen ethnischen Gruppen, Clans und Subclans zugenommen (AI 7.4.2021) bzw. ereigneten sich diese das ganze Jahr 2020 über. Interethnische Kämpfe führten 2020 zu Menschenrechtsverletzungen (USDOS 31.3.2021). Nach Angaben der UN-Kommission für die Menschenrechte stammen die Waffen von staatlichen Akteuren (AI 7.4.2021). Unsicherheit, Hetz- und Hassreden– und eine diskriminierende Regierungspolitik haben zu einem verstärkten Gefühl einer Stammesidentität geführt, was die interethnischen Unterschiede verschärft (USDOS 30.3.2021). Das sind anhaltende Herausforderungen - auch für den gegenwärtigen Friedensprozess (AA 25.3.2021).

In Berichten des UN-Generalsekretärs hieß es, dass bei bewaffneten Zusammenstößen mindestens 600 Menschen getötet und etwa 450 verletzt wurden. Hunderttausende wurden demnach vertrieben und hatten keinen Zugang zu Unterkünften, Nahrung, Wasser oder Gesundheitsversorgung (AI 7.4.2021).

In Jonglei und in der Greater Pibor Administrative Area (GPAA) intensivierten sich seit Ende Feber 2020 Angriffe und Gegenangriffe zwischen den Lou Nuer, Gawaar Nuer, Dinka Bor und Murle (AA 25.3.2021; vgl. HRW 13.1.2021). Hunderte von Menschen wurden getötet, verletzt und entführt, über 150.000 wurden vertrieben. Im März 2020 wurden bei Kämpfen zwischen Clans in den Lakes-Staaten 41 Menschen getötet und mindestens 60 verletzt. Im Mai 2020 wurden im Bundesstaat Jonglei mindestens 287 Menschen getötet (HRW 13.1.2021); und im Juni 2020 bildete Präsident Kiir ein Komitee unter der Leitung von Vizepräsident James Wani Igga, um die Gewalt zwischen den drei Gemeinschaften in Jonglei (HRW 13.1.2021; vgl. AI 7.4.2021) sowie in der GPAA aufzulösen (AI 7.4.2021).

1.2.12. Bewegungsfreiheit

Die Übergangsverfassung sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen und Rückkehr vor. Die Regierung schränkt diese Rechte jedoch häufig ein – und in der Übergangsverfassung ist die Auswanderung nicht geregelt (USDOS 30.3.2021).

Der Südsudan kontrolliert an seinen Außengrenzen auch die eigenen Staatsangehörigen; in der Regel reichen sogenannte „travel permits“ zum Grenzübertritt an den Landgrenzen aus. Inhaber gültiger Pässe können ohne Einholung weiterer Genehmigungen reisen (AA 25.3.2021).

Im März 2020 verhängte die Regierung eine nächtliche Ausgangssperre und Reisebeschränkungen, verbot gesellschaftliche Versammlungen, da Nachbarländer COVID-19-Fälle bestätigten. Auch Schulen wurden im März geschlossen; öffneten allerdings wieder im Oktober 2020 (AI 7.4.2021). Zwischen März und August 2020, auf dem Höhepunkt der COVID-19-Bewegungseinschränkungen, ging auch die Zahl der humanitären Helfer im Land drastisch zurück (USDOS 30.3.2021).

1.2.13. IDPs und Flüchtlinge

Die Rechte ausländischer Flüchtlinge – rund 300.000, davon 92 Prozent aus dem Sudan – im Südsudan werden nach Auskunft des UNHCR im Wesentlichen geachtet (AA 25.3.2021).

Die Lage der Binnenvertriebenen (IDPs) im Südsudan ist seit 2013 stark angespannt. Fast 4 Millionen Menschen sind nach wie vor Vertriebene, und seit Beginn des Konflikts waren mindestens 1,9 Millionen Südsudanesen innerhalb des eigenen Lands auf der Flucht. Im September 2020 gab es mehr als 1,6 Millionen durch den Konflikt und die unsichere Ernährungslage verursachte IDPs. Von diesen waren mehr als 180.000 Personen in UNMISS PoC-Lagern (Protection of Civilians) untergebracht. Die zunehmende Gewalt und Ernährungsunsicherheit zwang die Hilfsorganisationen, Pläne für die sichere Rückkehr und Umsiedlung von IDPs zu verschieben (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 25.3.2021). Dazu wurden u. a. Vereinbarungen mit der südsudanesischen Polizei getroffen (AA 25.3.2021). Im September 2020 begann die UN-Friedensmission (UNMISS) mit dem Rückzug aus drei ihrer Standorte zum Schutz der Zivilbevölkerung [PoC], in denen mehr als 40.000 Menschen untergebracht sind, die seit Beginn des Konflikts im Jahr 2013 vertrieben wurden (AI 7.4.2021).

Nach Angaben der UN wurden im Laufe des Jahres 2020 durch den bewaffneten Konflikt über 38.100 Zivilisten vertrieben, von denen mindestens 17.000 in Nachbarstaaten flohen. Hunderte von Menschen, die versuchten, in Uganda Zuflucht zu finden, saßen in behelfsmäßigen Lagern nahe der Grenze fest und hatten keinen Zugang zu Nahrungsmitteln, angemessenen Unterkünften, medizinischer Versorgung und sauberem Wasser. Der Ausbruch von COVID-19 hatte Uganda dazu veranlasst, seine Grenzen zwischen dem 20. März und dem 1. Oktober 2020 zu schließen. Nach Angaben der UN kehrten fast 110.000 Flüchtlinge in den Südsudan zurück (AI 7.4.2021).

1.2.14. Grundversorgung und Wirtschaft

Der Südsudan belegt auf dem aktuellen Index der menschlichen Entwicklung der Vereinten Nationen (HDI) Platz 186 von 189 bewerteten Ländern. Ungefähr drei Viertel der Bevölkerung haben keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung. Mehr als 70 Prozent der Erwachsenen gelten als Analphabeten, nur wenige schulpflichtige Kinder erhalten Unterricht (BMZ 2021a). Durch die Behinderung von humanitärer Hilfe, den andauernden Massenvertreibungen, den bewaffneten Konflikten und der anhaltenden Wirtschaftskrise sind in vielen Regionen des Landes Hungersnöte ausgerufen worden. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist allenfalls rudimentär gewährleistet (AA 25.3.2021).

Dabei ist der Südsudan reich an natürlichen Ressourcen (Erdöl, Gold, Diamanten, Silber, verschiedene Erze, Wasserressourcen, Edelhölzer, fruchtbares Ackerland und zahlreiche Wildtierarten). Fehlende staatliche Strukturen, politische Instabilität und massive Misswirtschaft verhindern jedoch, dass sie zum Wohl der Bevölkerung genutzt werden (BMZ 2021b).

Die Wirtschaft Südsudans ist in erheblichem Maße vom Erdölsektor abhängig. Auf ihn entfallen mehr als die Hälfte des BIP, 95 Prozent der Exporte und etwa 90 Prozent der Staatseinnahmen. Die reduzierte Ölförderung, der gesunkene Ölpreis sowie eine stark ansteigende Inflation haben die wirtschaftliche Situation im Land während des Bürgerkrieges in hohem Maße weiter verschlechtert. Eine nationale Privatwirtschaft konnte in dem politisch ungewissen Umfeld noch nicht aufgebaut werden. Fast alle Produkte werden über die Nachbarstaaten Uganda, Kenia und Sudan eingeführt (BMZ 2021b).

Eine Infrastruktur ist im Südsudan praktisch nicht vorhanden. In den Bereichen Energieversorgung, Wasser/Abwasser, Telekommunikation und Verkehr ist das Land kaum erschlossen. Aufgrund des wenig ausgebauten Verkehrssystems sind manche Gebiete während der Regenzeit oft über mehrere Monate vom Rest des Landes abgeschnitten. Ein Großteil der südsudanesischen Bevölkerung lebt von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Der Krieg hat jedoch die Existenzgrundlagen von Millionen Menschen zerstört (BMZ 2021a).

Das Land steht vor enormen strukturellen Herausforderungen, wie einer desolaten (Verkehrs-)Infrastruktur, einem sehr niedrigen Bildungsniveau, einem fast vollständigen Mangel an staatlichen Institutionen sowie völlig unzureichenden Grundversorgungsleistungen - insbesondere in den Bereichen Wasser, sanitäre Einrichtungen und Gesundheit. Bis auf die höchste Ebene grassiert Korruption. Die wirtschaftliche Situation wird noch dadurch verschärft, dass die Regierung ihre Einnahmen vorwiegend in Waffen und militärische Ausrüstung investiert. Obwohl bisher weniger als hundert Fälle bestätigt wurden, belastet COVID-19 die bereits sehr angespannte humanitäre Situation und erschwert die Hilfeleistungen (bpb.de 9.2.2021).

Laut im Dezember 2020 veröffentlichtem IPC-Report haben bis Mitte 2021 rund 7,24 Millionen Menschen (60 Prozent der Bevölkerung) Bedarf an humanitärer Unterstützung. In einigen Gebieten herrscht die schlechteste IPC-Kategorie 5 [Hungersnot]. Das Land leidet weiterhin unter extremster Unsicherheit bei der Nahrungsmittelversorgung. Rund 6,4 Millionen Menschen gelten als mangelversorgt und unterernährt. Die seit Mitte 2019 anhaltenden, außergewöhnlich intensiven Regenfälle haben zu Überflutungen in weiten Teilen des Landes geführt und die humanitäre Lage von rund einer Millionen Menschen weiter verschlimmert. Der Regen hat mittel- und langfristig negative Auswirkungen auf die humanitäre Lage u. a. durch Ernteverluste und Zerstörung von Anbauflächen (AA 25.3.2021).

Mehr als 80 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze und somit von weniger als umgerechnet 1,90 US-Doller pro Tag (BMZ 2021a; vgl. BMZ 2021b). Mehr als 50 Prozent der Bevölkerung leiden unter Nahrungsmangel und ein Großteil ist abhängig von humanitärer Hilfe (BMZ 2021a).

Laut UNICEF sind rund 1,4 Millionen Kinder von Unterernährung bedroht. Nach aktuellen Schätzungen geht es um ca. 8,3 Millionen Menschen, die 2021 auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden - seit der Unabhängigkeit 2011 ist das der Höchststand (SZ 12.4.2021).

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) warnt vor einer umgreifenden Lebensmittelunsicherheit für einen großen Teil der Bevölkerung im Südsudan. Aufgrund anhaltender Konflikte, Klimakatastrophen, der COVID-19-Pandemie, sowie steigender Preise haben viele Menschen ihre Lebensgrundlage verloren. Ackerland und Ernten sind zerstört. Insgesamt sind 70 % der Bevölkerung direkt von einer Hungersnot in der alljährlichen Dürreperiode bedroht. Demnach werden zum Höhepunkt der Saison die Lebensmittel und Lagerbestände nicht ausreichen, um eine entsprechende Versorgung sicherzustellen. Der WFP selbst kann nur einen Teil der Bedürftigsten mit dem zum Überleben Nötigsten versorgen (BAMF 14.3.2022). Extrem anhaltende Überschwemmungen betrafen nach Angaben der Vereinten Nationen acht von zehn Staaten, wodurch sich die humanitäre Krise verschärfte (AI 29.3.2022).

1.2.15. Medizinische Versorgung

Im Südsudan versagt das Gesundheitssystem und die Versorgung ist eingeschränkt. Das Gleiche gilt für den Zugang zu Behandlungen und pharmazeutischen Produkten (FD 7.7.2021). Die medizinische Versorgung im Lande, auch in Juba ist mit der in Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch ungenügend. Durch den langjährigen Bürgerkrieg sind weiterhin große Teile der medizinischen Infrastruktur zerstört (AA 7.7.2021). Die medizinische Versorgung ist vor allem auf dem Land äußerst schwach (AA 25.3.2021). Die Müttersterblichkeitsrate gehört zu den höchsten der Welt, u. a. zurückzuführen auf einen Mangel an medizinischem Personal, Einrichtungen und Versorgung (CIA 7.7.2021). Darunter leiden besonders Frauen und Neugeborene. Bisher hängt die medizinische Grundversorgung im Südsudan in erster Linie vom Einsatz der internationalen Gemeinschaft ab. Dies gilt insbesondere für die von Konflikten betroffenen Gebiete. In größeren Städten gibt es Krankenhäuser und Apotheken. Viele wohlhabende Südsudanesen und im Südsudan lebende Ausländer reisen zur medizinischen Behandlung nach Nairobi (Kenia) (AA 25.3.2021).

Der Zugang zu psychosozialen Diensten ist stark eingeschränkt und die Gesundheitsdienstleister sind nicht in der Lage den weit verbreiteten Bedarf zu decken. Im ganzen Land gibt es nur drei Psychiater. Das Juba Teaching Hospital ist die einzige öffentliche medizinische Einrichtung mit einer stationären psychiatrischen Versorgung. Psychopharmaka sind sowohl sporadisch bzw. nur begrenzt verfügbar (AI 29.3.2022).

1.2.16. Rückkehr

Die Regierung bemüht sich um eine dauerhafte Lösung und nimmt Rückkehrer und Flüchtlinge zur Wiedereingliederung auf. Es wurde versucht einen Rahmen für die Integration und Wiedereingliederung in lokale Gemeinden zu entwickeln. Es gibt keine gesonderten Prozeduren zur Beschaffung von Dokumenten für Rückkehrer oder zur Einbürgerung von Flüchtlingen abgesehen von jenen, die allen Bürgern zur Verfügung stehen (USDOS 30.3.2021). Fälle, in denen Rückkehrer deswegen misshandelt wurden, sind nicht bekannt. Über etwaige Probleme oder Schikanen gegen aus dem Sudan zurückkehrende Südsudanesen in den Südsudan ist ebenfalls nichts bekannt. Die Regierungen des Sudan und des Südsudan führen seit Oktober 2020 aktive Gespräche über die Modalitäten freiwilliger Rückkehr von Flüchtlingen in beiden Richtungen. Dazu gab es in Genf auch Gespräche mit dem UNHCR. In der Bevölkerung gibt es mitunter Vorbehalte gegen Rückkehrer, die sich während des Bürgerkriegs „im sicheren Ausland“ oder gar „beim Feind“ (Sudan) aufgehalten haben. Damit im Zusammenhang stehende Übergriffe sind jedoch nicht bekannt (AA 25.3.2021).

Die Regierung nimmt Flüchtlinge und Rückkehrer zur Wiedereingliederung auf. Es gibt keine nationalen Verfahren zur Erleichterung der Ausstellung von Ausweispapieren für Rückkehrer oder zur Einbürgerung von Flüchtlingen, die über die Verfahren hinausgehen, die für alle Bürger und andere Antragsteller gelten (USDOS 12.4.2022).

1.2.17. Quellen

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.3.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Südsudan (Stand: Dezember 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2050124/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_S%C3%Bcdsudan_%28Stand_Dezember_2020%29%2C_25.03.2021.pdf, Zugriff 6.5.2021

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.4.2022): Südsudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/suedsudan-node/suedsudansicherheit/244250, Zugriff 28.4.2022

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.7.2021): Südsudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung und COVID-19-bedingte Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/suedsudan-node/suedsudansicherheit/244250, Zugriff 7.7.2021

AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; South Sudan 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070263.html, Zugriff 28.4.2022

AI - Amnesty International (7.4.2021): Südsudan 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048821.html, Zugriff 26.5.2021

AN - Africa News (27.6.2021): Sudan peace talks stumble over division of powers with Khartoum, https://www.africanews.com/2021/06/27/sudan-peace-talks-stumble-over-division-of-powers-with-khartoum/, Zugriff 12.7.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (25.4.2022): Briefing Notes, Südsudan: Formierung einer gemeinsamen Armee und geplante Wahlen im Februar 2023, Quelle liegt in der Staatendokumentation auf

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.5.2021): Briefing Notes, Südsudan: Präsident löst Parlament auf, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw19-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 9.7.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (14.3.2022): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw11-2022.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 28.4.2022

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.5.2021): Briefing Notes, Südsudan: Präsident Kiir beschließt neues Parlament, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw20-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2, Zugriff 9.7.2021

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (21.6.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw25-2021.pdf?__blob=publicationFile amp;v=2 , Zugriff 9.7.2021

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.4.2022):Briefing Notes, Südsudan: Verständigung zwischen Präsident Kiir und Vizepräsident Machar, , Quelle liegt in der Staatendokumentation auf

BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (28.4.2022): Südsudan (Republik Südsudan), Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/suedsudan/, Zugriff 28.4.2022

BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich](7.7.2021): Südsudan (Republik Südsudan), Aktuelle Hinweise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/suedsudan/, Zugriff 7.7.2021

BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit [Deutschland] (2021a): Soziale Situation, Bevölkerung in Not, https://www.bmz.de/de/laender/suedsudan/soziale-situation-15714, Zugriff 12.7.2021

BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit [Deutschland] (2021b): Wirtschaftliche Situation, Instabilität verhindert Entwicklung, https://www.bmz.de/de/laender/suedsudan/wirtschaftliche-situation-15720, Zugriff 12.7.2021

bpb.de - Bundeszentrale für politische Bildung (9.2.2021): Südsudan, https://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/228561/suedsudan#footnode1-1, Zugriff 9.7.2021

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EDA - Schweizerische Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (7.7.2021): Reisehinweise für den Südsudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/suedsudan/reisehinweise-fuerdensuedsudan.html, Zugriff 7.7.2021

FD - France Diplomatie [France] (28.4.2022): Conseils aux Voyageurs, Soudan du Sud, Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/soudan-du-sud/#securite, Zugriff 28.4.2022

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FLD - Front Line Defenders (3.2021): No Refuge: South Sudan's Targeting of Refugee HRDs Outside the Country, https://www.frontlinedefenders.org/sites/default/files/no_refuge_-_final.pdf, Zugriff 25.5.2021

HRC - UN Human Rights Council (4.3.2021): Report of the Commission on Human Rights in South Sudan [A/HRC/46/53], https://www.ecoi.net/en/file/local/2046934/A_HRC_46_53_E.pdf, Zugriff 26.5.2021

HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - South Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043727.html, Zugriff 6.5.2021

HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - South Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2066494.html, Zugriff 28.4.2022

Reuters (9.7.2021): Africa: Ten years on, South Sudan's leaders say peace is way forward, https://www.reuters.com/world/africa/independence-day-south-sudans-kiir-pledges-no-more-war-pope-says-will-visit-2021-07-09/, zugriff 12.7.2021

RW - ReliefWeb (16.3.2022): Aid in Danger Bi-Monthly News Brief 26 January - 08 February 2022, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/26-January-8-February-2022-Aid-in-Danger-Bi-Monthly-News-Brief.pdf, Zugriff 28.4.2022

RW - ReliefWeb (22.3.2022): Attacks on Health Care Bi-Monthly News Brief: 23 February - 08 March 2022,https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/23-February-09-March-2022-Attacks-on-Health-Care-Bi-Monthly-News-Brief.pdf, Zugriff 28.4.2022

SZ - Süddeutsche Zeitung (12.4.2021): Südsudan: "Die Widerstandskraft der Bevölkerung bröckelt", https://www.sueddeutsche.de/politik/suedsudan-unicef-hungersnot-coronakrise-1.5260396, Zugriff 26.5.2021

TI - Transparency International (28.1.2021): Corruption Perceptions Index - South Sudan, https://www.transparency.org/en/countries/south-sudan, 25.5.2021

UNNS - UN News Service in All Africa (25.4.2022): South Sudan: UN Condemns 'Horrific' Surge of Violence in South Sudan, https://allafrica.com/search/advanced.html?q=south+sudan g=all p= c= st=3 di=1 sd=19961017 ed=20220428 submit=Search, Zugriff 28.4.2022

USDOS - US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: South Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051708.html, Zugriff 26.5.2021

USDOS - US Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: South Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2048131.html, Zugriff 26.5.2021

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Tagesaktuelle Auskünfte aus dem zentralen Melderegister (ZMR), dem AJ-WEB, dem Strafregister und dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister (IZR) wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.

Mangels vorgelegter unbedenklicher Dokumente kann die Identität des BF nicht festgestellt werden.

Die festgestellten allgemeinen Details zur Person basieren auf den unbestrittenen Feststellungen des Behördenverfahrens und den diesbezüglich gleichlautenden und schlüssigen Äußerungen des BF in Erstbefragung, zwei niederschriftlichen Einvernahmen [AS 3 ff, 43 ff, 139 ff] sowie der mündlichen Verhandlung am 10.06.2025 in Verbindung mit dem im Zuge dessen persönlich gewonnen Eindruck durch das Bundesverwaltungsgericht.

Der Bescheid der belangten Behörde ist aktenkundig [AS 185 ff].

Da der BF Fragen zum Herkunftsstaat überwiegend korrekt beantworten konnte, geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass er tatsächlich aus dem Südsudan stammt.

Die verschiedenen Fluchtvorbringen des BF finden teilweise Deckung in den Länderinformationen. Es kommt regelmäßig zu Folter, anderen Menschenrechtsverletzungen und Konflikten zwischen den Angehörigen verschiedener Volksgruppen. Diskriminierungen im Zusammenhang mit der Konfession finden sich in den Berichten nicht (vgl. Punkt 1.2.10.).

Der BF habe sich ab Ende 2021 zwei bis drei Monate im Sudan, zirka zwanzig Tage in Ägypten, fünf bis sechs Monate in Libyen, vier bis fünf Monate in der Türkei, fünf Tage in Bulgarien, zwei Monate in Serbien und eine Woche in Ungarn aufgehalten, bevor er am 24.06.2023 gemeinsam mit seinem Cousin österreichischen Boden betreten hat. Diesen habe er in Serbien getroffen [Verhandlungsschrift S 13].

Dieser Cousin sei nach einem halben Jahr Inhaftierung in XXXX im Oktober 2021 aus dem Fenster des Gefängnisses gesprungen und geflohen. Dort sei auch der BF festgehalten worden, sie hätten sich dann in der Türkei gefunden. Im Sudan sei er sechs Monate, in der Türkei acht Monate, in Bulgarien eineinhalb Monate, in Serbien drei Monate und in Ungarn drei Wochen gewesen (vgl. I415 2309420-1).

Unklar ist, ob sich die beiden in Serbien oder der Türkei getroffen haben und weswegen die – spätestens ab Serbien gemeinsam gereisten und am selben Tag in Österreich angekommenen – Antragsteller für diese Distanz unterschiedlich lange Zeiträume angeben.

2.1. Zur dreitägigen Inhaftierung des BF:

Die persönliche Unglaubwürdigkeit des BF indiziert bereits der Umstand, dass er zur Untermauerung seiner Fluchterzählung ein Lichtbild in geringer Auflösung vorlegte [AS 101], welches ihn im Jahr „2018 vor dem Gefängnis“, dem „Nationalsecurity Prison in XXXX“ zeige, „Ein Freund“ sei in der Nähe gewesen, habe „Tee getrunken“ und „dieses Foto gemacht“ [AS 163]. Wie die belangte Behörde zutreffend würdigte [AS 224], kann dieses Bild nicht im Jahr 2018 entstanden sein, da bereits die angebliche Nachricht vom 15.11.2017 [AS 105] darauf Bezug nimmt (vgl. Punkt 2.3.).

Die Ergänzung in der Beschwerdeschrift, es müsse zu einem Missverständnis gekommen sein, da sich diese Inhaftierung bereits 2017 ereignet habe [AS 267 f], erweist sich nicht als glaubhaft, zumal der BF auch im Zuge der Röntgenuntersuchung das Jahr 2018 nannte (vgl. Punkt 2.2.) und Schwierigkeiten mit Zahlen nicht anzunehmen sind – der BF verfüge über sehr gute Vorkenntnisse in Mathematik [OZ 5, Beilage B].

Es trifft zu, dass dieses Bild im Südsudan aufgenommen wurde, allerdings entstand es, wie eine Recherche des Bundesverwaltungsgerichts ergeben hat, bereits im Jahr 2015 – als der BF noch keine „Probleme“ gehabt habe [Verhandlungsschrift S 7] – und ist der Urheber ein Journalist der französischen Nachrichtenagentur AFP:

Quelle: South Sudan warlord will allow abducted child soldiers to sit exams, UN envoy Gordon Brown says - ABC News (Zugriff 10.07.2025).

Der erkennende Richter ist folglich der Überzeugung, dass der BF versucht hat, die belangte Behörde zu täuschen. Es ist nicht glaubhaft, dass der BF für drei Tage inhaftiert wurde, da kein vernünftiger Grund erdenklich ist, eine wahre Begebenheit mit falschen Bescheinigungsmitteln zu stützen. Vor diesem Hintergrund sind gleichsam die vorgelegten Kurznachrichten zu würdigen (vgl. Punkt 2.3.).

2.2. Zur Fraktur und zur Folter des BF:

Der BF legte einen Röntgenbefund vom 27.10.2023 vor, welcher einen symmetrischen regulären Befund der Handgelenke beschreibt und anamnestisch, also vom Patienten stammend, eine Fraktur des linken Radius (daumenseitiger Unterarmknochen) im Jahr 2018 wiedergibt [AS 121].

Der BF sei 2017 nach Ende des Kampfgeschehens von Regierungsmitgliedern zu Hause aufgesucht und für drei Tage festgenommen worden. Man habe ihm verboten, zu Jugendtreffen zu gehen. Eines Tages sei er auf einem Fußballplatz von Sicherheitsbehörden gefoltert worden, sie hätten ihm sein Handgelenk gebrochen [AS 63]. Die Sicherheitsbehörden seien zu ihm nach Hause gekommen, hätten ihn bedroht und ihm die Hand gebrochen [AS 65].

Zum Beweis der ursprünglichen Version legte der BF einen auf 03.01.2018 datierten Befund der Universitätsklinik XXXX vor [AS 103 f]. Es beschreibt einige intravenöse Applikationen („IV“) und offenbar einen akuten Bruch des linken Oberarms („broke from the upper left arm“), zudem scheint es das Vorbringen des BF zu untermauern: „patient was tortured by NIS (national security) at football field“.

Einem medizinischen Laien kann naturgemäß nicht zugemutet werden, den konkret von einer Fraktur betroffenen Knochen zu benennen, selbiges gilt für Dolmetscher im Asylverfahren. Das vorgelegte Bild, welches einen medizinischen Befund zeigen soll, spricht jedoch mehrmals und unmissverständlich vom linken Oberarm. Dennoch kann nicht nachvollzogen werden, weswegen der BF einen einzigen Bruch an drei verschiedenen Stellen behauptet und dazu variabel angibt, dieser sei ihm in zeitlicher Nähe zu einer (fraglichen, vgl. Punkt 2.1.) Inhaftierung bei ihm zuhause [AS 65] oder doch auf einem Fußballplatz [AS 63, 104, 258, Verhandlungsschrift S 7 f] zugefügt worden.

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass sich der BF zweieinhalb Monate zuvor noch im Bundesstaat XXXX aufgehalten hat (vgl. Punkt 2.4.). Ein Bescheinigungsmittel, welches seine medizinische Behandlung in XXXX belegen soll, ist daher völlig unglaubhaft, zumal der BF auf Nachfrage meinte „Ich bin nicht in das öffentliche Krankenhaus gegangen, sondern in eine Klinik in XXXX “ [AS 155], obwohl der „Befund“ ein „ XXXX Medical Centre“ der „University of XXXX “ ausweist [AS 103].

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der BF nicht gefoltert worden ist.

2.3. Zu Drohnachrichten der „National Security“ an den BF:

Die als „Nachrichten der Polizei“ titulierten Bilder sollen die gesamte Fluchterzählung des BF belegen, insbesondere die fortgesetzte Verfolgung, die Festnahme, einen gebrochenen Arm, das Verbot die Kirche oder Jugendtreffen zu besuchen, die seiner Gattin unterstellte oppositionelle Gesinnung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit und den Umstand, die Daten des BF seien „in den Systemen und Datenbanken“ gespeichert.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, sind diese Bildschirmaufnahmen dazu nicht geeignet – vielmehr belasten sie die persönliche Glaubwürdigkeit des BF weiter. Schon für sich betrachtet erscheint implausibel, staatliche Verfolger würden Straftaten eingestehen und damit sämtliche Fluchtgründe des BF bestätigen.

Trachteten sie diesem tatsächlich, wie als Rückkehrbefürchtung geäußert [AS 15, 69, 163, Verhandlungsschrift S 11] nach dem Leben, könnten regelmäßige Warnungen dieses Ziel vereiteln und hat es sich auch bei monatlichen Besuchen [AS 63] nicht verwirklicht. Vermeint der BF dazu in der Beschwerdeschrift, die Sicherheitsbehörden hätten „nie geplant“ ihn „für längere Zeit zu inhaftieren“, sondern wollten „Druck ausüben“ [AS 266], wirft das die Frage auf, wozu sie den BF bewegen wollten.

Die initiale Andeutung, staatliche Sicherheitskräfte würden jahrelang nach dem angeblich bereits 2017 beendeten Kampfeinsatz vergeblich einen ihrer Soldaten suchen [AS 15, 57, 63 f], während sie den BF selbst im ganzen Land fänden [AS 15, 61, 69, 151, 163] und sich auch dessen Gattin nicht frei bewegen könne [AS 69, Verhandlungsschrift S 12], ist nicht glaubhaft.

Beschreibt der BF den Kontakt mit seiner Frau „(…) jemand der in XXXX lebt“ fahre nach XXXX , so bekomme er von seiner Frau Nachrichten [AS 57, Verhandlungsschrift S 12], widerspricht dies der Darstellung, seine Gattin habe ihm die Nachrichten (von seinem alten, bei ihr verbliebenen [AS 49] Mobiltelefon) übermittelt – niemand müsste sie zu Kommunikationszwecken aufsuchen. Seine Erklärung, dieses Telefon sei überwacht worden [Verhandlungsschrift S 12], ist nicht glaubhaft, da dieser Umstand der Übermittlung von Bescheinigungsmitteln nicht entgegenstand.

Die Beweiskraft dieser Nachrichten ist im Übrigen vom unter Punkt 2.1. abgehandelten Täuschungsversuch des BF belastet. Wenn das Bild von der Festnahme weder den BF betrifft noch 2018 aufgenommen worden sein kann, wird auch einem diese Inhaftierung bestätigenden Nachrichtenkonvolut kein Glauben geschenkt.

2.4. Zum Aufenthaltsort des BF zwischen 2005 und 2018:

Aufgrund gehäufter Widersprüche konnten zum Aufenthaltsort und den Ortsveränderungen des BF keine Feststellungen getroffen werden.

Im Jahr 2005 seien sudanesische Truppen in Kongor einmarschiert und hätten die Rebellen vertrieben, weswegen der BF mit seiner Mutter und seinem Großvater nach Kenia geflohen sei [AS 151]. Andererseits endete der zweite sudanesische Bürgerkrieg nach über zwanzig Jahren mit Unterzeichnung des Friedensvertrages („comprehensive peace agreement“, CPA) am 09.01.2005 in Kongor (vgl. Comprehensive Peace Agreement - Wikipedia, Second Sudanese Civil War - Wikipedia, Zugriff am 10.07.2025). Aufgrund der dürftigen Berichtslage kann ein Verstoß gegen diese Vereinbarung jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Nicht nachvollzogen werden kann, weswegen der BF 2005 in das 777 Kilometer entfernte Lager Kenias floh, ihm dieses sieben Jahre später vom näher gelegenen behaupteten Aufenthaltsort „zu weit“ entfernt [AS 149] gewesen sein soll – die Strecke beträgt 475 Kilometer:

Quelle: Google Maps, Zugriff am 10.07.2025

Der BF konnte zu seinem Geburtsort, welchen er (nur) bis zum Alter von sieben Jahren bewohnt haben will, präzise Auskünfte erteilen. Er vermochte etwa, historische Details sowie benachbarte Städte im Norden und Süden zu benennen [AS 153]. Dagegen führte er befragt zu Sehenswürdigkeiten in XXXX , wo er zwischen 2012 und 2018 beziehungsweise 2021 (vgl. Punkt 2.5.) gelebt habe, lediglich das „heiße Wetter“ und eine „lange Brücke“ an [AS 155].

Hätte der BF tatsächlich bis zu seiner Ausreise in XXXX gelebt, wären spezifischere Informationen zu erwarten gewesen, etwa – vor allem als Sohn eines Soldaten – Kämpfe mit hunderten Toten im Juli 2016 (vgl. XXXX | DIE ZEIT, Zugriff am 10.07.2025). Diese erwähnte er mit keinem Wort.

Der BF schätzte befragt zu seiner Heirat, Kongor sei von XXXX „ungefähr 95 Kilometer“ entfernt [AS 153], tatsächlich sind es 326 Kilometer:

Quelle: Google Maps, Zugriff am 10.07.2025

Diese Strecke will der BF anlässlich seiner Hochzeit am 03.01.2012 zurückgelegt haben. Zwischen XXXX und Bor gebe es eine Straße, zwischen Bor und Kongor „nur Busch“, weswegen sie – auf Nachfrage vor dem BFA – unter Verwendung von Autos der Polizei und der Armee durch den Dschungel gefahren seien [AS 153].

Es ist völlig unglaubhaft, der im Jahr 2012 behauptetermaßen noch in Kenia befindliche [AS 51, 145, Verhandlungsschrift S 5] BF habe unmittelbar nach Rückkehr aus einem Lager, welches er mit seiner Mutter und seinem Großvater bewohnt habe, binnen zweier Tage eine (wenngleich vom im Südsudan verbliebenen Vater arrangierte [Verhandlungsschrift S 4]) Gemahlin gefunden und mit ihr zum Zwecke der Eheschließung eine derart beschwerliche Reise auf sich genommen – eine Hochzeit wäre auch am angegebenen Wohnort des BF möglich gewesen.

Vermeint der BF davon abweichend, dieses Zertifikat sei von ihm „zur Regierungsstelle gebracht und dort (…) gestempelt“ worden [AS 53] beziehungsweise auf neuerlichen Vorhalt „im Dorf ausgestellt“ und von ihm „ins Büro für auswärtige Angelegenheiten gebracht (worden), wo sie abgestempelt wurde“ [Verhandlungsschrift S 10], ist festzuhalten, dass der BF vor der belangten Behörde zu Kongor befragt erklärt hat, „Ich bin nur eine Woche dort gewesen, das war als ich geheiratet habe“ [AS 153], das Zertifikat eine Hochzeit im Bundesstaat XXXX bescheinigt und in der Stampiglie das Jahr 2021 (vermutlich der 13.01.) eingetragen wurde [AS 117]. Zu dieser Zeit habe sich der BF bereits in einem anderen Bundesstaat versteckt halten müssen.

Die (Bundes-)Staaten des Südsudans sind in Distrikte (Counties) untergliedert, deren Untereinheiten heißen „Payam“, deren kleinste administrative Einheit nennt man „Boma“.

Das Foto einer „Geburtsurkunde“ (wohl eine Kindergesundheitskarte) des zweitjüngsten Sohnes nennt als Geburtsdatum den 20.12.2018 [AS 107]. Es stamme aus einer Klinik, welche über 200 Kilometer von XXXX entfernt ist und nennt als Anschrift den Bundesstaat Jonglei, den Distrikt XXXX (south) und sowohl das Payam als auch die Boma XXXX .

Der zweiten „Geburtsurkunde“ der am 15.01.2017 geborenen Tochter zufolge sei diese im selben Krankenhaus zur Welt gekommen wie der zweitjüngste Sohn. Zum Wohnsitz des BF ist darin der Bundesstaat Jonglei, der Distrikt XXXX , das Payam XXXX und die Boma XXXX angeführt, für seine Gattin der Distrikt Duk, das Payam XXXX und die Boma XXXX [AS 109]. Selbige Wohnadressen finden sich in der „Geburtsurkunde“ der am 13.11.2012 geborenen ältesten [AS 111] und zweitältesten [AS 113] Sohnes mit Geburtsdatum 31.03.2015. Festgehalten wird, dass diese drei Geburtsurkunden am 19.10.2017 ausgestellt worden sind, weswegen davon auszugehen ist, dass es sich bei den angegebenen Regionen um den tatsächlichen Wohnort des BF zum Ausstellungszeitpunkt handelt.

Auch das auf 03.01.2012 datierte „traditional marriage certificate“ ordnet den BF dem Distrikt XXXX zu [AS 117]. Das „age assessment certificate“ mit Datum vom 21.02.2017 sei in XXXX ausgestellt worden [AS 119] – zu dieser Zeit will der BF in einem Hotel in XXXX gearbeitet haben [AS 147, Verhandlungsschrift S 5].

Vermeint der BF, drei seiner Kinder wären in XXXX geboren (davon nur der erste Sohn in einem Krankenhaus) und zwei in XXXX [AS 155], widerspricht auch dies den vorgelegten Bescheinigungsmitteln.

Mit Ausnahme eines medizinischen Briefes (vgl. Punkt 2.2.) geht aus keinem Dokument ein Aufenthalt im Bundesstaat Central Equatoria hervor, hingegen bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Bundesstaat Jonglei.

2.5. Zum Aufenthaltsort des BF zwischen 2018 und 2021:

Erstbefragt gab der BF seine Wohnsitzadresse im Dorf XXXX an [AS 9], dies hielt er auch in ersten, über dreistündigen Niederschrift aufrecht: „2012 sind wir von Kenia zurück in den Südsudan in XXXX gelebt. In XXXX lebte ich bis zu meiner Ausreise“ [AS 51]. Im Oktober 2021 habe er seinen Heimatort XXXX verlassen [AS 61 f]. Aufgrund der Vorfälle 2018 (beziehungsweise 2017) sei er „aus der Stadt (…) nach XXXX gezogen“ [AS 63].

„Nach ihrer Rückkehr lebte die bP bis zu ihrer Flucht im Jahr 2021 in XXXX “ [AS 258].

Auch in der zweiten, über dreistündigen Niederschrift erklärte der BF, er habe sich in XXXX befunden, als die Sicherheitsbehörden nach ihm gesucht hätten, dann habe er sich über XXXX , XXXX , XXXX und XXXX zu Fuß nach XXXX in den Sudan begeben, dies habe sieben Tage gedauert [AS 151]. Bereits der zeitliche Abstand von mindestens drei Jahren zwischen Ereignis und „Flucht“ ist nicht glaubhaft.

Der kürzeste Weg – die Luftlinie – zwischen angeblichem Aufenthaltsort und XXXX entspricht einer Strecke von 1.200 Kilometern:

Quelle: Google Maps, Zugriff am 10.07.2025.

Der Fluss, an welchem der BF entlang gegangen sein will, verläuft nicht gerade, weswegen eine Strecke von rund 1.500 Kilometern angenommen wird. Hätte der BF diesen Weg tatsächlich binnen sieben Tagen (abzüglich einer Nacht in Haft [AS 61]) und nur in den Nachtstunden [AS 61, 63] zurückgelegt, hätte er bei (großzügig) angenommenen 60 Gehstunden durchschnittlich 25 Stundenkilometer schnell laufen müssen, was unmöglich ist.

Vermeint der BF dazu in der Beschwerdeschrift, „die Flucht nach XXXX “ habe „sehr lange“ gedauert, weil er „manchmal wochenlang an einem Ort blieb“, bis er – entgegen bisheriger Angaben – unter Inanspruchnahme von Transportmitteln (Fischerbooten) nach XXXX gelangt sei [AS 268], ist dies weder aufgrund des späten Vorbringens glaubhaft noch mit seinen übrigen Darstellungen in Einklang zu bringen.

Wenn bereits die Teilstrecke nach XXXX nicht bloß sieben Tage [AS 151] dauerte, sondern zumindest mehrere Wochen [AS 268] (beziehungsweise sechs Monate [Verhandlungsschrift S 10]), muss der BF seinen Heimatort wesentlich früher verlassen haben, was er dem erkennenden Richter („Mai 2021“) bestätigte. Der BF muss daher sowohl vor dem BFA, auch vor dem Bundesverwaltungsgericht die Unwahrheit gesagt haben, als er seine Abreise aus dem Heimatort im Oktober 2021 [AS 61, Verhandlungsschrift S 8] verortete.

Nach der „Flucht“ des BF sei dessen Gattin nach XXXX übersiedelt, da sie von der Nationalpolizei gesucht werde [AS 53]. Als der BF das Land verlassen hat, habe sich seine Familie in XXXX befunden, die Vereinten Nationen hätten das Lager dann nach XXXX übersiedelt [AS 147].

Der BF habe von seinem getöteten Halbbruder während seines Aufenthalts in XXXX 2021 erfahren [Verhandlungsschrift S 11].

Bringt der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor, „Wir waren immer in XXXX , zuerst im Bezirk XXXX und ab 2018, als mein Problem begann, im Bezirk XXXX . Das Land, das mir in XXXX gehörte, habe ich aufgrund der Probleme und der Gefahr verkauft“ [Verhandlungsschrift S 7] kann dies ebenso wenig nachvollzogen werden wie die Behauptung, er sei auch in XXXX schon gesucht worden [Verhandlungsschrift S 12]. Setzt er fort, er habe seine Familie in XXXX zurückgelassen und sich im Oktober 2021 in den Sudan begeben [Verhandlungsschrift S 8], glaube jedoch, dass seine Frau „seit 2020“ in XXXX wäre, während er sich dort versteckt halten habe müssen [Verhandlungsschrift S 9 f], erweist sich auch diese Schilderung als absolut unglaubhaft. Der BF habe „während dieser Zeit keinen direkten Kontakt mit ihr“ gehabt [Verhandlungsschrift S 14], allerdings sei sein Sohn Ende August 2021 [AS 9, 55, Verhandlungsschrift S 4] – außerdem nach seiner Ausreise [AS 49] – geboren worden.

Wo sich der BF zwischen 2018 und seiner Ausreise – frühestens im Mai 2021 – befunden hat, konnte im Beweisverfahren nicht ermittelt werden.

2.6. Zur fußläufigen Flucht des BF aus XXXX nach Österreich:

In der Erstbefragung behauptete der BF noch, „nach zwei Monaten im Flüchtlingscamp XXXX “ von der Garde ausfindig gemacht worden zu sein [AS 15]. Diese Erstbefragung hat insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute zu dienen und ist nicht von der freien richterlichen Beweiswürdigung ausgenommen.

In der letzten Woche vor seiner Ausreise habe er sich in einem Camp in XXXX befunden, dort sei er bedroht sowie für einen Tag festgenommen worden und am nächsten Tag ausgereist. Er habe USD 10.000,- mitgenommen und damit seine Reise nach Österreich finanziert [AS 61, 65] sowie Nahrung gekauft [AS 63].

Dem BFA sagte der BF, er habe von XXXX nach XXXX sieben Tage gebraucht, zur sudanesischen Grenze nur zwei Tage. Er habe im Dorf XXXX einen Monat gelebt [AS 157].

Der BF sei „alles zu Fuß gegangen“ und habe nur nachts Straßen genutzt [AS 61]. Sein Telefon habe ihm die Navigation erleichtert [AS 61], zwei Ersatzbatterien („power banks“) wären in Ägypten leer gewesen, er habe sie erst in der Türkei wieder aufladen können [Verhandlungsschrift S 9]. Er sei „durch den Busch“ gewandert, „in der Nacht von 21-22 Uhr bis in der Früh“, danach habe er sich ausgeruht und vermieden, Menschen zu treffen [AS 63]. Andererseits sei er „mit Sudanesen und Libyern unterwegs“ gewesen und habe sich in XXXX ein neues Telefon gekauft [Verhandlungsschrift S 9 f].

Es ist unwahrscheinlich, dass es dem BF ohne Wasser und Navigationsunterstützung gelang, zu Fuß von Ägypten an die libysche Küste zu gelangen. Die Netzabdeckung einer sudanesischen SIM-Karte in der Türkei, Bulgarien und Serbien steht ebenfalls in Frage, gleichermaßen die Kapazität zweier Ersatzbatterien, welche ebenfalls geladen werden müssen.

Zudem ist es völlig implausibel, der BF hätte USD 10.000,- auf seinem Fußmarsch behalten können, nachdem ihn der vermeintliche Verfolger inhaftiert hat. Dieser habe bereits zuvor die Dokumente zur Bescheinigung seiner Identität und Ausbildung abgenommen [AS 57], Bargeld wäre ihm aller Wahrscheinlichkeit in einem höchst korrupten Staat (vgl. Punkt 1.2.6., vgl. Stellungnahme des BF [AS 127]) nach nicht belassen worden.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der BF nicht fußläufig geflohen ist.

2.7. Zu den finanziellen Verhältnissen des BF:

In diesem Zusammenhang ist bereits die Herkunft dieser finanziellen Mittel zweifelhaft. Der BF bezifferte die Kosten seiner Reise mit „mehr als USD 10.000,-“ [AS 15]. Er habe ein von seinem Vater geerbtes Grundstück um USD 15.000,- verkauft, ein Jahr als Rezeptionist und ansonsten als Hilfsarbeiter gearbeitet. Durchschnittlich will er USD 50,- pro Monat verdient haben [AS 57, 61].

Sein Vater habe ihm einen Teil seines Solds gegeben [Verhandlungsschrift S 5]. Andererseits habe der BF seinen Vater finanziell unterstützt [AS 259].

Zumal der BF über den Verbleib seines Vaters nichts wisse [AS 55] beziehungsweise dieser vermisst werde [Verhandlungsschrift S 12], ist nicht anzunehmen, dieser hätte dem BF ein Grundstück vererben können. Im Übrigen erscheint ein Quadratmeterpreis von USD 75,- gerade in ökonomischen Krisen [Verhandlungsschrift S 7] wenig plausibel.

Vermeint der BF, er habe ein Drittel des Erlöses seiner Frau gegeben [Verhandlungsschrift S 10] und vom Rest seine Ausreise finanziert, erschließt sich nicht, wie die Familie des BF dazwischen ihren Lebensunterhalt bestritten hat. Die Reise hat mehr gekostet, als dem BF rechnerisch zur Verfügung gestanden ist.

Erklärt er dazu, er habe von einem ehemaligen Dienstgeber Kündigungsentschädigung und Abfindung in Höhe von ungefähr USD 300,- erhalten und mit seiner Frau in XXXX einen Shop eröffnet, in welchem sie Tee und Kekse verkauft [Verhandlungsschrift S 5] beziehungsweise „am Markt Tee für die Kunden gekocht“, während der BF gearbeitet habe [AS 59] oder sich versteckt hielt [Verhandlungsschrift S 10], ist dies unvereinbar mit den arithmetischen Gesetzen und der Behauptung, sein letzter Arbeitstag sei 2021 [AS 57] oder das Kleingewerbe in XXXX gewesen [Verhandlungsschrift S 8].

Der BF änderte seine variabel geschilderte „Flucht“ nach zwei mehr als dreistündigen Einvernahmen, bei welchen er stets die Wahrheit gesagt habe [AS 143, Verhandlungsschrift S 6] und alles korrekt übersetzt worden sei, noch in der Beschwerdeverhandlung in relevanten Eckdaten – Zeitpunkt, Abreiseort, Fortbewegungsart, Reisedauer, Aufenthaltsdauer in XXXX – gravierend ab, weswegen von einer konzipierten Geschichte auszugehen ist.

Gemäß § 18 Abs. 3 AsylG ist im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbeurteilung auf die Mitwirkung des Asylwerbers im Verfahren Bedacht zu nehmen. Ein glaubhaftes Vorbringen erfordert hinreichende Substantiierung, Schlüssigkeit und Plausibilität.

Aufgrund gehäufter Widersprüche zu zahlreichen Aspekten der Fluchterzählung des BF in Verbindung mit der Vorlage eines falschen Bescheinigungsmittels erachtet der erkennende Richter das Vorbringen des BF nicht als glaubhaft.

2.8. Zu den Länderinformationen:

Wiewohl zum Entscheidungszeitpunkt grundsätzlich keine Hierarchie der Quellen anzunehmen ist, wird in aller Regel den Informationen von EUAA (vormals: EASO) und UNHCR besondere Aufmerksamkeit zu schenken sein (vgl. VwGH 31.01.2023, Ra 2022/20/0347; VwGH 03.07.2023, Ra 2023/14/0182, mwN).

In der Beschwerdeverhandlung wurden die „UNHCR position on returns to south sudan“ und der „EASO-Bericht zur Sicherheitslage im Südsudan“ erörtert [Verhandlungsschrift S 12 f].

Auch kann von den Herkunftslandinformationen der Staatendokumentation nicht ohne Weiteres abgegangen werden. Gegenständlich ist das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Südsudan, Gesamtaktualisierung vom 13.07.2021 mit am 28.04.2022 eingefügten Kurzinformationen verfügbar. Diese Informationen wurden in zeitlicher Nähe zum behaupteten Ausreisetermin überarbeitet und weisen daher aus Sicht des erkennenden Richters die geforderte Aktualität und jene Tatsachen, die zum Entscheidungszeitpunkt relevant sind, auf.

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf den unter Punkt 1.2.17. angeführten Quellen und Nachweisen. Diese Informationen stützen sich auf Berichte verschiedener in- und ausländischer Behörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes, der Central Intelligence Agency, des US Department of State sowie allgemein anerkannter Nachrichtenorganisationen.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht entgegen, sondern bestätigte diese Informationen in seiner Stellungnahme [AS 125 ff] und zitierte daraus teilweise in der Beschwerdeschrift, sodass davon ausgegangen werden konnte, die sich hieraus ergebenden Feststellungen treffen zu.

Angesichts ihrer Seriosität und Plausibilität sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne augenfällige Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

A)

Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, stellen für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung dar, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes).

Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des VwGH, des VfGH und des EuGH sowie unter Berücksichtigung der Richtlinien des UNHCR und der EUAA – denen Indizwirkung zukommt und deswegen im verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsfindungsprozess besondere Beachtung zu schenken ist (vgl. VwGH 31.01.2023, Ra 2022/20/0347; 03.07.2023, Ra 2023/14/0182, mwN) – ist zu beurteilen, ob dem BF mit zumindest maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei angenommener Rückkehr in die Heimatregion eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des Art. 9 Abs. 2 lit. e Statusrichtlinie droht (vgl. VwGH 15.04.2024, Ra 2024/14/0139).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:

Wie unter Punkt 2.-2.7. beweiswürdigend dargelegt, ist es dem BF nicht gelungen, individuelle Gründe für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung seiner Person glaubhaft zu machen. Die volatile Sicherheitslage im Südsudan betrifft alle Bürger gleichermaßen.

Auch fehlen im Verfahren jegliche glaubhaften Indikatoren, die eine Verfolgung des BF (aus asylrelevanten Gründen) im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Die allgemeine Lage im Südsudan ist auch nicht dergestalt, dass automatisch jedem Antragsteller der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste. Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem bereits darauf hingewiesen, dass dem Schutz vor (mit realem Risiko drohenden) willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines kausalen Konnexes zu einem in der GFK genannten Grund die Gewährung subsidiären Schutzes dient (vgl. erneut VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619 mit Hinweis auf VwGH 23.05.2023, Ra 2023/20/0110). Dieser wurde dem BF bereits mit Bescheid vom 17.10.2024 zuerkannt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend Asyl oder Glaubhaftigkeit, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung weicht von der bestehenden Rechtsprechung nicht ab und betrifft einen Einzelfall, dessen einzelne Umstände nicht revisibel sind.

Rückverweise