JudikaturBVwG

W252 2298905-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
17. April 2025

Spruch

W252 2298905-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, stellte am 30.04.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe sein Heimatland wegen dem Krieg verlassen und weil das Haus seiner Familie zerstört worden sei.

3. Am 30.07.2024 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt statt. Dabei gab er an, dass er wegen des Krieges geflohen sei. Er sei damals noch klein gewesen und seine Familie habe dies entschieden. Er wolle an dem Bürgerkrieg nicht teilnehmen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.08.2024 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Es erteilte dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt II. und III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass er seinen Heimatstaat aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe.

5. Der BF erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass sein Heimatort unter Kontrolle des syrischen Regimes sei und er diesem gegenüber oppositionell eingestellt sei. Er befürchte eine Verfolgung wegen seiner Wehrdienstverweigerung.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 24.02.2025 eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Verhandlung wurde den Parteien das einschlägige Länderberichtsmaterial vorgehalten und die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben. Der BF nahm dazu am 27.02.2025 (OZ 7) Stellung.

7. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Parteiengehör vom 03.04.2025 weitere Länderberichte zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

Beweis wurden aufgenommen durch: Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des BF sowie insbesondere durch die mündliche Einvernahme des BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und spricht Arabisch als Muttersprache. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der XXXX . Er ist ledig, in keiner Lebensgemeinschaft und hat keine Kinder (AS 13 ff, 21, 75; OZ 6, S 15, 17).

Der BF wurde in XXXX geboren, wuchs dort auf und lebte dort bis zu seiner Ausreise im März 2015. Er absolvierte in Syrien eine Schulbildung von acht Jahren und arbeitete in der Türkei als IT-Techniker (AS 14 ff; AS 75; OZ 6, S 15 f).

In Syrien leben noch die Großeltern mütterlicherseits, sowie zwei Onkel und Tanten am Heimatort des BF (AS 77; OZ 6, S 8).

Der BF stellte am 30.04.2024 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 08.08.2024 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (AS 14, 95 ff).

Der BF ist gesund (AS 73, OZ 6, S 14 f).

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten (OZ 5).

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

XXXX befindet sich unter Kontrolle der HTS bzw der HTS-nahen Übergangsregierung.

Das syrische Regime unter Baschar al-Assad wurde am 08.12.2024 gestürzt. Das syrische Regime bzw dessen Sicherheitsbehörden existieren nicht mehr und können weder Verhaftungen, noch Zwangsrekrutierungen durchführen.

Der BF hat keinen Wehrdienst abgeleistet.

Der BF wurde und wird in Syrien individuell weder bedroht noch kam es zu Übergriffen auf ihn.

Der BF ist politisch nicht interessiert, hat keine oppositionelle Gesinnung gegenüber der HTS und ihm wird eine solche auch nicht von der HTS unterstellt. Der BF wird nicht als Sympathisant des ehemaligen syrischen Regimes gesehen.

Dem BF ist eine Rückkehr in seine Heimatregion möglich.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderinformationen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 11 vom 27.03.2024

Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, vom 10.12.2024

UNHCR Position on Returns to the Syrian Arab Republic, 16.12.2024

UNHCR Regional Flash Update #14 vom 13.02.2025

ACCORD: Syrien-Länderseite auf ecoi.net, Stand 24.02.2025

UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, März 2021

EUAA: Country Guidance: Syria, April 2024

ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen

ergibt sich Folgendes:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 11 vom 27.03.20244

Rechtsschutz / Justizwesen

Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz

In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa'ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten können (USDOS 20.3.2023).

Das Gebiet unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten syrischen Oppositionsgruppen wird von der "Syrischen Interimsregierung" (Syrian Interim Government - SIG) verwaltet. Das Justizsystem ist hauptsächlich mit erfahrenem Personal als Richter, Staatsanwälte und Anwälte besetzt, aber die Justiz gilt als direkt und indirekt unter Einfluss der türkischen Streitkräfte und ihrer lokalen syrischen Verbündeten stehend. Implizit werden Korruption und Schikanen durch diese von der Justiz toleriert. Gleichzeitig wird gegen jegliche Opposition zur SIG oder der türkischen Präsenz strikt vorgegangen. Neben einem zivilen Justizsystem gibt es auch eine Militärjustiz, welche für militärische Strafverfahren und für das Militärpersonal zuständig ist (NMFA 5.2022).

In Idlib übernehmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten „Errettungs-Regierung“ der HTS Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024) und verfügen auch über eine Justizbehörde. Die Gruppe unterhält auch geheime Gefängnisse. Die HTS unterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den sogenannten "Scharia-Sitzungen". In diesen werden die Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021). Die COI (die von der UNO eingesetzte Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic) stellt in ihrem Bericht vom Februar 2022 fest, dass durch HTS und andere bewaffnete Gruppierungen eingesetzte, rechtlich nicht legitimierte Gerichte Urteile bis hin zur Todesstrafe aussprechen. Dies sei als Mord einzustufen und stelle insofern ein Kriegsverbrechen dar (AA 2.2.2024).

Für ganz Syrien gilt, dass nicht gewährleistet ist, dass justizielle und administrative Dienstleistungen allen Bewohnern und Bewohnerinnen in gleichem Umfang und ohne Diskriminierung zugutekommen (AA 2.2.2024). Willkürliche Verhaftungen, summarische Gerichtsverfahren und extralegale Strafen finden durch alle Kriegsparteien statt (FH 9.3.2023).

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich)

[…]

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer "regulären Armee" zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten "HTS-Wehrpflicht" in ldlib liebäugelte, damit dem "Staatsvolk" von ldlib eine "staatliche" Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, vom 10.12.2024

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).

Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).

• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).

• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).

• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).

• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).

• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

UNHCR POSITION ON RETURNS TO THE SYRIAN ARAB REPUBLIC, 16.12.2024

Dezember 2024

1. Diese Position ersetzt die UNHCR-Leitlinien vom März 2021 International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI.1

Angesichts der unbeständigen Situation wird dieser Leitfaden frühzeitig und bei Bedarf auf der Grundlage der sich schnell entwickelnden Umstände aktualisiert.

Freiwillige Rückkehr

2. Syrien befindet sich an einem Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Für Syrien bietet sich jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit, sich auf den Frieden zuzubewegen und mit der Rückkehr seiner Bevölkerung zu beginnen. Das UNHCR betont seit vielen Jahren die Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu schaffen, und die aktuelle Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehören die Beseitigung bzw. Beseitigung neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und verwaltungstechnischer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden, die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe und frühzeitiger Wiederaufbauhilfe durch die Geberstaaten für die Rückkehrer, die sie aufnehmenden Gemeinden und die Gebiete, in die sie tatsächlich oder potenziell zurückkehren wollen, sowie die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückkehr an den Grenzübergängen und an den Orten, an die die Menschen zurückkehren wollen, zu überwachen.

3. Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich freiwillig für eine Rückkehr entscheiden, nachdem sie über die Lage an ihrem Herkunftsort oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl umfassend informiert wurden. In Anbetracht der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die syrische Bevölkerung gegenübersieht, darunter eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, fördert UNHCR jedoch vorerst keine freiwillige Rückkehr nach Syrien in großem Maßstab.

Moratorium zwangsweiser Rückführungen

4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien nach wie vor von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes, groß angelegten Binnenvertreibungen, der Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Überresten des Krieges, einer zerstörten Wirtschaft und einer humanitären Krise großen Ausmaßes betroffen, wobei über 16 Millionen Menschen bereits vor den jüngsten Entwicklungen humanitäre Hilfe benötigten. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, wichtiger Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Die Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, und in den letzten zehn Jahren wurden weit verbreitete Verstöße gegen Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechte verzeichnet, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund appelliert der UNHCR weiterhin an die Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam in irgendeinen Teil Syriens zurückzuführen.

Aussetzung der Erteilung negativer Bescheide an syrische Antragsteller auf internationalen Schutz

5. UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilpersonen, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu jeder Zeit sicherzustellen.

6. Auch wenn die Gefahr der Verfolgung durch die frühere Regierung nicht mehr besteht, können andere Gefahren fortbestehen oder sich verschärfen. In Anbetracht der sich rasch verändernden Dynamik und Lage in Syrien ist UNHCR derzeit nicht in der Lage, Asylentscheidern detaillierte Hinweise zum internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben. UNHCR wird die Situation weiterhin genau beobachten, um detailliertere Hinweise zu geben, sobald es die Umstände erlauben. Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung der Ausstellung negativer Bescheide sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können.

7. UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Flüchtlingsstatus für Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.

UNHCR Regional Flash Update #14 vom 13.02.2025

Key Highlights

Mit Stand vom 13. Februar 2025 schätzt das UNHCR, dass seit dem 8. Dezember 2024 rund 279.620 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind. Diese Zahlen basieren auf einer Triangulation von Quellen außerhalb und innerhalb Syriens und umfassen beim UNHCR registrierte Flüchtlinge und andere Syrer, die aus der Türkei, dem Libanon, Jordanien, dem Irak und Ägypten zurückkehren, sowie diejenigen, die von außerhalb der Region auf der Durchreise sind.

Im Rahmen einer grenzüberschreitenden koordinierten Anstrengung und als Teil des Programms für erleichterte freiwillige Rückkehr und Transporthilfe bot das UNHCR weiterhin kostenlose Transportmöglichkeiten für die am stärksten gefährdeten Rückkehrer in Jordanien und innerhalb Syriens an.

In Jordanien, Ägypten und dem Libanon äußern Flüchtlinge weiterhin Interesse an einer Rückkehr, äußern jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, der Schäden an der Infrastruktur, der eingeschränkten Dienstleistungen, der Lebensunterhaltsmöglichkeiten und werfen praktische Fragen zu den Rückkehrprozessen auf. Flüchtlinge betonen außerdem, dass sie Besichtigungsbesuche ähnlich denen bevorzugen, die von der Türkei angeboten werden, um ihren Familien zu helfen, fundierte Entscheidungen hinsichtlich ihrer Rückkehr zu treffen.

Im Anschluss an die Ministertreffen in Aqaba (14. Dezember 2024) und Riad (12. Januar 2025) veranstaltete Frankreich in Paris eine hochrangige Ministerkonferenz zur Lage in Syrien, an der auch Präsident Macron teilnahm. In der gemeinsamen Erklärung der Konferenz wurde auch darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, „die notwendigen Bedingungen für die freiwillige und dauerhafte Rückkehr von Flüchtlingen zu schaffen, einschließlich der Unterstützung des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, im Einklang mit der Position des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zur Rückkehr nach Syrien und mit besonderem Schwerpunkt auf der Wiederherstellung der Eigentumsrechte.“

Länderupdates

Syrien

Mit Stand vom 13. Februar 2025 schätzt UNHCR Syrien, dass 279.620 Syrer über Nachbarländer nach Syrien zurückgekehrt sind.

Die IDP-Taskforce berichtet, dass mit Stand vom 9. Februar 2025 die Gesamtzahl der nach den Feindseligkeiten im November und Dezember neu vertriebenen Menschen 617.000 beträgt. Insgesamt befinden sich in Syrien noch über 7,4 Millionen Binnenvertriebene. Parallel dazu sind seit Dezember 2024 rund 680.000 Binnenvertriebene in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt.

Einige Gebiete wie Daria (ländliches Damaskus) haben kürzlich eine beträchtliche Anzahl von Binnenvertriebenenfamilien aus Menbij (Aleppo) aufgenommen, die vor den anhaltenden Feindseligkeiten im Norden des Landes geflohen sind. Die Programme und Dienste des UNHCR sind in Betrieb, wobei 102 vom UNHCR unterstützte Gemeindezentren (CCs) in Betrieb sind und eine breite Palette von Diensten für Flüchtlinge und Binnenvertriebene anbieten, darunter MHPSS, GBV Prävention und Reaktion, Rechtsberatung, Aufklärung über Minenrisiken, Aktivitäten zum Schutz von Kindern. UNHCR hat auch seine Aktivitäten zum Schutz von Kindern verstärkt, darunter Kurse zum Umgang mit Gefühlen, effektive Kommunikation und Problemlösungskompetenz in verschiedenen Gemeindezentren, wie dem ländlichen Damaskus und Al-Hasakeh. Es wurden Einzel- und Gruppensitzungen abgehalten, um das psychologische und emotionale Wohlbefinden der Kinder in Idleb und Aleppo zu unterstützen.

UNHCR Syrien führte weiterhin regelmäßige Hausbesuche und Missionen zur Sanierung von Unterkünften durch, um die Bedürftigsten zu beurteilen und ihnen Unterstützung zu bieten. Über mobile Teams und sein Netzwerk von Outreach Volunteers (ORVs) erreichte UNHCR Tausende von Familien aus den Flüchtlings- und Binnenflüchtlings-Rückkehrergemeinschaften, die in ländlichen Gebieten weit entfernt von den Gemeindezentren verstreut leben.

Darüber hinaus bot UNHCR in einer grenzübergreifenden koordinierten Anstrengung und um auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen zu reagieren, die in der jüngsten regionalen Umfrage zu den Wahrnehmungen und Absichten syrischer Flüchtlinge bei der Rückkehr (RPIS) geäußert wurden, weiterhin kostenlosen Transport für die am stärksten gefährdeten Flüchtlinge aus den Nachbarländern (Jordanien und Türkei) und aus Syrien selbst an. UNHCR empfing Rückkehrer, die am Busbahnhof in Homs ankamen, und ermöglichte den Transport für Familien, die nach Idleb, Aleppo und zu mehreren Orten im Gouvernement Homs unterwegs waren. UNHCR ermöglichte auch weiterhin kostenlosen Transport für diejenigen, die den Grenzübergang Bab Al-Hawa aus der Türkei überquerten, und für diejenigen, die über den Grenzübergang Nassib aus Jordanien zurückkehrten.

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der jüngsten RPIS, die wirtschaftliche Herausforderungen als eines der Haupthindernisse für die Rückkehr identifizierte, baute UNHCR seine Aktivitäten zur Unterstützung der Wiedereingliederung von Rückkehrern im ganzen Land, unter anderem durch die Verteilung von lebenswichtigen Hilfsgütern (CRI), Unterstützung des Lebensunterhalts, wie landwirtschaftliche Werkzeugsätze für Landwirte sowie Solarmodule zur Linderung der Stromknappheit und der Herausforderungen bei der Beschaffung von Treibstoff.

Türkei

Die Bearbeitung freiwilliger Rückkehrer wird in den Provinzen der Türkei und an fünf Grenzübergängen fortgesetzt: Cilvegözü / Bab al Hawa, Yayladağı / Keseb, Öncüpınar / Bab al Salama, Karkamış / Jarablus und Akçakale / Tel Abyad. Die offizielle Zahl der Rückkehrer nach Syrien, wie vom Innenminister gemeldet, beträgt seit Anfang Dezember weiterhin 81.576 Personen. Die Hauptgründe für die Rückkehr bleiben unverändert, wobei die meisten Syrer politische Veränderungen, verbesserte Sicherheit und Familienzusammenführung erwähnen.

Die türkische Botschaft in Damaskus erklärte, dass ab dem 10. Februar 2025 Visaanträge für die Türkei aus Syrien über das Vermittlerunternehmen „Visa for The Globe“ bearbeitet werden.

Darüber hinaus kündigte das türkische Handelsministerium die Aufhebung der Handelsbeschränkungen gegenüber Syrien an. Diese Entscheidung normalisiert Exporte, Importe und Transitgüter gemäß den üblichen Außenhandelsbestimmungen, wobei jedoch Beschränkungen für Metallschrott bestehen bleiben. Der Schritt steht im Einklang mit den im Dezember 2024 getroffenen Vereinbarungen.

Libanon

Bis zum 12. Februar 2025 meldete die Katastrophenrisikomanagementeinheit der Regierung rund 93.300 Ankünfte aus Syrien im Gouvernement Baalbek, darunter 35.700 Menschen in 210 informellen Sammelunterkünften und 57.600, die in Aufnahmegemeinden leben, darunter 20.000 libanesische Rückkehrer. In Hermel und Baalbek läuft derzeit eine Haushaltsprofilierung unter der Leitung des Sozialministeriums (MoSA) und des UNHCR-Partners Intersos. Bisher wurden 1.500 Haushalte profiliert und die am stärksten gefährdeten an Hilfsprogramme verwiesen.

In der Bekaa-Ebene bleiben die täglichen Grenzübertritte am offiziellen Grenzübergang Masnaa (OCP) niedrig, aber stabil. Nach Angaben des Allgemeinen Sicherheitsbüros liegen sie bei durchschnittlich 1.500 Ein- und Ausreisen pro Tag. Im Norden des Libanon ist der OCP Arida seit dem 3. Februar 2025 aufgrund laufender öffentlicher Bauarbeiten geschlossen, während inoffizielle Grenzübertritte weiterhin stattfinden.

Als Reaktion auf die grenzüberschreitende Vertreibung arbeitet das UNHCR im Libanon eng mit den Behörden zusammen, um die materielle Hilfe zu verbessern. Über den Sektor für Basishilfe verteilen das UNHCR und seine Partner grundlegende Hilfsgüter – darunter Decken, Matratzen, Winterkleidung und Kissen – an neu angekommene Familien in Gemeinschaftsunterkünften, neben grundlegenden Schutzdiensten und Überweisungen für Personen mit besonderen Bedürfnissen. Auf Ersuchen der Regierung hat das UNHCR seine SOPs für die Überweisung von Gesundheitsleistungen angepasst, um sicherzustellen, dass Neuankömmlinge Zugang zu lebensrettender Krankenhausversorgung haben. Im Januar 2025 wurden 50 Neuankömmlinge in Vertragskrankenhäusern des UNHCR behandelt.

Jordanien

Laut einem Interview mit dem Innenminister vom 11. Februar 2025 haben seit dem Sturz des Regimes 34.690 Flüchtlinge Jordanien verlassen, darunter mehr als 4.800 Flüchtlinge aus Lagern. In einem weiteren Interview am 6. Februar berichtete der Minister, dass seit dem 8. Dezember 2024 110.000 Syrer das Land verlassen haben.

UNHCR hat die Profile von fast 30.500 registrierten Flüchtlingen analysiert, die in den letzten zwei Monaten abgereist sind. Frauen und Mädchen machen etwa 45 % der Gesamtzahl aus, verglichen mit 55 % Männern und Jungen. Kinder machen etwa 41 % der Gesamtrückkehrer aus. Immer mehr registrierte Flüchtlinge kehren mit ihren gesamten Familien zurück, und mittlerweile sind 48 % der Rückkehrer als vollständige Familienhaushalte zurückgekehrt. 52 % der Rückkehrer kehren weiterhin allein oder als Teilfamilien zurück. Registrierte Flüchtlinge, die aus den Lagern zurückkehren, machten im Berichtszeitraum etwa 12 % der Gesamtrückkehrer aus. Die meisten Rückkehrer hatten in Amman (27 %) und Irbid (24 %) gelebt, kleinere Zahlen kamen aus anderen Gouvernements.

Da die meisten Rückkehrer aus Jordanien spontan sind, verfügt UNHCR nicht über Daten zum beabsichtigten Rückkehrziel. Frühere Absichtsumfragen zeigen jedoch, dass die Mehrheit der Flüchtlinge in Jordanien beabsichtigt, in ihr Herkunftsgebiet zurückzukehren. Seit Anfang Dezember 2024 stammen die Rückkehrer aus Jordanien aus Dara’a (34 %), Homs (27 %) und dem ländlichen Damaskus (12 %).

Zwischen dem 7. und 13. Februar 2025 ermöglichte das UNHCR den Transport von 200 Flüchtlingen, die nach Syrien zurückkehren wollten und dabei Unterstützung benötigten. Vor der Abreise führte das UNHCR persönliche Interviews durch, um sicherzustellen, dass jede Rückkehr freiwillig und gut informiert war. Die Flüchtlinge erhielten auch Beratung und Informationen zur Verfügbarkeit von Dienstleistungen in Syrien. Der Rückkehrprozess wurde eng mit dem UNHCR Syrien koordiniert, um eine kontinuierliche Unterstützung bei der Ankunft an ihrem endgültigen Zielort sicherzustellen. Die UNHCR-Teams in Jordanien und Syrien stehen in regelmäßigem Kontakt, um gewonnene Erkenntnisse auszutauschen und die Effizienz des Rückkehrprozesses zu verbessern.

Bei jüngsten Fokusgruppendiskussionen äußerten Flüchtlinge Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage in Syrien und verschiedener Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Rückkehrprozess, insbesondere der Dokumentation. Einige Teilnehmer zeigten sich jedoch optimistisch, ihr Studium in Syrien wieder aufzunehmen, und wiesen darauf hin, dass syrische Universitäten möglicherweise bessere Möglichkeiten bieten.

Irak

Seit dem 8. Dezember 2024 sind über 6.000 Syrer aus dem Irak nach Syrien zurückgekehrt, darunter über 400 registrierte Flüchtlinge. Dazu gehören Syrer, die über den Grenzübergang Peshkhabour und den Grenzübergang Al-Qaim zurückgekehrt sind. Die Zahl der registrierten zurückkehrenden syrischen Flüchtlinge ist im Vergleich zur Vorwoche leicht zurückgegangen (45 Flüchtlinge gegenüber 73 Flüchtlingen).

Während des Berichtszeitraums beobachtete das UNHCR weiterhin Ankünfte aus Syrien in der Region Kurdistan im Irak, hauptsächlich aus den Gebieten Al-Hasakeh, Aleppo und Ar-Raqqa, mit durchschnittlich 300 Personen täglich. Die meisten dieser Syrer kommen in die Region Kurdistan im Irak, um Familien zu besuchen, aus medizinischen Gründen, zu heiraten oder um KR-I als Transitpunkt nach Europa zu nutzen, wobei die meisten ihre Absicht bekunden, nach dem Besuch nach Syrien zurückzukehren. Nur wenige Syrer, die über den Grenzübergang Peshkhabour ankommen, bekunden ihre Absicht, Asyl zu beantragen und sich beim UNHCR registrieren zu lassen.

Ägypten

Am 11. Februar 2025 sind in Ägypten 143.840 syrische Flüchtlinge registriert, was über 15 % der gesamten Flüchtlingsbevölkerung des Landes entspricht.

In den letzten Monaten gab es einen starken Anstieg der Anträge auf Einstellung des Verfahrens: Seit Anfang Dezember 2024 wurden 5.122 Anträge eingereicht, die mehr als 10.782 Personen betreffen - ein deutlicher Anstieg gegenüber dem November-Durchschnitt von nur 7 bis 116 Anträgen pro Tag. Von den Antragstellern sind 66 % männlich, die meisten stammen aus Damaskus (43 %), gefolgt von Damaskus im ländlichen Raum (26 %), Homs (11 %), Aleppo (7 %) und anderen Gebieten in Syrien (13 %).

UNHCR Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, März 2021

5) Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von HTS und anderen bewaffneten oppositionellen Gruppen sind und sich in Idlib und Umgebung in Gebieten aufhalten, die de facto unter der Kontrolle oder dem Einfluss dieser Gruppen stehen

Es wurde berichtet, dass HTS660 Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen kritischen Einstellung zur Herrschaft von HTS eingeschüchtert, erpresst, entführt, zwangsverschleppt und verschwinden gelassen wurden, gefoltert und in sonstiger Form misshandelt, Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren begangen und Personen außergerichtlich hingerichtet hat.661 Politische Aktivisten und Menschenrechtsaktivisten662, Mitarbeiter humanitärer Hilfsorganisationen663, medizinische Fachkräfte664 sowie Journalisten und Bürgerjournalisten665 zählen zu den Zivilpersonen, die am häufigsten ins Visier von HTS geraten. HTS hat überdies Gewalt angewandt, um Proteste der Zivilbevölkerung gegen ihre Herrschaft/Maßnahmen zu unterdrücken, und Aktivisten, Journalisten sowie Protestierende bedroht, geschlagen und festgenommen.666 Auch die Familienangehörigen der vorgenannten Personen wurden Berichten zufolge Opfer von Übergriffen.667

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zu HTS stehen, werden laut Berichten häufig unter dem Vorwand konstruierter Beschuldigungen bestraft, z. B. „Spionage“ für die Regierung, das Ausland oder rivalisierende bewaffnete Gruppen, „Blasphemie“ oder „Ehebruch“.668 Frauen, die sich aktiv in Politik und Gesellschaft engagieren, einschließlich Menschenrechtsaktivistinnen und Journalistinnen, sind Berichten zufolge aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen kritischen Haltung gegenüber HTS und der strengen Einstellung von HTS zur gesellschaftlichen Rolle von Frauen besonders gefährdet, von HTS angegriffen zu werden.669

Zivilpersonen, die verdächtigt wurden, Verbindungen zur Regierung zu haben670 oder ISIS, die SDF/YPG oder rivalisierende bewaffnete Gruppen zu unterstützen, sind Berichten zufolge entführt, gefoltert und summarisch hingerichtet worden.671 Auch die weiblichen Familienangehörigen der vorgenannten Personen wurden Berichten zufolge Opfer von Übergriffen.672

UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von HTS und anderen bewaffneten oppositionellen Gruppen sind und sich in Gebieten in Idlib und Umgebung aufhalten, die de facto unter der Kontrolle dieser Gruppen stehen, wahrscheinlich internationalen Flüchtlingsschutz benötigen, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe. Darüber hinaus ist UNHCR der Auffassung, dass Familienangehörige von Personen, die tatsächliche oder vermeintliche Gegner von HTS und anderen bewaffneten oppositionellen Gruppen sind, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe möglicherweise internationalen Flüchtlingsschutz benötigen.

EUAA: Country Guidance: Syria, April 2024

4.7 Personen mit Verbindungen zur syrischen Regierung

Dieses Profil bezieht sich auf Mitglieder der syrischen Regierung und Funktionäre der Baath-Partei, Mitglieder der Streitkräfte der Regierung und bewaffneter Gruppen der Regierung sowie Zivilisten, die als Unterstützer der Regierung vermutet werden. Der Abschnitt konzentriert sich auf Angriffe durch nichtstaatliche Akteure. Die Folgen einer Ausreise aus Syrien und einer Rückkehr werden in Abschnitt 2 behandelt.

4.7.1 Funktionäre der syrischen Regierung, Mitglieder der SAA und bewaffneter Gruppen der Regierung

COI-Zusammenfassung

Die gemeldeten Angriffe und anderen Gewalttaten richteten sich gegen eine Vielzahl von Personen mit Verbindungen zur syrischen Regierung. Zu diesen Vorfällen gehörten (versuchte) Attentate auf Bürgermeister, Mitglieder von Stadträten und des Zentralkomitees von Dar’a. Angriffe und Attentate richteten sich auch gegen Regierungsmitarbeiter, darunter Mitglieder von Geheimdiensten, Polizisten, ehemalige Mitglieder der Baath-Partei und Personen, die den Streitkräften der sudanesischen Regierung oder pro-Assad-Milizen nahestanden. In vielen der festgestellten Fälle wurden die Taten von nicht identifizierten bewaffneten Männern auf dem Land in Dar’a (wo sich die Sicherheit ab Juni 2019 verschlechterte) und in der Provinz Quneitra verübt. Zwischen Januar 2020 und Ende 2021 wurden mindestens neun Bürgermeister und ein stellvertretender Bürgermeister Opfer von Attentaten oder Attentaten. Zu den Attentaten auf Mitglieder pro-sudanesischer Kräfte in Dar’a gehörte die Tötung eines hochrangigen Hisbollah-Führers im Juni 2021. In Dar’a wurde von neueren Quellen weiterhin über Attentate und gezielte Tötungen von Mitgliedern der Sicherheitskräfte der sudanesischen Regierung und anderer pro-sudanesischer Vertreter berichtet [Security 2023, 2.12.3, S. 149]. Es wurde berichtet, dass Sicherheitsvorfälle, darunter Angriffe auf die Streitkräfte der sudanesischen Regierung, in von der sudanesischen Regierung kontrollierten Gebieten seit Mitte 2022 zugenommen haben, da die Regierung Sicherheits- und Vergeltungsmaßnahmen, Zwangsrekrutierungen und willkürliche Verhaftungen durchführte [Country Focus 2023, 1.1.1, S. 12]. Neben Angriffen durch nicht identifizierte bewaffnete Männer zielte ISIL gezielt auf SAA-Soldaten und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte der sudanesischen Regierung, Regierungsangestellte, Funktionäre der Baath-Partei und Stammesfürsten. Solche Vorfälle wurden hauptsächlich in Raqqa und Deir Ez-Zor (einschließlich der Region Badia) gemeldet. Berichten zufolge verübte der IS auch Angriffe in der Provinz Dar’a, wo er zwischen Januar 2020 und April 2022 die Verantwortung für mindestens 37 Angriffe übernahm, die sich gegen SAA-Soldaten, Angehörige der Geheimdienste, Funktionäre der Baath-Partei, ehemalige Oppositionskämpfer und Zivilisten richteten.

Schlussfolgerungen und Hinweise

Qualifizieren die Handlungen eine Verfolgung gemäß Artikel 9 Status-RL?

Die Handlungen, die gegen Personen mit diesem Profil begangen werden, sind so schwerwiegend, dass sie einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Mord, Entführung). Bestimmte Risiken für Angehörige der Streitkräfte sind ihrem Militärstatus und dem anhaltenden Bürgerkrieg inhärent und würden nicht als Verfolgung gelten. Handlungen außerhalb der Kriegsführung könnten jedoch so schwerwiegend sein, dass sie einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Mord und Entführung).

Wie hoch ist das Verfolgungsrisiko (begründete Angst)?

Bei der individuellen Beurteilung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragsteller verfolgt wird, sollten die risikobeeinflussenden Umstände berücksichtigt werden, insbesondere die regionalen Besonderheiten (abhängig von der Präsenz und Aktivität regierungsfeindlicher bewaffneter Gruppen) sowie die Position und Sichtbarkeit der Person. In Bezug auf das mit dem Verlassen Syriens verbundene Risiko, zusätzlich zu den Überlegungen in Bezug auf

Fallen die Gründe für die Verfolgung unter Artikel 10 Status-RL?

Nach den verfügbaren Informationen ist die Verfolgung dieses Profils höchstwahrscheinlich auf Gründe der (unterstellten) politischen Meinung zurückzuführen. Ausschlussüberlegungen könnten für dieses Profil relevant sein (siehe Kapitel 8. Ausschluss).

4.7.2 Zivilisten, die als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden

COI-Zusammenfassung

Zivilisten, die als Kollaborateure oder Unterstützer der Regierung oder (pro-)staatlicher Streitkräfte wahrgenommen werden und/oder sich gegen regierungsfeindliche bewaffnete Gruppen stellen, werden von mehreren Gruppen ins Visier genommen, hauptsächlich von HTS und ISIL.

In von HTS kontrollierten Gebieten wurden mehrere Personen aufgrund von Vorwürfen der Zusammenarbeit mit der syrischen Regierung ins Visier genommen. In den Jahren 2020, 2021 und 2022 wurden mehrere Hinrichtungen und Inhaftierungen aus diesen Gründen gemeldet. Im Herbst 2020 wurden im ländlichen Damaskus Morde ohne eigene Angaben gemeldet, die sich gegen prominente Zivilisten richteten, die Versöhnungsabkommen zwischen der sudanesischen Regierung und oppositionellen Kämpfern vermittelt hatten. Es gab auch Berichte, die darauf hindeuteten, dass HTS Eigentum von Minderheitengruppen wie Christen, Personen, die aus dem Gebiet geflohen waren oder als politische Gegner wahrgenommen wurden, darunter angebliche Unterstützer der sudanesischen Regierung, beschlagnahmte. ISIL nahm „vermeintliche Feinde, darunter angebliche Unterstützer oder Mitglieder bewaffneter Oppositionsgruppen oder der Regierung und ihrer Streitkräfte“ ins Visier und nahm sie fest. Im Berichtszeitraum wurden mehrere Tötungen in Raqqa, Deir Ez-Zor, Dar’a, Homs und südlich von Damaskus dem IS zugeschrieben oder von ihm für sich beansprucht. Es gab mehrere Berichte über Mitglieder der SDF, die Personen mit Verbindungen zur sudanesischen Regierung festnahmen oder denen vorgeworfen wurde, für die sudanesische Regierung oder iranische Milizen zu spionieren oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, darunter Zivilisten und Mitglieder der SDF oder der kurdisch geführten AANES.

Schlussfolgerungen und Hinweise

Qualifizieren sich die Taten als Verfolgung gemäß Artikel 9 Status-RL?

Die Taten, die Berichten zufolge gegen Personen mit diesem Profil begangen werden, sind so schwerwiegend, dass sie einer Verfolgung gleichkommen (z. B. Inhaftierung, Folter, Tötung).

Wie hoch ist das Verfolgungsrisiko (begründete Angst)?

Bei der individuellen Beurteilung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragsteller verfolgt wird, sollten risikobeeinflussende Umstände berücksichtigt werden, wie z. B.: regionale Besonderheiten (abhängig von der Präsenz und Aktivität bewaffneter Gruppen, die sich gegen die Regierung richten) und das Ausmaß der wahrgenommenen Unterstützung oder Zusammenarbeit usw.

Fallen die Gründe für die Verfolgung unter Artikel 10 Status-RL?

Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass die Verfolgung dieses Profils höchstwahrscheinlich aus (unterstellten) politischen Überzeugungsgründen erfolgt.

[…]

4.10.5 Christians

COI-Zusammenfassung

Schätzungen zufolge sind 10 % der syrischen Bevölkerung Christen. Christen leben in und um die Städte Damaskus, Aleppo, Homs, Hama, Latakia und im Gouvernement Hasaka. Nur wenige Christen leben in Gebieten, die unter der Kontrolle islamistischer Gruppen stehen oder standen [Targeting 2022, 11, S. 95]. Vor dem Konflikt zählten etwa zwei Millionen Christen in Syrien. Die Zahl sank auf 450.000, wobei viele von ihnen nach Europa und in die Vereinigten Staaten auswanderten [Targeting 2020, 10.7, S. 84]. Ein muslimischer Mann darf eine christliche Frau heiraten, aber eine muslimische Frau darf keinen christlichen Mann heiraten. Eine christliche Frau, die einen Muslim heiratet, hat keinen Anspruch darauf, Eigentum oder Vermögen von ihrem Ehemann zu erben, selbst wenn sie konvertiert. Die Konversion vom Islam zum Christentum ist gesetzlich verboten. [Targeting 2022, 11, S. 95]

Christen werden von verschiedenen Akteuren ins Visier genommen. Seit Beginn des Konflikts wurden mehr als 100 Angriffe der Streitkräfte der türkischen Regierung, der bewaffneten Oppositionsgruppen, des IS, des HTS und anderer Parteien auf christliche Kirchen gemeldet. Im Juli 2019 übernahm der IS die Verantwortung für Selbstmordanschläge auf eine Kirche, bei denen 12 Menschen in Qamischli getötet wurden, sowie für den Tod eines Pastors in der Provinz Deir Ez-Zor im November 2019 [Targeting 2020, 10.7, S. 84]. Aktuelle Informationen über Angriffe auf Christen in von der türkischen Regierung kontrollierten Gebieten konnten nicht gefunden werden. Personen, die zum Christentum konvertiert sind, waren Berichten zufolge in Gebieten unter der Kontrolle türkischer Streitkräfte und der SNA Bedrohungen ausgesetzt [Targeting 2022, 11, S. 95-97]. In Idlib beschlagnahmte HTS Eigentum und Kirchen von Christen und schränkte deren Recht auf Religionsausübung ein. Außerdem wurde Christen, die aus ihren Häusern in Idlib geflohen waren, verboten, jemanden zu ernennen, der gegen Urteile von Scharia-Gerichten in Bezug auf ihr Eigentum Berufung einlegt. „Islamistische Gruppierungen“, die in der Provinz Idlib operieren, erhoben sogenannte „Dschizya“-Steuern (eine Steuer, die historisch von muslimischen Herrschern Nichtmuslimen auferlegt wurde), um Christen zum Verlassen ihrer Häuser zu drängen. [Targeting 2022, 11, S. 96] Christen dürfen einige öffentliche Schulen betreiben. In kurdisch kontrollierten Gebieten konnten ethnisch-religiöse Minderheiten ihre religiösen Überzeugungen im Allgemeinen offen ausdrücken und ausüben, einschließlich der Konvertierung zu einer anderen Religion. Ab 2020 wurde über die Schließung christlicher Schulen berichtet, nachdem sie sich weigerten, Unterricht nach dem kurdischen Lehrplan zu erteilen [Targeting 2022, 5.2.1, S. 62]. Syrische Christen äußerten Bedenken hinsichtlich des Schullehrplans.

Schüler, Lehrer und Mitglieder des Syrisch-Christlich-Orthodoxen Glaubensrates wurden im September 2021 von den SDF festgenommen, nachdem sie den kurdischen Lehrplan kritisiert und sich geweigert hatten, ihn zu übernehmen [Targeting 2022, 11, S. 95-96]. Weitere Informationen finden Sie unter 4.5. Personen, die als Gegner der SDF/YPG wahrgenommen werden.

Christen waren auch in Gebieten unter türkischer Kontrolle Drohungen ausgesetzt. In Afrin wurden Inhaftierungen und Anklagen wegen Apostasie gemeldet. [Targeting 2022, 11, S. 96]

ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen:

Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung; Zwangsrekrutierungen

Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze (Enab Baladi, 12. Februar 2025; France 24, 10. Februar2025; siehe auch Markaz Al-Jazeera l-il-Dirasat, 30. Jänner 2025; FDD,28. Jänner 2025). Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden(France 24, 10. Februar 2025; Enab Baladi, 12. Februar 2025). Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die Hayat Tahrir Al-Scham (HTS)aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen (Svt nyheter, 18. Jänner 2025). In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikelwürden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken (SCI, ohne Datum).

In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet EnabBaladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums

der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungenhätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen (Enab Baladi,12. Februar 2025). Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgendbeschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12. Februar 2025 auf der Facebook-Seite„Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihender Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein (Al Arabiya Syria,12. Februar 2025). Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“(„Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Siedürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie desakademischen Nachweises, wenn vorhanden (Nachrichten des freien Syrien, 6. Februar 2025).

Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitzeines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide. Am 10. Jänner 2025 habe das Innenministerium der Übergangsregierung verkündet, dass Anmeldungen zum Eintritt in die Polizeiakademie begonnen hätten. Die Kurse, die einen Eintritt in die Reihen der Polizei und Dienste der öffentlichen Sicherheit ermöglichen sollen, hätten in fast allen Gouvernements, insbesondere in Damaskus, RifDimaschq, Homs, Tartus, Idlib, Sweida und Deir ez-Zor begonnen. Dem Artikel zufolge sei Idlib in dieser Hinsicht am aktivsten, gefolgt von Deir ez-Zor und Teilen von Rif Dimaschq, während der Rekrutierungsprozess in den Küstenregionen sowie in Homs eher verhalten verlaufe. Bewerberhätten zwischen 20 und 30 Jahre alt zu sein, einen Sekundarschulabschluss oder einen entsprechenden Abschlussvorzuweisen, die vorgeschriebenen Kurse absolviert zu haben, unbescholten sowie gesund und von guter Statur zu sein. Sie hätten zudem körperlich fit zu sein und müssten mindestens 168 cm groß sein.

Einem für den Artikel interviewten 27-jährigen Mann zufolge stelle der freiwillige Beitritt zum Polizei- oder Geheimdienstapparat für ihn eine gute Beschäftigungsmöglichkeit dar. Das Gehalt betrage mindestens 200 US-Dollar, während ein Arbeiter in Idlib täglich nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar verdiene. Der Mann aus Süd-Idlib habe auf Facebook eine Rekrutierungsanzeige gesehen und sich daraufhin beeilt, sich zu bewerben. Er habe erklärt, dass für die Bewerbung ein Formular mitpersönlichen Daten auszufüllen sei. Das Formular gebe an, dass Bewerber nicht älter als 30 Jahre sein dürften. Man dürfe im Formular angeben, ob man in die Reihen des Geheimdienstes oder der Polizei, darunter die Kriminalpolizei, die Verkehrspolizei und die Moralpolizei, aufgenommen werden wolle. Die Moralpolizeit sei eine Abteilung, die in Idlib vor dem Sturz der Assad-Regierung hätte gegründet werden sollen, aber trotz der Verbschiedung eines Gesetzes mit dem Titel „Öffentliche Moral“, auf Eisgelegt worden sei (Syria TV, 21. Februar 2025).

In einem Artikel vom 19. Februar 2025 berichtet The National von einem Funktionär der HTS, der im Damaszener Außenbezirk Ost-Ghuta junge Männer rekrutieren solle. Die HTS benötige dem Artikel zufolge so viele Männer wie möglich, insbesondere für entlegenere Gegenden. An einemöffentlichen Platz im Vorort Ain Tarma habe der Funktionär ein kommunales Gebäude betreten und einen Zuständigen dort gefragt, ober Personen kenne, die geeignet seien, der HTS beizutreten. Er habe eine Telefonnummer hinterlegt und sei zu einer ehemaligen Regierungskaserne weitergegangen, die sich auf dem Gebiet befinde, wo neue HTS-Rekruten ein dreiwöchiges Training absolvieren sollen. Dem Funktionär zufolge hätten sich seit dem Fall der Assad-Regierung tausende der HTS angeschlossen. Hunderte weitere würden bald in den Kasernen in Ost-Ghuta erwartet (The National, 19. Februar 2025).

Laut einem Artikel der Foundation for Defense of Democracies (FDD) von Jänner 2025 behaupte die syrische Übergangsregierung zwar, sich für religiöse Toleranz einzusetzen. Gleichzeitig werde die von der Regierung bevorzugte sunnitisch-islamische Glaubensströmung der Rekrutierung und der Ausbildung neuer Sicherheitskräfte zugrunde gelegt. Berichten zufolge würden neue Rekruten eine 21-tägige Scharia[1]-Ausbildung durchlaufen (FDD, 28. Jänner 2025). In einem Artikel von Jänner 2025berichtet Reuters von der Rekrutierung von Polizisten durch die Übergangsregierung. Polizisten, die aus der ehemals HTS-regierten Enklave in Idlib nach Damaskus gebracht worden seien, würden Bewerbernach ihrem Glauben befragen. Die Ausbildung von Polizisten dauere zehn Tage und der Fokus liege Ausbildnern und Absolventen zufolge auf dem Umgang mit Waffen und der Vermittlung von islamischem Recht. Dem Leiter der Polizei in Aleppo zufolge sei geplant, die Ausbildung auf neun Monate auszuweiten, wenn sich die Sicherheitslage gebessert habe. Ihm zufolge würden den Polizeirekruten die Prinzipien der islamischen Rechtsprechung, die Biographie des Propheten Mohammed und Verhaltensregeln gelehrt. Die Bewerbungsformulare würden Reuters zufolge einen Abschnitt „Glaube, Orientierung und Standpunkte „enthalten, in welchem Bewerber nach ihrer „Bezugsautorität“ („referentialauthority“[2]) befragt würden. Drei anonymen HTS-Beamten zufolge diene die Frage dazu, Bewerber zu identifizieren, die einer genaueren Prüfung unterzogen werden müssen, insbesondere Alawiten, die derselben Glaubensströmung wie die Assad-Familie angehören würden und möglicherweise Verbindungen zur Assad-Regierung gehabt hätten(Reuters, 23. Jänner 2025).

Dem von Reuters befragten Wissenschaftler Aron Lund zufolge fänden viele Syrer·innen die religiöse Komponente bei der Rekrutierung von Polizisten bedenklich. Das betreffe nicht nur Minderheiten wie Christ·innen, Alawit·innen und Druz·innen, sondern auch urbane, säkularesunnitische Muslim·innen. Das Innenministerium der Übergangsregierung, welches für Polizeiangelegenheiten zuständig sei, habe Reuters Fragen zum religiösen Fokus bei der Rekrutierung und Ausbildung von Polizisten nicht beantwortet. Mehreren von Reuters interviewten führenden Polizeioffizieren zufolge diene dieser nicht dazu, der Allgemeinbevölkerung religiöse Inhalte aufzuzwingen, sondern dazu, Rekruten ethisches Verhalten zu vermitteln. Sieben Polizeioffiziere, die Polizeistationen verwalten oder im Rekrutierungsprozess involviert seien, hätten ausgesagt, dass die Polizei mehr Mitarbeiter benötige und Bewerbungen von Personen jeder Glaubensrichtung willkommen seien(Reuters, 23. Jänner 2025).

Einem Polizei-Ausbildner an einer Polizeiakademie in Damaskus zufolge hätten sich über 200.000 Personen gemeldet, die Teil des neuen Polizeidienstes werden wollen. Alle fünf von Reuters interviewten hochrangingen Offiziere seien davon ausgegangen, dass sich die Personalausstattung vor dem Hintergrund der Ausweitung von Rekrutierung und Training im Jahr 2025 verbessern werde. Die Anmeldung von Polizisten, die vor dem Sturz der Assad-Regierung zu den Rebellen übergelaufen seien, werde laut von Reuters befragten führenden Polizeioffizieren begrüßt (Reuters, 23. Jänner 2025; siehe auch EnabBaladi, 12. Februar 2025). Diejenigen, die nicht übergelaufen seien, hätten einen „Aussöhnungsprozess“ zu durchlaufen. Im Zuge dessen hätten sie ein Dokument zu unterzeichnen, worin sie den Regierungswechselanerkennen würden, und sie hätten ihre Waffe abzugeben. Es sei noch unklar, ob sie dem neuen Polizeidienst beitreten dürften (Reuters,23. Jänner 2025).

In einem Artikel von Ende Februar 2025 berichtet Syria TV von Gerüchten, denen zufolge die Übergangsregierung in den Gouvernements Tartus und Latakia Männer zum Militärdienst rekrutiert und zwangsverpflichtet hätte. Auf Facebook-Seiten, die der Quelle zufolge von Medienfachleutenbetrieben würden, die der Assad-Regierung naheständen, sei berichtet worden, dass Sicherheitskräfte in den Städten Dschableh, Baniyas undQardaha Checkpoints aufgestellt und Personen mit

Statusregelungsausweisen[3] („Bidaqat Taswiya“) festgenommen hätten. Offizielle Quellen des Gouvernements Tartus hätten den Verantwortlichen der Rekrutierungsabteilung der Stadt Baniyas zitiert, der diese Gerüchtevehement abgestritten habe. Er habe darauf hingewiesen, dass der Militärdienst nunmehr auf Freiwilligkeit aufbaue und dazu aufgerufen, offizielle Quellen für Informationen zu konsultieren (Syria TV, 26. Februar2025).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum Namen, Geburtsdatum und Geburtsort des BF ergeben sich aus den gleichbleibenden Angaben des BF im gegenständlichen Verfahren sowie der vorgelegten Kopie seines syrischen Reisepasses (AS 13, 21, 75).

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Volksgruppenzugehörigkeit und Familienstand des BF gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Dass der BF in keiner Lebensgemeinschaft lebt, ergibt sich daraus, dass er dies auf konkrete Nachfrage verneinte und angab ledig zu sein. Die bloß hypothetischen Ausführungen des BF bezüglich einer Beziehung zu einer Christin („falls ich eine Christin heirate“) ließen vor dem Hintergrund der aktiven Verneinung einer Lebensgemeinschaft jedenfalls nicht auf konkrete Heiratspläne des BF schließen. Es ergibt sich daraus bloß, dass er grundsätzlich kein Problem damit hätte eine Christin zu heiraten (AS 13 ff, 21, 75; OZ 6, S 15, 17).

Die Angaben des BF zu seinem Geburtsort und Heimatort, dem Datum seiner Ausreise, seiner Schulausbildung und seiner Berufserfahrung resultieren auf seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Aussagen in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt, sowie in der mündlichen Verhandlung. Die Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung, dass er seinen Heimatort verlassen musste, da das Haus der Familie zerstört wurde und er anschließend über XXXX in die Türkei ausreiste, waren insofern glaubhaft (AS 14 ff; AS 75; OZ 6, S 15 f).

Die Feststellungen, dass der BF weiterhin Verwandte in Syrien hat, ergeben sich aus seiner Aussage vor der belangten Behörde, wonach seine Mutter zwar bereits in der Türkei sei, er aber noch Großeltern, Onkel und Tanten in Syrien habe und mit diesen auch Kontakt pflege. Diese Angaben decken sich auch mit den Angaben des Vaters des BF in der mündlichen Verhandlung (AS 77; OZ 6, S 8).

Das Datum der gegenständlichen Antragstellung sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 14, 95 ff).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF resultieren aus seinen Angaben vor der belangten Behörde, die sich in der mündlichen Verhandlung bestätigten (AS 73, OZ 6, S 14 f).

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug (OZ 5).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Zur Gebietskontrolle:

Dass XXXX unter der Kontrolle der HTS-Übergangsregierung steht, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/) zum Entscheidungszeitpunkt unter Berücksichtigung der eingebrachten Länderinformationen und den damit übereinstimmenden Angaben des BF. Es wird nicht verkannt, dass in der Heimatstadt des BF auf der Syria Live Map XXXX ersichtlich ist, allerdings brachte der BF zu keinem Zeitpunkt vor, aus diesem Gebiet zu stammen. Im Gegenteil bestätigte er in der mündlichen Verhandlung, dass „Die HTS […] die Macht in Syrien übernommen.“ hat (vgl OZ 6, S 17). Es war daher (im Hinblick auf den Heimatort des BF) festzustellen, dass die HTS die Kontrolle hat.

Dass das syrische Regime gestürzt wurde und insofern nicht mehr existiert bzw handlungsfähig ist, ergibt sich aus den eingebrachten Länderinformationen, wonach die HTS im Rahmen der Operation „Abschreckung der Aggression“ der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende setzte und am 08.12.2024 die Hauptstadt unter ihre Kontrolle brachten und der ehemalige Präsident das Land verließ. Die Zerschlagung der Sicherheitsbehörden des Regimes ergibt sich aus den Angaben in den Länderberichten, wonach die Regierungstruppen ihre Stellungen aufgaben, das Armeekommando die Soldaten außer Dienst stellte, staatliche Einrichtungen von Zivilisten gestürmt wurden, Gefangene aus Gefängnissen befreit wurden bzw Regimesoldaten massenweise desertierten (vgl ua die Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024). Der BF bestätigte dies in der Verhandlung, „Die HTS hat die Macht in Syrien übernommen“ (OZ 6, S 17).

Dass der BF seine Wehrpflicht noch nicht abgeleistet hat ergibt sich aus seiner Ausreise vor Erreichen des wehrpflichtigen Alters (März 2015), sowie aus seinen diesbezüglichen Angaben, wonach er weder ein Militärbuch, noch die Musterung absolviert habe. Er sei damals noch zu klein gewesen (AS 83).

Zur individuellen Bedrohung des BF:

Die Feststellung, dass der BF in Syrien grundsätzlich individuell weder bedroht gewesen noch es zu Übergriffen auf ihn gekommen ist, gründet in seinen übereinstimmenden Angaben in seiner Ersteinvernahme vor der Fremdenpolizei und seiner hg Einvernahme: So gab er als Fluchtgrund lediglich allgemein den Krieg an. Der Umstand, dass dabei das Haus der Familie zerstört wurde steht dem nicht entgegen, denn der BF brachte zu keinem Zeitpunkt vor, dass dies ein gezielter Angriff auf ihn bzw seine Familie gewesen sei. Es war daher davon auszugehen, dass das Haus der Familie im Rahmen der allgemeinen Gefahren und Verwüstungen eines Krieges zerstört wurde und es sich nicht um einen gezielten Angriff auf die Familie des BF handelte. Der BF gab konkret zum Grund des Verlassens des Heimatortes (bloß) an, dass er und seine Familie wegen des Krieges fortgingen (OZ 6, S 16).

Da der BF auch sonst keine individuellen Verfolgungshandlungen oder Übergriffe gegen seine Person behauptete (AS 81, 87), bzw diese sogar aktiv verneinte – so gab der BF ua befragt zu Problemen mit der Polizei an „Nein, ich war 15 Jahre alt. Ich war ein Kind. Mir sind solche Vorfälle nicht passiert“ (OZ 6, S 17) – war die entsprechende Feststellung zu treffen (siehe dazu auch AS 81, wonach der BF Probleme mit Behörden, der Polizei bzw aufgrund seiner Volksgruppe bzw Religion verneinte).

Zur Einstellung des BF gegenüber der HTS:

Für eine oppositionelle Einstellung des BF gegenüber der HTS spricht folgendes:

Zu berücksichtigen war, dass der BF in der mündlichen Verhandlung angab, dass der aktuelle Justizminister im Jahr 2015 Frauen hingerichtet habe, weil sie verdächtigt wurden, Prostituierte zu sein und ihn dies sehr geärgert habe (OZ 6, S 17). Dies bekräftigte der BF auch in seiner Stellungnahme vom 27.02.2025 (OZ 7). Der BF lebt seit 2015 nicht mehr in Syrien und könnte sich (zumindest hypothetisch) vorstellen eine Christin zu heiraten (OZ 6, S 17). Darüber hinaus bezeichnete er die HTS im Zusammenhang mit einer Frage zum Wehrdienst als sehr radikal (OZ 6, S 17).

Allerdings sprechen gewichtigere Gründe gegen eine oppositionelle Einstellung des BF:

Insbesondere in seinen Einvernahmen gab der BF an, nie politisch tätig gewesen zu sein (AS 81; OZ 6, S 17; „Seit ich ein Kind war und bis jetzt schau ich mir keine Nachrichten an. Ich interessiere mich nicht für Politik.“). Sogar konkret zur HTS befragt gab er an, dass er dazu gar nichts wisse (AS 87), was das allgemeine Desinteresse des BF bezüglich der Politik in Syrien bestätigt.

Im Leben des BF gab es ebenso keine persönlichen Erlebnisse, die Anhaltspunkt für das Entstehen einer oppositionellen Gesinnung des BF gegenüber der HTS sein könnten. Hierzu befragt gab er an, dass weder er noch sein Bruder jemals von der HTS bzw Al-Nursa-Front angesprochen wurden. Dass der (separat einvernommene) Bruder des BF diesbezüglich gegenteiliges angab und vorgeblich von Mitgliedern der HTS zum Jihad aufgefordert worden sei, war – hinsichtlich des BF, der dies ausdrücklich verneinte – daher nicht glaubhaft (OZ 6, S 16).

Die im Zusammenhang mit dem Umsturz des Regimes getätigte Aussage des BF „Wir haben uns gefreut und es ist gut für die Syrer, dass das Regime gefallen ist.“ (OZ 6, S 17) kann ihm hier nicht entgegengehalten werden, da die grundsätzliche Freude über den Sturz des bisherigen Regimes nicht zwingend mit einer Sympathie für die neuen Machthaber einhergeht.

Vor dem Hintergrund, dass der BF mehrfach besonders eindeutig angab, sich nicht für Politik zu interessieren („Mich interessiert die Politik nicht.“ AS 85; „Ich weiß gar nichts dazu [gemeint ua HTS]“, AS 87; „Ich war noch jung und habe keine Ahnung von der ganzen Geschichte“, AS 87; „Seit ich ein Kind war und bis jetzt schau ich mir keine Nachrichten an. Ich interessiere mich nicht für Politik.“ OZ 6, S 17), darf der Empörung über den Justizminister allerdings auch nicht zu viel Gewicht beigemessen werden. Hinzu kommt, dass der BF nicht dazu in der Lage war ein über die allgemeine Verärgerung hinausgehendes konkret auf ihn zutreffendes politisches Gedankenbild vorzubringen. Selbst in seiner Stellungnahme vom 27.02.2025 bringt der BF begründungslos vor, dass er die Politik der HTS ablehne und gegenüber den neuen Machthabern in Syrien eine oppositionelle politische Überzeugung habe und verweist abermals auf Zeitungsberichte über den Justizminister (OZ 7, S 2). Das vorgebrachte Ärgernis über den Justizminister, der laut Zeitungsberichten Frauen hinrichten ließ, von dem der BF lediglich aus allgemein zugänglichen Quellen erfahren hat und das keinen Zusammenhang zu seinen konkreten Lebensumständen aufweist (der BF ist ein männlicher, sunnitischer Syrer), konnte daher nicht überzeugen.

Die vom BF vorgebrachten hypothetischen Probleme, wenn er Christin heiraten würde stehen im Widerspruch mit seiner Angabe vor der belangten Behörde, wonach er keine Probleme wegen seiner Religionszugehörigkeit habe (AS 81). Hierbei ist zwar zu berücksichtigen, dass sich diese Aussage primär auf das damalige Assad-Regime bezieht, allerdings waren auch dort bereits Konversionen vom Islam zum Christentum verboten, bzw gewisse Ehen bei Religionsverschiedenheit verboten, bzw hatten christliche Ehefrauen muslimischer Männer kein Recht, Eigentum oder Vermögen ihrer Männer zu erben (vgl EUAA, Kapitel 4.10.5. Christen, S 79). Die hypothetische Problematik des BF bezüglich einer Eheschließung bestand daher, wenn vielleicht auch in einer etwas ausgestalteten Form, dem Grunde nach bereits vor der belangten Behörde, ohne dass er diese dort vorbrachte. Der Versuch sein Fluchtvorbringen mithilfe dieses (nicht tatsächlich auf ihn zutreffenden) Szenarios nunmehr in der mündlichen Verhandlung zu steigern, war daher einerseits nicht glaubhaft, zumal der BF tatsächlich unverheiratet und in keiner Lebensgemeinschaft ist (OZ 6, S 15, 17) und er dies erstmalig nach Erhalt eines negativen Bescheides vorbrachte. Obwohl er nach persönlichen Auswirkungen der neuen politischen Lage befragt wurde, war es ihm nicht möglich ein reales, auf ihn zutreffendes Szenario zu schildern, welches einen konkreten Zusammenhang zu seinen tatsächlichen Lebensumständen aufweist. Abgesehen davon, dass eine tatsächliche Ehe des BF mit einer Christin somit nicht glaubhaft war, ist der bloße Umstand, dass der BF grundsätzlich kein Problem damit hätte eine Christin zu heiraten nicht geeignet, daraus eine oppositionelle Gesinnung im Sinne einer unterschiedlichen Haltung gegenüber anderen Religionen abzuleiten. Dies ergibt sich ua auch daraus, dass kein Bezug zur tatsächlichen Lebenslage des BF besteht.

Aus diesem Grund waren auch die einzeln, in seiner Stellungnahme vom 27.02.2025 (OZ 7) herausgegriffenen und allgemeinen Angaben zur HTS und deren Umgang mit politischen Gegnern, Demonstranten bzw der Meinungsäußerungsfreiheit im Allgemeinen nicht überzeugend, um eine politische Gesinnung des BF darzutun.

Das Vorbringen des BF bezüglich einer Frage zum Wehrdienst und ob er sein diesbezüglich Fluchtvorbringen aufrechterhalte „Ja, sicher für diese Gruppierung. Sie sind sehr radikal.“ (OZ 6, S 17) ist vor dem Hintergrund, dass der BF mehrfach angab sich nicht für Politik zu interessieren nicht plausibel. Woraus der BF, der nach seinen eigenen Angaben keine Nachrichten mehr ansieht und sich dafür auch nicht interessiere, nunmehr ableitet, dass „diese Gruppierung“ (gemeint wohl die HTS) „sehr radikal“ sei, ist nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man berücksichtigt, dass sich die Lage in Syrien erst vor wenigen Monaten stark verändert hat und neue Machtverhältnisse am Heimatort des BF bestehen, kann daraus nichts gewonnen werden, schließlich gab der BF selbst erst vor wenigen Monaten an, „gar nichts“ über die HTS zu wissen (AS 87). Da der BF in der mündlichen Verhandlung wie bereits ausgeführt keine ihn betreffenden Ereignisse bzw Umstände schildern konnte (die hypothetische Ehe mit einer Christin betrifft ihn als ledigen Mann nicht), wie ihn die neue politische Lage in Syrien konkret betreffen würde, war auch nicht ersichtlich, dass sich der BF zwischenzeitlich über die politische Lage informiert hätte. Dazu steht er schließlich auch („Ich interessiere mich nicht für Politik“ OZ 6, S 17).

Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass sich der BF noch nie für die Politik in Syrien interessiert hat. Dies hat sich auch seit dem Umsturz des Assad-Regimes nicht geändert (AS 83, 85; OZ 6, S 17). Zwar hat der BF offenbar im Vorfeld der mündlichen Verhandlung von vereinzelten Medienberichten bezüglich des neuen Justizministers erfahren, allerdings war er wie oben dargestellt nicht dazu in der Lage mit dieser einzeln herausgegriffenen Berichterstattung eine oppositionelle Gesinnung gegenüber der HTS glaubhaft zu machen. Es war vielmehr davon auszugehen, dass der BF im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung kurzfristig von diesen Ereignissen erfahren hat und diese zu seinem Fluchtvorbringen erhob um seine Chancen auf Asyl zu erhöhen. Eine tatsächliche oppositionelle Überzeugung gegenüber der HTS, geschweige denn ein politisches Interesse konnte er damit aber nicht glaubhaft machen, weshalb die entsprechenden Feststellungen zu treffen waren.

Zur Einstellung der HTS gegenüber dem BF:

Die Feststellung, dass dem BF keine oppositionelle Gesinnung von der HTS unterstellt wird und er nicht als Regimesympathisant gilt, ergibt sich sowohl aus der bereits frühen Ausreise des BF im Alter von 15 Jahren, als auch daraus, dass der BF nie politisch aktiv war. Es kamen daher keine Anhaltspunkte hervor, weshalb die HTS den BF als regimenah wahrnehmen sollte. Gerade die frühe Flucht des BF und seiner Familie vor dem Regime, noch bevor er bzw sein Bruder die damalige Wehrpflicht hätten ableisten müssen, zeigt schließlich, dass diese mit der Politik des ehemaligen Machthabers nicht einverstanden waren. Dies stimmt auch mit der Angabe des BF „Wir haben uns gefreut und es ist gut für die Syrer, dass das Regime gefallen ist.“ überein (OZ 6, S 17). Der BF und seine Familie haben somit gerade keine Handlungen gesetzt, die allenfalls als regimenahe zu interpretieren wären. Auch aus den Länderberichten ergibt sich nichts Gegenteiliges: So sprach die HTS eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben aus, garantierte diesen Sicherheit und untersagte jegliche Übergriffe gegen diese (vgl Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien vom 10.12.2024, S 9 f). Wenn nun bereits gegenüber aktiv dienenden Wehrpflichtigen eine Amnestie ausgesprochen wurde, so kann erst recht nichts Anderes für Personen (wie den BF) gelten, der den Wehrdienst nicht einmal abgeleistet hat und „nur“ wehrpflichtig war und deshalb sogar das Land verlassen hat. Da auch sonst keine Anhaltspunkte hervorkamen, die den BF oder seine Familie ins Blickfeld der HTS gerückt hätten, war festzustellen, dass ihm keine oppositionelle Gesinnung von dieser unterstellt wird.

Zur Rückkehr des BF in seinen Heimatort:

Die Feststellung, dass dem BF eine hypothetische Rückkehr möglich ist, ergibt sich aus den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, wonach seit dem Umsturz (Stichtag 13.02.2025) bereits über 279 000 Syrer aus den umliegenden Nachbarländern in ihr Heimatland zurückgekehrt sind und rund 680 000 IDPs in ihre Herkunftsregionen zurückkehrten (UNHCR, Regional Flash Update, Syria, 13.02.2025, S 1 f). Es kamen keine Anhaltspunkte hervor, weshalb dem BF, der sogar einen syrischen Reisepass besitzt (AS 21), eine Rückkehr nicht ebenso möglich sein sollte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG liegt es am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der "Asylentscheidung" immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl zuletzt VwGH 29.06.2023, Ra 2022/01/0285, mwN; sowie jüngst unter Hinweis auf diese Entscheidung VfGH 27.2.2023, E 3307/2022).

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (Hinweis B vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN). In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (Hinweis B vom 28. April 2015, Ra 2015/18/0026, mwH) (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0492).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).

In seiner Rechtsprechung zur Rechtslage nach dem AsylG 1997 hat der VwGH in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), den ursprünglichen Aufenthaltsort als Heimatregion angesehen (vgl VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn 19, mwN; siehe auch VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548), wonach es für die Frage eines möglichen Asylanspruchs entscheidend ist, ob einem Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat angesichts des in den Länderfeststellungen ausgewiesenen erhöhten Rekrutierungsdrucks der syrischen Armee und der besonderen Gefährdung von einreisenden Männern im wehrfähigen Alter mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst droht (vgl. überdies VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250, mit Verweis auf VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0203; sowie zuletzt VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108, Rn. 27 ff.; siehe auch EuGH 19.11.2020, C 238/19, wonach im Kontext des Bürgerkriegs in Syrien eine starke Vermutung dafürspricht, dass die Weigerung, dort Militärdienst zu leisten, mit einem Grund in Zusammenhang steht, der einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen kann; darauf Bezug nehmend zuletzt auch VfGH 20.09.2022, E 1138/2022 und VwGH 26.01.2023, Ra 2022/20/0358; vgl. auch EUAA, Country Guidance: Syria 2023, 74 f).

3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2 (unter Heranziehung der entsprechenden Länderberichte) dargestellt, ist es dem BF nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Rückkehr in seinen Heimatstaat Eingriffe in seine körperliche Integrität, eine Verfolgung, Gewalt, oder Lebensgefahr drohen. Er hat keine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hat, glaubhaft machen können. Aus den Feststellungen kann daher keine aufgrund der Konventionsgründe erfolgte individuelle Verfolgung des BF abgeleitet werden:

Zur Asylrelevanz des Bürgerkriegs

Aufgrund der erst vor kurzem erfolgten Umsturzes und der zum Teil noch ungeklärten Verhältnisse zwischen den (neuen) Akteuren in Syrien, ist die Annahme des Fortbestehens des Bürgerkrieges durchaus vertretbar. Der im Heimatland des BF herrschende Bürgerkrieg begründet allerdings für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl zuletzt VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404). Es bedarf einer zusätzlichen Gefährdung des Asylwerbers, aus asylrelevanten Gründen, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Solche kamen nicht hervor.

Zur Verfolgung durch das syrische Assad-Regime:

Der BF brachte vor, er sei durch das syrische Regime aufgrund seiner politisch motivierten Verweigerung des Wehrdienstes, bzw einer ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung, weil er aus einem von der Opposition kontrollierten Gebiet stamme, sowie als Rückkehrer, asylrelevant verfolgt (vgl ua die Bescheidbeschwerde, AS 257 ff). Dem kann nicht gefolgt werden.

Wie festgestellt, wurde das syrische Assad-Regime gestürzt. Da die bisherigen Macht-/Behördenstrukturen damit nicht mehr existieren, sind diese auch nicht mehr dazu in der Lage Personen zu verhaften oder zu rekrutieren. Der vom BF vorgebrachte Verfolger existiert nicht mehr, womit auch der vom BF diesbezüglich vorgebrachten Verfolgung die Aktualität fehlt. Die vom BF in Bezug auf die syrische Assad-Regierung vorgebrachten Fluchtgründe sind daher unbegründet (siehe dazu auch UNHCR, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Rz 6).

Zur Verfolgung durch die HTS:

Der BF brachte weiters vor, nunmehr auch von der HTS asylrelevant verfolgt zu sein. Die HTS gehe brutal gegen politische Gegner vor und löse friedliche Proteste gewaltsam auf, indem sie auf Demonstrierende schießen oder gewaltsam festnehmen. Es herrsche keine freie Meinungsäußerungsfreiheit. Er habe eine kritische politische Überzeugung gegenüber der HTS und es sei ihm nicht zumutbar diese im Falle einer Rückkehr geheim zu halten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach der Rechtsprechung müssen, damit der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden kann, die Verfolgungshandlungen aus asylrechtlich relevanten Gesichtspunkten drohen. Dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen stehen muss, ergibt sich schon aus der Definition des Flüchtlingsbegriffs in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wonach als Flüchtling im Sinn dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen (vgl VwGH 12.12.2024, Ra 2024/19/0239, RS 2). Die Voraussetzung eines Kausalzusammenhangs besteht wenn auch in einem anderen Maße auch im Rahmen der Status-RL (siehe VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491, RS 4).

Wie festgestellt hat der BF kein Interesse an Politik und hat entgegen seinem Vorbringen auch keine kritische politische Einstellung gegenüber der HTS. Es ist damit nicht maßgeblich wahrscheinlich, dass sich der BF, der mehrmals betonte sich nicht für Politik zu interessieren, an Protesten gegen die HTS beteiligt bzw seine (nicht vorhandene) oppositionelle Gesinnung öffentlich kundtut. Die vom BF geschilderten Probleme mit der HTS bezüglich politischer Gegner, Demonstranten, bzw im Zusammenhang mit der Meinungsäußerungsfreiheit betreffen ihn daher gar nicht. Es ist daher auch nicht maßgeblich Wahrscheinlich, dass der BF deshalb in Situationen gerät, in denen er etwaige Verfolgungshandlungen zu vergegenwärtigen hätte.

Es ist dem BF zwar zuzustimmen, dass eine politische Gesinnung nicht „tief verwurzelt“ sein muss (OZ 7, S 2), allerdings muss eine Verfolgung zumindest maßgeblich Wahrscheinlich sein bzw muss zumindest ein Kausalzusammenhang zu einem Konventionsgrund bestehen. Beides ist beim BF nicht der Fall. Ihm wird eine politisch oppositionelle Gesinnung nicht einmal unterstellt.

Der unpolitische BF, der von der HTS nicht als regimenahe wahrgenommen wird, erfüllt daher bezüglich der HTS weder die von UNHCR aufgezählten Risikoprofile (Aktivist, Journalist, Protestierender, tatsächlicher/vermeintlicher Gegner der HTS; vgl UNHCR 2021, S 148 ff), noch jene der EUAA (vgl EUAA Kapitel 4.7.1. Funktionäre der syrischen Regierung, Mitglieder der SAA und bewaffneter Gruppen der Regierung; 4.7.2 Zivilisten, die als Unterstützer der Regierung wahrgenommen werden).

In der mündlichen Verhandlung brachte der BF vor, dass er sein Fluchtvorbringen bezüglich des Wehrdienstes auch in Bezug auf die HTS aufrechterhalte. Aus den Länderberichten ergibt sich, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen wie ua die HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auferlegen und es dort keine Zwangsrekrutierungen gibt. Durch wirtschaftliche Anreize sowie die islamische Ideologie hat die HTS ausreichend junge Männer, die sich dieser anschließen. Es wird zwar nicht verkannt, dass die Rekrutierungspraxis der HTS eine „höheren Organisationsgrad“ aufweist und in der Vergangenheit zum Teil bereits Vorarbeiten einer „regulären Armee“ ersichtlich waren, allerdings setzte die HTS bislang auf Freiwilligenmeldungen (vgl LIB, Kapitel nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich). Mehrere Quellen berichten, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setzte. Zu bedenken ist, dass die HTS auch ohne Wehrpflicht/Zwangsrekrutierung über ausreichend Kräfte für die Machtübernahme in weiten Teilen Syriens verfügt(e). Mangels der tatsächlichen Durchführung von Zwangsrekrutierungen durch die HTS, scheidet eine diesbezügliche asylrelevante Verfolgung ebenfalls aus.

Als Rückkehrer wird der BF, dem diese Rückkehr auch möglich ist, ebenfalls nicht asylrelevant verfolgt. Den Länderberichten ist ua zu entnehmen, dass Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben keine Amnestie gewährt wird (siehe die Kurzinformation der Staatendokumentation, S 9 f). Dies lässt darauf schließen, dass Personen, die als Regimenahe gelten (vgl dazu auch das Risikoprofil der EUAA, 4.7.2. Zivilisten, die als Unterstützer der Regierung angesehen werden, S 63 ff), bzw derart in Erscheinung getreten sind (zB im Rahmen einer freiwilligen Meldung zum Militärdienst), verfolgt werden können. Da der BF allerdings nicht einmal die Wehrpflicht absolviert hat und auch sonst keine Anhaltspunkte hervorkamen, dass die HTS ihn als regimenahe wahrnehmen sollte, ist eine diesbezügliche asylrelevante Verfolgung ebenso nicht maßgeblich wahrscheinlich.

Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Heimatregion des BF erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Die nach dem Machtwechsel noch instabile Lage, eine etwaige prekäre Versorgungslage, oder sonstige Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Aus diesem Grund stehen auch die Position des UNHCR (UNHCR-Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Dezember 2024) sowie die der Entscheidung zu Grunde gelegten UNHCR Regional Flash Updates der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen:

Die von UNHCR thematisierten Fragen der freiwilligen Rückkehr („Voluntary Returns“) sowie des Moratoriums zwangsweiser Rückführungen („Moratorium on Forced Returns“) sind mit Blick auf den Gegenstand dieser Entscheidung nicht relevant. Des Weiteren plädiert UNHCR dafür, dass vorerst keine negativen Entscheidungen über Asylanträge von syrischen Staatsangehörigen, erlassen werden. Zutreffend weist UNHCR zunächst darauf hin, dass das Risiko einer Verfolgung durch die einstige Regierung, also das Assad-Regime, geendet habe. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit den – in zahlreichen Medien veröffentlichten – Informationen, auf die sich die gegenständliche Entscheidung stützt. Im Falle des Entstehens neuer Asylgründe infolge der Lageänderung in Syrien ab Ende November/Anfang Dezember 2024 wäre eine entsprechende Glaubhaftmachung am – rechtskundig vertretenen und über seine Mitwirkungspflicht belehrten – BF gelegen. Sollten sich (im Gegensatz zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt) neue Asylgründe infolge des Machtwechsels konkretisieren, steht dem BF auch in Zukunft die Möglichkeit offen, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Zum hier relevanten Entscheidungszeitpunkt ist jedenfalls von keiner asylrelevanten Verfolgung auszugehen. Im Übrigen ist beachtlich, dass auch UNHCR keine konkreten neuen Verfolgungsrisiken ins Treffen führt, sondern sich bloß allgemein auf die in Syrien vorherrschende Unsicherheit und Instabilität bezieht. Vor diesem Hintergrund sei abschließend noch einmal daran erinnert, dass der BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten innehat.

Die belangte Behörde hat daher den Antrag des BF auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu Recht abgewiesen, weshalb die dagegen gerichtete Beschwerde gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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