JudikaturVwGH

Ra 2022/13/0025 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr. in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Gemeinderats der Gemeinde P, vertreten durch die Reiffenstuhl Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 41/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 27. September 2021, Zl. E G04/05/2019.006/012, betreffend Kanalbenützungsgebühr 2018 und 2019 (mitbeteiligte Parteien: 1. Dipl.Ing. E G in W und 2. M G in P, beide vertreten durch Dr. Josef Sailer und Dr. Romana Schön, Rechtsanwälte in 2460 Bruck/Leitha, Schloßmühlgasse 14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Kanalbenützungsgebühr 2019 betrifft, wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.

Im Übrigen wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde P vom 18. März 1987 wurden die (damaligen) Eigentümer des Grundstückes Nr. x gemäß § 1 (burgenländisches) Kanalanschlussgesetz zum Anschluss an die Kanalisationsanlage der Gemeinde verpflichtet.

2 Mit Bescheid vom 2. Jänner 1997 setzte der Bürgermeister gemäß § 5 (burgenländisches) Kanalabgabegesetz (KAbG) den Anschlussbeitrag für die Anschlussgrundfläche, bestehend aus dem Grundstück Nr. x, wie folgt fest: „Berechnungsfläche 314,97 m² x Beitragssatz S 63,60 = 20.032,09“. Zuzüglich Umsatzsteuer, aber abzüglich eines bereits geleisteten vorläufigen Anschlussbeitrags ergab sich eine Gutschrift. In der Begründung wurde im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Kanalanschlussverpflichtung mit Bescheid vom 18. März 1987 ausgesprochen worden sei. Die Berechnungsfläche ergebe sich gemäß § 5 Abs. 2 KAbG. Die Gesamtberechnungsfläche für das Grundstück sei durch Erhebungen eines Vermessungsbeauftragten an Ort und Stelle ermittelt worden. Die „Auswertungen des Vermessungsbeauftragten“ bildeten als Anhang einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides.

3 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2018 wurde die Kanalbenützungsgebühr für die genannte Liegenschaft (ab 1. Jänner 2018) ausgehend von einer Berechnungsfläche von 1.084 m², einem Wasserverbrauch von 397 m³ und 4 Personen mit 1.122,50 € (inklusive Umsatzsteuer) festgesetzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Festsetzung auch für die folgenden Jahre gelte, soweit nicht infolge einer Änderung der Voraussetzungen ein neuer Bescheid zu erlassen sei.

4 In der dagegen erhobenen Berufung wurde u.a. geltend gemacht, die im nunmehrigen Bescheid angeführte Fläche entspreche nicht der nach dem Kanalabgabegesetz heranziehbaren Fläche.

5 Mit Bescheid vom 20. Dezember 2018 gab der Gemeinderat der Berufung teilweise Folge und änderte den Bescheid über den Kanalbenützungsbeitrag 2018 ab (Jahresbetrag inklusive Umsatzsteuer: 1.114,25 €). In der Begründung wurde dargelegt, dass näher bezeichnete Flächen aus der Berechnung „herausgenommen“ worden seien. Die Berechnungsfläche wurde nunmehr mit 1.069 m² angenommen.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde Folge und setzte die Kanalbenützungsgebühr unter Annahme einer Berechnungsfläche von 656,97 m² für den Zeitraum 6. Jänner bis 31. Dezember 2018 mit 875,47 € und für das Jahr 2019 mit 887,63 € fest. Es sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die beiden Mitbeteiligten seien je zur Hälfte Eigentümer des Grundstückes Nr. x mit der Adresse A Straße y. Zum 1. November 2017 seien an dieser Adresse drei Personen mit Hauptwohnsitz und zwei Personen mit Nebenwohnsitz gemeldet gewesen, davon ein im Jahr 2013 geborenes Kind.

8 Die Benützung der Kanalisationsanlage sei schon seit Jahren möglich.

9 Die Verordnung des Gemeinderates vom 21. Dezember 2017 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr sei am 22. Dezember 2017 an der Amtstafel kundgemacht und am 11. Jänner 2018 abgenommen worden. Sie sei gemäß ihrem § 6 mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag, sohin mit 6. Jänner 2018 in Kraft getreten. Mit Schreiben vom 11. Jänner 2018 sei der Aufsichtsbehörde die neu beschlossene Kanalbenützungsgebührenverordnung vorgelegt worden; von der Aufsichtsbehörde sei die Verordnung mit Schreiben vom 5. Februar 2018 zur Kenntnis genommen worden.

10 Nach § 2 dieser Verordnung werde die Berechnungsfläche „in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Bgld. KABG ermittelt.“

11 Das Verwaltungsgericht traf sodann nähere Feststellungen zu den auf dem Anschlussgrundstück vorhandenen Baulichkeiten („Figuren“ 1 bis 9).

12 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht insbesondere aus, nach § 5 Abs. 2 KAbG ergebe sich die Berechnungsfläche aus der Summe von Flächen („bebaute Fläche“; „Nutzfläche“), die mit Bewertungsfaktoren zu vervielfachen seien.

13 Sei die Anschlussverpflichtung oder eine Anschlussbewilligung rechtskräftig ausgesprochen worden, so sei für jene Anschlussgrundflächen bzw. Teile der Anschlussgrundflächen der Anschlussbeitrag nach § 5 KAbG zu erheben. Die für die Bemessung des Anschlussbeitrages heranzuziehenden Berechnungsflächen seien nach § 5 Abs. 2 KAbG zu ermitteln. Im Fall einer wirksamen Zustellung eines Bescheides über den Anschlussbeitrag nach § 5 KAbG stellten die im Spruch eines solchen Bescheides festgestellten Berechnungsflächen die Grundlage für die Berechnungsfläche der Kanalbenützungsgebühr nach § 11 KAbG dar. Liege ein solcher Grundlagenbescheid nicht vor, dann habe die Abgabenbehörde im Spruch ihres Bescheides die Bemessungsgrundlagen anzuführen und in der Begründung des Bescheides nachvollziehbar darzustellen, dass diese Fläche die Berechnungsfläche nach der Gemeindeverordnung sei (Hinweis auf VwGH 2013/17/0645).

14 In wie im angefochtenen Erkenntnis näher dargelegt (teilweiser) Bindung an den Grundlagenbescheid ergebe sich die Berechnungsfläche insgesamt mit 656,97 m². Zuzüglich des nicht strittigen Personenbeitrags und des Wassermengenbeitrags betrage die jährliche Kanalbenützungsgebühr insgesamt 887,63 €. Diese sei von den Mitbeteiligten ab 2019 zu entrichten, da die Festsetzung nach § 11 Abs. 5 KAbG auch für die folgenden Jahre gelte. Für das Jahr 2018 sei der Betrag aber nur verhältnismäßig zu leisten (360 Tage von 365 Tagen), da die Verordnung erst ab 6. Jänner 2018 anzuwenden sei.

15 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision der belangten Behörde (Gemeinderat). Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine Bindung an den Bescheid über den Anschlussbeitrag angenommen.

16 Nach Einleitung des Vorverfahrens haben die mitbeteiligten Parteien eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18 In der Revisionsbeantwortung wenden die mitbeteiligten Parteien insbesondere ein, die Revision sei mangels Aktivlegitimation zurückzuweisen. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes erstattete der revisionswerbende Gemeinderat dazu eine Stellungnahme und legte Urkunden vor; die mitbeteiligten Parteien äußerten sich zu dieser Stellungnahme.

19 Aus den vom revisionswerbenden Gemeinderat vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass in der Sitzung des Gemeinderats vom 27. Juli 2021 erörtert wurde, dass Ladungen des Landesverwaltungsgerichts für den 2. August 2021 eingelangt seien. Der Gemeinderat beschloss sodann, den nunmehr einschreitenden Rechtsvertreter mit der Vertretung des Gemeinderates in der Sache der Mitbeteiligten beim Landesverwaltungsgericht „zu vertreten“ (gemeint wohl: zu betrauen). Weiters beschloss der Gemeinderat, dass der genannte Rechtsvertreter den Gemeinderat bei „eventuell anderen bzw. folgenden Gerichtsverfahren in dieser Sache vertritt“.

20 Das angefochtene Erkenntnis wurde dem revisionswerbenden Gemeinderat wie aus dem Akteninhalt hervorgeht am 1. Oktober 2021 zugestellt. Nach dem insoweit unbestrittenen Vorbringen der revisionswerbenden Partei erteilte der Bürgermeister, der Mitglied des Gemeinderates und geschäftsführendes Mitglied des Gemeindevorstandes der Gemeinde ist, nach Rücksprache mit dem Vizebürgermeister dem einschreitenden Rechtsanwalt am 6. November 2021 Auftrag und Vollmacht zur Verfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das vorliegende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts. Die Revision wurde sodann wie wiederum aus dem Akteninhalt hervorgeht am 12. November 2021 zur Post gegeben.

21 In der Sitzung des Gemeinderates vom 24. November 2021 wurde die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts und die Beauftragung und Bevollmächtigung des einschreitenden Rechtsvertreters mit der Einbringung der außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof sowie die sonstige Vertretung vor dem Verwaltungsgerichtshof in dieser Angelegenheit erörtert.

22 Die Burgenländische Gemeindeordnung 2003 (Bgld. GemO 2003), LGBl. Nr. 55/2003, lautet auszugsweise (idF LGBl. Nr. 72/2019):

§ 23 Aufgaben

(1) Der Gemeinderat ist in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde das beschließende Organ, soweit nicht bestimmte Angelegenheiten durch dieses Verfassungsgesetz oder durch Gesetz (Abs. 2) anderen Gemeindeorganen zugewiesen sind. Er überwacht die Geschäftsführung in allen Bereichen der Gemeindeverwaltung.

[...]

§ 25 Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich

(1) Der Bürgermeister vertritt die Gemeinde nach außen. Er leitet und beaufsichtigt die gesamte Verwaltung der Gemeinde. Er ist Vorstand des Gemeindeamts und Vorgesetzter der Gemeindebediensteten. Diese sind an seine Weisungen gebunden.

(2) Dem Bürgermeister sind außer jenen Aufgaben, die ihm durch dieses Verfassungsgesetz oder durch andere gesetzliche Bestimmungen zugewiesen sind, folgende Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde zur selbständigen Erledigung vorbehalten:

1. die Besorgung der behördlichen Aufgaben des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde in erster Instanz, soweit durch Gesetz nicht ausdrücklich anderes bestimmt wird;

2. die Vollziehung der von den Kollegialorganen gefassten Beschlüsse;

[...]

§ 27 Durchführung kollegialer Beschlüsse; Hemmung des Vollzugs

(1) Der Bürgermeister hat die vom Gemeinderat und Gemeindevorstand gesetzmäßig gefassten Beschlüsse durchzuführen; falls diese aber an eine Genehmigung der Aufsichtsbehörde gebunden sind, hat er diese vorher einzuholen.

[...]

§ 28 Befugnisse bei Notstand

(1) Bei Gefahr im Verzug, insbesondere zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, ist der Bürgermeister berechtigt einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen.

[...]

§ 29 Verfügung in dringenden Fällen

(1) Kann bei Gefahr im Verzug ein Beschluss des zuständigen Kollegialorgans nicht ohne Nachteil für die Sache oder ohne Gefahr eines beträchtlichen Schadens für die Gemeinde abgewartet werden, ist der Bürgermeister berechtigt auf eigene Verantwortung tätig zu werden; er hat jedoch ohne unnötigen Aufschub dem zuständigen Kollegialorgan zu berichten und dessen nachträgliche Genehmigung einzuholen. Wird die Genehmigung nicht erteilt, ist die getroffene Verfügung sofort aufzuheben. [...]“

23 Der revisionswerbende Gemeinderat macht geltend, der Rechtsvertreter habe von Anfang an den Auftrag und die Vollmacht gehabt, im Namen des Gemeinderates Verfahrenshandlungen vor dem Landesverwaltungsgericht Burgenland und vor dem Verwaltungsgerichtshof vorzunehmen. Allenfalls sei das Handeln des Vertreters nachträglich genehmigt worden. Die mitbeteiligten Parteien machen dazu im Wesentlichen geltend, die Willensbildung im Gemeinderat sei erst am 24. November 2021, also nach Ablauf der Revisionsfrist erfolgt. Der Bürgermeister habe daher eigenmächtig und vollmachtslos gehandelt; durch eine nach Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgte Genehmigung könne das vollmachtslose Vorgehen nicht geheilt werden. Die Angelegenheit sei auch der Fassung eines „Vorratsbeschlusses“ nicht zugänglich.

24 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht darauf ankommt, ob die bloß die Willensbildung im Innenverhältnis behandelnden Normen eingehalten wurden, wenn ein Organ wie ein Bürgermeister schlechthin zur Vertretung der juristischen Person nach außen befugt ist. Bringt daher ein Rechtsanwalt im Auftrag des Bürgermeisters und im Namen der Gemeinde Beschwerde bzw. Revision ein, so kann dies, selbst wenn dem keine Beschlussfassung des zuständigen Gemeindeorgans zu Grunde liegt, nicht zur Zurückweisung der Beschwerde (Revision) mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung führen (vgl. VwGH [vS] 29.5.1980, 2671/78; 11.6.1981, 0684/80; vgl. weiters z.B. VwGH 15.9.2016, 2013/15/0219; vgl. zur abweichenden Ansicht des VfGH z.B. VfGH 24.11.2017, E 1041/2016; zur Ansicht des OGH vgl. z.B. RIS Justiz RS0059247; vgl. weiters Fasching/Weikovics , Burgenländische Gemeindeordnung 2003², § 25 Tz 2 ff; sowie Steiner in Pabel, Das österreichische Gemeinderecht, 9. Teil, Rz 115 ff).

25 Zu beachten ist allerdings, dass es sich im vorliegenden Verfahren nicht um eine Revision der Gemeinde (als juristische Person des öffentlichen Rechts) handelt, zu deren Vertretung der Bürgermeister schlechthin befugt ist. Es handelt sich vielmehr um eine Revision des Gemeinderates (als zuständiges Gemeindeorgan und belangte Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht). Insoweit ist das Verhalten des Bürgermeisters nicht als Vertretung der Gemeinde zu beurteilen, sondern als Durchführung des Beschlusses des Kollegialorgans auf Vornahme einer Verfahrenshandlung (§ 27 Bgld. GemO 2003; vgl. z.B. Fasching/Weikovics , aaO, § 27 Tz 2).

26 Ob vor diesem Hintergrund die oben geschilderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Erhebung von Beschwerden (Revisionen) durch Gemeinden auf die Erhebung von Revisionen durch den Gemeinderat übertragbar wäre, kann im vorliegenden Fall offenbleiben. Ein entsprechender Beschluss des Kollegialorgans liegt im revisionsgegenständlichen Fall vor. Der Beschluss des Gemeinderates vom 27. Juli 2021 bezog sich insbesondere auch auf „folgende Gerichtsverfahren“, womit erkennbar eine Vertretung in Verfahren angesprochen ist, die sich in Folge der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ergeben, also insbesondere Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit von „Vorratsbeschlüssen“ auch VfGH 15.12.2021, E 4122/2021). Der Beschluss des Gemeinderats vom 27. Juli 2021 ist insbesondere dahin zu verstehen, dass bei einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die von der Berufungsentscheidung des Gemeinderats abweicht, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht werden soll. Dieser Beschluss wurde vom Bürgermeister innerhalb der Revisionsfrist im Sinne des § 27 Bgld. Gemeindeordnung durchgeführt.

27 § 11 Abs. 1 Bgld. Kanalabgabegesetz (KAbG) lautete in der Stammfassung, LGBl. Nr. 41/1984:

„§ 11 Bemessung der Gebühr

(1) Die Kanalbenützungsgebühr ist in einem Hundertsatz des Anschlußbeitrages (§ 5) unter Berücksichtigung allfälliger Ergänzungsbeiträge (§ 7) festzusetzen“.

28 Zu dieser Rechtslage (wie im Erkenntnis betont wurde: „VOR der am 31. März 1990 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 37/1990“) sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass insoweit im Verhältnis zwischen der Kanalbenützungsgebühr (§ 11 KAbG) und dem Anschlussbeitrag (§ 5 KAbG) ein „Fall des § 197 Abs. 1 LAO“ vorliegt, also eine Bindung an einen Grundlagenbescheid, wobei diese Bindung aber voraussetzte, dass der Grundlagenbescheid wirksam erlassen wurde (vgl. VwGH 23.4.1993, 90/17/0201).

29 Diese Rechtslage wurde mit der in diesem Erkenntnis erwähnten Novelle LGBl. Nr. 37/1990 geändert. § 11 leg. cit. enthielt nun nur mehr Bestimmungen dazu, dass die Kanalbenützungsgebühren insgesamt das jährliche Erfordernis für den Betrieb und Instandhaltung der Kanalisationsanlage usw. nicht übersteigen dürften. Eine Regelung über die Höhe der vom einzelnen Abgabepflichtigen zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr enthielt das Gesetz nicht mehr. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (382 BlgLT 15. GP) wurde dazu ausgeführt:

„Sowohl bei den Kanalisationsbeiträgen als auch bei den Kanalbenützungsgebühren handelt es sich um ausschließliche, dem freien Beschlußrecht der Gemeinde unterliegende Gemeindeabgaben. Das freie Beschlußrecht leitet sich allerdings im Falle der Kanalisationsbeiträge aus § 8 Abs. 5 F VG 1948, im Falle der Kanalbenützungsgebühren hingegen aus § 7 Abs. 5 F VG 1948 ab. Dies bedeutet, daß der Landesgesetzgeber nur die Kanalisationsbeiträge für die Gemeinden verbindlich regeln darf. Regelungen bezüglich der Kanalbenützungsgebühren sind hingegen nur solange verbindlich, als nicht die Gemeinde von ihrem freien Gestaltungsrecht Gebrauch macht.

Durch den vorliegenden Entwurf soll die als ‚Empfehlung‘ anzusehende bisherige Bestimmung des § 11 Abs. 1, die Kanalbenützungsgebühr in einem Hundertsatz des Anschlußbeitrages unter Berücksichtigung allfälliger Ergänzungsbeiträge festzusetzen, entfallen, um dem freien Gestaltungsrecht der Gemeinden nicht vorzugreifen.“

30 Mit dieser Novellierung wurde somit die bisher gesetzlich vorgesehene Bindung der jeweiligen Kanalbenützungsgebühr an den wirksam festgesetzten Anschlussbeitrag beseitigt.

31 Die Bestimmung des § 11 Abs. 1 KAbG idF LGBl. Nr. 37/1990 wurde zwar in der Folge vom Verfassungsgerichtshof (wegen unzulässiger Beschränkung auf das Jahreserfordernis) aufgehoben (VfGH 2.3.2005, G 76/02 u.a; LGBl. Nr. 28/2005); frühere gesetzliche Bestimmungen traten damit aber wie der Verfassungsgerichtshof auch ausgesprochen hat nicht wieder in Kraft (vgl. dazu auch einen Anlassfall betreffend VwGH 4.8.2005, 2005/17/0037).

32 Mit LGBl. Nr. 72/2013 wurde in § 11 Abs. 1 KAbG wiederum eine Regelung betreffend das Ausmaß der insgesamt zu erhebenden Kanalbenützungsgebühren aufgenommen (Begrenzung nunmehr mit dem doppelten Jahreserfordernis). Eine Regelung über die Höhe der Kanalbenützungsgebühr betreffend den konkreten Abgabepflichtigen enthält das Gesetz aber weiterhin auch in den Streitjahren nicht.

33 Die Höhe der Kanalbenützungsgebühr insbesondere ihre Bemessungsgrundlage ist nunmehr in Verordnungen des Gemeinderates zu regeln (vgl. § 10 Abs. 1 KAbG). Nach § 2 der Verordnung des Gemeinderates vom 21. Dezember 2017 über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr wird diese bemessen nach der Berechnungsfläche, einem Personenbeitrag sowie der verbrauchten Wassermenge. Die Berechnungsfläche „wird in Anlehnung an § 5 Abs. 2 Bgld. KABG ermittelt“.

34 Nach § 5 Abs. 2 KAbG ergibt sich die Berechnungsfläche aus der Summe der in Z 1 und Z 2 genannten, mit dem Bewertungsfaktor vervielfachten Flächen. Z 1 dieser Bestimmung betrifft die dort näher definierte bebaute Fläche (Bewertungsfaktor 0,5); Z 2 dieser Bestimmung behandelt verschiedene „Nutzflächen“ (mit Bewertungsfaktoren zwischen 0,5 und 8).

35 Da die Verordnung insoweit aber als Bemessungsgrundlage nicht (wie § 11 Abs. 1 KAbG in der Stammfassung) den Anschlussbeitrag (§ 5 KAbG) normiert, sondern lediglich ausführt, dass die Berechnungsfläche in „Anlehnung an § 5 Abs. 2“ KAbG zu „ermitteln“ ist, ist abzuleiten, dass die hier zu beurteilende Verordnung keine Bindung an einen wirksam mit Bescheid festgesetzten Anschlussbeitrag vorsieht, sondern dass die Bemessungsgrundlage für den Kanalbenützungsbeitrag nunmehr ohne Bindung an jenen Bescheid zu ermitteln ist.

36 Das Verwaltungsgericht ist von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen und hat eine Bindung an den Bescheid über den Anschlussbeitrag angenommen, was dazu führte, dass einzelne Flächen abweichend von der Entscheidung der belangten Behörde und ohne Auseinandersetzung mit weiterem, strittigen Vorbringen aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden wurden.

37 Soweit das Verwaltungsgericht die Kanalbenützungsgebühr auch für das Jahr 2019 festgesetzt hat, ist darauf zu verweisen, dass wie aus der gemeinsam mit dem vorliegenden Verfahren am Verwaltungsgericht behandelten Beschwerde gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 25. Juni 2019 hervorgeht (Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zur Zl. E G04/05/2019.012/011, Revision anhängig zu VwGH Ra 2022/13/0028) für das Jahr 2019 infolge Änderung der Voraussetzungen (§ 11 Abs. 5 KAbG) bereits ein neuer Bescheid erlassen worden war. Das Verwaltungsgericht war damit im vorliegenden, den Berufungsbescheid des Gemeinderats vom 20. Dezember 2018 betreffenden Verfahren unzuständig, auch Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2019 festzusetzen.

38 Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit es die Kanalbenützungsgebühr 2019 betrifft, wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG und im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

39 Gemäß § 47 Abs. 4 VwGG hat die revisionswerbende Partei in dem hier vorliegenden Fall einer Amtsrevision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B VG keinen Anspruch auf Aufwandersatz, weshalb der diesbezügliche Antrag abzuweisen war (vgl. z.B. VwGH 8.3.2022, Ra 2021/13/0116).

Wien, am 20. Oktober 2022

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