IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri.*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, ***Bf-Adr.***, vertreten durch ***stV.***, über die Beschwerde vom 07.02.2019 gegen den Bescheid über die Festsetzung eines ersten Säumniszuschlages des Finanzamts Graz-Umgebung (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 09.01.2019, zu Steuernummer ***Bf-StNr.***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf.) hat die Umsatzsteuer für Oktober 2018 iHv. 34.150,48 Euro erst am 21.12.2018 entrichtet.
Aufgrund dieser Säumnis wurde mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.01.2019 (BFG-Akt OZ 1) ein erster Säumniszuschlag iHv. 2 %, das sind 683,01 Euro, festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 07.02.2019 (OZ 2). Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass dieser Säumnis außerordentliche Umstände vorausgegangen seien, da am 10.12.2018 ein Wasserschaden im Betriebsgebäude der ***GmbH2***, deren Geschäftsführer derselbe wie bei der Bf. sei, festgestellt worden sei. Diesbezüglich hätten zunächst Ursache sowie Verursacher gefunden werden müssen, um den Schaden beheben zu können. Hierzu seien neben der Beauftragung verschiedener Firmen, zahlreiche Gespräche mit der Versicherung und dem beauftragten Sachverständigen notwendig gewesen, da die beteiligten Unternehmen in der Frage der Verursachung widerstreitende Positionen eingenommen hätten. Am 13.12. sei ein Unternehmen zur Feststellung der Schadensursache und -auswirkung vor Ort gewesen. Am 14.12. sei die Begutachtung eines Sachverständigen der Haftpflichtversicherung erfolgt sowie mit den Trockenlegungsarbeiten begonnen worden. Weiters habe am 17.12. und 18.12. jeweils eine Besichtigung mit anderen Unternehmen stattgefunden, am 19.12. seien weitere Reparaturen beauftragt und erst mit 20.12. seien sämtliche Arbeiten organisiert worden, welche am 21.12. erledigt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei die rechtzeitige Beauftragung der Überweisung unterblieben. Da somit gegenständlich kein grobes Verschulden für die verspätete Einzahlung zur Last gelegt werden könne, werde gemäß § 217 Abs. 7 BAO beantragt, den Säumniszuschlag nicht festzusetzen und den angefochtenen Bescheid aufzuheben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 04.03.2019 (OZ 3) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass die Verhängung eines Säumniszuschlages nicht im Ermessen der Behörde stehe und überdies auch kein Anwendungsfall des § 217 Abs. 5 BAO vorliege, da bereits am 16.08.2018 eine Säumnis der Bf. vorgelegen habe.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung stellte die Bf. am 03.04.2019 den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht (Vorlageantrag, OZ 4). Dies zusammengefasst mit der Begründung, dass in der abweisenden Beschwerdevorentscheidung keine Ausführungen zum Vorbringen hinsichtlich § 217 Abs. 7 BAO zu finden seien. Im Rahmen einer telefonischen Rücksprache mit dem Finanzamt sei mitgeteilt worden, dass § 217 Abs. 7 BAO nur in Fällen eines Bankversagens oder bei Naturkatastrophen eine Bedeutung erlange. Dies sei unzutreffend, da die angeführten Gründe Sachverhalte beinhalten, die auf ein gänzliches Fehlen von Verschulden seitens des Abgabepflichtigen hindeuten würden. Indes sehe § 217 Abs. 7 BAO eine Verpflichtung zur Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages vor, sofern den Abgabepflichtigen an der Säumnis kein grobes Verschulden treffe. Kein grobes Verschulden liege bei einem minderen Grad des Verschuldens oder Nachlässigkeit vor, somit bei leichter Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit sei anzunehmen, wenn eine ungewöhnliche, auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliege und der Eintritt des schädigenden Erfolgs als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich voraussehbar sei. Hingegen liege ein minderer Grad des Versehens vor, wenn ein Fehler unterlaufe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe. Grob fahrlässig handele, wer im täglichen Leben die erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Grad, aus Unbekümmertheit oder Leichtfertigkeit außer Acht lasse, wer nicht beachte, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten müsste. Grobe Fahrlässigkeit sei bei schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzungen gegeben, die das gewöhnliche Maß an nie ganz vermeidbaren Fahrlässigkeitshandlungen des täglichen Lebens ganz erheblich übersteigen würden. Gegenständlich habe sich der Geschäftsführer der Bf. aufgrund eines unvorhergesehenen Schadensfalls und der anschließenden, mit vielfältigen Schwierigkeiten behafteten, Behebung in einer außerordentlichen Situation befunden, die ihn in außergewöhnlichem Umfang belastete. Unter diesen Umständen sei die rechtzeitige Beauftragung der Bank mit der Überweisung entfallen. Daher könne gegenständlich durchaus leichte Fahrlässigkeit, aber wohl kaum grobes Verschulden zur Last gelegt werden.
Nach knapp sechs Jahren legte das Finanzamt die Beschwerde mit Vorlagebericht vom 01.04.2025 (OZ 5) dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Darin führte das Finanzamt zusammengefasst ergänzend aus, dass grobes Verschulden beispielsweise bereits dann vorliege, wenn Überweisungen erst am letzten Tag der Respirofrist durchgeführt werden. In Österreich würden sich jährlich ca. 100.000 Wasserschäden ereignen. In dem Eintritt eines Wasserschadens könne daher kein so außerordentlich belastendes Ereignis erkannt werden, dass dazu geeignet ist, die Unternehmensführung für 11 Tage (10.12. bis 20.12.) derart zu lähmen, dass eine Banküberweisung nicht durchgeführt werden könne bzw. so belastend ist, dass die Versäumung eines Zahlungstermins lediglich als leicht fahrlässig gewertet werden könne. Darüber hinaus sei die Entrichtung der Lohnabgaben für November 2018, welche denselben Fälligkeitstag wie die gegenständliche Umsatzsteuer für Oktober 2018 hätten, innerhalb der Respirofrist erfolgt. Darüber hinaus müsse auch die Büroorganisation einer Kapitalgesellschaft dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen, dazu würden insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen gehören. Das Fehlen jeglicher Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation sei als ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzusehen. Dem Vorbringen der Bf. könne entnommen werden, dass der Geschäftsführer der Bf. allein für die fristgerechte Entrichtung von Abgaben verantwortlich sei. Für den Eintritt von unvorhergesehenen Ereignissen sei offenbar keine Vorsorge getroffen worden. Das Kontrollsystem der Bf. erschöpfe sich offenbar in einer Selbstkontrolle des Geschäftsführers, daher könne von keinem wirksamen Kontrollsystem gesprochen werden. Die Unwirksamkeit des von der Bf. etablierten Selbstkontrollsystems werde auch durch die Anzahl der bisher festgesetzten Säumniszuschläge dokumentiert (zweimal 2014, zweimal 2015, einmal 2016, dreimal 2019). Die letzte Säumnis vor Festsetzung des gegenständlichen Säumniszuschlages sei am 16.08.2018 eingetreten, weshalb § 217 Abs. 5 BAO nicht zur Anwendung kommen könne. Da es nicht zum ersten Mal zur Versäumung von Fristen gekommen wäre, sei nicht mehr nur von einem gelegentlichen Fehler eines sorgfältigen Menschen auszugehen. Da das Vorbringen der Bf. nicht geeignet sei, ein fehlendes grobes Verschulden an der Säumnis aufzuzeigen, werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Nach Aufforderung durch das Bundesfinanzgericht (OZ 8) wurden am 17.04.2025 seitens des Finanzamts Nachweise zur Entrichtung der Umsatzsteuer für Oktober 2018, der lohnabhängigen Abgaben für November 2018 und zu den bisherigen Säumnissen der Bf. nachgereicht (OZ 9).
Mit Schreiben vom 24.04.2025 gab die nunmehr vertretende Steuerberaterin ihre Vollmacht in dieser Beschwerdesache bekannt (OZ 10).
Seitens des Bundesfinanzgerichts wurden der Bf., zugestellt an die neu ausgewiesene steuerliche Vertreterin, am 28.04.2025 (OZ 11) der Vorlagebericht sowie die vom Finanzamt am 17.04.2025 nachgereichten Unterlagen zur Kenntnis gebracht. Gleichzeitig wurde die Bf. eingeladen, auf die Ausführungen des Finanzamts im Vorlagebericht zu replizieren sowie aufgefordert, Nachweise zum behaupteten Wasserschaden beizubringen.
Hierauf hat die Bf. insoweit reagiert, als sie mit Schreiben vom 09.05.2025 (OZ 16) bekannt gab, dass der Wasserschaden in einem Gebäude der ***GmbH2*** aufgetreten sei, in welchem diese ein Hotel betreibe. Dieses hätte am 01.01.2019 eröffnet werden sollen. Es sei jedoch am 10.12.2018 bemerkt worden, dass in mehreren Zimmern ein Wasserschaden aufgetreten sei. Aufgrund des aufgetretenen Schadens seien sämtliche Installationen überprüft und nachjustiert worden. Die Eröffnung des Hotels hätte verschoben und sämtliche Buchungen storniert werden müssen. In weiterer Folge sei das Hotel erst Mitte Februar 2019 für Gäste zugänglich gewesen. Dieser gesamte Vorfall habe viel Arbeit, Aufregung und Stress verursacht. Weiters übermittelte die Bf. als Nachweis zum Wasserschaden eine Rechnung eines Haustechnikunternehmens über Arbeitsleistungen am 10.12., 12.12. und 14.12.2018.Ein Vorbringen zu einem etwaig etablierten internen System zur Vormerkung bzw. Kontrolle von Fristen wurde von der Bf. nicht erstattet.
Diese Unterlagen wurden wiederum dem Finanzamt in Wahrung des Parteiengehörs am 20.05.2025 zur Kenntnis gebracht (OZ 17), wobei dieses in weiterer Folge verzichtete, hierauf gesondert zu replizieren.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Geschäftsführer der Bf. ist ***Person1***. Daneben gibt es weiters einen mit dem Geschäftsführer gemeinsam vertretungsbefugten Prokuristen (Firmenbuchauszug OZ 21).
Die Bf. ist zu 100 % an der ***GmbH2*** beteiligt. Deren einzelvertretungsbefugter Geschäftsführer ist ebenfalls ***Person1***. Zusätzlich gibt es noch eine weitere Geschäftsführerin, die ihre Vertretungsbefugnis nur gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer ausüben kann (Firmenbuchauszug OZ 20).
Die Lohnabgaben für November 2018 wurden von der Bf. innerhalb der Respirofrist entrichtet (Auszug Abgabenkonto OZ 9, S. 6).
Die Umsatzsteuer für Oktober 2018 iHv. 34.150,48 Euro wurde von der Bf. am 21.12.2018 entrichtet (Auszug Abgabenkonto OZ 9, S. 7).
Am 09.01.2019 wurde hierfür ein erster Säumniszuschlag iHv. 2 %, das sind 683,01 Euro, festgesetzt (Bescheid OZ 1).
Die verspätete Entrichtung erfolgte, da am 10.12.2018 ein Wasserschaden in einem Betriebsgebäude der ***GmbH2*** aufgetreten ist.
In der Vergangenheit war die Bf. bereits mehrmals säumig:
Zuletzt wurde die Umsatzsteuer für Juni 2018, die Kammerumlage für April - Juni 2018, sowie die Körperschaftsteuer-Vorauszahlung für Juli - September 2018 (Fälligkeitstag jeweils 16.08.2018) erst am 23.08.2018 entrichtet. Hierfür wurde seitens des Finanzamts kein Säumniszuschlag festgesetzt (Auszug Abgabenkonto OZ 9, S. 3; Vorbringen im Vorlagebericht OZ 5, S. 5).
Davor wurden bei der Bf. bereits mehrmals Säumniszuschläge festgesetzt (Bescheide OZ 9, S. 8 - 12), nämlich
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Im Jahr 2019 wurden bei der Bf., abgesehen vom verfahrensgegenständlichen, noch weitere Säumniszuschläge festgesetzt (Bescheide OZ 9, S. 14 - 15), nämlich
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Die interne Fristenorganisation und deren Kontrolle wird bei der Bf. nur von deren Geschäftsführer ***Person1*** ausgeübt, welcher dabei von keiner anderen Person überprüft bzw. kontrolliert wird.
2. Beweiswürdigung
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich insbesondere aus den jeweils angeführten aktenkundigen Unterlagen, welche unbedenklich erscheinen.
Der Grund, welcher zur verfahrensgegenständlichen Säumnis geführt hat, ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen der Bf. in der Beschwerde (OZ 2) bzw. dem Vorlageantrag (OZ 4) sowie den im Schreiben vom 09.05.2025 nachgereichten Unterlagen (OZ 16). Auch das Finanzamt hat diesbezüglich nichts Anderweitiges vorgebracht, weshalb nichts Gegenteiliges festgestellt werden konnte.
Die Feststellung zur internen Fristenorganisation mittels Selbstkontrolle durch den Geschäftsführer ergibt sich aus dem dahingehenden Vorbringen des Finanzamts im Vorlagebericht, zu welchem die Bf., trotz ausdrücklichem Vorhalt durch das Bundesfinanzgericht, nichts Gegenteiliges vorgebracht hat. Die Bf. hat somit im gesamten Verfahren nicht dargelegt, ob sie ein anders gelagertes internes Kontrollsystem etabliert hat bzw. wie dieses ausgestaltet ist. In Ausübung der freien Beweiswürdigung gemäß § 167 Abs. 2 BAO ist für das Bundesfinanzgericht somit ein Kontrollsystem, welches über eine Selbstkontrolle des Geschäftsführers hinausgehen würde, aus dem Akteninhalt nicht ableitbar. Anderslautendes konnte somit nicht festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 323b Abs. 1 BAO tritt das Finanzamt Österreich für seinen Zuständigkeitsbereich an die Stelle des am 31.12.2020 zuständig gewesenen Finanzamtes.
§ 217 BAO lautet auszugsweise:(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.[…](4) Säumniszuschläge sind für Abgabenschuldigkeiten insoweit nicht zu entrichten, alsa) ihre Einhebung gemäß § 212a ausgesetzt ist,b) ihre Einbringung gemäß § 230 Abs. 2, 3, 5 oder 6 gehemmt ist,c) ein Zahlungsaufschub im Sinn des § 212 Abs. 2 zweiter Satz nicht durch Ausstellung eines Rückstandsausweises (§ 229) als beendet gilt,d) ihre Einbringung gemäß § 231 ausgesetzt ist.(5) Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages gemäß Abs. 2 entsteht nicht, soweit die Säumnis nicht mehr als fünf Tage beträgt und der Abgabepflichtige innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eintritt der Säumnis alle Abgabenschuldigkeiten, hinsichtlich derer die Gebarung (§ 213) mit jener der nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenschuldigkeit zusammengefasst verbucht wird, zeitgerecht entrichtet hat. In den Lauf der fünftägigen Frist sind Samstage, Sonntage, gesetzliche Feiertage, der Karfreitag und der 24. Dezember nicht einzurechnen; sie beginnt in den Fällen des § 211 Abs. 2 erst mit dem Ablauf der dort genannten Frist.[…](7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Unstrittig ist, dass die Bf. die Umsatzsteuer 2018 nicht rechtzeitig entrichtet hat und hierfür die Ausnahmetatbestände des § 217 Abs. 4 BAO nicht zur Anwendung gelangen können. Weiters ist unstrittig, dass die davor letzte Säumnis der Bf. im August 2018 stattfand und es dabei iSd. § 217 Abs. 5 BAO zu keiner Festsetzung eines Säumnisschlags gekommen ist.
Strittig ist, ob bei der durch den Wasserschaden bei der ***GmbH2*** verursachten Säumnis bei der Entrichtung der Umsatzsteuer für Oktober 2018 ein grobes Verschulden iSd. § 217 Abs. 7 BAO vorliegt.
Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetzes und stellt grundsätzlich eine objektive, vom Verschulden unabhängige Säumnisfolge bei Nichtentrichtung der Abgabe am Fälligkeitstag dar (vgl. VwGH 25.01.2024, Ra 2022/13/0076). Ein Verschulden ist lediglich für die Frage des Antrages auf Herabsetzung bzw. Nichtfestsetzung von Säumniszuschlägen gemäß § 217 Abs. 7 BAO von Relevanz. Dieses Antragsrecht hat zur Voraussetzung, dass den Abgabepflichtigen kein grobes Verschulden an der Säumnis trifft.
§ 217 Abs. 7 BAO stellt einen Begünstigungstatbestand dar. Diesfalls tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht der Partei in den Hintergrund. Die eine Begünstigung in Anspruch nehmende Partei hat daher selbst einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2018/15/0025; BFG 28.05.2024, RV/5100328/2024).
Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist, ob den Abgabepflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt. Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (vgl. VwGH vom 11.11.2022, Ra 2022/15/0065).
Dabei gilt, dass ein Verschulden des Vertreters dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten ist (vgl. VwGH 26.04.2000, 2000/14/0006). Dies gilt nicht nur für Parteienvertreter, sondern auch für Organe juristischer Personen (vgl. VwGH 08.10.1990, 90/15/0134; VwGH 20.10.2021, Ra 2021/13/0063).
Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. VwGH 15.05.1997, 96/15/0101).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss auch die Büroorganisation von Kapitalgesellschaften in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen. Dazu gehören insbesondere die richtigen Vormerkungen von Terminen und entsprechende Kontrollen. Das Fehlen jeglicher Kontrollmaßnahmen in der Büroorganisation ist dabei keinesfalls mehr als minderer Grad des Versehens anzusehen (vgl. VwGH 26.06.1996, 95/16/0307).
Entscheidend ist im konkreten Fall das Verhalten der Bf. in Bezug auf ihre organisatorische Einrichtung, die Vormerkung der Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen sowie auch deren Bewährung in der Vergangenheit (vgl. VwGH 03.12.2021, Ra 2020/15/0080).
Grobe Mängel in der Büroorganisation oder eine mangelhafte oder überhaupt fehlende Überwachung und Kontrolle von Mitarbeitern, an die die Vornahme der Abgabenzahlungen delegiert wurde, sind als grobes Verschulden einzustufen (vgl. BFG vom 10.02.2023, RV/5100340/2022).
Wie festgestellt, hat die Bf. kein wirksames System zur Vormerkung, Überwachung und Kontrolle von Fristen und Terminen etabliert. Vielmehr werden alle diese Handlungen nur vom Geschäftsführer vorgenommen, der dabei von keiner anderen Person überprüft bzw. kontrolliert wird. Ein Kontrollsystem, das sich in einer "Selbstkontrolle" des Geschäftsführers erschöpft, stellt kein wirksames Kontrollsystem dar (idS. zB. BFG vom 03.10.2022, RV/5100283/2022; BFG 11.03.2015, RV/5101002/2012).
Die Unwirksamkeit dieses "Selbstkontrollsystems" manifestiert sich aus der Tatsache, dass der Bf. vor der verfahrensgegenständlichen Säumnis, sowie auch danach, zahlreiche weitere Säumnisse unterlaufen sind.
Auch können berufliche Mehrbelastungen des Geschäftsführers aufgrund einer anderweitigen Berufstätigkeit in einem anderen Unternehmen nicht generell ohne das Hinzutreten besonderer hierfür ausschlaggebender und über alltägliche Belastungen hinausgehender Umstände (noch) nicht als bloß minderer Grad des Verschuldens qualifiziert werden (vgl. BFG 03.10.2022, RV/5100283/2022). In diesem Zusammenhang ist für das Bundesfinanzgericht die Außerordentlichkeit des geltend gemachten Umstands beim eingetretenen Wasserschaden nicht gegeben, zumal dieser bereits sieben Tage vor der Fälligkeit der Umsatzsteuer für Oktober 2018 aufgetreten ist. Am Tag der Fälligkeit führt die Bf. einen Besichtigungstermin mit einem Reparaturunternehmen an, wobei allerdings nicht davon auszugehen ist, dass dieser Termin tagfüllend war. Auch fanden laut den Ausführungen der Bf., nach Erkennung des Schadens am 10.12., an mehreren Tagen keinerlei mit der Reparatur in Verbindung stehende Termine statt. An diesen Tagen wäre somit eine entsprechende Überweisung problemlos möglich gewesen wäre.
Somit ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts der Eintritt eines Wasserschadens bei einem anderen Unternehmen kein Ereignis, welches die gänzliche Einstellung der Büroorganisation der Bf. in einem Zeitraum von 11 Tagen (nämlich von 10.12. bis 20.12.) rechtfertigen würde.
Darüber hinaus konnte die Bf. nicht schlüssig darlegen, weshalb die Zahlung der am selben Tag fälligen Lohnabgaben für November 2018, trotz des Wasserschadens, rechtzeitig durchgeführt werden konnte, jene der Umsatzsteuer für Oktober 2018 jedoch nicht.
Da im vorliegenden Fall aus den angeführten Erwägungen von der Bf. nicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels aufgezeigt wurde, dass der verspäteten Entrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgabenschulden kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden zugrunde liegt, war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der vorliegenden Entscheidung folgt das Bundesfinanzgericht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind demnach nicht erfüllt.
Graz, am 2. Juni 2025