Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der B A, vertreten durch Mag. Dr. Thomas Hofer Zeni, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. Juni 2025, Zl. RV/7100551/2025, betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab Juli 2023 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Bescheide des Finanzamts Österreich vom 5. Dezember 2023, mit dem die Anträge der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung ab Juli 2023 abgewiesen worden waren, als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
2 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Revisionswerberin habe ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie sei im Dezember 1980 geboren und habe das 21. Lebensjahr im Dezember 2001 vollendet. Von Juni 2004 bis Juni 2023 habe die Revisionswerberin erhöhte Familienbeihilfe bezogen. Aufgrund einer Überprüfung des Familienbeihilfenanspruchs sei es mit Juni 2023 zur Einstellung der Auszahlung gekommen. Der Antrag der Revisionswerberin vom 1. Juni 2023 auf neuerliche Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ab Juli 2023 sei vom Finanzamt abgewiesen worden. Die dagegen erhobene Beschwerde habe das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom 14. Oktober 2024 abgewiesen, woraufhin die Revisionswerberin einen Vorlageantrag gestellt habe. Nach den vorliegenden Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 1. Juli 2005, 10. Juni 2008 und 24. September 2024 sei die Revisionswerberin dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, wobei diese Unfähigkeit nicht vor dem vollendeten 21. Lebensjahr eingetreten sei, sondern erst im Juni 2004.
3Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe nach § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 für volljährige Vollwaisen oder diesen nach § 6 Abs. 5 zweiter Satz FLAG 1967 gleichgestellte volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande seien, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Der Nachweis des Bestehens einer voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sei nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in einem qualifizierten Verfahren durch ein ärztliches Gutachten zu führen. Gleiches gelte für den Zeitpunkt des Eintritts derselben. Für die Abgabenbehörden und das Bundesfinanzgericht bestehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bindung an die vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig seien. In den schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom 1. Juli 2005, 10. Juni 2008 und 24. September 2024 sei festgestellt worden, dass die Unfähigkeit der Revisionswerberin, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten sei, sodass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d iVm § 6 Abs. 5 FLAG 1967 nicht vorlägen. Die Zuerkennung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags erfolge nicht durch einen rechtskraftfähigen Bescheid iSd §§ 92 ff BAO. Vielmehr sei die Familienbeihilfe bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen auszuzahlen (§ 11 FLAG 1967), wovon lediglich eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 zu ergehen habe. Im Familienbeihilfenverfahren erfolge somit keine rechtskraftfähige Feststellung über das Bestehen eines Daueranspruchs. Eine frühere Auszahlung entfalte insoweit keine Bindungswirkung. Der Grundsatz von Treu und Glauben komme schon mangels Vollzugspielraums nicht zum Tragen.
4Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit vorgebracht wird, die „belangte Behörde“ (gemeint wohl: das Bundesfinanzgericht) sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtskraft von Entscheidungen abgewichen. Es habe die bisherigen rechtskräftigen Entscheidungen hinsichtlich des grundsätzlichen Anspruchs auf Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ignoriert und damit die Rechtskraft hinsichtlich der formellen Voraussetzungen negiert. Diese Voraussetzungen seien rechtskräftig festgestellt worden und könnten nicht durch einen neuen Bescheid nachträglich abgeändert werden. Auch habe die „belangte Behörde“ § 8 FLAG 1967 ignoriert, wonach nach Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe nur die erhebliche Behinderung nach (spätestens) fünf Jahren neu festzustellen sei, nicht aber die sonstigen Voraussetzungen. Auch liege ein Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften vor, weil offenbar von mehrfachen Fehlentscheidungen des Finanzamts ausgegangen worden sei, ohne im Detail die Ursachen für diese Entscheidungen zu überprüfen.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8Im Fall der Erhebung einer außerordentlichen Revision obliegt es der revisionswerbenden Partei, gesondert jene Gründe in hinreichend konkreter Weise anzuführen, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt demnach anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (VwGH 5.10.2023, Ra 2022/15/0031, mwN).
9In den „gesonderten“ Gründen zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG ist daher konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 25.3.2025, Ra 2022/16/0011, mwN).
10 Diesen Anforderungen entspricht das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht. Weder wird eine konkrete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes genannt, von der das Bundesfinanzgericht nach Ansicht der Revisionswerberin abgewichen wäre, noch wird eine Rechtsfrage formuliert, die der Verwaltungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung noch nicht gelöst hätte. Die Revision erweist sich schon deshalb als nicht gesetzmäßig ausgeführt.
11Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Familienbeihilfe (ebenso wie der Kinderabsetzbetrag) nicht mit Bescheid zuerkannt wird (vgl. VwGH 20.9.2023, Ro 2023/13/0012). Nach § 13 zweiter Satz FLAG 1967 hat ein Bescheid nur dann zu ergehen, wenn einem Antrag auf Familienbeihilfe nicht oder nicht vollinhaltlich stattgegeben wird. Die Stattgabe eines Antrags auf Familienbeihilfe erfolgt durch deren Gewährung (Auszahlung) (vgl. VwGH 24.10.2024, Ra 2024/16/0025, mwN). Es ergeht lediglich eine Mitteilung (§ 12 FLAG 1967), die nicht rechtskraftfähig ist (vgl. VwGH 28.5.2008, 2007/15/0068). Eine spätere Aberkennung der Familienbeihilfe erfordert daher keine Durchbrechung der Rechtskraft eines Bescheids (vgl. nochmals VwGH 20.9.2023, Ro 2023/13/0012). Auch aus § 8 FLAG 1967 ergibt sich nichts anderes.
12Soweit abschließend eine Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften gerügt wird, weil sich das Bundesfinanzgericht nicht detailliert mit den Ursachen der Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe bis Juni 2023 auseinandergesetzt habe, wird damit ein relevanter Verfahrensmangel nicht aufgezeigt (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung etwa VwGH 28.5.2024, Ra 2022/15/0018). Dass das Bundesfinanzgericht bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe ab Juli 2023 zu einem in der Sache anderen, günstigeren Ergebnis hätte kommen können, vermag die Revision nicht darzulegen.
13 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 10. Dezember 2025
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