JudikaturVfGH

KI1/2024 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
10. Juni 2024

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

I. Antrag und Sachverhalt

1. Mit dem vorliegenden, auf Art138 Abs1 Z2 B VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin die Entscheidung eines behaupteten verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Obersten Gerichtshof und dem Verwaltungsgericht Wien.

Der Antrag wird zusammengefasst damit begründet, dass es sich bei den Entscheidungen der Behörde und des Verwaltungsgerichtes um die Zulässigkeit des Rechtsweges verneinende – und damit die Zuständigkeit zur Sachentscheidung ablehnende – Entscheidungen handle. Es liege daher ein verneinender Kompetenzkonflikt zwischen den ordentlichen Gerichten und einem Verwaltungsgericht über eine idente Rechtssache vor.

2. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Die Antragstellerin ist eine Verlassenschaft und wird durch einen Verlassenschaftskurator vertreten. Der Verstorbene hatte von 2007 bis zu seinem Tod 2017 Leistungen nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) bezogen. Im Verlassenschaftsverfahren meldete die Stadt Wien eine Ersatzforderung von € 135.736,68 unter Hinweis auf §24 WMG an.

2.2. Mit Antrag vom 3. November 2021 begehrte die Antragstellerin beim Magistrat der Stadt Wien (Magistratsabteilung 40), mit Bescheid festzustellen, dass die von der Behörde angemeldete Forderung in Höhe von € 135.736,68 nicht zu Recht bestehe, in eventu, dass diese verjährt sei.

2.2.1. Diesen Antrag wies der Magistrat der Stadt Wien mit Bescheid vom 17. Dezember 2021 als unzulässig zurück. Begründend führte der Magistrat der Stadt Wien zusammengefasst aus, dass das Verlassenschaftsverfahren nicht abgeschlossen sei und die erbserklärten Erbinnen und Erben der Behörde somit noch nicht bekannt seien. Ein Bescheid nach §24 Abs3 WMG habe daher bisher nicht erlassen werden können. Die Rechtmäßigkeit der von der Behörde angemeldeten Forderung sei nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens in einem ordentlichen Verwaltungsverfahren mit Bescheid festzustellen. Der Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides, ob die Forderung zu Recht bestehe, sei daher als unzulässig zurückzuweisen. Auch die Frage der Verjährung werde von der Behörde in einem Verwaltungsverfahren nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens zu prüfen sein, nach dessen Abschluss ein Bescheid zu erlassen sei, gegen welchen eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien offenstehe.

2.2.2. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit Erkenntnis vom 17. März 2022 als unbegründet ab. In seiner Begründung führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass das Verlassenschaftsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und das WMG die Erlassung eines Feststellungsbescheides zwischen Anmeldung der Forderung und Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens bzw Feststellung der erbserklärten Erbinnen und Erben durch das Bezirksgericht nicht vorsehe. Erst danach sei ein Leistungsbescheid seitens des Magistrates der Stadt Wien gemäß §24 Abs3 WMG zu erlassen.

2.3. Mit Klage vom 6. Dezember 2022 begehrte die Antragstellerin die Feststellung, dass die von der Stadt Wien im Verlassenschaftsverfahren angemeldete und auf §24 WMG gestützte Forderung nicht zu Recht bestehe, in eventu, dass diese verjährt sei.

2.3.1. Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück und erklärte das durchgeführte Verfahren für nichtig. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

2.3.2. Dem Revisionsrekurs gab der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 12. September 2023 nicht Folge. Begründend führt der Oberste Gerichtshof im Wesentlichen aus, dass gemäß §24 Abs3 WMG über die Verpflichtung zum Kostenersatz mit Bescheid zu entscheiden sei. Die Entscheidung über die Ersatzpflicht nach §24 WMG habe daher auch gegenüber Erben nach der ausdrücklichen Bestimmung des §24 Abs3 WMG bescheidmäßig im Verwaltungsweg zu erfolgen (Verweis auf VwGH 29.3.2017, Ra 2016/10/0146). Dass die (potentiellen) Erben ein rechtliches Interesse an der Klärung der strittigen Forderung bereits vor Abgabe der Erbantrittserklärung haben mögen, sei für die Klärung der Rechtswegzulässigkeit unerheblich, zumal das rechtliche Interesse erst im Zusammenhang mit der Prüfung der inhaltlichen Berechtigung des Anspruches eine Rolle spiele. Auch die allfällige Bejahung des rechtlichen Interesses könne nicht dazu führen, dass für die Klärung ausdrücklich dem Verwaltungsweg vorbehaltener Ansprüche der Rechtsweg zugelassen werde, ziele doch die begehrte Feststellung gerade darauf ab, eine von der Rechtsordnung dem Verwaltungsrecht und der Entscheidung im Verwaltungsverfahren zugewiesene Frage zu entscheiden. Die Zulassung des Rechtsweges würde hier dem verfassungsrechtlich normierten Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art94 B VG) widersprechen. Die Vorinstanzen hätten die Zulässigkeit des Rechtsweges daher zu Recht verneint.

II. Zur Zulässigkeit

1. Der Antrag ist nicht zulässig.

2. Gemäß Art138 Abs1 Z2 B VG iVm §46 Abs1 Z2 VfGG besteht ein vom Verfassungsgerichtshof zu entscheidender verneinender Kompetenzkonflikt ua dann, wenn ein ordentliches Gericht und ein Verwaltungsgericht die Zuständigkeit in derselben Sache verneint haben, obwohl eines der beiden Gerichte zuständig gewesen wäre (VfSlg 20.133/2016; VfGH 4.10.2023, KI4/2022).

Die Voraussetzungen eines verneinenden Kompetenzkonfliktes sind in jenen Fällen nicht gegeben, in denen die Behörde ihre Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache nicht schlechthin verneint, sondern den Antrag etwa mangels Legitimation, mangels Parteieigenschaft, wegen entschiedener Sache oder wegen Fristversäumnis zurückweist (s statt vieler zB VfGH 18.9.2023, KI1/2023, mwN).

3. Ein solcher Fall liegt hier vor:

Der Magistrat der Stadt Wien und (in der Folge) das Verwaltungsgericht Wien haben nicht schlechthin ihre Zuständigkeit, sondern bloß die Voraussetzungen für die – nur ausnahmsweise zulässige – Erlangung eines Feststellungsbescheides verneint. Daher sind die Voraussetzungen eines verneinenden Kompetenzkonfliktes nicht gegeben (s VfGH 4.10.2023, KI4/2022).

III. Ergebnis

1. Der Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

2. Da die Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes offenbar ist, wurde dieser Beschluss gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst.

Rückverweise