21Bs296/25w – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat am 19. September 2025 durch die Richterin Mag. Maruna als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Frigo und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A* und B*wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 3. Juni 2025, GZ ** 52.4, in der in Gegenwart der Oberstaatsanwältin HR Mag. Sonja Riener, der Angeklagten A* und B* sowie deren Verteidiger Mag. Milorad Erdelean und Mag. Marius Hortolomei durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung
I./ zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
II./ den Beschluss gefasst:
Die Angeklagten A* und B* werden gemäß § 265 Abs 1 zweiter Satz StPO nach Verbüßung von mehr als Zwei-Drittel der Strafzeit gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit und Anordnung der Bewährungshilfe nach § 50 Abs 2 Z 2 StGB sofort bedingt entlassen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** geborene polnische Staatsangehörige A* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach § 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./) und der am ** in ** geborene rumänische Staatsangehörige B* des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (I./) schuldig erkannt und beide jeweils unter aktenkonformer Vorhaftanrechnung und unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG, A* überdies unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, nach § 143 Abs 1 StGB wie folgt verurteilt:
A* zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und
B* zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten, wovon gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe im Ausmaß von 14 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
Gemäß §§ 369 Abs 1 StPO iVm 366 Abs 2 StPO wurden die Angeklagten A* und B* zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, dem Privatbeteiligten C* binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution einen Betrag von 5.000 Euro zu zahlen. Mit seinen darüber hinausgehenden Ansprüchen wurde der Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gemäß §§ 50, 52 StGB wurde (zutreffend mit gesondert ausgefertigten Beschluss [§ 86 Abs 3 StPO, RIS-Justiz RS0101841, RS0126528]) für beide Angeklagten für die Dauer der Probezeit Bewährungshilfe angeordnet und A* mit seiner Zustimmung die Weisung erteilt, sich einer Antigewalttherapie bei der Männerberatung oder einer gleichartigen Einrichtung zu unterziehen (ON 52.5).
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben am 1. Februar 2025 in **
I./ A* und B*im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) C* mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld und Suchtgift, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht (§ 15 StGB), sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie den Genannten in seiner Wohnung, nachdem sie dessen Wohnungstür gewaltsam eintraten, in den Schwitzkasten nahmen bis er schließlich zu Boden ging, ihm einen Schlag gegen das Gesicht und einen Tritt in die Rippengegend versetzten, mit einem Messer bedrohlich hantierten und die gesamte Wohnung nach Wertgegenständen durchsuchten, wobei die Tatvollendung unterblieb, weil sie keine Wertsachen fanden und sodann die Flucht ergriffen;
II./ A* im Anschluss an die unter Punkt I./ beschriebene strafbare Handlung, C* mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zum Öffnen seiner Wohnungstüre, genötigt, indem A* den Genannten unter dem Eindruck der zu Punkt I./ geschilderten Drohkulisse neuerlich am Hals packte, ihn in den Schwitzkasten nahm und schrie „Mach sofort die Türe auf, sonst bringe ich Dich um! “.
Bei der Strafzumessung wertete das Schöffengericht bei beiden Angeklagten den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben war, das zuletzt abgelegte Geständnis und die Bereitschaft zur Schadensgutmachung (weil die Schadensgutmachung lediglich daran scheiterte, dass die Privatbeteiligtenvertreterin die Annahme des Geldes in der Hauptverhandlung verweigerte), hingegen erschwerend die Verletzung des Opfers, den Umstand, dass die Tat in der eigenen Wohnung des Opfers begangen wurde und die gesteigerte Tatbildmäßigkeit beim Raub, wobei es beim Erstangeklagten zusätzlich erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen heranzog.
Ein diversionelles Vorgehen sah der Schöffensenat bei beiden Angeklagten aus spezialpräventiven Erwägungen, insbesondere aufgrund der Schwere der Tat, als nicht ausreichend an, um den Angeklagten das Unrecht ihrer Tat wirksam vor Augen zu führen und sie von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen dieser oder ähnlicher Art abzuhalten.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 53), in der Folge fristgerecht ausgeführte, eine Erhöhung der Freiheitsstrafen zu beiden Angeklagten anstrebende Berufung der Staatsanwaltschaft (ON 60), der keine Berechtigung zukommt.
Die Argumentation der Staatsanwaltschaft, wonach die von beiden Angeklagten abgelegten Geständnisse diesen nur in abgeschwächter Form mildernd zugute kommen können, weil sie sich erst am Ende der Hauptverhandlung bei erdrückender Beweislage und insbesondere nach Erstattung des kriminaltechnischen Sachverständigengutachtens zu diesem Durchringen haben können, übersieht, dass das Erstgericht die Geständnisse aufgrund der gleichen Erwägungen ohnehin nur im geringen Ausmaß mildernd wertete (US 15).
Ebenso wertete das Schöffengericht auch die Erfüllung beider Varianten (Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben) des alternativen Mischtatbestandes des Raubes ( Ebner , WK 2StGB § 33 Rz 2; RIS-Justiz RS0126145 [T2]) unter dem Begriff der verstärkten Tatbildmäßigkeit ohnehin als erschwerend (US 15).
Eine von der Anklagebehörde monierte erschwerende Wertung einer Traumatisierung des Opfers (OGH 11 Os 6/11h) kann den Feststellungen mit Blick auf die psychische Vorbelastung des Opfers nicht entnommen werden (US 6; „Zudem hatte der psychisch bereits vorbelastete C*, dem bereits Medikamente gegen Panikattacken und vorbeugend gegen Epilepsie ärztlich verordnet worden waren, große Furcht zum Zeitpunkt des Vorfalls und auch noch danach Angstzustände auszustehen. Dies hat zu einer eindeutigen Verschlechterung seiner psychischen Gesundheit geführt. Es ist ihm nicht mehr möglich, weiterhin diese Unterkunft zu bewohnen, er befindet sich in „psychischer Behandlung“ und nimmt er ärztlich verordnete Beruhigungs- und Schmerzmittel, Anti-Depressiva sowie ein Medikament gegen Epilepsie ein.“),dennoch ist im Rahmen der Schuld iS des § 32 StGB die durch die Tat zweifellos bewirkte Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Opfers aggravierend zu veranschlagen.
Trotz der minimal korrigierten Strafzumessungsgründe sprechen die nachvollziehbaren Erwägungen des Schöffengerichts, dass beide Angeklagten erstmalig straffällig wurden und nicht nur aus stabilen familiären und sozialen Verhältnissen stammen, sondern auch weiterhin Rückhalt von ihren Bezugspersonen erhalten, auch außerdem gewillt sind, ihre jeweiligen Ausbildungen fortzusetzen und sich als den Werten unserer Gesellschaft verbunden in diese zu integrieren bereit sind, gegen eine Erhöhung der Freiheitsstrafen.
Das Rechtsmittelgericht verkennt dabei nicht den besonderen Handlungsund Gesinnungsunwert der der Schwerstkriminalität zuzurechnenden Tat (Schuldspruchpunkt I./) und der dabei an den Tag gelegten besonderen erheblichen kriminellen Energie mit der beide Angeklagten aufgrund eines durchdachten Plans, im Zuge dessen sich der Zweitangeklagte auch maskierte, sich in der Nacht durch Eintreten der Wohnungstüre des Opfers gewaltsam Zugang verschafften und in weiterer Folge mit einem überhöhten Ausmaß an Gewalt und Empathielosigkeit gegen das ihnen körperlich unterlegene Opfer vorgingen, indem sie es mit einem Messer bewaffnet überfallen haben. Dennoch erweisen sich die vom Schöffengericht ausgemittelten Freiheitsstrafen bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe (§ 143 Abs 1 StGB StGB iVm § 5 Z 4 JGG) angesichts der Täterpersönlichkeit und der Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung an den Erstangeklagten sowie dem Umstand, dass das Ausmaß der verhängten Strafe in einer realistischen Relation zum Unrechts und Schuldgehalt der konkreten Taten stehen muss (RISJustiz RS0090854), als schuld- und tatangemessen.
Der Berufung der Staatsanwaltschaft war daher ein Erfolg zu versagen.
Da die Angeklagten A* und B* im Zeitpunkt der Entscheidung über die Berufung in Folge Anrechnung der Vorhaft nun schon mehr als Zwei-Drittel der Strafzeit verbüßt haben, ist gemäß § 265 Abs 1 StPO auch über die bedingte Entlassung zu entscheiden.
Den erstmals zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilten Angeklagten ist der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren und Anordnung der für die weitere Resozialisierung zwingend im Sinne des § 50 Abs 2 Z 2 StGB anzuordneten Bewährungshilfe bedingt nachzusehen, weil die Voraussetzungen des § 46 Abs 1 StGB vorliegen. Aufgrund der mehrmonatigen Hafterfahrung ist davon auszugehen, dass die Angeklagten durch die bedingte Entlassung samt flankierender Maßnahmen (Bewährungshilfe) nicht weniger als durch die weitere Verbüßung des Rests der unbedingten Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten werden.