JudikaturOLG Wien

33R91/25g – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
18. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien erkennt als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten MMMag. Frank als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Eilenberger-Haid und die KR in Kornherr in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, vertreten durch die KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* AG , FN 63197 m, **, vertreten durch die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 224.648,74 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 23.4.2025, **-10, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei deren mit EUR 4.368,72 (darin EUR 728,12 USt) bestimmte Berufungsbeantwortungskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Von folgendem Sachverhalt ist auszugehen [bekämpfte Feststellungen sind fett hervorgehoben und mit [F1a] und [F1b] bezeichnet]:

Die Klägerin wurde von der C* Gesellschaft mbH (in der Folge stets: C*) mit der Erbringung von Generalunternehmerleistungen beim Bauvorhaben „**“ beauftragt. Dabei war ein Haftrücklass zugunsten der C* vereinbart.

Die Klägerin hat bei der Beklagten zu Polizzennummer ** eine Baurücklassversicherung abgeschlossen, wobei Punkt 5.1. der zugrundeliegenden allgemeinen Bedingungen lautet:

„5.1. Der Versicherungsnehmer hat die vom Versicherer an den Garantieempfänger geleisteten Beträge ohne Rücksicht auf die ihm sowohl im Verhältnis zum Garantieempfänger als auch zum Versicherer gegen Grund, Höhe und Bestand zustehenden Einwendungen nebst Kosten binnen 14 Tagen nach erster Aufforderung durch den Versicherer [...] zurück zu erstatten.“

Die Garantie zwischen der Beklagten und der C* zur Besicherung des Haftrücklasses mit der Nummer ** lautet auszugsweises wie folgt (Beilage ./E):

„Garantiebetrag: EUR 224.648,74

Laufzeitende: 12.06.2024

[Die Klägerin] hat für Sie Arbeiten beim oben genannten Bauvorhaben durchgeführt. Gemäß den vertraglichen Bedingungen sind Sie berechtigt, einen Haftrücklass in Höhe des oben genannten Garantiebetrages einzubehalten. Sie haben sich jedoch bereit erklärt, diesen Haftrücklass gegen Beibringung einer Haftrücklassgarantie auszubezahlen.

Zur Sicherstellung aller Rechte, die Ihnen als Auftraggeber gegenüber [der Klägerin] aus dem Titel der Gewährleistung aus dem oben unter "Haftungsgrund" angeführten Bauvorhaben zustehen, übernehmen wir, die [die Beklagte], die Haftung bis zum oben angeführten Garantiebetrag und verpflichten wir, die [die Beklagte], uns unwiderruflich, an Sie über erstes Auffordern, welches die Behauptung enthalten muss, dass im Grundverhältnis der Garantiefall einqetreten ist und es sich um Gewährleistungsansprüche handelt, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, binnen 14 Bankarbeitstagen nach Einlangen des Originalschriftstückes, mit welchem die Garantie in Anspruch genommen wird, Zahlung bis zur Höhe des oben genannten Garantiebetrages - unter Ausschluss von Barzahlung - auf ein von Ihnen namhaft zu machendes Konto zu leisten.

Das Schreiben, mit welchem die Garantie in Anspruch genommen wird, ist an die ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH zu richten. Für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Inanspruchnahme ist daher ausschließlich das Einlangen des Inanspruchnahmeschreibens bei der ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH maßgeblich.

Ihr Inanspruchnahmeschreiben muss folgende Behauptung enthalten: ‚Ich/Wir erkläre(n) hiermit, dass im Grundverhältnis der Garantiefall eingetreten ist und es sich um Gewährleistungsansprüche handelt.‘

Die gegenständliche Garantie ist gültig ab 07.12.2021 und erlischt - soweit die Zahlungsverpflichtung nicht schon vorher bis zum Höchstbetrag in Anspruch genommen wurde – am 12.06.2024; das heißt, das Inanspruchnahmeschreiben im Original (unterfertigt von den vertretungsbefugten Organen in vertretungsbefugter Anzahl) muss bis spätestens an diesem Tag bei der ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH einlangen. Sollte der Fristablauf nicht auf einen Bankarbeitstag fallen, so endet die Frist mit Ablauf des vorhergehenden Bankarbeitstages. Als Bankarbeitstage gelten alle Tage außer Samstage, Sonntage und gesetzliche Feiertage. Eine Inanspruchnahme mittels Telefax vor dem Laufzeitende ist ausreichend, wenn das Inanspruchnahmeschreiben im Original innerhalb weiterer 3 Bankarbeitstage (gerechnet ab Faxeingang) bei der ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH einlangt.....“

Bereits am 11.6.2024 fand ein Abrufversuch der Garantie seitens der C* statt, bei der die Telefaxübertragung fehlschlug. Die C* versuchte dann am 12.6.2024 neuerlich das von ihrem einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführer unterfertigte Inanspruchnahmeschreiben per Telefax an die Beklagtenvertreterin zu übermitteln. Dies war jedoch aufgrund eines technischen Fehlers des Fax-Gerätes der Empfängerin wieder nicht möglich. [F1a] Nachdem die Garantiebegünstigte mit der Kanzlei der Beklagtenvertreterin diesbezüglich Rücksprache hielt und ihr mitgeteilt wurde, dass das Fax-Gerät bei der Beklagtenvertreterin defekt war , [F1b] übermittelte die C* der Beklagtenvertreterin das von ihrem Geschäftsführer unterfertigte Schreiben sodann am 12.6.2024 per E-Mail.

Am 12.6.2024 langte auch ein mit 11.6.2024 datiertes Inanspruchnahmeschreiben der C*, das nicht vom Geschäftsführer unterfertigt war, per Post in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin ein.

Am 13.6.2024 langte ein weiteres Inanspruchnahmeschreiben per Post in der Kanzlei der Beklagtenvertreterin ein, das vom 12.6.2024 datierte und vom einzelzeichnungsberechtigten Geschäftsführer der C* unterfertigt war.

Mit Schreiben vom 17.6.2024 leitete die Beklagtenvertreterin beide Schreiben an die Klägerin weiter und teilte mit, dass die Beklagte den Garantiebetrag bis längstens 3.7.2024 auszahlen müsse und die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim zuständigen Gericht einzubringen habe, sollte sie der Ansicht sein, der Garantieabruf sei rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Die Beklagte veranlasste am 24.6.2024 die Überweisung des in Anspruch genommenen Garantiebetrages an C* und nahm am 26.6.2024 eine zu ihren Gunsten von der D* AG ausgestellte Rückbesicherungsgarantie über einen Betrag von EUR 150.000 in Anspruch. Mit E-Mail vom 26.6.2024 informierte die Beklagte die Klägerin davon und ersuchte sie den auf den ausgezahlten Garantiebetrag verbleibenden Differenzbetrag von EUR 74.648,74 an die Beklagte zu überweisen. Darauf antwortete die Klägerin der Beklagten wie folgt:

„[…] wie soeben telefonisch besprochen, würden wir nach Rücksprache mit der kaufmännischen Geschäftsführung den Gesamtbetrag von EUR 224.648,74 auf das angegebene Konto überweisen und Sie bitten die Inanspruchnahme der D* zurück zu ziehen.“

Die Beklagte teilte eine Stunde später der Klägerin mit, dass sie die Ziehung der Besicherungsgarantie zurückgezogen habe und ersuchte daher um Überweisung der Garantiesumme.

Mit E-Mail vom 2.7.2024 ersuchte die Klagevertreterin die Beklagtenvertreterin, dass die Beklagte von einer Auszahlung des in Anspruch genommenen Garantiebetrages an C* Abstand nehmen möge; zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin der Beklagten das Geld bereits überwiesen.

Über das Vermögen der C* wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 17.10.2024, **, das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin begehrte mit Klage vom 4.2.2025 die Zahlung von EUR 224.648,74 sA.

Sie brachte dazu zusammengefasst vor, der Abruf der Garantie sei formwidrig erfolgt, weil die Garantie ein Laufzeitende mit 12.6.2024 gehabt habe und ein Abrufschreiben der C* von deren vertretungsbefugten Organen unterzeichnet gewesen sein habe müssen. Ein solcherart unterfertigtes Schreiben sei jedoch erst am 13.6.2024 – sohin nach Ende der Garantielaufzeit - bei der Beklagtenvertreterin eingelangt. Die Beklagte sei als Garantin dazu verpflichtet gewesen, die formale Korrektheit der Garantieinanspruchnahme zu überprüfen; gegen diese Pflicht habe sie verstoßen, weil das Scheitern der Faxübertragung nicht aus Umständen, die der Beklagten zuzurechnen seien, hergerührt habe.

Selbst wenn man annehmen wollte, dass das Faxgerät der Beklagten am 11.6.2024 defekt gewesen sei, hätte die C* als Garantiebegünstigte noch zwei volle Tage Zeit gehabt, die Garantieinanspruchnahme per Post oder per Bote zu überbringen.

Die Klägerin habe daher die EUR 224.648,74 irrtümlich im Sinne einer Nichtschuld (§ 1431 ABGB) an die Beklagte geleistet, weshalb ihr ein Rückforderungsanspruch gegenüber der Beklagten zustehe.

Zudem sei die Klausel unter Punkt 5.1 der Allgemeinen Bedingungen für die Baurücklassversicherung sittenwidrig und gröblich benachteiligend und somit unwirksam. Jedenfalls sei diese Klausel so auszulegen, dass die Klägerin die Valuta wieder zurückzufordern dürfe, sofern der Versicherer (= die Beklagte) die Valuta – wie hier - gar nicht hätte auszahlen dürfen.

Schließlich stehe der Klägerin der Betrag auch aus Schadenersatz zu. Die Beklagte habe im Informationsschreiben selbst festgelegt, die Auszahlung an die C* nicht vor dem 3.7.2024 und nur dann vorzunehmen, wenn die Klägerin nicht bis dahin nicht einen mit dem Gerichtseingangsstempel versehener Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung inklusive Auszahlungssperre vorlegt. Die Beklagte habe die Garantiesumme an die C* jedoch bereits am 27.6.2024 ausgezahlt. Hätte sich die Beklagte an die von ihr selbst gesetzte Frist gehalten, wäre es der Klägerin möglich gewesen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung einzubringen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, es liege keine irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld vor. Vielmehr sei die Klägerin durch Erstattung des von der Beklagten an die C* überwiesenen Garantiebetrages nur der sie treffenden Verpflichtung gemäß Punkt 5.1. der Allgemeinen Bedingungen für die Baurücklassversicherung nachgekommen.

In der Garantie sei festgelegt, dass eine Inanspruchnahme mittels Telefax vor dem Laufzeitende ausreichend sei. Die Inanspruchnahmeversuche der C* am 11.6. und 12.6.2024 per Telefax seien nur wegen eines defekten Faxgerätes der Kanzlei der Beklagtenvertreterin gescheitert.

Die Klägerin sei in Beilage ./2 explizit hingewiesen worden, dass sie für den Fall, dass sie der Ansicht sei, dass die Garantieinanspruchnahme nicht zu Recht erfolgt sei, einen Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung stellen müsse. Einen solchen Antrag habe die Klägerin nicht gestellt, sondern ganz im Gegenteil am 26.6.2024 zunächst mündlich und dann auch schriftlich gegenüber der Beklagten zugesagt, den gesamten in Anspruch genommenen Garantiebetrag an die Beklagte zu refundieren. Damit habe die Klägerin einerseits konkludent darauf verzichtet, Einwendungen gegen die Rechtzeitigkeit bzw. gegen die formale Richtigkeit der Garantieinanspruchnahme zu erheben.

Die Versicherungsbedingungen seien auch nicht gröblich benachteiligend, weil die Klägerin über die Umstände der Garantieinanspruchnahme, insbesondere auf die Möglichkeit, den Antrag auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung zu stellen, explizit hingewiesen worden sei und dennoch die Refundierung des vollen Betrages zugesichert habe. Der Einwand der Klägerin, die Versicherungsbedingungen (insb ihr Punkt 5.1.) seien sittenwidrig oder gröblich benachteiligend, verstoße daher gegen Treu und Glauben.

Überdies wandte die Beklagte eine Gegenforderung von EUR 150.000 ein. Es habe zu Gunsten der Beklagten bei der D* AG eine Zahlungsgarantie bestanden, die die Beklagte in Anspruch in Anspruch genommen hätte, wenn die Klägerin nicht ausdrücklich zugesagt hätte, den gesamten Garantiebetrag an die Beklagte zu refundieren. Die Klägerin habe dadurch, dass sie zunächst die Refundierung des gesamten Garantiebetrages zugesagt habe, nunmehr aber den der Beklagten erstatteten Betrag zurückfordere, dem Vermögen der Beklagten einen Schaden von EUR 150.000 zugefügt, den die Klägerin zu ersetzen habe.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab und ging dabei vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt aus.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, die Inanspruchnahme der Garantie könne im Sinne einer Effektivklausel an Bedingungen geknüpft werden. Nach dem Grundsatz der formellen Garantiestrenge müsse der Garant zur Sicherung seiner Rückgriffsansprüche vom Begünstigten die strikte, ja pedantisch genaue Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen verlangen. Dieser Grundsatz gelte uneingeschränkt, wenn die Auszahlung wie hier nur von einer Erklärung des Begünstigten abhänge. Anderes gelte nur, wenn die Hindernisse für die exakte Erfüllung nicht seiner Sphäre zuzurechnen seien.

Da die Inanspruchnahme einer Garantie eine Willenserklärung sei, bedürfe sie zu ihrer Wirksamkeit des Zuganges. Für die Fristwahrung sei demnach der Zugang beim Garanten maßgebend, wobei der Begünstigte die Bankgarantie frist- und formgerecht bei der in der Garantieerklärung genannten Bank in Anspruch zu nehmen habe. Dies gelte sowohl für die Anforderung der Garantiesummen als auch für die Erfüllung aller die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden zusätzlichen Voraussetzungen.

Zwar sehe § 884 ABGB vor, dass die wirksame Inanspruchnahme der Garantie die Einhaltung der hiefür vereinbarten Form voraussetze, bei rechtsgeschäftlich vereinbarten Formerfordernissen sei jedoch der Zweck der Vereinbarung zu ermitteln. Eine Inanspruchnahmeerklärung könne daher wirksam sein, obwohl die vereinbarte Form nicht eingehalten wurden, wenn dies mit dem Zweck der Formabrede vereinbar sei.

Hier habe die C* das unterfertigte Inanspruchnahmeschreiben letztlich nicht wie vereinbart per Telefax, sondern per E-Mail übermittelt und sich damit formell nicht an die Anspruchsvoraussetzungen der Garantievereinbarung gehalten.

Zur Beurteilung der Frage, ob der Garantieabruf daher auch per E-Mail rechtzeitig war, sei allerdings auf die allgemeinen Grundsätze des § 862a ABGB zurückzugreifen, wonach der Empfänger für die Bereitschaft des Telefaxgerätes zu sorgen habe. Bei erwiesenen Störungen des Fax-Gerätes reise das Telefax ausnahmsweise auf Gefahr des Empfängers.

Nach Kenntnis über die Zugangsprobleme auf Empfängerseite sei die C* dazu verpflichtet gewesen, einen neuerlichen Sendungsversuch vorzunehmen, was sie – nach einem weiteren erfolglosen Telefaxversuch - durch die Übermittlung des E-Mails auch getan habe. Für das Abweichen vom Wortlaut der Garantie seien somit besondere, nicht der Sphäre der C* als Garantiebegünstigten zurechenbare Gründe vorgelegen, weshalb von der formellen Garantiestrenge abgegangen werden könne und die Beklagte somit zu Recht den Garantiebetrag an die C* ausgezahlt habe. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin bestehe daher nicht zu Recht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung infolge unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte stellt in ihrer Berufungsbeantwortung den Antrag, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

1. Zur Beweisrüge:

Statt den Feststellungen [F1a] und [F1b2] begehrt die Klägerin eine Ersatzkonstatierung, wonach nicht festgestellt werden könne, ob das Telefaxgerät der Absenderin oder der Empfängerin defekt gewesen sei.

Die Klägerin argumentiert, das Erstgericht habe die bekämpfte Feststellung auf Beilage ./1 gestützt, aus der zwar hervorgehe, dass die Telefaxübertragungen am 11.6.2024 und am 12.6.2024 fehlgeschlagen seien, aber nicht, dass diese Versuche aufgrund eines defekten Telefaxgeräts der Beklagtenvertreterin gescheitert seien. Der in der Fehlermeldung enthaltene Hinweis, „Beim Senden den Vorgang [zu] wiederholen und/oder anrufen, ob Empfangsfaxgerät zum Faxempfang bereit ist“ verweise lediglich darauf, dass ein Problem beim Empfängergerät vorliegen könnte, nicht, dass ein solches auch tatsächlich vorliege. Der Fehler hätte genauso beim Versenderfaxgerät liegen können. Bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Erstgericht sohin eine Negativfeststellung hinsichtlich der Frage treffen müssen, welches Faxgerät konkret eine Störung gehabt habe.

Bloß der Umstand, dass die Beweisergebnisse auch andere als die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ermöglicht hätten, kann nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Beweiswürdigung und der darauf gegründeten Tatsachenfeststellungen führen (vgl RS0043175). Ein Rechtsmittel kann wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 272 ZPO) die Feststellungen nur dann erfolgreich angreifen, wenn es stichhaltige Gründe ins Treffen führt, die erhebliche Zweifel an den vom Erstgericht vorgenommenen Schlussfolgerungen rechtfertigen können.

Hier gelingt es der Klägerin nicht, solche erheblichen Zweifel beim Berufungsgericht zu wecken. Soweit sich die Klägerin in ihrer Argumentation darauf stützt, aus Beilage ./1 ergebe sich die vom Erstgericht vorgenommene Beweiswürdigung nicht, überzeugt dies nicht, beinhaltet diese Beilage doch nicht nur das Übersendungsdeckblatt mit dem Fehlbericht, sondern auch das E-Mail der C* an die Beklagtenvertretung. Darin bezieht sich der Geschäftsführer der C* eindeutig auf ein Gespräch mit der Kanzlei der Beklagtenvertretung, bei dem er über einen Defekt des Empfangfaxgeräts der Beklagtenvertreterin informiert worden sei. Ein solches E-Mail hätte der Geschäftsführer der C* nicht geschrieben, wenn er diese Auskunft nicht tatsächlich zuvor erhalten hätte. Hätte er das nur „erfunden“, hätte ihm die Beklagtenvertreterin sicher entsprechend geantwortet. Das der Geschäftsführer diese Erklärung bloß erfunden hat, behauptet übrigens nicht einmal die Klägerin im Verfahren. Und dass die Beklagtenvertreterin dem Geschäftsführer eine unrichtige Erklärung für das Scheitern des Versuchs geboten habe, behauptet die Klägerin auch nicht. Es ist somit sehr wohl im Sinne der erstinstanzlichen Beweiswürdigung davon auszugehen, dass der Versuch an einem Defekt des Faxgerätes der Beklagtenvertreterin scheiterte.

Die Beweisrüge geht somit ins Leere, weshalb das Berufungsgericht die bekämpfte Feststellung des Erstgerichts übernimmt und seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legt.

2. Zur Rechtsrüge:

2.1.Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Inanspruchnahme einer Bankgarantie muss der Garant zur Sicherung seiner Rückgriffsansprüche vom Begünstigten die strikte, „pedantisch genaue“ Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen verlangen („formelle Garantiestrenge“; RS0016983; RS0016999; RS0016946; vgl auch RS0017005). Entspricht zum Beispiel ein bei der Inanspruchnahme der Garantie vorzulegendes Dokument nicht dem in der Garantieurkunde vorgeschriebenen Inhalt, dann liegt keine formgerechte Inanspruchnahme vor, und der Garant kann die im Garantievertrag verbriefte Leistung ablehnen (RS0017013 [T5] = 1 Ob 160/02i mwN = ÖBA 2003, 541). Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen allerdings den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB. Dabei ist auf die konkreten Umstände, insbesondere auf den Geschäftszweck und die Interessenlage der Beteiligten, Bedacht zu nehmen. Die formelle Garantiestrenge ist in diesem Zusammenhang „kein Selbstzweck“, sondern gilt nur soweit, als das dem Willen der Vertragsparteien entspricht (RS0033002; RS0017670).

Zur Interessenabwägung wurde in der Entscheidung 4 Ob 149/06z mwN (= ecolex 2007/141 S 342 [ Fössl/Kurat] = SZ 2006/168) danach unterschieden, ob die Auszahlung der Garantie allein von einer Erklärung des Begünstigten oder von „externen“, oft mit dem Grundverhältnis verketteten Umständen abhängt, zum Beispiel wenn sich der Sachverhalt unvorhergesehen entwickelt hat oder wenn Urkunden vorzulegen waren, deren Inhalt der Begünstigte nicht beeinflussen konnte. In diesen Fällen könne tatsächlich das Interesse des Begünstigten am Abweichen vom Wortlaut schwerer wiegen als jenes der Garantin an einer „pedantischen Erfüllung“ der Garantiebedingungen; „Wortklauberei“ entspreche dann nicht der Absicht redlicher Parteien (§ 914 ABGB). Die Interessenlage sei aber deutlich anders, wenn die Auszahlung nur von einer Erklärung des Begünstigten abhänge. Denn in diesem Fall sei nicht ersichtlich, warum er ein (legitimes) Interesse daran haben solle, etwas anderes zu erklären als in der Bankgarantie vorgesehen. Umgekehrt bleibe für die Garantin die Gefahr bestehen, durch Akzeptieren eines Abweichens vom Wortlaut in einen Streit mit ihrem Auftraggeber zu geraten. Das spreche dafür, in solchen Fällen bei der vollen Garantiestrenge zu bleiben, weil es im Regelfall kaum „handfeste Gründe“ geben werde, vom Erfordernis der „pedantischen“ Einhaltung des Wortlauts abzugehen.

Hängt also die Auszahlung der Bankgarantie nur von einer Erklärung des Begünstigten ab, so gilt die formelle Garantiestrenge uneingeschränkt und der Begünstigte hat die Anspruchsvoraussetzungen pedantisch genau zu erfüllen (RS0121551).

Diese grundsätzlichen Überlegungen lassen sich dahin erweitern, dass die formelle Garantiestrenge nach entsprechender Interessenabwägung zugunsten des Begünstigten dann nicht uneingeschränkt gilt, wenn die exakte Erfüllung der Garantiebedingungen an Umständen scheitert, die vom Begünstigten weder beeinflusst wurden noch zu beeinflussen waren, wenn die Hindernisse also nicht seiner Sphäre zuzurechnen sind (7 Ob 232/09g [1.3.]).

2.2. Im vorliegenden Fall war die C* (Garantiebegünstigte) berechtigt, den Abruf der Garantieerklärung (unter Vorlage eines von ihrem Geschäftsführer unterfertigen Inanspruchnahmeschreibens im Original binnen drei Tagen) mittels eines Telefaxes vorzunehmen. Der Umstand, dass die Sendung nur am defekten Telefaxgerät der Beklagtenvertreterin scheiterte, bildet einen externen, für die Garantiebgünstigte unbeeinflussbaren Umstand. Der Beklagten ist somit der Nachweis gelungen, dass die Übermittlung des Anspruchschreibens per Telefax aus der Beklagtenvertreterin zurechenbaren Gründen unterblieb, die außerhalb der Sphäre und des Einflussbereichs der C* lagen.

Unstrittigermaßen langte das ebenso vorzulegende Schreiben im Original binnen drei Tagen nach Übermittlung des E-Mails bei der Beklagtenvertreterin ein, nämlich am 13.6.2024.

Es ist dem Erstgericht somit dahin beizupflichten, dass bei der vorliegenden Konstellation das Bestehen eines zu Gunsten der C* zu berücksichtigenden schwerwiegenden („handfesten“ [4 Ob 149/06z mwN]) Grundes, der ein Abweichen vom Wortlaut der Garantie rechtfertigen könnte, zu bejahen ist.

Aus dem Gesagten folgt, dass Beklagte (Garantin) die Garantiesumme in Übereinstimmung mit dem Garantievertrag an die C* (Garantiebegünstigte) überwiesen hat und berechtigt gewesen ist, diesen Betrag von der Klägerin (Garantieauftraggebnerin) refundiert zu erhalten. Das Erstgericht hat daher die Berechtigung des vorliegenden klageweise geltend gemachten Anspruchs, der auf die Rückerstattung dieser Refundierung abzielt, zutreffend verneint.

3. Der Berufung kann nach dem Gesagten kein Erfolg beschieden sein.

4.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

5.Die ordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von einer über den Einzelfall hinausgehenden Bedeutung zu beurteilen war.