JudikaturOLG Wien

3R45/25x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
29. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Resetarits und den KR Langenbach, MBA, in der Rechtssache der klagenden Partei A*betriebsGmbH, FN **, **, vertreten durch Proksch Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei Verein C* , **, vertreten durch Dr. in Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung (Streitwert EUR 21.000,--), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 06.02.2024, **-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.351,52 (darin enthalten EUR 391,92 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,--, nicht jedoch EUR 30.000,--.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Die Klägerin betreibt ein Fiakerunternehmen in Wien. Insgesamt gibt es in Wien 22 Fiakerunternehmen.

Der beklagte Verein erstattete in der Vergangenheit immer wieder Anzeigen gegen Fiakerunternehmen. In den diesen Anzeigen folgenden Verwaltungsstrafverfahren kam es auch zu Einstellungen.

Jedenfalls am 25.06.2024 fand sich folgender Beitrag auf der vom Beklagten betriebenen Website:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Unterlassung a.) der Behauptung, dass es sich beim Schweifanbinden um eine generell unzulässige Maßnahme handelt, und b.) der Verdächtigung, dass Wiener Fiakerunternehmen durch das Schweifanbinden häufig gegen das Tierschutzgesetz verstoßen (Klagebegehren Punkt 1). Weiters soll es der Beklagte unterlassen, einen unbestimmten Personenkreis dazu aufzurufen, Wiener Fiakerunternehmen wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und/oder das Wiener Fiaker- und Pferdemietwagengesetz, ua wegen Schweifanbindens, anzuzeigen, und dazu eine ausführliche Anleitung („Leitfaden für etwaige Anzeigen“) zu veröffentlichen (Klagebegehren Punkt 2). Zuletzt erhebt die Klägerin ein Widerrufs- (Klagebegehren Punkt 3) und ein Veröffentlichungsbegehren (Klagebegehren Punkt 4). Die Äußerungen seien kreditschädigend und ehrenbeleidigend. Sie betreffen die Wiener Fiakerunternehmen, somit ein überschaubares Kollektiv, dem die Klägerin angehöre. Die Klägerin sei von den Äußerungen persönlich betroffen. In dem Artikel werde die Behauptung aufgestellt, jegliches Schweifanbinden sei unzulässig und stelle jedenfalls einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz dar. Gleichzeitig werde durch diese Behauptung bei den Lesern der Eindruck erweckt, dass sämtliche Fiakerunternehmen häufig gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, weil diese unzulässigerweise den Schweif ihrer Pferde anbinden. Gemäß der Verordnung LGBl 51/1999 (Verordnung der Wiener Landesregierung über die Haltung von Pferden) sei das Anbinden des Schweifs an Geschirr- und Kutschenteilen jedoch aus Gründen der Verkehrssicherheit zulässig. Bei den Empfängern der Äußerung solle der Eindruck erweckt werden, dass die Klägerin Tiere quäle und die einzige Möglichkeit gegen diese „Tierquälerei“ Anzeigen beim zuständigen Magistratischen Bezirksamt seien. Unabhängig davon, dass Anzeigen durch die Zivilbevölkerung aufgrund der laufenden intensiven Kontrolle durch die zuständigen Behörden (MA 60 und MA 65) nicht notwendig seien, unterstelle der Beklagte, dass Fiakerunternehmen laufend gegen Tierschutzbestimmungen verstoßen. Die Klägerin sei bemüht, bei der Haltung ihrer Pferde sämtliche geltenden Tierschutzvorschriften einzuhalten und darüber hinaus einen noch höheren Standard zu schaffen. Aus diesem Grund seien ihre Mitarbeiter angewiesen, Schweifanbinden nur aus Gründen und zur Wahrung der Verkehrssicherheit vorzunehmen; das Schweifanbinden werde nur so lange aufrechterhalten, als dies zwingend erforderlich sei. Den Äußerungen des Beklagten liege kein ausreichendes Tatsachensubstrat zu Grunde, weil das Schweifanbinden keine generell unzulässige Maßnahme und damit nicht in jedem Fall strafbar sei. Der Beklagte unterstelle aber jedem Fiakerfahrer, der seinen Pferden den Schweif anbinde, einen Gesetzesverstoß. Im Verhältnis zur Anzahl der jährlich absolvierten Fiakerfahrten werden nur eine verschwindend geringe Anzahl an Verwaltungsstrafen verhängt. Über die Klägerin sei wegen Schweifanbindens überhaupt keine Verwaltungsstrafe verhängt worden.

Der Beklagte beantragt Klagsabweisung und bringt vor, die Klägerin sei von den inkriminierten Äußerungen nicht betroffen, weil sie vom Durchschnittspublikum nicht mit Fiakerbetrieben in Österreich in Verbindung gebracht werden. Das Durchschnittspublikum verstehe die Äußerungen nur als allgemeine Ausführungen zum Tierleid von Fiakerpferden. Wäre die Klägerin aktivlegitimiert, könnte der Beklagte seinem Vereinszweck (Tierschutz) nicht mehr wirksam nachgehen, weil Kritik an der Haltung bzw dem Einsatz von Fiakerpferden bei persönlicher Betroffenheit jedes Fiakerunternehmens verunmöglicht werde und eine unzulässige Zensur bedeute. Der Beklage habe die inkriminierte Behauptung, dass Wiener Fiakerunternehmen durch das Schweifanbinden häufig gegen das Tierschutzgesetz verstoßen, nicht aufgestellt oder verbreitet. Das Unterlassungs-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren sei, soweit es sich auf die Aussagen zum Schweifanbinden generell beziehe, zu weit gefasst. Der Beklagte habe nicht behauptet, dass es sich beim Schweifanbinden um eine generell unzulässige Maßnahme handle. Selbst wenn dem so wäre, würde diese Aussage in keinem Zusammenhang mit der Klägerin oder einem anderen Fiakerunternehmen stehen. Durch die Veröffentlichung seien auch keine Verdächtigungen in irgendeiner Art geäußert worden. Die Veröffentlichung enthalte auch keinen Aufruf zur Anzeigeerstattung. Zudem liege ein ausreichendes Tatsachensubstrat für die Äußerungen vor. Der Beklagte behaupte nicht, dass Fiakerunternehmen durch das Schweifanbinden ihrer Pferde häufig Übertretungen nach dem Tierschutzgesetz begehen würden, sondern informiere die Leser des Beitrags lediglich darüber, dass das Schweifanbinden eine (von mehreren) der am häufigsten vom Beklagten selbst angezeigten Übertretungen des Tierschutzgesetzes sei. Dieser Umstand sei wahr. Die Äußerungen seien im Übrigen vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Der Beklagte habe bloß darauf hingewiesen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit als Tierschutzverein auch Gesetzesverstöße anzeige und gewisse Übertretungen gehäuft aufgefallen seien. Dabei handle es sich um die Wiedergabe der Erfahrung des Beklagten als engagierter Verein, wobei kein Unternehmen beschuldigt werde, Gesetzesübertretungen zu begehen. Insbesondere im Hinblick auf das bedeutsame Thema des Tierschutzes würde eine allenfalls vorzunehmende Interessensabwägung jedenfalls zugunsten des Beklagten ausfallen.

Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht die Klagebegehren ab. Ausgehend von dem eingangs zitierten unstrittigen Sachverhalt erwog es, nach dem Verständnis eines durchschnittlichen qualifizierten Erklärungsempfängers handle es sich bei dem Artikel um eine Darstellung der immer wiederkehrenden Anzeigentätigkeit des beklagten Vereins in Zusammenhang mit den gesetzlichen Übertretungen von Fiakerbetreibern, und um eine Anleitung für etwaige Anzeigen. Weiters seien die häufigsten Übertretungen dargestellt. Ein durchschnittlich qualifizierter Erklärungsempfängers gehe nicht von einer besonderen Hervorhebung des Schweifanbindens im Rahmen der Veröffentlichung aus. Der Artikel behaupte nicht, dass Wiener Fiakerunternehmen durch das Schweifanbinden häufig gegen das Tierschutzgesetz verstoßen. Vielmehr sei von den Anzeigen des Beklagten die Rede. Ein durchschnittlicher Erklärungsempfänger wisse aber, dass eine Anzeige allein noch keine Auskunft darüber gebe, ob ein Gesetzesverstoß erfolgt sei. Das Unterlassungsbegehren laut Klagebegehren Punkt 1.b. sei somit nicht berechtigt. In der allgemein gehaltenen Behauptung, dass es sich beim Schweifanbinden um eine generell unzulässige Maßnahme handle, könne mangels konkreter Verletzungshandlung (vgl RS0037478) schon von vornherein keine Ehrenbeleidigung, aber auch keine Tatsache gesehen werden, die den Kredit, Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden könne. Dies treffe auch auf die Aufforderung zur Anzeigenerstattung zu. Beiden Unterlassungsbegehren mangle es somit im Ergebnis an einer Ausrichtung auf den von der Klägerin iZm § 1330 ABGB begehrten Rechtsschutz. Auf die Frage der Aktivlegitimation sei daher nicht mehr einzugehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil abzuändern und der Klage zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Die Berufungswerberin meint, eine an die Allgemeinheit gerichtete Aufforderung und Anleitung für Anzeigen sei unzulässig, wenn sie auf unrichtigem Tatsachenvorbringen beruhe. Grundvoraussetzung für eine allfällige Legitimation oder zumindest Entschuldbarkeit eines solchen Vorgehens müsse sein, dass alle in diesem Zusammenhang verbreiteten Tatsachenbehauptungen vollständig wahr seien. Dies sei jedoch nicht der Fall, weil der durchschnittlich verständige Leser aus der inkriminierten Veröffentlichung herauslesen müsse, dass Fiakerunternehmen durch das Schweifanbinden generell gegen gesetzliche und verordnete Bestimmungen verstoße und dafür angezeigt gehören.

1. Aktivlegitimation

1.1.Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach § 1330 Abs 1 und Abs 2 ABGB ist der von der ehrenrührigen Behauptung Betroffene, also derjenige legitimiert, dessen Ehre angegriffen wurde. Richtet sich die Ehrenbeleidigung gegen ein Kollektiv mit einem überschaubaren Kreis von Angehörigen, dann ist jedes einzelne Mitglied dieses Kollektivs davon betroffen (RS0031766). Die persönliche Betroffenheit des Einzelnen von einer gegen eine große Zahl von Personen gerichteten ehrverletzenden Äußerung hängt von der Identifizierbarkeit des namentlich nicht genannten Einzelnen ab (RS0111732). Bei der Beurteilung, ob eine nicht namentlich genannte Person von Äußerungen betroffen ist, kommt es nicht darauf an, wie sie gemeint war, sondern nur darauf, wie das Publikum - zumindest aber ein nicht unbeträchtlicher Teil davon - die Äußerung auffasst und mit wem es den darin enthaltenen Vorwurf in Verbindung bringt (RS0031757).

1.2. Die Klägerin ist von dem inkriminierten Artikel persönlich betroffen, weil er sich ausschließlich auf Wiener Fiakerunternehmer bezieht. Dies zeigt sich schon daraus, dass der Artikel bereits in seiner fett gedruckten Einleitung Verstöße gegen das WienerFiaker- und Pferdemietwagengesetz anführt und darlegt, dass Anzeigen an das „Magistratische Bezirksamt“ (die Bezirksverwaltungsbehörde der Stadt Wien; vgl Art 109 B-VG) zu schicken seien. Richtig brachte die Klägerin auch vor, dass in dem Artikel zudem auf die Messstation der D* Wien ** verwiesen wird. Der Standpunkt der Beklagten, dass die Äußerung nicht (einmal) mit Fiakerbetrieben in Österreich in Verbindung gebracht werde, kann daher nicht nachvollzogen werden. Richtig verweist die Klägerin darauf, dass in der Entscheidung 6 Ob 231/01s bei einer Stammtischrunde von 20 bis 30 Personen von einer ausreichenden Identifizierbarkeit der einzelnen Personen des Kollektivs ausgegangen wurde. Da in Wien lediglich 22 Fiakerunternehmen bestehen, ist die Klägerin von den an die Wiener Fiakerunternehmen gerichteten Vorwürfen auch persönlich betroffen und daher aktivlegitimiert.

2. Bedeutungsgehalt:

2.1.Sinn und Bedeutungsgehalt einer beanstandeten Äußerung wie auch die Frage, ob Tatsachen verbreitet werden oder eine wertende Meinungsäußerung vorliegt, richten sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck der Äußerung für den unbefangenen Durchschnittsadressaten. Die Äußerung ist so auszulegen, wie sie vom angesprochenen Verkehrskreis bei ungezwungener Auslegung verstanden wird (vgl RS0031883 [T9]; 6 Ob 194/16x [3.1.]). Die Auslegung des Bedeutungsinhaltes der Äußerung hat nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RS0115084). Ob eine Mitteilung im Einzelfall eine objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptung oder eine rein subjektive, unüberprüfbare Meinungsäußerung - also ein bloßes „Werturteil“ - enthält, muss unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in den die Äußerung gestellt wird, der Form, in der sie gebracht wird, des Gegenstandes, den sie betrifft, und aller sonstigen Umstände, die für den Eindruck auf das angesprochene Publikum maßgebend sein können, beurteilt werden; dabei kann eine und dieselbe Äußerung je nach den Umständen bald als Tatsachenbehauptung, bald als Werturteil aufzufassen sein (RS0078409).

2.2.Die Klägerin vertrat im erstinstanzlichen Verfahren den Standpunkt (vgl zB S 5 in ON 1), der inkriminierte Artikel stelle die Behauptung auf, Fiakerunternehmen würden durch das Schweifanbinden ihrer Pferde häufig Übertretungen gegen den Tierschutz begehen. In Übereinstimmung damit hat die Klägerin auch ihr Unterlasssungsbegehren Punkt 1.b. der Klage formuliert. Damit in untrennbarem Zusammenhang steht der Vorwurf, der Beklagte habe unrichtig behauptet, das Anbinden des Schweifs von Pferden sei generell unzulässig. Richtig hat bereits das Erstgericht erkannt, dass diese Behauptung, selbst wenn sie unwahr wäre, für sich allein weder kreditschädigend noch ehrenrührig ist. Die unrichtige Darstellung der Rechtslage kann nur dann einen Anspruch nach § 1330 ABGB begründen, wenn jemandem in diesem Zusammenhang ein Gesetzesverstoß vorgeworfen wird. So beeinträchtigt beispielsweise die (unrichtige) Behauptung, auf der Autobahn in Österreich würde ein generelles Tempolimit von 100 km/h gelten, weder den Ruf noch die Ehre einer Person. Ein Anspruch nach § 1330 ABGB wäre überhaupt nur dann denkbar, wenn konkreten Personen auch vorgeworfen würde, sie hätten gegen dieses Tempolimit verstoßen und daher Verwaltungsübertretungen begangen.

2.3. Entgegen der Ansicht des Beklagten und des Erstgerichtes wird im Artikel eindeutig der Vorwurf erhoben, dass Wiener Fiakerunternehmen in der Vergangenheit Gesetzesverstöße begangen haben. Würde man den Artikel im Sinne des Beklagtenvorbringens verstehen, müsste man auch annehmen, dass der Beklagte wissentlich unrichtige Anzeigen bei den Behörden einbringt. Geht man aber – im Sinne des Beklagtenstandpunktes – davon aus, dass keine wissentlich falschen Anzeigen erstattet werden und daher nur bei tatsächlich begangenen Übertretungen eine Anzeige erstattet wird, ergibt sich daraus auch das Verständnis des Artikels, dass die Wiener Fiakerunternehmen die vom Beklagten angezeigten Übertretungen (nach Ansicht des Beklagten) auch begangen haben. Zwar weiß der durchschnittliche Medienkonsument, dass eine Anzeige im Allgemeinen nicht zwingend bedeutet, dass ein Gesetzesverstoß auch begangen wurde. Diese Annahme ist allerdings dann nicht stichhaltig, wenn der Anzeigeleger selbst öffentlich macht, dass er Anzeigen wegen konkret genannter Gesetzesverstöße eingebracht habe. Den Fiakerunternehmen Wiens wird in dem Artikel damit grundsätzlich vorgeworfen, Gesetzesverstöße begangen zu haben.

2.4. Der Klägerin ist auch dahingehend beizupflichten, dass der Beklagte in dem Artikel behauptet, das Anbinden des Schweifs wäre generell unzulässig. Der Artikel stellt dar, dass diese Maßnahme eine umfassende Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Pferde bewirke, die zu einer Überforderung in ihrer Anpassungsfähigkeit führe. Gleichzeitig wird § 13 Abs 3 Tierschutzgesetz zitiert, nach dem Tiere so zu halten sind, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird. Da diese Bestimmungen zusammen mit der „Anleitung zur Anzeige“ zitiert werden, wird insgesamt der Eindruck erweckt, dass das Anbinden des Schweifs nicht zulässig sei und gegen die zitierten Gesetzesbestimmungen verstößt. Im Sinne des klägerischen Standpunktes wird Wiener Fiakerunternehmen in dem Artikel daher unterstellt, sie hätten durch das Anbinden des Schweifs in der Vergangenheit Bestimmungen des Tierschutzes verletzt. Der in der Berufung in diesem Zusammenhang gerügte Feststellungsmangel liegt nicht vor, weil die geltende österreichische Rechtslage keiner Feststellungen bedarf.

Die Unterlassungsansprüche laut den Punkten 1. und 3. des Klagebegehrens sind jedoch aus folgenden Erwägungen nicht berechtigt:

3. Punkt 1. und 3. des Klagebegehrens

3.1.Die von der Klägerin inkriminierten Äußerungen sind Tatsachenbehauptungen und stellen nicht bloß Werturteile dar. Für die Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist wesentlich, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (6 Ob 295/03f mwN), sodass sie nicht nur subjektiv angenommen oder abgelehnt, sondern als richtig oder falsch beurteilt werden kann (6 Ob 52/09d mwN). Die Frage, ob jemand einen Gesetzesverstoß begangen hat, kann objektiv überprüft werden.

3.2.Unwahr ist eine Äußerung dann, wenn ihr sachlicher Kern im Zeitpunkt der Äußerung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt (RS0115694). Der Wahrheitsbeweis ist schon dann als erbracht anzusehen, wenn er den Inhalt der Mitteilung im Wesentlichen bestätigt (RS0079693; „Tatsachenkern“). Nach § 19 Abs 5 der Verordnung der Wiener Landesregierung über die Haltung von Pferden (LGBl für Wien Nr. 39/1987) ist das Anbinden des Schweifs an Geschirr- oder Kutschenteilen - außer aus Gründen der Verkehrssicherheit als kurzfristige Maßnahme – verboten. Entgegen der Auslegung der Berufungswerberin normiert diese Bestimmung also ein generelles Verbot des Schweifanbindens („ist verboten“). Fälle, in denen das Anbinden des Schweifs zulässig ist, stellen eine Ausnahme von der allgemeinen Regel dar (vgl dazu zB RS0040188), die aber nur kurzfristig zulässig ist. Die Behauptung, dass das Anbinden des Schweifs generell (also allgemein) unzulässig ist, ist somit im Kern wahr. Dass die Wiener Fiakerunternehmen in der Vergangenheit gar keine Übertretungen wegen Schweifanbindens begangen hätten, hat die Klägerin weder in erster noch in zweiter Instanz behauptet. Da das Anbinden des Schweifs generell unzulässig ist und Wiener Fiakerunternehmer in der Vergangenheit auch gegen dieses generelle Verbot verstoßen haben, sind die inkriminierten Behauptungen insgesamt im Kern wahr.

3.3.Die Unrichtigkeit einer Tatsachenbehauptung kann sich zwar auch aus einer Unvollständigkeit des bekanntgegebenen Sachverhalts ergeben, die das dem Betroffenen vorgeworfene Verhalten in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt (6 Ob 143/21d [Rz 5]; 6 Ob 295/03f; 6 Ob 238/02x; Kissich in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.06 § 1330 Rz 32). Solch ein Fall liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin erblickt die Unwahrheit der Äußerung darin, dass ein Schweifanbinden nicht in jedem Fall strafbar sei (vgl S 7 in ON 5) und leitet dies aus der Aussage einer generellen Unzulässigkeit des Schweifanbindens ab (vgl auch Berufung S 7). Solch ein Erklärungswert ist der Äußerung aber nicht zu unterstellen. Vielmehr wird lediglich behauptet, dass Wiener Fiakerunternehmer in der Vergangenheit Verstöße gegen das (generelle) Verbot des Schweifanbindens zu verantworten gehabt haben, was wahr ist. Wenngleich die Berufungswerberin in ihrem Rechtsmittel nicht mehr ausdrücklich auf dieses Argument zurückkommt (wie noch auf S 5 in ON 1), ist der Vollständigkeit halber anzumerken, dass der Beklagte in dem Artikel nicht behauptet hat, dass die Übertretung des Schweifanbindens die häufigst begangene Verwaltungsübertretung sei. Der Passus „häufigste Übertretungen“ ist in Zusammenhang mit dem Einleitungssatz, wonach „immer wieder“ Übertretungen (bzw Anzeigen) erfolgen, zu lesen. Innerhalb der Gruppe der wahrgenommenen und angezeigten Übertretungen kamen vier Gruppen am öftesten („häufigsten“) vor. Dass eine Gruppe an Übertretungen in objektiver Weise „häufig“ vorkommt, behauptete der Beklagte in dem Artikel jedoch nicht.

Punkt 1. und 3. des Klagebegehrens bestehen somit nicht zu Recht.

4. Punkt 2. des Klagebegehrens

4.1.Die Klägerin hat Punkt 2. des Klagebegehrens ausdrücklich (nur) auf § 1330 ABGB gestützt. Dazu brachte sie in erster Instanz vor (S 7 in ON 1), es sei zivilrechtlich (im Sinne des § 1330 ABGB) unzulässig, an die Allgemeinheit einen „Leitfaden für etwaige Anzeigen“ zu veröffentlichen, wenn darin falsche Unterstellungen enthalten sind. In der Berufung meint die Klägerin, eine Aufforderung an die Allgemeinheit Fiakerunternehmen anzuzeigen sei möglicherweise bereits grundsätzlich, jedenfalls aber dann unzulässig, wenn diese auf unrichtigem Tatsachenvorbringen beruhe.

4.2.Es steht jeder Person frei, eine wahrgenommene Verwaltungsübertretung bei der zuständigen Behörde anzuzeigen, die sodann auf Grund der in § 25 Abs 1 VStG verankerten Offizialmaxime sowohl bei der Einleitung als auch der Durchführung des Strafverfahrens von Amts wegen vorzugehen hat. Die Motivation des Anzeigelegers ist im Verwaltungsstrafverfahren nicht von Bedeutung (vgl VwGH Ra 2018/11/0143 [Rz 25]). Weder die „Anleitung“ wie eine Anzeige zu erfolgen hat noch ein (allfälliger) „Aufruf“ Verwaltungsübertretungen anzuzeigen ist ein Verhalten, das (für sich) eine Rufschädigung oder Ehrverletzung begründet. Die Berufungswerberin möchte den Unterlassungsanspruch in diesem Punkt aber ohnehin ausdrücklich daraus ableiten, dass in der Anleitung (zumindest implizit) falsche Vorwürfe erhoben werden.

4.3.Dem Klageberechtigten steht ein Anspruch auf Unterlassung solcher Verletzungshandlungen zu, die vom Beklagten begangen worden sind. Gegenstand des Urteilsantrages und Urteilsspruches auf Unterlassung kann immer nur eine konkrete Verletzungshandlung sein (RS0037478). Der Anspruch auf Unterlassung ist ein außervertraglicher Anspruch, der dazu dient, eine künftige Ehrverletzung oder Rufschädigung zu verhindern (RS0121351). Er wird durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch (RS0037660).

4.4. Ungeachtet des Umstandes, dass ein behaupteter Gesetzesverstoß der Wiener Fiakerunternehmer keinen Eingang in das Unterlassungsbegehren laut Punkt 2. des Klagebegehrens gefunden hat, sind die von der Klägerin inkriminierten Vorwürfe im Kern wahr.

Die Abweisung des gesamten Klagebegehrens erfolgte daher insgesamt zu Recht.

5.Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

6. Der Bewertungsausspruch orientierte sich an der unbedenklichen Bewertung durch die Klägerin.

7. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Frage, wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, so sehr von den Umständen des konkreten Falls abhängt, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechts

frage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bildet (RS0031883 [T28]).