8Rs61/24k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, die Richterinnen Mag. Derbolav Arztmann und Dr. Heissenberger, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.BW MBA Michael Choc und Christian Römer in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, **, vertreten durch Mag. Elisabeth Gößler, Rechtsanwältin in Wilhelmsburg an der Traisen, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, **, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 13.3.2024, ***, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Text
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem 1.2.2023 gerichtete Klagebegehren ab und stellte fest, dass auch vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten nicht vorliegt, kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung sowie Maßnahmen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation besteht.
Es stellte den auf den Urteilsseiten 2 bis 4 ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen und aus dem Folgendes hervorgehoben wird:
Die am ** geborene Klägerin hat in der österreichischen Pensionsversicherung zum 1.12.2023 78 Beitragsmonate der Pflichtversicherung-Teilversicherung (APG), 138 Beitragsmonate der Pflichtversicherung-Erwerbstätigkeit und 3 Beitragsmonate der freiwilligen Versicherung, insgesamt daher 219 Versicherungsmonate erworben (./8).
In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1.2.2023), verlängert um 29 Monate der Kindererziehung, daher seit 9/2005 hat die Klägerin 138 Beitragsmonate aus einer Erwerbstätigkeit, davon 34 Beitragsmonate aus Lehrling (Versicherungskauffrau), als Versicherungskauffrau, Bürokauffrau und Trainings- und Support-Leiterin erworben. 2015 legte sie die Berufsreifeprüfung ab (./E, ./F, ./6, ./8).
Aufgrund ihrer Leidenszustände ist die Klägerin zusammengefasst nur mehr geeignet für leichte und nur drittelzeitig auch für mittelschwere körperliche Arbeiten geeignet, und zwar in jeder Körperhaltung, in der üblichen Arbeitszeit und mit den üblichen Arbeitspausen.
Sie ist für Arbeiten mit durchschnittlichem geistigem Anforderungsprofil mit durchschnittlicher psychischer Belastung unterweisbar. Durchschnittlicher, nur drittelzeitig auch überdurchschnittlicher Zeitdruck ist ihr zumutbar.
Die Team- und Kommunikationsfähigkeit ist für Arbeiten in kleineren Gruppen ausreichend. Mengenleistungstätigkeiten und Aufsichtstätigkeiten sind möglich.
Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte ist uneingeschränkt.
Die Fingerfertigkeit ist ungestört. Die Migräneattacken bestehen seit der Adoleszenz. Eine zukünftige Besserung oder Verschlimmerung ist nicht absehbar.
Eine gegenseitige Leidensbeeinflussung oder -potenzierung liegt nicht vor; der Zustand besteht ab Antragstellung. Krankenstände sind sind bei Kalkülseinhaltung nicht zu prognostizieren. [...]
Rechtlichfolgerte das Erstgericht, ausgehend von den Feststellungen genieße die Klägerin unter Berücksichtigung der im Beobachtungszeitraum erworbenen Zeiten der Kindererziehung Berufsschutz iSd § 273 Abs 1 ASVG. Unter Berücksichtigung ihrer Ausbildung und der ausgeübten Tätigkeiten sowie der gesundheitlichen Einschränkungen sei ihr zwar nicht mehr die zuletzt ausgeübte Tätigkeiten als Trainerin in der Erwachsenenbildung, wohl aber als kaufmännische Angestellte möglich. Berufsunfähigkeit nach § 273 Abs 1 ASVG liege daher nicht vor, auch nicht vorübergehend, sodass weder Anspruch auf Berufsunfähigkeitspension, noch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung und Maßnahmen der medizinischen und der beruflichen Rehabilitation bestehe.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen Verfahrensmängel und unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Beklagte zur Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension ab 1.2.2023 im gesetzlichen Ausmaß verpflichtet werde, in eventu, dass festgestellt werde, dass vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von mindestens sechs Monaten vorliege und ein Anspruch auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung und Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation bestehe, in eventu, dass ein Anspruch auf Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation bestehe; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Mit der Mängelrüge wirft die Berufungswerberin dem Erstgericht zusammengefasst zunächst die Verwertung unschlüssiger bzw unrichtiger Gutachten zum Leistungskalkül vor. Diese hätten als Grundannahme eine bei der Klägerin vorliegende psychische Beeinträchtigung, welche sich in einer Tendenz zur ausgeprägten Leidensdarstellung zeige. Aufgrund einer falschen Diagnose der Krankheit werde der Klägerin unterstellt, sie würde unbewusst oder bewusst ihre Leidenszustände drastischer als tatsächlich vorliegend darstellen. Es habe sich ein neuer wissenschaftlicher Stand zur Krankheit ME/CFS etabliert, der in einer – von der Berufung auszugsweise wiedergegebenen - wissenschaftlichen Arbeit in der ** veröffentlicht worden sei („**" vom 17.4.2024 [nach Schluss der Verhandlung erster Instanz], **). Die Klägerin habe sich dazu beim B* am 21.6.2024 an der C* informieren können. In dieser Arbeit werde auf die Nachteile für Patienten im Sozialsystem und darauf hingewiesen, dass zu einer erfolgreichen Diagnostik unbedingt die kanadischen Konsensuskriterien zur Feststellung von ME/CFS angewendet werden müssten, jedenfalls eine Testung auf Post-exertionelle Malaise (PEM) durchgeführt werden müsse. Keine solche Testung sei von den Sachverständigen durchgeführt worden. Ausgehend von dieser wissenschaftlichen Arbeit seien daher die von den Sachverständigen gezogenen Schlüsse nicht richtig. Die behandelnde Ärztin habe in ihrem ausführlichen Patientenbrief (./G) die Zustände der Klägerin beschrieben und sich dabei auch an der zitierten wissenschaftlichen Meinung orientiert. Trotz der (von der Berufung auszugsweise zitierten) Angaben und Schilderung der Zustände durch die Klägerin gegenüber dem psychologischen sowie dem neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen seien aufgrund der offenbar mangelnden Sachkunde die Anzeichen für die postexertionellen Malaise (PEM) bzw ME/CFS nicht erkannt worden. In der Verhandlung sei der Sachverständige zum Patientenbrief (./G) auch nochmals explizit gefragt worden, der sich aber – was der Klägerin nicht bewusst gewesen sei - offensichtlich nicht am damaligen Stand der Wissenschaft orientiert oder diesen ignoriert habe. Nicht protokolliert sei dessen Mitteilung, ihm „seien die D*-Methoden eh bekannt", was eher dafür spreche, dass die aktuellen wissenschaftlichen Entwicklungen ignoriert worden seien. D* sei einer der Autoren der zitierten Arbeit. Auch in den Medien sei von dieser Krankheit und darüber berichtet worden, dass diese bei vielen Gutachtern noch wenig bekannt sei. Die Krankheit ME/CFS sei eine neurologische Krankheit, durch entsprechende Testungen könne festgestellt werden, ob die Klägerin an dieser Krankheit leide, wodurch die Beschwerden leicht erklärbar seien. Insbesondere könnte festgestellt werden, ob eine Post-exertionelle Malaise (PEM) bestehe. Die eingeholten Gutachten stellten sich aufgrund der der Klägerin nunmehr vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit als ungenügend dar, weshalb ihre Beschwerden nicht abschließend festgestellt werden könnten. Da die Gutachten sohin als ungenügend erwiesen seien, liege ein Verfahrensmangel vor, der die gründliche Erörterung verhindert habe. Auch liege ein Begründungsmangel in der bloß formelhaften Beweiswürdigung, weil das Gericht nicht auf die Gutachten in concreto eingehe, sondern formelhaft meine, diese seien schlüssig und widerspruchsfrei, auf die gegenteiligen Beweisergebnisse werde nicht eingegangen, sondern angeführt, dass der Sachverständige trotz des Patientenbriefs (./G) bei seiner Einschätzung geblieben sei. Das Gericht hätte sich mit den unterschiedlichen wissenschaftlichen Meinungen und dem Patientenbrief ausführlich auseinandersetzen müssen. Ausgehend von der zitierten Arbeit hätte das Gericht nur den Ausführungen im Patientenbrief (./G) folgen können, wenn es über die notwendige Sachkunde verfügt hätte; bei Nichtvorliegen wäre von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen gewesen.
Damit gelingt es der Berufung nicht, einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
Im Rechtsmittelverfahren in Sozialrechtssachen gilt ausnahmslos das Neuerungsverbot des § 482 Abs 2 ZPO. Die nunmehr nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorgelegte Urkunde („**" vom 17.4.2024) und das in der Berufung dazu erstattete Vorbringen hat daher als unzulässige Neuerung unbeachtet zu bleiben (etwa RIS-Justiz RS0042049 ua).
Ein Verfahrensmangel iSd § 496 Abs 1 Z 2 ZPO kann auch in einem – von der Berufung behaupteten - Verstoß gegen die Begründungspflicht des § 272 Abs 3 ZPO liegen. Ein Begründungsmangel liegt dann vor, wenn dem angefochtenen Urteil nicht die Erwägungen zu entnehmen sind, die zu den getroffenen Feststellungen geführt haben (vgl dazu Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5, § 272 ZPO Rz 3). Nach der Rechtsprechung genügt es aber, wenn der Richter in knapper, aber überprüfbarer und logisch einwandfreier Form darzulegen vermag, warum er aufgrund bestimmter Beweis- oder Verhandlungsergebnisse bestimmte Tatsachen festgestellt hat, und wenn sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die Schlüssigkeit dieser Werturteile zu überprüfen in der Lage sind (RS0040122 [T1]). Nicht erforderlich ist es, auf jedes einzelne Beweismittel einzugehen. Es liegt etwa keine Mangelhaftigkeit vor, wenn bei der gemäß § 272 Abs 3 ZPO vorzunehmenden Begründung ein Umstand nicht erwähnt wurde, der noch erwähnt hätte werden können, eine Erwägung nicht angestellt wurde, die noch angestellt hätte werden können, oder wenn die Begründung sich mit einem für eine Partei günstigen Beweismittel nicht auseinander setzt oder auf ein bestimmtes Beweisergebnis bzw -mittel nicht Bezug nimmt (EFSlg 118.193 ua).
Die Begründung des Ersturteils, die hinsichtlich der bekämpften Feststellungen überprüfbar auf die von ihm eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten gestützt wird, entspricht diesen Anforderungen.
Das Erstgericht hat aufgrund des Vorbringens der Klägerin Gutachten aus den Fachgebieten der Inneren Medizin sowie der Neurologie und Psychiatrie eingeholt. Die Sachverständigen haben ordnungsgemäß Befund und Gutachten erstattet und diesen nicht nur die vorgelegten Befunde sondern auch die Untersuchung der Klägerin selbst und die von ihr geschilderten Leidenszustände und Einschränkungen zu Grunde gelegt. Gerade aufgrund dieser Grundlage hat der neurologisch-psychiatrische Sachverständige auch eine spezielle psychologische Testung der Klägerin veranlasst, um eine abschließende Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und des – für die rechtliche Beurteilung der Berufsunfähigkeit maßgeblichen - Leistungskalküls aus seinem Fachgebiet vornehmen zu können. Aus einer Diagnose wäre für die Klägerin noch kaum etwas gewonnen. Eine solche begründet für sich noch keine Arbeits- bzw Berufsunfähigkeit, zumal je nach dem Schweregrad eines Leidens bei gleicher Diagnose der Umfang der Einschränkungen bezüglich der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit ganz unterschiedlich sein kann. Entscheidend ist vielmehr die auf Grund des ärztlichen Leistungskalküls getroffene Feststellung, in welchem Umfang sie im Hinblick auf die bestehenden Einschränkungen behindert ist bzw welche Tätigkeiten sie ausführen kann (RS0084399). Sowohl der psychologische als auch der neurologisch-psychiatrische Sachverständige haben ihren Gutachten ua die von der Klägerin geschilderte Fatique zu Grunde gelegt. Das ausführliche und eingehende psychologische Testverfahren wies ua etwa ein derart niedriges Testergebnis (von PR 0!) hinsichtlich der Reaktionszeit auf, das mit einer adäquaten Anstregungsbereitschaft – hier wohl unabhängig von einer Diagnose - unvereinbar ist (S 4f in ON 7).
Das Gericht ist auf das Fachwissen des gerichtlich beeideten Sachverständigen angewiesen. Es muss sich darauf beschränken, ein eingeholtes Gutachten nach allgemeinen Erfahrungssätzen und den besonderen im Zug der Sozialgerichtsbarkeit erworbenen Kenntnissen auf seine Nachvollziehbarkeit zu überprüfen. Aufgrund der die gerichtlichen Sachverständigen treffenden Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht kann das Gericht davon ausgehen, dass gutachterliche Schlussfolgerungen auf der Basis vorhandener Erkenntnisse und vorhandenen Wissens erfolgen (SVSlg 62.249 uva). Es stellt eine rein medizinische Frage dar, welche Untersuchungen und sonstigen Grundlagen zur Feststellung des Gesundheitszustands bzw der Unfallkausalität und -folgen notwendig sind. Das Gericht kann sich daher darauf verlassen, dass keine notwendige oder zweckdienliche Erweiterung der Befundaufnahme unterbleibt, wenn sie vom Sachverständigen nicht angeregt oder vorgenommen wird (SVSlg 44.357, 44.369, 65.846 uva). Bei der Beweisaufnahme durch Sachverständige ist es auch deren Aufgabe, aufgrund ihrer einschlägigen Fachkenntnisse jene Methode auszuwählen, die sich zur Klärung der nach dem Gutachtensauftrag jeweils maßgeblichen strittigen Tatfrage am besten eignet (RS0119439).
Aus dem Umstand, dass die Sachverständigen, insbesondere jener aus den Fachgebieten der Neurologie und Psychiatrie, die von der Klägerin behauptete Diagnose nicht bestätigen konnten, ergibt sich nicht, die Sachverständigen würden eine solche Erkrankung nicht kennen oder ignorieren. (Vielmehr spricht sogar die von der Berufung behauptete Äußerung des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen zum Mitautor der zitierten Arbeit auch für die Kenntnis dessen Studien.)
Wie auch die Berufung zugesteht, wurde der neurologisch-psychiatrische Sachverständige in Rahmen der Erörterung seines schriftlich erstatteten Gutachtens in der mündlichen Streitverhandlung ausdrücklich mit dem von der Klägerin vorgelegten und von der Berufung zitierten Patientenbrief der behandelnden neurologischen Fachärztin vom 6.3.2024 (./G) befasst, zu dem er Stellung nahm und ua schlüssig darlegte, dass darin die Diagnose Post-Covid-Symptomatik, jener der ME-CFS jedoch lediglich als möglich angeführt werde, und er ohnehin die Situation mit dem Covid-Virus beschrieben und in seinem Gutachten berücksichtigt habe.
Damit hat sich aber das Erstgericht in ausreichendem Maße mit dem Patientenbrief (./G) auseinander gesetzt. Es war nicht Aufgabe des Erstgerichts, die vorgelegten Befunde, insbesondere den Patientenbrief der behandelnden Fachärztin (./G) einer Beweiswürdigung zu unterziehen. Privatgutachten - wie hier der Patientenbrief (./G) – fallen nicht unter den Sachverständigenbeweis der §§ 351 f ZPO, sodass sie das Erstgericht lediglich als Privaturkunden verwenden kann. Privatgutachten bzw Befunden behandelnder Ärzte wird damit wegen der fehlenden gesetzlichen Garantien der Unparteilichkeit ein geringerer Beweiswert beigemessen (vgl RS0040592 [T2]). Sie sind Privaturkunden, die nur belegen, dass ihr Inhalt der Ansicht des jeweiligen Gutachtenverfassers entspricht (RS0040363). Vorgelegte Privatgutachten sind zwar mit den im Gerichtsverfahren bestellten gerichtlich beeideten Sachverständigen inhaltlich zu erörtern, schließt sich das Gericht aber – wie hier - dem nach begründeter Bedachtnahme auf die abweichende Privatmeinung erstatteten Gutachten des von ihm bestellten Sachverständigen an, kann darin kein Verfahrensmangel, im Übrigen auch keine bedenkliche Beweiswürdigung erblickt werden ( Schneider inFasching/Konecny³ III vor § 351 ZPO Rz 23 mwN). Mit Privatgutachten - wie hier dem Patientenbrief (./G) – kann ein Gutachten des vom Gericht im Verfahren bestellten Sachverständigen nicht widerlegt werden (SVSlg. 41.552, 54.780 ua).
Nach § 362 Abs 2 ZPO kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine neuerliche Begutachtung anordnen, wenn das abgegebene Gutachten ungenügend erscheint oder von Sachverständigen unterschiedliche Ansichten ausgesprochen wurden. Schon aus Kostengründen ist von der Möglichkeit neuerlicher Begutachtung sparsam Gebrauch zu machen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn dies zur Behebung von Mängeln, bei Unklarheit oder Unschlüssigkeit des Gutachtens oder wegen besonderer Schwierigkeit des Falles notwendig ist (SVSlg 54.749). Derartiges ist hier jedoch nicht anzunehmen.
Der Umstand, dass die eingeholten Gutachten nicht zur Gänze der Beurteilung im vorgelegten Patientenbrief (./G) entsprachen und nicht das von der Klägerin erwünschte Ergebnis erbrachten, macht diese weder unschlüssig noch unrichtig und das Verfahren daher nicht mangelhaft (und im Übrigen auch die Beweiswürdigung nicht unrichtig).
Das Erstgericht war jedenfalls nicht verpflichtet, solange Gutachten zu erörtern und neue Beweise aufzunehmen, bis ein für die Klägerin akzeptables Ergebnis erreicht wird (SVSlg. 54.822 uva).
Im Übrigen lässt die Rechtsmittelwerberin hier nicht erkennen, welche für sie günstigen ergebnisrelevanten Verfahrensergebnisse zu erwarten gewesen wären, wenn die behaupteten Verfahrensfehler nicht unterlaufen wären (RS0043039 [T4, T5]). Die Berufungswerberin legt unter diesem Berufungsgrund nicht dar, welche konkreten – kalkülsrelevanten – Ergebnisse auf Tatsachenebene sich ergeben hätten.
Mit der Beweisrüge bekämpft die Berufungswerberin die bei der auszugsweisen Wiedergabe des festgestellten Sachverhalts unterstrichenen Feststellungen und begehrt satt dessen Folgende: „ Aufgrund ihrer Leidenszustände ist die Klägerin zusammengefasst nicht mehr für körperliche Arbeiten geeignet. Sie ist auch für keine Arbeiten unterweisbar. Die Team- und Kommunikationsfähigkeit ist für Arbeiten in kleineren Gruppen nicht ausreichend. Mengenleistungstätigkeiten und Aufsichtstätigkeiten sind nicht möglich. Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte ist nicht möglich. Die Fingerfertigkeit ist gestört. Die Migräneattacken bestehen seit der Adoleszenz. Eine zukünftige Besserung oder Verschlimmerung ist nicht absehbar. Der Zustand besteht ab Antragstellung. Krankenstände sind bei Kalkülseinhaltung zu prognostizieren. "
Aufgrund der Beweiswürdigung des Erstgerichts sei zusammengefasst überhaupt nicht ersichtlich, wie das Erstgericht zu den bekämpften Feststellungen gelange. Ferner seien - den Ausführungen zur wissenschaftlichen Arbeit folgend - die Feststellungen anhand ungenügender Gutachten getroffen worden.
Dazu ist auf die Ausführungen zur Beantwortung der Mängelrüge zu verweisen. Das Erstgericht hat sehr wohl mit ausreichender Beweiswürdigung die von ihm getroffenen, so auch die bekämpften Feststellungen begründet. Diese Feststellungen zum Leistungskalkül der Klägerin hat es nachvollziehbar auf die von ihm im Verfahren eingeholten, ihm schlüssig erschienenen Sachverständigengutachten gestützt. Insbesondere hat der neurologisch-psychiatrische Sachverständige – wie bereits dargelegt – auch fachkundig begründend zum vorgelegten Patientenbrief (./G) Stellung genommen. Dieser vermag das Gutachten des vom Erstgericht bestellten Sachverständigen nicht zu widerlegen und die ersatzweise gewünschten Feststellungen sohin nicht zu tragen.
Wenn sich das Erstgericht daher den von ihm eingeholten Gutachten anschloss, vermag die Berufung keine hinreichenden Bedenken daran zu erwecken.
Das Berufungsgericht übernimmt somit die Feststellungen des Erstgerichts, womit der Berufung ein Erfolg zu versagen war.
Für einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG fehlt ein entsprechendes Vorbringen bzw ergeben sich die Voraussetzungen nicht aus dem Akteninhalt.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO schon deshalb nicht zur Beurteilung stand, da eine Rechtsrüge nicht erhoben wurde.