JudikaturOLG Linz

12Ra33/25x – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
07. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende sowie Dr. Dieter Weiß und Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei A* GmbH , Zweigniederlassung Österreich, FN **, **, **straße **, vertreten durch Mag. Simon Weikinger , Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Dr. B* MSc, geboren am **, Kieferorthopäde, **, **, vertreten durch Mag. Markus Huber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert: EUR 31.000,00) über den Rekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Juni 2025, Cga*-9, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses endgültig selbst zu tragen und ist schuldig, der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei die mit EUR 1.962,78 (darin EUR 327,13 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.

Text

Begründung:

Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge: „Antragstellerin“) betreibt eine Zahnklinik mit etwa 60 Mitarbeitern und verfügt über einen auf Leistungen gemäß § 153a ASVG (§ 94a GSVG, § 95a BSVG, § 69 B-KUVG) – also die Versorgung von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs mit Kieferregulierungen (sog „Gratiszahnspange“) beschränkten – Kassenvertrag. Nach diesem ist die Inanspruchnahme einer weiteren Zahnklinik, eines kieferorthopädischen Zahnambulatoriums oder eines anderen Vertragskieferorthopäden bis zum Behandlungsende – von Ausnahmen abgesehen – gesperrt. Darüber hinaus erbringt die Antragstellerin auch andere kieferorthopädische Behandlungen sowie chirurgische und konservierende Zahnbehandlungen.

Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (in der Folge: „Antragsgegner“) war zunächst als zahnmedizinischer Assistent und ab 1. Februar 2022 als Zahnarzt bei der Antragstellerin beschäftigt – wobei er ausschließlich als Kieferorthopäde tätig war und keine (chirurgischen und/oder konservativen) Zahnbehandlungen durchgeführt hat – und bezog ein Monatsfixum sowie (aufgrund gesonderter Prämienvereinbarungen) eine umsatzabhängige Prämie.

Der Dienstvertrag vom 24. Jänner 2022 enthält – unter anderem – folgende Bestimmungen:

4. Pflichten des Arbeitnehmers als Arzt

[...]

Der Arbeitnehmer stimmt einer „Non Compete“ Klausel für den Standort C* zu, d.h. der Arbeitnehmer wird für die Dauer von 12 Monaten nach Beendigung des Dienstverhältnisses keine Zahnbehandlungen bei einem oder für ein Konkurrenzunternehmen in und um C* Stadt durchführen oder durchführen lassen.

[...]

11. Arbeits- und Verschwiegenheitspflicht / Datenschutz

Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zur Verschwiegenheit über die betrieblichen und geschäftlichen Angelegenheiten des Arbeitgebers für die Dauer des Dienstverhältnisses und auch darüber hinaus. [...] Der Dienstnehmerin ist es untersagt, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, und Patientendaten die ihm während der Dauer dieses Vertrages bekannt geworden sind, während der Dauer oder nach Ablauf des Vertrages zu verwerten bzw. an Dritte weiterzugeben. […]“

Der Antragstellerin war bereits im September 2024 bekannt, dass die Ehegattin des Antragsgegners eine zahnärztliche Ordination eröffnen wird. Mit Vereinbarung vom 26. September 2024 änderten die Parteien den Dienstvertrag auf Initiative des Antragsgegners in dem Sinne, dass die „Non Compete“-Klausel entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis nicht vor dem 30. September 2025 aufgelöst wird.

Der Prämienabrechnung für Dezember 2024 hat die Antragstellerin zunächst nur den vom [gemeint:] Antragsgegner im Zeitraum von 1. bis 15. Dezember 2024 erwirtschafteten Umsatz zugrunde gelegt. Aufgrund eines Hinweises des Antragsgegners wurde diesem am 21. Jänner 2025 eine korrigierte Umsatzliste übermittelt.

Von 6. bis einschließlich 13. Februar 2025 befand sich der Antragsgegner im Krankenstand.

Am 13. Februar 2025 fragte die Prokuristin der Antragstellerin (in der Folge: „Prokuristin“) den Antragsgegner um 13.43 Uhr per WhatsApp, ob er am folgenden Montag wieder zum Dienst erscheinen werde, und konfrontierte ihn mit einem von ihm und seiner Ehegattin erstellten Social Media-Beitrag, der ein Foto mit diesen beiden und zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen der Antragstellerin, die Dienstverträge für die neue Ordination unterschrieben hatten, sowie die Ankündigung enthielt, drei weitere Mitarbeiter würden folgen.

Der Antragsgegner antwortete darauf am Freitag, 14. Februar 2025 um 12.57 Uhr per WhatsApp mit einer Nachricht, die (unter anderem) folgende Sätze enthielt:

„Allerdings erwarte ich bis Montag meine restliche Bonuszahlungen (circa €8500 für Dezember, was Sie reduziert haben). Bitte Zahlungsbestätigung an mich nicht vergessen.“

Weil die Prokuristin diese Forderung nicht nachvollziehen konnte, übermittelte ihr der Antragsgegner die Umsatzliste vom 21. Jänner 2025 für den Monat Dezember 2024. Da am Freitag Nachmittag eine Klärung nicht mehr möglich war, wurde dem Antragsgegner eine Besprechung am Montag, 17. Februar 2025 angeboten, zugleich aber die Überweisung des nach Berechnungen der Antragstellerin noch zustehenden Betrags an den Antragsgegner vorbereitet.

Am 17. Februar 2025 erschien der Antragsgegner nicht zum Dienst und war auch telefonisch für die Antragstellerin nicht zu erreichen. Um 10.51 Uhr langte bei der Antragstellerin ein Schreiben seines Vertreters mit der Erklärung des Austritts wegen Entgeltschmälerung und Ablaufs der gesetzten „letzten Nachfrist“ ein. Die Antragstellerin tätigte daraufhin die bereits vorbereitete Auszahlung nicht mehr.

Bis zum Austritt hat der Antragsgegner alle Gehalts- und Prämienabrechnungen sowie die sich daraus ergebenden Auszahlungsbeträge, aber nur vereinzelt und auf gesonderte Nachfrage eine Aufstellung über die bei der Prämienberechnung durchgeführten Abzüge erhalten.

Seit 1. Mai 2025 praktiziert der Antragsgegner mit seiner Ehegattin in einer neu gegründeten zahnärztlichen Ordinationsgemeinschaft, die weniger als drei Kilometer Luftlinie von der Zahnklinik der Antragstellerin entfernt ist und sich an denselben Kundenkreis richtet. Er verfügt über einen Kassenvertrag, der – ebenso wie jener der Antragstellerin – auf Leistungen gemäß § 153a ASVG (§ 94a GSVG, § 95a BSVG, § 69 B-KUVG) beschränkt ist und ihn zur Einhaltung von Ordinationszeiten verpflichtet. Daneben führt er auch alle weiteren kieferorthopädischen Behandlungen durch, aber keine konservativen und chirurgischen Zahnbehandlungen.

Voraussetzung für den Erhalt des Kassenvertrags war auch der Nachweis von 20 in den vergangenen drei Jahren abgeschlossenen Multibracket-Behandlungsfällen. Dafür hat der Antragsgegner der ÖGK bereits aufgrund der Sachleistungserbringung aufgrund des Kassenvertrags bekannte Daten von in seinem Anstellungsverhältnis behandelten Patienten verwendet.

Durch den Krankenversicherungsträger und die D* kann die Feststellung getroffen werden, dass eine wiederholte nicht unerhebliche oder schwerwiegende Vertragsverletzung im Sinne des § 343 Abs 4 ASVG vorliegt, wenn durch den Vertragskieferorthopäden 100 neu begonnene Fälle mit Leistungen der kieferorthopädischen Hauptbehandlung im Kalenderjahr nicht mehr gewährleistet werden können (§ 10 Kieferorthopädie-Gesamtvertrag). Bei einem Berufsverbot ab sofort bis 17. Februar 2026 wäre der Antragsgegner nicht mehr in der Lage, die geforderten 100 neuen Behandlungsfälle zu erbringen.

Mit dem am 21. Mai 2024 eingebrachten Antragbeantragte die Antragstellerin zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens gemäß § 381 Z 2 EO, § 24 UWG die einstweilige Verfügung, dem Antragsgegner zu gebieten, es ab sofort bis einschließlich 17. Februar 2026 zu unterlassen, Zahnbehandlungen bei einem oder für ein Konkurrenzunternehmen in und um C* Stadt durchzuführen oder durchführen zu lassen, und es insbesondere zu unterlassen, in einer näher benannten Praxisgemeinschaft oder an jedem anderen Standort in und um C* Stadt tätig zu sein. Dazu brachte sie vor, der Antragsgegner sei unberechtigt ausgetreten; durch den Verstoß gegen das Konkurrenzverbot drohe ihr ein unwiederbringlicher Schaden in Form des Verlusts eines wesentlichen Teils des Kundenstocks und damit einhergehendem direktem und indirektem Umsatzentgang; der Antragsgegner habe überdies gegen die vertragliche Verschwiegenheitspflicht sowie durch planwidriges Abwerben wichtiger Arbeitskräfte gegen das UWG verstoßen.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags und brachte vor, er sei berechtigt ausgetreten, weil die Antragstellerin trotz Nachfristsetzung die ausstehenden Bonuszahlungen nicht geleistet habe; die Konkurrenzklausel verbiete nur eine unselbständige, nicht aber eine selbständige Tätigkeit als Kieferorthopäde und sei sittenwidrig; der abgeschlossene Kassenvertrag objektiviere einen Bedarf, der ansonsten durch einen anderen Kieferorthopäden abgedeckt worden wäre; er habe keine Mitarbeiter abgeworben; die Verpflichtung zur Unterlassung würde zum Verlust seines Kassenvertrags führen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag abgewiesen. Der Entscheidung liegt – zusammengefasst , jedoch einschließlich in der rechtlichen Beurteilung dislozierter Feststellungen – folgender weiterer Sachverhalt zugrunde:

Die zahnärztliche Praxisgemeinschaft, in welcher der Antragsgegner tätig ist, beschäftigt seit 1. Mai 2025 fünf zuvor für die Antragstellerin tätige Mitarbeiterinnen. Deren Arbeitsverhältnisse zur Antragstellerin wurden auf Initiative der Mitarbeiterinnen bzw der Antragstellerin beendet.

Bei Auferlegung eines (einstweiligen) Beschäftigungsverbots bis 17. Februar 2026 ist der aufrechte Bestand des Kassenvertrags des Antragsgegners nicht gewährleistet; diese Wirkung der einstweiligen Verfügung kann im Fall des Prozessverlusts nicht rückgängig gemacht werden.

In der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ist das Erstgericht zum Ergebnis gelangt, die Konkurrenzklausel sei zwar anzuwenden, weil der Antragsgegner unbegründet ausgetreten sei, umfasse aber nur zahnärztliche Leistungen, die von diesem nicht erbracht würden; darüber hinaus sei kein drohender, nicht wieder gutzumachender Schaden der Antragstellerin bescheinigt worden; durch die Erlassung der einstweiligen Verfügung würde unzulässigerweise ein irreversibler Zustand geschaffen; die Weitergabe von Patientendaten verstoße aufgrund des überwiegenden Interesses des Antragsgegners nicht gegen die Geheimhaltungsklausel.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus den Rekursgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf Erlassung der einstweiligen Verfügung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Der Antragsgegner beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

1 Die Antragstellerin kritisiert in ihrem Rekurs (zusammengefasst) die Auslegung des Begriffs der „Zahnbehandlung“ in der Konkurrenzklausel, die Einschränkung des Verständnisses des Begriffs des „Kundenverlusts“ und die Verneinung eines Verstoßes gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung durch das Erstgericht.

2 Zumal sich die Antragstellerin (primär) auf einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Konkurrenzklausel stützt, ist zunächst deren Anwendbarkeit zu klären. Diese bestreitet der Antragsgegner in der Rekursbeantwortung mit dem Argument, er sei – entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsansicht – berechtigt ausgetreten.

2.1 Es trifft zwar zu, dass das Austrittsrecht nicht dadurch verwirkt wird, dass der Arbeitnehmer einmal – aus welchen Gründen immer – auf eine Verzögerung oder Unpünktlichkeit in der Auszahlung der Bezüge nicht sofort reagiert, und dass der vorzeitige Austritt keiner Nachfristsetzung bedarf, wenn auf Seiten des Arbeitgebers ein eklatanter Gesetzesverstoß vorliegt, sodass dieser jederzeit mit der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechnen muss, ohne dass es dazu einer besonderen Ankündigung oder einer formellen Setzung einer Nachfrist bedürfte (RIS-Justiz RS0028967 , insb [T14, T21]).

2.2 In seiner Argumentation übersieht der Antragsgegner jedoch, dass er nicht ohne Setzung einer Nachfrist ausgetreten ist, sondern vielmehr eine solche gesetzt und dadurch (konkludent) zu erkennen gegeben hat, während dieser Frist auf den Austritt zu verzichten, diesen aber (unstrittig) vor deren Ablauf erklärt hat.

2.3 Im Zeitpunkt des Austritts hat daher das Austrittsrecht nicht bestanden, ohne dass es darauf ankäme, ob der Antragsgegner zur Nachfristsetzung verpflichtet war oder nicht.

3 Zu Recht wendet sich die Antragstellerin gegen das Verständnis, der Begriff der „Zahnbehandlung“ umfasse nur konservative und chirurgische Zahnbehandlungen, nicht aber auch kieferorthopädische Zahnbehandlungen.

3.1 Ein allgemeines Sprachverständnis in diesem Sinne ist auch dem Berufungssenat nicht bekannt.

3.2 Konkurrenzklauseln sind zwar im Zweifel einschränkend – im Sinne einer geringeren Beschränkung der Verfügungsfreiheit des zur Unterlassung Verpflichteten – auszulegen; nichts desto weniger muss dabei jedoch auf den Zweck der Vereinbarung Bedacht genommen werden (vgl etwa RS0016612 , insb [T2]).

3.2.1 Ein enges Verständnis des Begriffs „Zahnbehandlung“ würde dazu führen, dass der Antragsgegner ausschließlich zur Unterlassung einer Tätigkeit verpflichtet wäre, die er während des Arbeitsverhältnisses nie ausgeübt hat. Eine solches Begriffsverständnis kann redlichen Vertragsparteien nicht ohne Weiteres unterstellt werden.

3.2.2Gegenstand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Streitteilen war die Erbringung von Leistungen, die im ASVG geregelt sind. Nach dessen § 153 Abs 1 S 2 kommen „als Leistungen der Zahnbehandlung [...] chirurgische Zahnbehandlung, konservierende Zahnbehandlung und Kieferregulierungen [...] in Betracht“. Damit im Einklang stehen die von der Antragstellerin in ihrem Rekurs zitierten Internetseiten verschiedener Krankenversicherungsträger.

Daran vermag auch die im Zahnärztegesetz vorgesehene Nomenklatur nichts zu ändern. Der Antragsgegner übersieht in seiner diesbezüglichen Argumentation, dass die Berufsbezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ (§ 5 Abs 1a, § 54 Abs 2a ZÄG) keine von den Berufsbezeichnungen „Zahnarzt“ (§ 5 Abs 1 ZÄG) bzw „Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (§ 54 Abs 1 ZÄG) abzugrenzende Berufsbezeichnung darstellt, sondern zusätzlich zu dieser Berufsbezeichnung geführt werden darf.

3.3 Für die Antragstellerin ist jedoch daraus, dass die vom Antragsgegner nunmehr ausgeübte Tätigkeit der vereinbarten Konkurrenzklausel widerspricht, letztlich nichts zu gewinnen, sodass die unterbliebene Erörterung des Begriffsverständnisses im Ergebnis nicht relevant ist:

4.1Ihr ist zwar auch darin zuzustimmen, dass – auch wenn der Begriff des unwiederbringlichen Schadens im Sinne des § 381 Z 2 EO nicht zu weit ausgelegt werden darf (vgl RIS-Justiz RS0005275 [T4]) – nicht nur der drohende Verlust aktueller Kunden, sondern auch das drohende Ausbleiben neuer Kunden als drohender unwiederbringlicher Schaden in Betracht kommt (vgl RIS-Justiz RS0005256 , insb [T1, T8]). Die Behauptung, es bestehe die Gefahr des Verlusts bestehender Kunden, wird von der Antragstellerin im Rekurs allerdings nicht mehr erhoben.

4.2.1 Für einen Erfolg des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung müssen Umstände behauptet und bescheinigt werden, welche die Annahme eines unwiederbringlichen Schadens rechtfertigen; die abstrakte oder theoretische Möglichkeit eines Schadens genügt nicht (RIS-Justiz RS0005275 [T21] vgl auch RS0005295 , insb [T3, T4).

Demgemäß muss das drohende Ausbleiben neuer Kunden entweder als bescheinigt feststehen oder es müssen konkrete Umstände vorliegen, die den Eintritt dieses Nachteils als wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl RIS-Justiz RS0005256 [T7]).

4.2.2 Das ist nicht der Fall:

Aus der (bloßen) Tätigkeit des Antragsgegners als Kieferorthopäde folgt nicht eo ipso, dass der Antragstellerin das Ausbleiben neuer Kunden droht. Abgesehen davon, dass die Vergabe (insgesamt zweier) weiterer Kassenverträge auf einen entsprechenden – durch die Tätigkeit der Antragstellerin nicht (ausreichend) gedeckten – Bedarf hinweist, hat die Antragstellerin weder ein Vorbringen dazu erstattet noch liegen Feststellungen dazu oder konkrete Anhaltspunkte für ein drohendes Ausbleiben neuer Kunden vor. Insbesondere steht nicht fest, dass die Antragstellerin über die für die Behandlung der vom Antragsgegner (potentiell) behandelten Patienten erforderlichen Ressourcen verfügen würde.

4.3 Hinzu kommt, dass die einstweilige Verfügung keine Sachlage schaffen darf, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0009418 [T5]), und das Erstgericht die Abweisung des Antrags auch – und im Ergebnis zutreffend – damit begründet hat, dass durch die Stattgabe ein irreversibler Zustand geschaffen würde.

Eine Auseinandersetzung mit diesem – selbständig tragfähigen – Argument fehlt im Rekurs gänzlich; insbesondere bleibt die diesbezügliche dislozierte Feststellung unkritisiert.

4.4Als einzigen Aspekt einer sittenwidrigen Konkurrenzierung im Sinne des § 1 UWG beruft sich die Antragstellerin im Rekursverfahren auf einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht und verweist dabei – an sich zutreffend – darauf, dass ein Verstoß gegen diese Pflicht nicht dadurch gerechtfertigt werden kann, dass dadurch ein Verstoß gegen eine andere (weitere) Pflicht ermöglicht wird.

Die Antragstellerin übersieht aber, dass die vom Antragsgegner im Verfahren über die Erlangung des Kassenvertrags gegenüber der ÖGK verwendeten Patientendaten dieser nach den Feststellungen bereits aufgrund der Sachleistungserbringung bekannt waren.

Auch wenn bei der Frage der Verletzung einer Meldepflicht (§ 40 ASVG) nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung schon die Behandlung in unterschiedlichen Sachzusammenhängen relevant ist (vgl etwa OGH 10 ObS 86/21a zur nicht hinreichenden Meldung der Wiederverehelichung durch den Bezieher einer Witwerpension nur in Pflegegeldanträgen), konnte durch diese Verwendung die Geheimhaltungspflicht – unabhängig davon, dass die Abrechnung von Sachleistungen und der Abschluss von Kassenverträgen in unterschiedlichen Abteilungen der ÖGK behandelt werden – nicht verletzt werden.

5 Dem Rekurs war daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

6Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 402 Abs 4, 78 EO in Verbindung mit §§ 50, 41 ZPO.

7Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 402 Abs 1 S 2, Abs 4 EO in Verbindung mit § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zulässig, weil – soweit ersichtlich – keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage besteht, ob durch die Offenlegung eines Geheimnisses gegenüber einer Abteilung des Krankenversicherungsträgers eine Verschwiegenheitspflicht verletzt wird, wenn die Daten einer anderen Abteilung des Krankenversicherungsträgers bereits bekannt waren.