8Bs102/25v – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A* B*wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 17. April 2025, Hv*-19, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner und des Verteidigers Mag. Fuchs durchgeführten Berufungsverhandlung am 1. Juli 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folgegegeben und das angefochtene Urteil im Strafausspruch dahin abgeändert, dass unter zusätzlicher Anwendung des § 43 Abs 1 StGB die Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* B* der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB schuldig erkannt und in Anwendung des § 28 StGBsowie gemäß §§ 31 Abs 1, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 3. Dezember 2024, rechtskräftig am 22. Jänner 2025, AZ U1*, nach dem Strafsatz des § 224 StGB zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Zudem sah das Erstgericht beschlussmäßig vom Widerruf der zu AZ U1* des Bezirksgerichts Linz gewährten bedingten Strafnachsicht nach § 494a Abs 1 Z 2 StPO ab.
D em Schuldspruch zufolge hat A* B* in ** eine falsche inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, und zwar
1./ am 31. Oktober 2024, indem er am PKW Ford Focus Ghia, FIN: **, eine verfälschte Begutachtungsplakette gemäß § 57a KFG, nämlich mit der Lochung 10/2023 anstelle von ursprünglich 10/2021 anbrachte und das Fahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abstellte;
2./ am 13. November 2024, indem er am PKW Peugeot 206 zwei total gefälschte Kennzeichen ** montierte und das Fahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abstellte.
Gegen den Strafausspruch richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 17) Berufung des Angeklagten, mit welcher er die gänzlich bedingte Strafnachsicht unter Bestimmung dreijähriger Probezeit anstrebt.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist bei der Strafzumessung auf das – seit 22. Jänner 2025 rechtskräftige – Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Linz vom 3. Dezember 2024, AZ U1*, Bedacht zu nehmen, mit welchem der Angeklagte wegen (richtig) des Vergehens des Diebstahls nach §§ 15 Abs 1, 127 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je EUR 4,00, im Nichteinbringungsfall zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt wurde. Diesem Urteil liegen zwei versuchte Ladendiebstähle vom 30. Juli 2024 und vom 20. September 2024 mit einem Gesamtwert der wegzunehmenden Sachen in Höhe von EUR 79,54 zugrunde.
Unter Einbeziehung der Strafzumessungsgründe dieser Vorverurteilung (RIS-Justiz RS0091425 und RS0091431) wirkt erschwerend, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art in Form des Zusammentreffens von insgesamt drei Vergehen begangen hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), wobei zusätzlich auch die Tatwiederholung beim Vergehen des Diebstahls zu berücksichtigen ist (RIS-Justiz RS0107400). Weiters ist die einschlägige Vorstrafenbelastung in Gestalt von zwei Verurteilungen wegen Vermögensdelikten (Urteil des Gemeindegerichts Osijek vom 20. November 2018 wegen Diebstahls [ON 10.2, 4]; Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 2. Juli 2020 [U2*] wegen Diebstahls, Veruntreuung und Untreue [ON 15, 1]), zwei weiteren Verurteilungen wegen Urkundendelikten (Urteile des Gemeindegerichts Osijek vom 12. Juli 2019 [ON 10.2, 4 f] und 9. September 2019 [ON 10.2, 5 f] jeweils wegen Urkundenfälschung) sowie einer Verurteilung zuletzt durch das Landesgericht Linz vom 3. August 2021 (ON 15, 1) wegen §§ 15, 127; 223 Abs 2, 224 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach § 33 Abs 1 Z 2 StGB erschwerend zu gewichten.
Mildernd wirken hingegen das reumütige Geständnis des Angeklagten zum versuchten Diebstahl vom 20. September 2024 (ON 6.3.5 in U1* des BG Linz) sowie der Umstand, dass es bei den Diebstählen jeweils beim Versuch blieb. Dass die (wiederverkäuflichen) Waren im Geschäft verblieben sind bzw vom Angeklagten nach seiner Anhaltung bezahlt wurden, kann hingegen nicht zusätzlich (neben dem Milderungsgrund des Versuchs) als mildernd herangezogen werden (RIS-Justiz RS0091266; Riffelin WK² StGB § 34 Rz 30). Da ein Tatsachengeständnis nur dann als Milderungsgrund Bedeutung erfährt, wenn es sich auf die Beweiswürdigung maßgeblichausgewirkt hat (RIS-Justiz RS0091460 [T6]; Riffelin WK² StGB § 34 Rz 38), ist die teilgeständige Verantwortung des Angeklagten zum Diebstahl vom 30. Juli 2024 (Punkt 1./ des Urteils des Bezirksgerichts Linz vom 3. Dezember 2024) sowie zum Gebrauch der total gefälschten Kennzeichen am 13. November 2024 (Punkt 2./ des Urteils des Landesgericht Linz vom 17. April 2025) nicht als weiterer Milderungsgrund zu veranschlagen. Weder die Aussage, dass B* die bei ihm im Zuge einer Anhaltung durch den Ladendetektiv (ON 9, 2 in U1* des Bezirksgerichts Linz) aufgefundenen Tuben Mayonnaise und Ketchup in seiner Tasche „vergessen“ habe (ON 2.4, 3 in U1* des Bezirksgerichts Linz), noch die Verantwortung, dass er die gefälschten Kennzeichen in einer Werkstatt in ** habe machen lassen (ON 18, 3; ON 2.3, 4), wobei die Fälschung bereits wegen Abnahme der Original-Kennzeichen evident war (ON 2.9), waren für die Beweiswürdigung von wesentlicherBedeutung. Im Übrigen ist anzumerken, dass Krankheiten oder körperliche Schwächezustände im Rahmen des Strafvollzugs zu berücksichtigen und – wie auch das fortgeschrittene Alter (12 Os 73/83) – nicht als mildernd zu werten sind (RIS-Justiz RS0087416).
Schuldsteigernd (§ 32 Abs 2 StGB) wirkt sich zusätzlich die Tatbegehung während – wegen der Diebstahlsfakten – anhängiger Verfahren (RIS-Justiz RS0090984 und RS0119271) sowie mit Bezug zum Diebstahl vom 30. Juli 2024 auch die Tatbegehung während der zu Hv* des Landesgericht Linz noch offenen Probezeit (RIS-Justiz RS0090597) aus.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) und mit Blick auf die bei der Bemessung der Strafe zu beachtenden Zwecke der Spezial- und Generalprävention bei fiktiver Annahme der gemeinsamen Aburteilung aller Taten (einschließlich jener, die Gegenstand des im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteils sind) die vom Erstgericht verhängte Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten – vom Rechtsmittelwerber ohnehin nicht explizit reklamiert – als keiner Reduktion zugänglich, zumal der Strafrahmen (§§ 31, 40 StGB) ungeachtet der prekären Vorstrafenbelastung nicht einmal zu einem Viertel ausgeschöpft wurde.
Bei Anwendung bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB ist einzelfallbezogen zu prüfen, ob nach der Person des Täters, dem Grad seiner Schuld und seinem Vorleben die bedingte Nachsicht der Strafe als ausreichendes, gegenüber dem sofortigen Vollzug zweckmäßigeres oder zumindest gleich zweckmäßiges Mittel (RIS-Justiz RS0091501 und RS0091495) anzusehen ist, um den Rechtsbrecher sowie potenzielle Täter in Hinkunft von der Begehung von Straftaten gleicher oder anderer Art abzuhalten.
Beim Ausspruch über die Strafe durch das Rechtsmittelgericht besteht kein Neuerungsverbot (15 Os 151/08g = RIS-Justiz RS0124361; Ratz, WK-StPO § 295 Rz 2 mwN), sodass auch neue Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen sind. Unter diesem Aspekt fällt ins Gewicht, dass der Angeklagte mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 3. April 2025, BE*, gemäß § 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 2 StVG aus dem Vollzug einer achtmonatigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Drittel – sohin nach fünf Monaten und zehn Tagen Haft – zum Stichtag 18. Juni 2025 unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt entlassen wurde, wobei spezialpräventiv die gute Führung explizit Erwähnung fand. Mit Blick auf das fortgeschrittene Alter des 73-jährigen Angeklagten, sowie unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzgebers, den Vollzug kurzer Freiheitsstrafen nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl Riffelin WK² StGB § 32 Rz 56 mwN), insbesondere um entsozialisierende Folgen des Strafvollzugs hintanzuhalten (vgl Jerabek/Ropperin WK² StGB § 43 Rz 16), kann diese gesetzlich geforderte günstige Prognose im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung ( Jerabek/Ropperin WK² StGB § 43 Rz 19) – ungeachtet des einschlägig getrübten Vorlebens und der wiederholten Erfolglosigkeit von in der Vergangenheit gewährten Resozialisierungschancen dennoch – getroffen werden. Hiebei fällt die prognostische Wirkung des Umstands, dass der Angeklagte nunmehr bis 18. Juni 2025 zwei Drittel der über ihn mit Urteil des Gemeindegerichts in Osijek (Kroatien) vom 9. September 2019, **, verhängten Freiheitsstrafe von acht Monaten verbüßt hat, entscheidend ins Gewicht. Zudem ist ins Kalkül zu ziehen, dass ein weiterer Vollzug einer Freiheitsstrafe in einer Dauer von drei Monaten als weitere einschneidende Ruptur den vordringlichen Strafzweck der Resozialisierung negativ beeinflussen würde. Auch Belange der Generalprävention stehen – mit Blick auf den unbedingten Geldstrafenanteil aus der Verurteilung durch das Bezirksgericht Linz – nicht entgegen.
Vor diesem fallspezifischen Hintergrund kommt dem Rechtsmittelbegehren im Sinne bedingter Strafnachsicht der verhängten dreimonatigen Freiheitsstrafe, deren (schuldadäquates) Maß nicht reduzierbar war, der spruchgemäße Erfolg zu.