JudikaturOLG Linz

3R69/25z – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie Mag. Carina Habringer-Koller und Dr. Gert Schernthanner in der Rechtssache des Klägers A* B* , geboren am **, Dienstnehmer, **, vertreten durch Mag. Wolfgang Lichtenwagner, Rechtsanwalt in Rohrbach, gegen den Beklagten C* , geboren am **, Autohändler, ** DE, ** Straße **, vertreten durch Mag. Elisabeth Schmidl, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 17.300,00 sA über die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30. April 2025, Cg*-23, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Die mit der Berufung vorgelegte Urkunde wird zurückgewiesen.

Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen. Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.958,22 (darin EUR 326,37 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hatte im Jänner 2024 einen Lkw der Marke ** um EUR 18.999,00 auf „**“ inseriert. Im Dezember 2023 hatte er ihn noch um EUR 19.999,00 inseriert. In beiden Inseraten war der Lkw als „beschädigt, Unfallfahrzeug, nicht fahrtauglich“ beschrieben. In der Fahrzeugbeschreibung waren „Motorschaden, Wasserschaden, Unfallwagen, Totalschaden“ festgehalten.

Nachdem der Kläger und der Beklagte telefonischen Kontakt wegen des Lkw hatten, schickte der Kläger einen Vertreter nach D* zum Beklagten, welcher das Fahrzeug besichtigte und einige Funktionen testete. Dass das Fahrzeug geflutet worden war, war bei der Besichtigung erkennbar. Der Vertreter des Klägers kontaktierte den Kläger und informierte ihn, dass der Lkw ein Totalschaden ist und ein Wasserschaden vorliegt.

Am 15. Jänner 2024 kaufte der Kläger den Lkw um EUR 17.300,00. Auch im Kaufvertrag ist festgehalten, dass das Fahrzeug einen Motorschaden aufweist und ein Totalschaden sowie nicht fahrbereit ist. Weiters findet sich im Kaufvertrag ein Gewährleistungsausschluss. Der Lkw wurde noch am selben Tag von einer Spedition abgeholt.

Am Fahrzeug liegen Kontaktschäden, Karosserieschäden, ein Motorschaden sowie schwere Wasserschäden vor. So wurde das Fahrzeug jedenfalls bis zum Instrumentenpaneel, sprich bis zu den Scheiben, geflutet. Darüber hinaus steckt der Motor komplett. Unter Berücksichtigung des vorliegenden Motorschadens, der Karosserieschäden sowie der schweren Wasserschäden des Fahrzeuges, lag zum Zeitpunkt des Kaufes ein Wiederbeschaffungswert von EUR 5.000,00 bis EUR 7.000,00 vor.

Der Kläger war gegenüber dem Beklagten im Zuge des Kaufs als Unternehmer aufgetreten. Schon beim telefonischen Erstkontakt gab er an, selbst Händler zu sein und eine Werkstatt zu betreiben. In weiterer Folge bestätigte er seine Unternehmereigenschaft durch seine Unterschrift auf der Quittung, derzufolge nur an Gewerbetreibende verkauft wird, und durch seine Unterschrift auf dem Kaufvertrag, in welchem der Kläger als „Fa. B* A*“ aufscheint und festgehalten ist, dass es sich um ein Händlergeschäft handelt. Der Beklagte hatte auch von Anfang an die Unternehmereigenschaft des Käufers zur Bedingung eines Vertragsabschlusses erklärt.

Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Lkw. Er sei lediglich auf einen Motorschaden und leichten Seitenschaden links hinten hingewiesen worden. Tatsächlich sei der Lkw allerdings „gänzlich versenkt“ gewesen, weshalb die gesamte Elektrik und Elektronik irreparabel beschädigt seien. Der Mangel sei nicht geringfügig und unbehebbar. Im Übergabezeitpunkt sei der Lkw wesentlich weniger als die Hälfte des Kaufpreises wert gewesen. Er sei wertlos, weil er nicht kostendeckend repariert werden könne. Er habe den Vertrag als Verbraucher geschlossen. Als Unternehmer habe er sich nicht deklariert.

Der Beklagte bestritt. Er habe den Kläger auf sämtliche Mängel hingewiesen und ihn auch über den Wasserschaden aufgeklärt. Gewährleistungsansprüche seien ausgeschlossen worden. Auch eine Anfechtung wegen laesio enormis sei ausgeschlossen. Der Kläger sei ihm gegenüber als Unternehmer aufgetreten. Er habe den Lkw auch nur einem Unternehmer verkaufen wollen.

Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht der Klage statt. Dieser Entscheidung legte es den auf den US 4 bis 7 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den verwiesen wird (§ 500a ZPO). Die wesentlichen Feststellungen wurden bereits wiedergegeben. In rechtlicher Hinsicht unterstellte das Erstgericht die Anwendung deutschen Rechts nach Art 4 Rom I-VO. Zwar würden Gewährleistungsansprüche und eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums infolge Kenntnis des Klägers von den Mängeln ausgeschlossen sein, allerdings habe sich der Kläger auch auf eine Verkürzung über die Hälfte berufen. Das deutsche Recht kenne zwar keinen geschriebenen Grundsatz des Verbots der laesio enormis, regle aber in § 138 Abs 1 BGB die Sittenwidrigkeit eines Geschäfts, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem Wert der Gegenleistung vorliege und weitere Umstände wie etwa eine verwerfliche Gesinnung vorlägen. Ein auffälliges, grobes Missverhältnis liege vor, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung. Liege ein solches Missverhältnis - wie hier - vor, bestehe die tatsächliche Vermutung über die verwerfliche Gesinnung des Bevorteilten, die durch besondere Umstände widerlegt werden müsse. Der Beklagte habe aber insofern kein Vorbringen erstattet. Es sei daher von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes auszugehen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Mit seiner - eine Tatsachenrüge beinhaltenden - Berufungsbeantwortung strebt der Kläger die Bestätigung des Ersturteils an.

Die Berufung wegen Nichtigkeit ist zu verwerfen. Im Übrigen ist sie nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

A. Zur Tatsachenrüge in der Berufungsbeantwortung

1. Der Kläger bekämpft die Feststellungen zu seinem Auftreten gegenüber dem Beklagten als Unternehmer (US 6 und 7). Er begehrt folgende Ersatzfeststellung: „Der Kläger trat dem Beklagten gegenüber nicht als Unternehmer, sondern als Konsument auf.“ Er habe die Quittung (Beilage ./1) nicht unterfertigt. Darin findet sich das grammatikalisch verwirrende Wort „Gewährbetreibende“, welches auch unterhalb des Wortes Gewährleistung stehe. Der Zusatz „Fa.“ sei nicht auffällig. Sinngemäß gelte dies auch für die Beilage ./2. Seine Unterschrift enthalte weder einen Firmenvermerk noch einen Stempel.

2.1.Eine ordnungsgemäße Beweisrüge liegt nur dann vor, wenn klar ersichtlich ist, durch welche Tatsachen sich der Berufungswerber für beschwert erachtet, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurden, welche Feststellungen stattdessen begehrt werden und aufgrund welcher Beweismittel die begehrten Feststellungen getroffen werden könnten. Um die Beweisrüge in der Berufung auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber also deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835; Kodek in Rechberger/Klicka 5§ 471 ZPO Rz 15).

Im Rahmen einer (ordnungsgemäß ausgeführten) Tatsachenrüge ist vom Berufungsgericht zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes das Ergebnis einer unrichtigen Würdigung der aufgenommenen Beweise, einer unrichtigen Anwendung von Erfahrungssätzen oder der Heranziehung unzutreffender Erfahrungssätze darstellen ( Pimmer in Fasching/Konecny 3§ 467 ZPO Rz 39). Dass ein anderer als der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt möglich wäre, reicht nicht aus; maßgeblich ist, ob für die rechtsrichtige Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden haben ( Klauser/Kodek 18§ 467 ZPO E 39/1). Das Berufungsgericht hat anhand des vorliegenden Beweismaterials lediglich die Nachvollziehbarkeit und Vertretbarkeit von erstgerichtlichen Feststellungen zu überprüfen, wobei die Überprüfung nach Plausibilitätsgrundsätzen zu erfolgen hat, nicht jedoch eine eigene Beweiswürdigung vorzunehmen bzw. ein eigenes Beweisverfahren durchzuführen ist, weil Letzteres zwangsläufig zu einer Beweiswiederholung in jedem Verfahren führen müsste, in dem Feststellungen bekämpft werden. Eine Beweiswiederholung wäre nur durchzuführen, wenn das Berufungsgericht bei seiner Plausibilitätsprüfung Bedenken gegen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen bzw. die vorgenommene Beweiswürdigung haben sollte (vgl OLG Linz 2 R 179/03m, 1 R 161/06m, 1 R 50/10v, 1 R 145/11s, 6 R 40/14s ua).

2.2. Das Erstgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung ausführlich begründet, warum es die bekämpfte Feststellung getroffen hat. Es traf die bekämpfte Feststellung primär aufgrund der Angaben des als glaubwürdig erachteten Beklagten. Dem Kläger billigte es insofern keine Glaubwürdigkeit zu. Warum das Erstgericht dem Beklagten keine Glaubwürdigkeit hätte zubilligen dürfen, zeigt der Kläger nicht auf. Seine Beweisrüge ist daher nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Abgesehen davon, dass die Angaben des Beklagten die bekämpfte Feststellung in seinen wesentlichen Teilen tragen, enthält der Kaufvertrag (Beilage ./2) beim Namen des Klägers den - entgegen der Behauptung des Klägers auffälligen - Zusatz „Fa.“ und den Hinweis auf ein Händlergeschäft. Seine Behauptung, er habe unterstellt, dass das „Geschäft“ (nur) für den Beklagten ein Händlergeschäft sei, findet im Protokoll über die Verhandlung vom 11. Dezember 2024 (ON 21.2) keine Deckung und ist auch nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu erschüttern. Richtig ist, dass die Quittung (Beilage ./1) vom Kläger nicht unterfertigt wurde. Dies ändert aber nichts an den maßgeblichen, auf Basis der Angaben des Beklagten und der Beilage ./2 getroffenen Feststellungen.

B. Zur Berufung

I. Zur mit der Berufung erfolgten Urkundenvorlage:

Der Beklagte legte mit seiner Berufung Angebote der E* F* G* GmbHCo. KG sowie der „H*“ vor, auf die er im Rahmen der Nichtigkeit und in seiner Verfahrensrüge Bezug nimmt. Die Vorschrift des § 468 Abs 2 ZPO bezieht sich nur auf jene Umstände und Beweise, die die angegebenen Berufungsgründe des Gegners widerlegen sollen. Das neue Vorbringen muss sich daher auf die Berufungsgründe selbst beziehen, nicht aber auf die behaupteten Ansprüche und Gegenansprüche als solche (RS0041812). Das in § 482 Abs 2 ZPO geregelte Neuerungsverbot verwehrt es daher der Partei, neues Vorbringen und neue Beweismittel zum Anspruch vorzutragen (RS0041965). Da sich die vorgelegte Urkunde nicht auf die Berufungsgründe selbst bezieht, erweist sich deren Vorlage als Verletzung des in § 482 Abs 2 ZPO geregelten Neuerungsverbotes, sodass diese zurückzuweisen ist.

II. Zur Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens

1. Der Beklagte moniert, dass das anzuwendende Recht erst in der letzten Verhandlung vom 11. Dezember 2024 „kurz“ erörtert worden sei. Ihm sei „zu keinem Zeitpunkt eingeräumt“ worden, sich auf die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung vorzubereiten. Es sei ihm auch nicht die Möglichkeit gegeben worden, weiteres Vorbringen mittels Schriftsatz zu erstatten. Es könne nicht erwartet werden, dass ein Rechtsanwalt ad hoc Vorbringen für alle Rechtsordnungen der EU „erbringen“ könne. Er sei in seinem Recht auf ein faires Verfahren und auf rechtliches Gehör verletzt. Die analoge Anwendung des wucherähnlichen Tatbestandes nach deutschem Recht sei nicht entsprechend erörtert worden. Der Kläger habe den Kaufvertrag auch nicht wegen Wucher oder Sittenwidrigkeit angefochten. Zudem habe das Erstgericht Feststellungen getroffen, die eine verwerfliche Gesinnung ausschließen würden.

Bei rechtzeitiger Erörterung des anzuwendenden Rechts hätte er Folgendes vorgebracht: „Der Beklagte bringt vor, dass ihm keine wie immer geartete verwerfliche Gesinnung vorgehalten werden kann. Er hat nicht die schwierige Lage oder die Unerfahrenheit des Partners für das eigene unangemessene Gewinnstreben ausgebeutet. Ganz im Gegenteil war der Beklagte ehrlich und verkaufte ein nicht fahrbereites Unfallfahrzeug mit Motorschaden, bei dem insgesamt ein Totalschaden vorlag. Auch der Wasserschaden wurde bekanntgegeben, sowohl im Inserat als auch persönlich über einen Vertreter des Beklagten. Das Auto hat nach Ansicht des hg. Sachverständigen im ordnungsgemäßen Zustand einen Wiederbeschaffungswert von EUR 40.000,00. Der Beklagte ist unter Annahme der Tatsache, dass es sich beim Kläger um einen Unternehmer handelt, davon ausgegangen, dass dieser nach Bekanntgabe des Zustandes des Fahrzeuges davon ausging, das Fahrzeug entsprechend herzurichten und gegebenenfalls gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dies wäre nach Ansicht des Klägers jedenfalls möglich gewesen. Auch die vorgelegten Angebote der Händler E* I* G* GmbH Co. KG und von H* bestätigen diese Ansicht.“

2.1.1.Zur Chancengleichheit und damit zu den Garantien des Art 6 Abs 1 MRK gehört die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs. Das rechtliche Gehör im Sinn dieser Bestimmung wird nicht nur dann verletzt, wenn einer Partei die Möglichkeit, sich im Verfahren zu äußern, überhaupt genommen wird, sondern auch dann, wenn einer gerichtlichen Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Das Gericht hat daher den Parteien Verfahrensvorgänge, die erkennbar für sie wesentliche Tatsachen betreffen, bekanntzugeben und ihnen die Möglichkeit zu eröffnen, dazu Stellung zu nehmen (RS0074920, vgl auch RS0005915, RS0006048).

2.1.2.Die im § 182a Satz 2 ZPO statuierte Erörterungspflicht bezieht sich auf rechtliche Gesichtspunkte (RS0036869 [T2]). Die Manuduktionspflicht des Gerichts hat sich im Rahmen des behaupteten Anspruchs zu bewegen. Nur in diesem Bereich ist auf die Vervollständigung des Sachvorbringens oder auch darauf zu dringen, dass das Begehren schlüssig gemacht werde (RS0108818). In einer Verfahrensrüge wegen Verletzung der Pflichten des § 182a ZPO hat der Rechtsmittelwerber darzulegen, welches zusätzliche oder andere Vorbringen er aufgrund der von ihm nicht beachteten neuen Rechtsansicht erstattet hätte; er hat die Relevanz des behaupteten Mangels darzutun, also darzulegen, welchen Verlauf das Verfahren genommen hätte, wenn der Fehler unterblieben wäre (RS0037095 [T4], [T5], [T6]).

2.2. Das Erstgericht hat in der (zweiten und letzten) Tagsatzung vom 11. Dezember 2024 zu Beginn Folgendes wortwörtlich festgehalten: „Da bislang das auf das unstrittige Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen anzuwendende Recht von den Parteien nicht thematisiert wurde, wird folgende Erörterung vorgenommen:

Das am 15. Jänner 2024 eingegangene Vertragsverhältnis weist aufgrund des Wohnsitzes des Klägers in Österreich und des Sitzes des Beklagten in Deutschland Verbindungen zum Recht verschiedener Staaten auf. Anzuwenden ist daher die Verordnung EG Nr. 593/2008, also die Rom I-Verordnung. Nach deren Art 12 sind grundsätzlich alle in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Fragen nach dem einheitlichen Vertragsstatut zu beurteilen, das sich aus den Art 3 bis 8 ergibt. Unter das Vertragsstatut fallen nach der demonstrativen Liste in Abs 1 unter anderem die Auslegung des Vertrags, dessen Erfüllung und die Folgen der Nichterfüllung, insbesondere Fragen des vertraglichen Schadenersatzes, des Erlöschens der Verpflichtung und die Folgen der Nichtigkeit des Vertrags. Mit Nennung der Nichtigkeitsfolgen ist klargestellt, dass die Rückabwicklung eines Vertrags unabhängig von der Einordnung in den nationalen Rechtsordnungen vertraglich qualifiziert und daher unmittelbar dem Vertragsstatut unterstellt wird.

Eine Rechtswahl der Streitteile wird nicht vorgebracht. Das auf den Vertrag anzuwendende Recht und die oben genannten ebenfalls nach dem Vertragsstatut zu beurteilenden Fragen bestimmen sich daher nach Art 4 bis 8 der Verordnung. Grundsätzlich gilt nach Art 4 Abs 1 lit a), dass Kaufverträge über bewegliche Sachen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unterliegen. Zu beachten ist aber unter Berücksichtigung der behaupteten Verbrauchereigenschaft des Klägers Art 6 der Verordnung.

Sofern deutsches materielles Recht zur Anwendung kommt, wird erörtert, dass das deutsche Zivilrecht keinen geschriebenen Grundsatz des Verbots der laesio enormis kennt. Der BGH setzt allerdings ein Korrektiv, indem er davon ausgeht, dass ein Geschäft nach § 138 Abs 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und dem der Gegenleistung besteht. Ein solches Missverhältnis nimmt der BGH an, wenn die Wertdifferenz bei 100 % liegt. Zusätzlich zur objektiven Äquivalenzstörung verlangt der BGH aber auch subjektive Faktoren bei der vom Geschäft begünstigten Partei, was regelmäßig die verwerfliche Gesinnung ist. Diese wird aber grundsätzlich dann als vorliegend angesehen, wenn die bevorteilte Vertragspartei das Ungleichgewicht erkannte oder sich dieser Erkenntnis fahrlässig verschlossen hat. Über ein besonders grobes Missverhältnis das bei einer Wertdifferenz von 100 % grundsätzlich ebenfalls angenommen wird, besteht laut BGH eine tatsächliche Vermutung über die verwerfliche Gesinnung des Bevorteilten, die erst durch besondere Umstände widerlegt werden muss.“

Darin kann eine „kurze“ Erörterung des anzuwendenden Rechts insbesondere in Bezug auf § 138 Abs 1 BGB nicht erkannt werden. Es entspricht auch nicht den Tatsachen, dass eine „(analoge) Anwendung des wucherähnlichen Tatbestandes nach deutschem Recht auf den österreichischen Titel der laesio enormis nicht entsprechend erörtert“ wurde. Unrichtig ist auch, dass sich der Kläger auf eine Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts nicht berufen habe. Insofern ist der Beklagte auf das Vorbringen des Klägers in der Tagsatzung vom 11. Dezember 2024 (ON 21.2, S 15) zu verweisen.

Dass dem Beklagten nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, weiteres Vorbringen mittels Schriftsatz zu erstatten, lässt sich dem Protokoll über die Verhandlung vom 11. Dezember 2024 (ON 21.2) ebenfalls nicht entnehmen. Im Anschluss an die (wörtlich wiedergegebene) Erörterung des anzuwendenden Rechts und die vom Kläger auch eingewandte Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts (ON 21.2, S 15) wurde seitens des Beklagten kein Vorbringen erstattet, obwohl er Gelegenheit dazu hatte. Er ersuchte auch nicht um Einräumung eines Schriftsatzes oder angemessene Unterbrechung der Tagsatzung zwecks Erstattung weiteren Vorbringens. Dass das Erstgericht dem Beklagten keine Gelegenheit gegeben hat, Vorbringen zum seinerseits Erörterten zu erstatten, steht nicht im Einklang mit dem Protokoll über die Verhandlung vom 11. Dezember 2024. Es liegt daher weder eine Nichtigkeit in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs noch ein Verfahrensmangel vor. Das vom Beklagten in der Berufung ergänzte Vorbringen stellt auch kein Vorbringen dar, das die Vermutung der verwerflichen Gesinnung beseitigen würde. Dass ihm „keine wie immer geartete verwerfliche Gesinnung vorgehalten werden kann“, stellt im Übrigen eine rechtliche Beurteilung dar.

III. Zur Rechtsrüge

1. Der Kläger behauptet, es mangle an der Ermittlung des fremden Rechts. Dass ihm eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werde, ohne ihm gegenteiliges Vorbringen zu ermöglichen, stelle eine Verkennung ausländischen Rechts dar. § 138 Abs 1 BGB setze zusätzlich zum objektiv auffälligen Missverhältnis eine verwerfliche Gesinnung voraus. Dieser subjektive Tatbestand werde zwar im Regelfall durch eine reine Vermutungsregel substituiert, wenn ein Missverhältnis der Leistungen von knapp über dem Doppelten vorliege, allerdings könne ein verwerfliches Vorgehen durch die Umstände des Einzelfalls widerlegt werden. Eine verwerfliche Gesinnung sei etwa zu verneinen, wenn sich der Begünstigte über den Wert falsche, nämliche überhöhte Vorstellungen, die kein Missverhältnis begründen würden, gemacht habe oder der Benachteiligte bewusst ein Rechtsgeschäft mit einem miserablen Preis-Leistungs-Verhältnis abschließe. Der Lkw weise im ordnungsgemäßen Zustand einen Wert von EUR 40.000,00 auf. Er sei davon ausgegangen, dass der Kläger das Fahrzeug „herrichten und gegebenenfalls gewinnbringend weiterverkaufen“ werde. Ähnliche Fahrzeuge würden auch zu einem ähnlichen Preis zum Verkauf inseriert. Er sei auch von einem Affektionsinteresse des Klägers ausgegangen. „Einer potentiellen Sittenwidrigkeit“ sei er sich nicht „bewusst“ gewesen und er habe nicht in Schädigungsabsicht gehandelt. Ihm sei keine Möglichkeit gegeben worden, sich zum Vorwurf einer verwerflichen Gesinnung zu äußern, sodass die reine Vermutung nicht ausreichen könne. Das Erstgericht sei bezüglich des Inserates und des Inhalts der geführten Gespräche den Angaben des Beklagten gefolgt. „Nun“ könne ihm nicht „ausschließlich per Vermutungsregel“ in Anbetracht der Gesamtsituation eine verwerfliche Gesinnung unterstellt werden.

2. Dass ausgehend von den Feststellungen deutsches Recht anzuwenden ist (Art 4 Abs 1 Rom I-VO; vgl auch Heindlerin Rummel/Lukas/Geroldinger, ABGB 4 Art 6 Rom I-VO Rz 17), wird vom Kläger und Beklagten im Berufungsverfahren nicht bezweifelt.

2.1. Nach § 138 Abs 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Rechtsgeschäft nach § 138 Abs 1 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und weitere Umstände hinzutreten, insbesondere der Begünstigte aus verwerflicher Gesinnung gehandelt hat (BGH VIII ZR 111/99 = NJW 2000,1254; V ZR 237/00; XII ZR 352/00; V ZR 178/08 = NJW 2010, 363).

Ein auffälliges bzw. grobes Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung besteht, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH VIII ZR 111/99 = NJW 2000, 1254; V ZR 147/05; V ZR 237/00). Liegt ein solches vor, so rechtfertigt dieser Umstand regelmäßig den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigen und damit auf einen sittenwidrigen Charakter des Rechtsgeschäfts (BGH VIII ZR 111/99 = NJW 2000, 1254; V ZR 147/05; V ZR 237/00; V ZR 178/08 = NJW 2010, 363; XII ZR 352/00). Ein solcher Rückschluss setzt aber voraus, dass sich der Begünstigte nach der allgemeinen Lebenserfahrung zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, es liege ein auffälliges Missverhältnis vor. Davon kann nur dann ausgegangen werden, wenn der Marktwert der Leistung für ihn in etwa erkennbar war (XII ZR 352/00). Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung der davon begünstigen Partei beruht auf einer tatsächlichen Vermutung. Diese hilft der betroffenen Vertragspartei auch bei ihrem Vortrag zu den subjektiven Voraussetzungen des § 138 Abs 1 BGB. Deren Darlegung wird wesentlich erleichtert, wenn hiefür der Hinweis auf das besondere grobe Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ausreicht, weil das in der Regel einen Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des begünstigen Vertragsteils zulässt. An den Vortrag der benachteiligten Partei sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Diese muss die verwerfliche Gesinnung der anderen Vertragspartei nicht ausdrücklich behaupten; es genügt, wenn aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem groben objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ersichtlich ist, dass die davon benachteiligte Partei sich auf die daraus begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung der anderen Vertragspartei beruft. Der vom objektiven Äquivalenzmissverhältnis begünstigte Vertragsteil hat dann Anlass, auf den Vortrag der benachteiligten Vertragspartei zu erwidern (BGH V ZR 178/08 = NJW 2010, 363).

2.2.1. Seinen pauschalen Vorwurf, es mangle an der Ermittlung des fremden Rechts durch das Erstgericht, vermag der Beklagte selbst nicht zu begründen. Derartiges ist auch nicht ersichtlich.

2.2.2. Bezüglich der Behauptung, er habe keine Gelegenheit gehabt, Vorbringen zum erörterten deutschen Recht zu erstatten, kann auf die Ausführungen in Punkt II. verwiesen werden.

2.2.3.Der Kläger hat sich von Beginn an auf ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung berufen (vgl ON 1, S 2) und - nach Erörterung des anzuwendenden Rechts und des § 138 Abs 1 BGB - explizit die Sittenwidrigkeit unter Hinweis auf das grobe Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingewandt (ON 21.2, S 15). Damit hat sich der Kläger (ausreichend erkennbar) auf die daraus begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten berufen. Es besteht auch kein Anhaltspunkt, dass für den Beklagten als Autohändler der Marktwert seiner Leistung nicht erkennbar gewesen wäre. Es wäre daher am Beklagten gelegen, entsprechendes Vorbringen zu erstatten. Dies hat er - (wie bereits dargelegt) trotz Erörterung und Gelegenheit - nicht getan, sodass auch keine sekundären Feststellungsmängel (vgl RS0053317) vorliegen. Dass ein Vortrag bei entsprechender Berufung des Klägers auf § 138 Abs 1 BGB bzw. die aus dem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Beklagten an ihm gelegen ist, stellt der Beklagte in der Berufung auch nicht in Abrede.

Richtig ist, dass die tatsächliche Vermutung durch besondere Umstände erschüttert sein kann. Solche wurden allerdings nicht vorgebracht und lassen sich auch den Feststellungen nicht entnehmen. Dass er hinsichtlich des Werts des Lkw einer falschen Vorstellung unterlag, behauptet der Beklagte in seiner Berufung nicht dezidiert; Derartiges wurde auch in erster Instanz nicht vorgebracht. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs im ordnungsgemäßen Zustand beseitigt nicht die unterstellte verwerfliche Gesinnung. Gleiches gilt für den Hinweis, er sei davon ausgegangen, dass der Kläger das Fahrzeug „herrichten“ und „gegebenenfalls gewinnbringend weiterverkaufen“ werde. Dass „ähnliche“ Fahrzeuge zu einem „ähnlichen“ Preis zum Verkauf angeboten werden, hat der Beklagte in erster Instanz nicht vorgetragen. Der Sachverhalt bietet dafür keinen Anhaltspunkt. Dies ergibt sich auch nicht aus der mit der Berufung vorgelegten Urkunde. Auf das in der Berufung angesprochene Affektionsinteresse hat der Beklagte nicht verwiesen. Ein solches lässt sich aus den Feststellungen auch nicht ableiten.

Im Ergebnis ergibt sich keine Korrekturbedürftigkeit des Ersturteils aus den in der Berufung vorgetragenen Gründen.

IV. Ergebnis, Kosten, Rechtsmittelzulässigkeit

1. Der Berufung war kein Erfolg zuzuerkennen.

2.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Für die Berufungsbeantwortung gebührt nur der dreifache Einheitssatz (§ 23 Abs 9 RATG).

3.Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht von der Lösung erheblicher, im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO qualifizierter Rechtsfragen abhängig war.