3R18/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch Senatspräsident Mag. Hans Peter Frixeder als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Gert Schernthanner und die Richterin Mag. a Carina Habringer-Koller in der Rechtssache der Klägerin A* , Pensionistin, geboren am **, pA **, ** **, **, vertreten durch ihre Tochter B* als Erwachsenenvertreterin, vertreten durch Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Beklagten C* , **, **platz **, vertreten durch Mag. Alexandra Knapp, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen 1. eingeschränkt EUR 36.920,00 sA und 2. Feststellung (EUR 15.000,00), über die Berufung des Beklagten (Berufungsinteresse richtig: EUR 9.677,58 sA) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. Dezember 2024, Cg*-47, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird in der Hauptsache teilweise und im Kostenpunkt zur Gänze Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird dahingehend abgeändert , dass es insgesamt zu lauten hat:
„1. Die Klagsforderung besteht mit EUR 11.833,33 zu Recht.
2. Die Gegenforderung besteht mit EUR 7.155,75 zu Recht.
3. Der Beklagte ist daher schuldig, der Klägerin EUR 4.677,58 samt 4% Zinsen pa daraus seit 26. März 2024 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte der Klägerin für sämtliche aus dem Unfall vom 28. Juli 2022 resultierenden unfallkausalen Spät- und Dauerfolgenbis zu den Haftungshöchstbeträgen nach § 15 EKHG im Umfang von einem Drittel haftet.
5. Das Leistungsmehrbegehren, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin weitere EUR 32.242,42 samt 4% Zinsen pa daraus seit 26. März 2024 zu bezahlen, und das Feststellungsmehrbegehren im Umfang von zwei Dritteln sowie dahingehend, die Haftung des Beklagten ohne die Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach § 15 EKHG auszusprechen, werden abgewiesen.
6. Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit EUR 14.127,17 (darin EUR 2.882,70 Barauslagen und EUR 1.874,08 USt) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin EUR 1.132,56 (darin EUR 188,76 USt) an saldierten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt insgesamt EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 28. Juli 2022 ereignete sich gegen 18:25 Uhr im Gemeindegebiet von D* auf der B ** auf Höhe des Straßenkilometers 38.907 ein Verkehrsunfall, an dem einerseits die Klägerin als Fahrradfahrerin (mit einem E-Bike) und andererseits das von E* F* gelenkte und bei der G* haftpflichtversicherte Fahrzeug der Marke ** mit dem Kennzeichen „**“ beteiligt waren. Da es sich bei der G* um eine deutsche Haftpflichtversicherung handelt, ist der beklagte Verband passiv legitimiert.
Die Klägerinbegehrte zunächst EUR 85.800,00 sA sowie die mit EUR 15.000,00 bewertete Feststellung, dass der Beklagte für alle aus dem Unfall resultierenden Spät- und Dauerfolgen hafte, und brachte zusammengefasst vor, dass das Alleinverschulden am Verkehrsunfall den Beklagtenlenker treffe. Selbst wenn ein Verschulden nicht feststellbar wäre, hafte der Beklagte nach den Bestimmungen des EKHG. Für die Klägerin sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Die Klägerin habe beim Unfall schwerste multiple Verletzungen (ua Polytrauma mit schwersten Schädelverletzungen, multiple Knochenbrüche, Milzruptur) erlitten, was jedenfalls ein Schmerzengeld von EUR 85.000,00 rechtfertige. Sie habe sich von 28. Juli bis 8. September 2022 in der Chirurgie ** des Klinikums H* (bis 18. August 2022 auf der Intensivstation) und danach bis 24. Oktober 2022 stationär in der I* Klinik befunden. Weiters machte die Klägerin EUR 300,00 als Sachschaden am Fahrrad und EUR 500,00 als pauschale Unkosten geltend.
In der abschließenden Tagsatzung vom 20. November 2024 schränkte die Klägerin das Leistungsbegehren auf EUR 36.920,00 sA ein (darin Schmerzengeld: EUR 36.120,00 sA).
Der Beklagtebestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, dass den Lenker des Beklagtenfahrzeugs kein Verschulden am Unfall treffe. Die Klägerin sei im Bereich der Bushaltestellenbucht vorrangverletzend von rechts in die B ** eingefahren, ohne ein Handzeichen zu geben. Die Klägerin sei dann nach links in die Straßenquerung eingebogen, ohne sich vorher darüber zu vergewissern, ob ihre beabsichtigte Querung ohne Behinderung oder Gefährdung des nachkommenden, bevorrangten Fließverkehrs auf der B ** möglich sei. Der Beklagtenlenker habe die höchst zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h längst nicht ausgenützt. Er habe auf das völlig unerwartete, plötzliche Einfahren der Klägerin in seinen Fahrstreifen objektiv trotz der von ihm eingehaltenen, nach den Umständen äußerst möglichen Sorgfalt nicht unfallvermeidend reagieren können. Es scheide damit auch eine Haftung nach den Bestimmungen des EKHG aus. Vielmehr treffe die Klägerin das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Das von der Klägerin geltend gemachte Schmerzengeld sei weit überhöht. Unfallkausale Spät- und/oder Dauerfolgen lägen nicht vor.
Der Beklagte wendete die notwendigen Reparaturkosten zur Behebung des unfallkausal entstandenen Schadens am Beklagtenfahrzeug in Höhe von EUR 10.733,62 bis zur Höhe der Klagsforderung compensando ein. Die zugrunde liegende Rechnung des „J*“ sei von der Kaskoversicherung zur Gänze getragen worden, womit der Ersatzanspruch auf diese übergegangen sei. Die G* habe diesen Anspruch zur kompensationsweisen Geltendmachung an den Beklagten abgetreten, der diese Abtretung angenommen habe.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht den Beklagten, der Klägerin EUR 4.677,58 sA zu bezahlen (Punkt 1.). Es stellte fest, dass der Beklagte der Klägerin im Umfang von einem Drittel für sämtliche aus dem Unfall vom 28. Juli 2022 resultierenden unfallkausalen Spät- und Dauerfolgen hafte (Punkt 2.). Das Leistungsmehrbegehren von EUR 32.242,42 sA und das Feststellungsmehrbegehren im Umfang von weiteren zwei Dritteln wies es ab (Punkt 3.). Schließlich verpflichtete es die Klägerin zum anteiligen Kostenersatz (Punkt 4.).
Das Erstgericht legte seiner Entscheidung – soweit für das Berufungsverfahren noch von Relevanz – die auf US 5 bis US 10 getroffenen Feststellungen zugrunde, wobei die vom Beklagten bekämpften Feststellungen kursiv hervorgehoben und mit [F1] und [F2] markiert sind:
Im Unfallbereich verläuft die B ** nahezu geradlinig. Es besteht eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h und der rechte Fahrstreifen ist im hier maßgeblichen Bereich mit einer Breite von ca 3,85 m ausgeführt. In Fahrtrichtung K* – dies ist die Fahrtrichtung der Klägerin und des Lenkers des Beklagtenfahrzeugs – ist vor Erreichen der Unfallsörtlichkeit rechtsseitig der Einmündungstrichter Bereich D* ** angebunden, anschließend an den Einmündungstrichter befindet sich rechtsseitig eine Bushaltestelle. Es ist aus Richtung D* kommend eine Abwertung durch das Verkehrszeichen „Vorrang geben“ beim Annähern an die Bundesstraße ersichtlich.
Im Bereich der Unfallsörtlichkeit ist eine Querungshilfe für die dort die Fahrbahn der B ** querenden Verkehrsteilnehmer eingerichtet. Bis zum Erreichen der späteren Kollisionsposition misst die Bushaltestelle eine Länge von etwas mehr als 25 m.
Die damals 81-jährige Klägerin war gerade mit ihrem elektrounterstützten Fahrrad am Heimweg von ihrem Arztbesuch bei Dr. L*. Sie fuhr auf der **straße von D* kommend in Richtung B ** und bog sodann im Bereich der an den Kreuzungsbereich angrenzenden Bushaltestelle nach rechts auf den Fahrstreifen der Bushaltestelle ein und beabsichtige, in Annäherung an die spätere Unfallstelle die Straße zu ihrer damaligen Wohnanschrift auf der anderen Seite der B ** zu queren.
Ungefähr zur gleichen Zeit war der Lenker des Beklagtenfahrzeugs auf der B ** von Richtung ** kommend mit einer Geschwindigkeit von ca 80 km/h in Richtung K* unterwegs. Es bestand keine Sichtabschattung auf die Fahrlinie der Klägerin bei der Annäherung an die Unfallsörtlichkeit in Fahrtrichtung des Beklagtenfahrzeugs.
In Annäherung an die spätere Unfallstelle wurde der Lenker des Beklagtenfahrzeugs von seiner Ehefrau, die Beifahrerin war, gewarnt, dass sich eine Fahrradfahrerin auf dem Fahrstreifen der Bushaltestelle befinde. Die Klägerin war mit ihrem Fahrrad etwas wackelig unterwegs, ihre Fahrtrichtung war leicht in Richtung der Hauptfahrbahn eingerichtet. Der Lenker des Beklagtenfahrzeugs ging daher etwas vom Gas herunter, sodass er seine ursprüngliche Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h auf 65 bis 70 km/h (in einer Zeitspanne von 1,8 bis 2,6 Sekunden) reduziert hatte. Er dachte jedoch noch, dass es nicht notwendig sei, eine Notbremsung einzuleiten, da sich die Fahrradfahrerin noch auf der von der Hauptfahrbahn abgeteilten Spur befand. Er machte sich in diesem Augenblick noch keine Gedanken darüber, wo die Fahrradfahrerin hinzufahren beabsichtigte. Erst im Nachhinein stellte er die Vermutung an, dass sie die Querungshilfe nutzen wollte.
Die Klägerin beabsichtigte, die Fahrbahn zu queren, um zur Querungshilfe zu gelangen. Sie hatte kein Handzeichen gesetzt und sich auch nicht hinsichtlich eines aus Richtung M* kommenden Verkehrs vergewissert, ob die Fahrbahn frei ist.
Als die Klägerin auf den in Richtung K* führenden Fahrstreifen einfuhr, schrie die Ehegattin des Beklagtenlenkers noch auf: „Pass auf, fahr rüber“, wobei der Beklagtenlenker schon aus eigenem eine Vollbremsung eingelegt hatte.
Aus dem Bereich des Bushaltestellenstreifens bis zum Erreichen der Kollisionsposition legte die Klägerin eine Wegstrecke von 5 bis 7 m zurück, was in der Winkelstellung nach links für den Lenker des Beklagtenfahrzeugs in der Zeitspanne von 1,4 bis 1,8 Sekunden erkennbar war. Als der Lenker des Beklagtenfahrzeugs auf die Nach-links-Bewegung der Klägerin mit einer Vollbremsung reagierte, betrug die Bremsausgangsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs noch zwischen 65 bis 70 km/h.
Der Lenker des Beklagtenfahrzeugs wich bei seiner Vollbremsung nach links am Richtung K* führenden Fahrstreifen aus. Die Kollisionsgeschwindigkeit des Beklagtenfahrzeugs betrug zwischen 60 bis 66 km/h, für die Geschwindigkeit der Klägerin zeigte sich eine relativ geringe Radfahrergeschwindigkeit von 10 bis 12 km/h.
Als sich die Klägerin mit der Winkelstellung nach links hin genau in Richtung der Durchfahrt am Grünstreifen befand, kam es zur Kollision zwischen dem Beklagtenfahrzeug und der Klägerin auf der rechten Seite der Hauptfahrbahn. Sie trug keinen Helm.
Zur Vermeidbarkeit des Unfalls:
Das Beklagtenfahrzeug war in der Position kurz vor der Einfahrt D* ** noch in einer Entfernung von mehr als 80 m vom Beginn des Bushaltestreifens entfernt. Es herrschte freie Sicht auf die Fahrlinie der Klägerin und ist in einer solchen Position unmittelbar vor der Einmündung D* ** für das Beklagtenfahrzeug auch die Fahrlinie der Klägerin am Bushaltefahrstreifen gut erkennbar. Zu diesem Zeitpunkt war jedenfalls auch die Klägerin im Bereich des Bushaltefahrstreifens in ihrem Fahrverhalten für den Beklagtenlenker erkennbar. Wenn der Lenker des Beklagtenfahrzeugs bereits auf das wackelige Fahrverhalten der Klägerin, das als unklar im Sinne des künftigen Vorhabens oder der Stabilität der Fahrlinie der Klägerin zu deuten ist, mit einer stärkeren Betriebsbremsung (mit einer Abbremsung von 4 bis 5 m/sec²) reagiert hätte [F1] , so hätte das Beklagtenfahrzeug vor der Querungsstelle der Klägerin noch auf die Geschwindigkeit der Klägerin kollisionsfrei angepasst werden können. Das Beklagtenfahrzeug hätte durch eine unverzügliche stärkere Betriebsbremsung kollisionsfrei hinter dem Fahrkanal der querenden Klägerin bleiben können.
Eine Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens war jedoch bei der vom Beklagtenlenker eingelegten Vollbremsung auch bei einer rechtzeitigen Reaktion auf das finale Queren der Klägerin, also auf das finale Hereinfahren auf den in Richtung K* führenden Fahrstreifen, nicht mehr gegeben.
Mit einer normalen Bremsung ist mit einem Fahrrad in der Zeitspanne von 1,6 bis 2 Sekunden und einer Wegstrecke von 2 bis 3 m der Stillstand erreichbar. Wenn sich die Klägerin aus einer Geschwindigkeit von 10 bis 12 km/h unmittelbar vor ihrem Vorhaben des Querens nach links hin in Richtung der Querungshilfe über den aus Richtung M* kommenden Verkehr vergewissert hätte, so hätte die Klägerin unmittelbar vor ihrem Querungsantritt das im bereits gefahrenbehafteten Nahbereich fahrende Beklagtenfahrzeug als drohende Gefahr erkennen und durch vorläufiges Zuwarten mit der Querung des Fahrstreifens das Unfallgeschehen vermeiden können [F2].
Unfallfolgen:
Die Klägerin erlitt beim Unfall eine Schädel-Hirn-Verletzung Grad 3 mit einem Bruch des Scheitel- und Hinterhauptbeines links mit Einstrahlung in die Schädelbasis, eine Kopfschwartenblutung links, eine Subarachnoidalblutung (Blutung unterhalb der weichen Hirnhaut) in der Stirngegend beidseits, Scheitelgegend beidseits, Kleinhirn links, eine Subduralblutung (Blutung unterhalb der harten Hirnhaut) in der Stirngegend links, Stirnscheitelgegend, hinteren Schädelgrube links und entlang des Kleinhirnzeltes links, eine Rippenbruchserie III bis XII links mit Blutansammlung in der Brusthöhle (Hämatothorax), einen Milzriss und eine Beckenverletzung mit Bruch des oberen und unteren Schambeinastes links, des Kreuzbeins und der Beckenschaufel links.
Die Klägerin erlitt aufgrund des Unfalls aus unfallchirurgischer und neurologisch-psychiatrischer Sicht in komprimierter Form insgesamt 21 Tage starke Schmerzen, fünf bis sechs Wochen mittelstarke Schmerzen und 20 bis 22 Wochen leichte Schmerzen. [...]
Aufgrund der Beschädigung des Fahrrads der Klägerin durch den Unfall liegt eine Wertminderung von EUR 300,00 vor. Der Klägerin sind pauschale Unkosten, darin enthalten Heilbehelfe, Fahrten und Selbstbehalte für Therapiekosten und Medikamente, in Höhe von EUR 500,00 entstanden.
Die angefallenen Reparaturkosten zur Behebung der unfallkausal entstandenen Schäden am Beklagtenfahrzeug betrugen EUR 10.733,62. Die Reparaturkosten wurden von der Kaskoversicherung des Beklagtenfahrzeugs, der G*, getragen. Diese trat den Anspruch zum Inkasso bzw zur kompensationsweisen Geltendmachung in diesem Verfahren an den Beklagten ab.
In rechtlicher Hinsicht lastete das Erstgericht einerseits dem Beklagtenlenker einen Verstoß gegen das Gebot des „Fahrens auf Sicht“ gemäß § 20 Abs 1 StVO an. Wenn er auf das erkennbare „nicht normale“ Fahrverhalten der Klägerin mit einer unverzüglichen stärkeren Betriebsbremsung reagiert hätte, so hätte er sein Fahrzeug vor der Querungsstelle der Klägerin noch auf deren Geschwindigkeit kollisionsfrei anpassen können. Andererseits treffe die Klägerin insofern ein massives Mitverschulden, als sie als im Nachrang befindliche Verkehrsteilnehmerin gemäß § 19 Abs 3 StVO in die Vorrangstraße nur einfahren hätte dürfen, wenn sie sich vorher durch gehörige Beobachtung des bevorrangten Verkehrs die Gewissheit verschafft hätte, dass ihr Einfahren bzw Queren ohne Gefährdung oder Behinderung eines bevorrangten Verkehrsteilnehmers möglich sei. Sowohl der Klägerin als auch dem Beklagtenlenker seien daher Schutzgesetzverletzungen anzulasten; jedoch habe die Klägerin die gravierendere Vorrangverletzung begangen, sodass unter Beachtung der von der ständigen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze im Ergebnis eine Verschuldens-teilung von 2:1 zu Lasten der Klägerin gerechtfertigt sei.
Der Klägerin gebührten ein Schmerzengeld von EUR 34.700,00, der Ersatz der Wertminderung des beim Unfall beschädigten Fahrrads von EUR 300,00 sowie pauschale Unkosten von EUR 500,00, insgesamt daher EUR 35.500,00 sA; ein Drittel davon betrage EUR 11.833,33 sA. Dem Beklagten gebühre der Ersatz der Reparaturkosten für die am Beklagtenfahrzeug entstandenen Schäden von insgesamt EUR 10.733,62; zwei Drittel davon betragen EUR 7.155,75. Wenn man vom Ersatzanspruch der Klägerin die zu Recht bestehende Gegenforderung des Beklagten abziehe, ergebe sich ein Ersatzanspruch der Klägerin von letztlich EUR 4.677,58 sA. Darüber hinaus bestehe auch das Feststellungsbegehren im Umfang von einem Drittel zu Recht.
Gegen die stattgebenden Teile dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten (Berufungsinteresse richtig: EUR 9.677,58 sA) aus den Berufungsgründen der unrichtigen bzw unvollständigen Sachverhaltsfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in eine gänzliche Klagsabweisung abzuändern. In eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Darüber hinaus erhebt der Beklagte auch eine Berufung im Kostenpunkt.
Die Klägerin strebt mit ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Die Berufung ist in der Hauptsache teilweise und im Kostenpunkt zur Gänze berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Tatsachenrüge:
1.Um eine Tatsachenrüge ordnungsgemäß auszuführen, muss der Rechtsmittelwerber deutlich zum Ausdruck bringen, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen die begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835; Kodekin Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 471 Rz 15). Im Rahmen einer ordnungsgemäß ausgeführten Tatsachenrüge ist vom Berufungsgericht zu prüfen, ob die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts das Ergebnis einer unrichtigen Würdigung der aufgenommenen Beweise, einer unrichtigen Anwendung von Erfahrungssätzen oder der Heranziehung unzutreffender Erfahrungssätze darstellen ( Pimmer in Fasching/Konecny 3IV/1 § 467 ZPO Rz 39). Dass ein anderer als der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt möglich wäre, reicht nicht aus; maßgeblich ist, ob für die rechtsrichtige Einschätzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ausreichende Gründe bestanden haben ( Klauser/Kodek, JN-ZPO 18§ 467 ZPO E 39/1). Eine Beweisrüge hat darzulegen, dass die getroffenen Feststellungen zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Ergebnisse für andere Feststellungen vorliegen; sie kann nur dann erfolgreich sein, wenn stichhaltige Gründe ins Treffen geführt werden, die erhebliche Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtfertigen ( Klauser/Kodek, aaO E 40/1, E 40/3 und E 40/5).
2.1. Der Beklagte rügt zunächst die Feststellung [F1] und begehrt stattdessen die Feststellung: „Wenn der Lenker des Beklagtenfahrzeugs bereits auf den wackeligen Oberkörper der Klägerin, welche dabei allerdings nicht mit dem Fahrrad schlingerte und ihre Fahrlinie nicht von rechts nach links oder umgekehrt verschwenkte, und was nicht als unklar im Sinne des künftigen Vorhabens oder der Stabilität der Fahrlinie der Klägerin zu deuten war, mit einer stärkeren Betriebsbremsung (mit einer Abbremsung von 4 bis 5 m/sec 2 ) reagiert hätte, …“. Der Beklagte beruft sich dabei auf die Aussage der Zeugin Dr. N** in der mündlichen Verhandlung vom 6. September 2024 (Protokoll ON 30).
2.2. Festzuhalten ist zunächst, dass der Beklagte mit der bekämpften Feststellung [F1] nur einen Halbsatz, nämlich einen Konditionalsatz, bekämpft, nicht jedoch die gesamte vom Erstgericht getroffene Feststellung. Ebenso begehrt der Beklagte lediglich einen Halb- bzw Konditionalsatz als Ersatzfeststellung. Abgesehen davon liegen für die vom Beklagten bekämpfte Feststellung entsprechende Beweisergebnisse vor, insbesondere die Aussage der Zeugin Dr. N*. Diese sagte nämlich ua aus, dass sie gesehen habe, dass die Klägerin mit dem Fahrrad gewackelt habe, jedoch nicht wisse, warum die Klägerin gewackelt habe. Weiters sagte sie aus, dass sie ihrem Gatten sofort gesagt habe, dass er aufpassen solle, weil die Fahrradfahrerin wackle. Und sie sagte aus, dass es vom Zeitpunkt der erstmaligen Wahrnehmung der Fahrradfahrerin bis zur Kollision zwei bis drei Sekunden gedauert habe. Ihr Ehemann sei sofort vom Gas gestiegen und langsamer geworden (Protokoll ON 30.2, 10 f). Später sagte die Zeugin zwar aus, dass ihr Mann sofort eine Vollbremsung gemacht habe; dies korrigierte sie jedoch im Nachhinein, indem sie aussagte, dass sie glaube, dass die Vollbremsung etwas zeitversetzt von der Wegnahme des Gases gewesen sei (ON 30.2, 11). Zusammenfassend sagte sie daher aus, dass ihr Ehemann zuerst nur vom Gas gegangen sei und erst danach – zeitversetzt – eine Vollbremsung eingelegt habe. Dies korrespondiert auch mit ihrer Aussage vor der Polizei am 28. Juli 2022 (unmittelbar nach dem Unfall). Dort sagte die Zeugin aus, dass sie kurz nach der Einfahrt nach rechts in Richtung D* einen Radfahrer wahrgenommen habe, der auf der rechten Straßenseite „etwas wackelig unterwegs“ gewesen sei, obwohl sie sich zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf den Straßenverkehr konzentriert, sondern vielmehr ihre Festspielunterlagen (für den anschließend geplanten Festspielbesuch in K*) sondiert habe (vgl Abschlussbericht der Polizei vom 4. September 2022).
Darüber hinaus hat das Erstgericht – an anderer Stelle (US 6) und unbekämpft – festgestellt: „In Annäherung an die spätere Unfallstelle wurde der Lenker des Beklagtenfahrzeugs von seiner Ehefrau, die Beifahrerin war, gewarnt, dass sich eine Fahrradfahrerin auf dem Fahrstreifen in der Bushaltestelle befinde. Die Klägerin war mit ihrem Fahrrad etwas wackelig unterwegs, ihre Fahrtrichtung war leicht in Richtung der Hauptfahrbahn eingerichtet.“ Dies hatte auch der Beklagtenlenker E* F* als Zeuge so ausgesagt (Protokoll ON 30.2, 5). Die bekämpfte Feststellung ist daher nicht zu beanstanden.
3.1. Weiters wird die Feststellung [F2] auf US 8 vom Beklagten als „unrichtig im Sinn von unvollständig angefochten.“ Es wird anstatt dieser Feststellung folgende „erweiterte Feststellung“ begehrt: „[…] Darüber hinaus hätte die Klägerin aus ihrer Fahrgeschwindigkeit von 10 bis 12 km/h mit einer normalen Betriebsbremsung auch noch bis zum Ende der Bushaltestelle vor dem Eintreffen des Beklagtenfahrzeugs leicht stehen bleiben können. Auch wenn die Klägerin anstelle nach links die Querung vorzunehmen, geradeaus in der Busbucht weitergefahren wäre, hätte sie noch leicht innerhalb der Busbucht den Stillstand finden können. Am Ende der Busbucht befindet sich zudem ein Fahrradunterstellplatz.“ Aus diesen Umständen wäre nach Ansicht des Beklagten die ex ante getroffene Schlussfolgerung des Beklagtenlenkers gerechtfertigt gewesen, der davon ausgegangen sei, dass die Klägerin in der Busbucht bleiben und vor deren Ende innerhalb derselben stehen bleiben würde.
3.2.Mit dieser „Tatsachenrüge“ bekämpft der Beklagte nicht die Feststellung [F2], sondern strebt eine „erweiterte“ bzw in Wahrheit eine zusätzliche Feststellung an; (vermeintliche) sekundäre Feststellungsmängel sind jedoch qualitativ der Rechtsrüge zuzuordnen (RS0043304). Sekundäre Feststellungsmängel kommen nur im Rahmen des Tatsachenvorbringens der jeweiligen Partei und weiters nur dann in Betracht, wenn entscheidungserhebliche Tatsachen nicht festgestellt wurden (RS0053317 [T5]). Wurden aber zu einem bestimmten Thema – wie hier – Feststellungen getroffen, so ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen wurden (RS0053317 [T3]).
Wie unter Punkt 2.2. bereits ausgeführt, hat das Erstgericht auf US 6 unbekämpft festgestellt, dass die Fahrweise der Klägerin nicht nur „etwas wackelig“, sondern ihre Fahrtrichtung leicht nach links in Richtung der Hauptfahrbahn eingerichtet war. Vor diesem Hintergrund muss ein Fahrzeuglenker bei gehöriger Aufmerksamkeit selbst aus einer ex-ante-Sicht davon ausgehen, dass eine leicht in Richtung der Hauptfahrbahn lenkende Radfahrerin diese Hauptfahrbahn (zeitnah) erreichen und befahren wird. Damit kommt es aber auf die vom Beklagten zusätzlich gewünschten Feststellungen, wonach die Klägerin noch innerhalb der Busbucht zum Stillstand hätte kommen können und wonach sich am Ende der Busbucht ein Fahrradunterstellplatz befunden habe, nicht an.
Insgesamt kommt der Tatsachenrüge keine Berechtigung zu.
II. Zur Rechtsrüge:
1. Der Beklagte argumentiert zusammengefasst, dass die Klägerin durch ihr vorrangverletzendes Einfahren auf die Hauptfahrbahn und ihre ebenso vorrangverletzende Querung nach links, ohne dabei ein Handzeichen zu setzen, den Verkehrsunfall verursacht habe. Das Alleinverschulden an der Kollision treffe daher die Klägerin. Der Beklagtenlenker habe das „wackelige Fahrverhalten“ der Klägerin, die überdies nur mit dem Oberkörper gewackelt habe, nicht als Gefahrensituation oder unklare Verkehrssituation wahrnehmen müssen. Er habe daher auch nicht sofort mit einer stärken Betriebsbremsung reagieren müssen, sodass ihn am Zustandekommen der Kollision kein Verschulden treffe. Selbst wenn man ein geringfügiges Verschulden des Beklagtenlenkers annähme, wäre dieses angesichts des gravierenden Verschuldens der Klägerin vernachlässigbar; in eventu wäre die Haftung auf ein Viertel zu beschränken.
2.Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen: Vorauszuschicken ist zunächst, dass eine Rechtsrüge nur dann dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, wenn das angefochtene Urteil unter Zugrundelegung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhalts als unrichtig bekämpft wird (RS0041585). Eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge hat vom festgestellten Sachverhalt auszugehen (vgl RS0043312 ua). Wenn der Beklagte in seiner Rechtsrüge unterstellt, dass nicht das Fahrverhalten der Klägerin insgesamt wackelig war, sondern nur deren Oberkörper gewackelt habe, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist seine Rechtsrüge daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt. Das Erstgericht stellte nämlich auf US 6 (unbekämpft) und auf US 7 fest, dass die Klägerin „mit ihrem Fahrrad etwas wackelig unterwegs“ war bzw ein „wackeliges Fahrverhalten“ an den Tag legte.
3. Soweit der Beklagte als sekundären Feststellungsmangel die zusätzliche Feststellung begehrt, dass die Klägerin aus ihrer Fahrgeschwindigkeit von 10 bis 12 km/h mit einer normalen Betriebsbremsung bis zum Ende der Busbucht vor dem Eintreffen des Beklagtenfahrzeugs leicht stehen bleiben hätte können, ist er auf die Ausführungen zur Tatsachenrüge (Punkt 3.2.) zu verweisen.
Gleiches gilt für den weiters geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel, wonach das Erstgericht die Feststellung unterlassen habe, dass sich am Ende der Busbucht ein Fahrradunterstellplatz befinde, was sich aus der Fotoanlage des Sachverständigen DI O* ergebe (vgl ON 26, Foto A9). Es wurde bereits unter Punkt 3.2. ausgeführt, dass das Erstgericht – aufgrund der Aussage des Zeugen E* F* – unbekämpft feststellte, dass die Klägerin, als sie sich mit ihrem Fahrrad noch in der Busbucht befand, in Annäherung an die spätere Kollisionsstelle ihre Fahrtrichtung leicht nach links in Richtung der Hauptfahrbahn eingerichtet hatte (US 6). Deshalb konnte – und musste – der Beklagtenlenker bei gehöriger Aufmerksamkeit mit der Möglichkeit rechnen, dass die Klägerin mit ihrem Fahrrad auf die Hauptfahrbahn herüberkommen würde. Tatsächlich erkannte der Beklagtenlenker ja auch die gefährliche und unklare Verkehrssituation; andernfalls wäre er nicht etwas vom Gas herunter gegangen und hätte seine Ausgangsgeschwindigkeit nicht von 80 km/h auf ca 65 bis 70 km/h reduziert (US 6). Seine Reaktion fiel aber eben zu schwach aus: Er hätte aufgrund der unklaren Verkehrssituation sofort eine stärkere Betriebsbremsung (mit einer Abbremsung von 4 bis 5 m/sec 2 ) durchführen müssen und hätte so sein Fahrzeug vor der Querungsstelle der Klägerin noch auf deren Geschwindigkeit anpassen und die Kollision verhindern können (US 7; Gutachten DI O* ON 30.2, 15).
4. Diese Verpflichtung ergibt sich für den Beklagtenlenker aus § 20 Abs 1 StVO, wonach der Lenker eines Fahrzeugs die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen so anzupassen hat, dass er keine anderen Straßenbenützer gefährdet oder verletzt. Der Lenker eines Fahrzeugs wird von der grundsätzlichen Verpflichtung, während der Fahrt die vor ihm liegende Fahrbahn in ihrer gesamten Breite einschließlich der beiden Fahrbahnränder und anschließender Verkehrsflächen im Auge zu behalten, durch Wahrnehmung einer unklaren Situation nicht befreit (11 Os 62/63 = ZVR 1963/261). Als Konsequenz der Wahrnehmung einer unklaren Verkehrslage hat der Fahrzeuglenker seine Geschwindigkeit sofortdieser Situation anzupassen, das heißt sie soweit herabzusetzen, dass es ihm möglich ist, bei Erkennen eines Hindernisses vor diesem und ohne Gefährdung von Personen sein Fahrzeug anzuhalten oder allenfalls das Hindernis zu umfahren (11 Os 83/63 = ZVR 1964/96; ähnlich 11 Os 73/65 = KJ 1965, 92; RS0074601). Dabei kann der Beobachtung der angrenzenden Flächen nicht weniger Bedeutung zugemessen werden als der Fahrbahn selbst, weil Hindernisse, die von angrenzenden Flächen auf die Fahrbahn gelangen, ebenso gefährlich sein können wie solche, die sich bereits auf der Fahrbahn befinden (2 Ob 103, 104/72 = ZVR 1974/86; RS0074644). Dem Lenker des Beklagtenfahrzeugs ist daher jedenfalls ein Verstoß gegen das Gebot des „Fahrens auf Sicht“ gemäß § 20 Abs 1 StVO anzulasten.
5.Bei der Gewichtung dieses Verstoßes ist zu berücksichtigen, dass der Vertrauensgrundsatz dadurch eingeschränkt wird, dass ein Verkehrsteilnehmer, der das vorschriftswidrige Verhalten des anderen – wie hier – erkannte, nicht darauf vertrauen darf, dass sich dieser in weiterer Folge doch noch richtig verhalten werde. Vielmehr ist er verpflichtet, der sich daraus ergebenden Gefahr sofort zu begegnen und alles zu tun, um einen Schaden zu vermeiden oder die Auswirkungen dieser Gefahr möglichst herabzusetzen (RS0073429). Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Kraftfahrzeug-Halter die beträchtliche, von seinem Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr zu vertreten und muss sich diese auf seinen Ersatzanspruch gegen einen nach Verschuldensgrundsätzen haftenden Verkehrsteilnehmer anrechnen lassen (RS0027224). In diesem Sinn hat der OGH zu 2 Ob 116/81 auf eine Verschuldensteilung von 2:1 zu Lasten einer Radfahrerin erkannt, die die Vorrangregel verletzte und von einem Pkw-Lenker niedergestoßen wurde, der die Betriebsgefahr des mit 60 km/h fahrenden Kfz zu vertreten hatte (veröffentlicht in ZVR 1982/184; ebenso OGH 13.7.1982 = ZVR 1983/74; vgl auch 2 Ob 2348/96z und die vom Erstgericht zitierte Entscheidung 2 Ob 268/67).
Wenn das Erstgericht vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung den Verstoß des Beklagtenlenkers im Rahmen der Verschuldensteilung im Verhältnis von 2:1 zu Lasten der Klägerin gewichtete, ist dies nach Ansicht des Berufungsgerichts im Ergebnis nicht korrekturbedürftig.
6. Zutreffend releviert der Beklagte jedoch am Ende seiner Rechtsrüge, dass die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts insofern unrichtig sei, als es im Rahmen des Feststellungs-begehrens die Haftung des Beklagten im Umfang von einem Drittel nicht auf die zum Unfallszeitpunkt für das Beklagtenfahrzeug gültige gesetzliche österreichische Mindestversicherungssumme beschränkt habe. Das diesbezügliche Vorbringen habe er bereits in der Klagebeantwortung erstattet.
Dieser Hinweis des Beklagten ist zutreffend: Schon im Antrag des Haftpflichtversicherers und/oder des Halters auf Abweisung des Klagebegehrens ist auch ein Antrag auf Einschränkung der Haftung auf die Höchstbeträge gemäß § 15 EKHG zu sehen (2 Ob 296/99i). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte dies sogar ausdrücklich in seiner Klagebeantwortung eingewendet (ON 3, S 3). Diese Beschränkung ist im Spruch der Entscheidung über das Feststellungsbegehren zum Ausdruck zu bringen (RS0039011). Ergänzend dazu ist auszuführen, dass nach dem Londoner Abkommen über die Einführung des „Grüne-Karte-Systems“ durch die in der „Grünen Karte“ erklärte Einstandsgarantie des behandelnden Büros (Abwicklungsbüro in dem besuchten Land) die geschädigte Person so gestellt werden soll, als ob ihr der Schaden von einem inländischen, zu den gesetzlichen Mindestversicherungssummen versicherten Kraftfahrer zugefügt worden wäre (RS0065673 [T1]).
In diesem Sinn war die Haftung des Beklagten im Rahmen des Feststellungsbegehrens nicht nur im Umfang von einem Drittel, sondern auch mit den Haftungshöchstbeträgen nach § 15 EKHG zu begrenzen. Das Feststellungsmehrbegehren im Umfang von weiteren zwei Dritteln sowie das Feststellungsmehrbegehren, die Haftung des Beklagten ohne die Beschränkung auf die Haftungshöchstbeträge nach § 15 EKHG auszusprechen, waren daher abzuweisen (vgl 2 Ob 142/03a).
III. Zur Berufung im Kostenpunkt:
1. Der Beklagte begehrt, die Klägerin schuldig zu erkennen, ihm EUR 14.127,17 an Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen. Ausgehend von einem (vermeintlichen) erstinstanzlichen Kostenzuspruch von EUR 13.245,42 ergebe dies ein „Kostenrekursinteresse“ von EUR 881,75.
2. Dabei übersieht der Beklagte jedoch, dass das Erstgericht ihm (allein) für den ersten Verfahrensabschnitt EUR 13.245,42 zugesprochen hat (US 15 unten), insgesamt aber EUR 13.782,54 (US 1). Die Differenz beträgt daher richtig nur EUR 344,63. Im Übrigen zeigt der Beklagte zutreffend auf, dass das Erstgericht für den 2. Verfahrensabschnitt eine zu geringe Bemessungsgrundlage zugrunde legte: EUR 36.920,00 anstatt richtig EUR 51.920,00 (inkl. Feststellungsinteresse). Ausgehend von dieser Bemessungsgrundlage obsiegte der Beklagte im 2. Verfahrensabschnitt mit ca 81% und hat daher Anspruch auf 62% seiner Verfahrenskosten (= EUR 1.109,75 brutto); davon sind 19% der von der Klägerin in diesem Verfahrensabschnitt allein getragenen Barauslagen (SV-Gebühren für Dr. P* von EUR 1.200,00 x 19% = EUR 228,00) abzuziehen. Der Beklagte hat daher im 2. Verfahrensabschnitt einen Kostenersatzanspruch von brutto EUR 881,75 und insgesamt einen solchen von brutto EUR 14.127,17.
IV.Im Ergebnis war der Berufung in der Hauptsache daher teilweise – im Sinn einer Beschränkung des Ausspruchs der Haftung des Beklagten im Umfang von einem Drittel mit den Haftungshöchstbeträgen nach § 15 EKHG – Folge zu geben. Auf die erstinstanzliche Kostenentscheidung hat dies mangels Verursachung eines zusätzlichen Verfahrensaufwands keine Auswirkung.
Der Berufung im Kostenpunkt war zur Gänze Folge zu geben (siehe Punkt III.).
V.Bei Erhebung einer Gegenforderung – wie hier – sieht § 545 Abs 3 Geo einen dreigliedrigen Urteilsspruch vor (vgl RS0040823; vgl Rechberger/Klickain Rechberger/Klicka, ZPO 5§§ 391-392 Rz 13). Auch wenn das Erstgericht eine ausdrückliche Entscheidung über die Gegenforderung im Spruch seines Urteils unterlassen hat, ist zu beachten, dass es in seinen Entscheidungsgründen über die eingewendete Gegenforderung entschieden hat (vgl US 10 und 14). In diesem Umfang war das angefochtene Urteil mit der Maßgabe wie im Urteilsspruch zu bestätigen (vgl RS0040669).
VI.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens in der Hauptsache stützt sich auf die §§ 50 und 43 Abs 2 ZPO. Der Beklagte ist nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Berufungsbegehrens (Beschränkung der Haftung auf den gesetztlichen Höchstbetrag) durchgedrungen (vgl 2 Ob 75/02x, OLG Linz 3 R 55/23p; OLG Innsbruck 5 R 22/23h). Die Kosten für die Berufungsbeantwortung konnten der Klägerin jedoch nur auf Basis des tatsächlichen Berufungsinteresses zugesprochen werden: Zuspruch von EUR 4.677,58 sA + ein Drittel des mit EUR 15.000,00 bewerteten Feststellungsbegehrens (= EUR 5.000,00) = EUR 9.677,58 sA.
Dagegen ist der Beklagte mit seiner Berufung im Kostenpunkt zur Gänze erfolgreich; jedoch nur auf Basis der tatsächlichen Differenz zwischen den begehrten (EUR 14.127,17) und den vom Erstgericht zugesprochenen Kosten (EUR 13.782,54), somit auf Basis von EUR 344,63.
Der Kostenersatzanspruch der Klägerin für die Berufungsbeantwortung war mit jenem des Beklagten für die im Kostenpunkt erfolgreiche Berufung zu saldieren, was den im Spruch ersichtlichen Kostenersatz an die Klägerin ergibt.
VII.Dem Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands gemäß § 500 Abs 2 Z 1 lit b ZPO liegt die Überlegung zugrunde, dass der Klägerin aus dem Unfall vom 28. Juli 2022 in Zukunft noch (weitere) Schäden entstehen könnten, deren Wert höher anzusetzen ist als das von ihr angegebene Interesse an ihrem Feststellungsbegehren.
VIII.Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt und auch sonst keine Rechtsfragen von der nach § 502 Abs 1 ZPO geforderten Bedeutung zu entscheiden waren.