JudikaturOLG Linz

4R152/24m – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
05. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , FN **, ** Straße **, vertreten durch die Winternitz Rechtsanwalt GmbH Co KG in Wien, gegen die Beklagte B* GmbH , FN **, **-Platz **, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts-GmbH in Linz, wegen (ausgedehnt) EUR 137.856,00 sA , hier wegen Ablehnung des Sachverständigen, über die Rekurse der Beklagten gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Linz vom 28. März 2024 und vom 21. August 2024, GZ*, ON 54 und 63, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Beiden Rekursen wird keine Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 2.427,18 (darin enthalten EUR 404,53 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionrekurs ist jeweils jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Das Erstgericht bestellte mit dem in der Tagsatzung am 5. Dezember 2022 verkündeten Beschluss DI C* zum Sachverständigen (ON 13). Mit Beschluss vom 25. Jänner 2023 (ON 20) trug es diesem auf, binnen drei Monaten ein schriftliches Gutachten „zu den wechselseitigen Parteivorbringen“ sowie zu vier im Einzelnen angeführten Fragen (S 1/ON 20) zu erstatten. Gleichzeitig ermöglichte das Erstgericht dem Sachverständigen den Zugriff auf den gesamten Inhalt des digital geführten Aktes, einschließlich der von den Parteien (per ERV) übermittelten Urkunden (aaO).

Bereits zuvor hatte die Beklagte allerdings mit Schriftsatz vom 16. Jänner 2023 (ON 17) ergänzendes Vorbringen erstattet und sich dabei auf weitere Urkunden (Beil ./11 bis ./50) bezogen, die sie nicht mittels ERV übermittelte, sondern auf zwei USB-Datenträgern speicherte, die sie in der Folge an das Erstgericht übersandte. Diese langten dort auch ein (siehe die entsprechenden Vermerke auf ON 18). Das Erstgericht übernahm (zunächst) weder die auf den USB-Datenträgern gespeicherten Dateien in den digitalen Akt noch stellte es die USB-Datenträger dem Sachverständigen zur Verfügung.

Am 30. Mai 2023 übermittelte der Sachverständige dem Erstgericht sein Gutachten (ON 27), in dem er auch auf die – ihm gar nicht vorliegenden – Urkunden der Beklagten Bezug nahm.

In der Folge erfuhr die Beklagte, die bis dahin irrtümlich der Ansicht war, sie selbst habe dem Sachverständigen die Urkunden mittels eines „Download-Links“ zur Verfügung gestellt (tatsächlich betraf das den Sachverständigen in einem zwischen den Parteien anhängigen „Parallel-Verfahren“, siehe S 3 f/ON 39), anlässlich der von ihr beantragten Erörterung des Gutachtens, dass der Sachverständige das Gutachten ohne Kenntnis des Inhalts der von ihr weiters vorgelegten Urkunden erstattet hatte. Daraufhin lehnte sie – neben der damals verfahrensführenden Erstrichterin – den Sachverständigen als befangen ab (ON 39). Ihre (mitunter weitwendige und redundante) Begründung lässt sich dahin zusammenfassen, dass der Umstand, dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens 40 Urkunden der Beklagten nicht berücksichtigt habe, „unzweifelhaft“ ausreiche, um die Objektivität bzw Unparteilichkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen. Es handle sich dabei – insbesondere vor dem Hintergrund des „Bedeutungsgehalts“ der Urkunden – um einen schwerwiegenden Verfahrensverstoß, der nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Ablehnung als gerechtfertigt erscheinen lasse, zumal der Sachverständige ohne jeglichen sachlichen Grund zum Nachteil der Beklagten agiert habe.

Sowohl der Sachverständige als auch die Klägerin verneinten in ihren Äußerungen jeden Anschein einer Befangenheit und traten daher dem Ablehnungsantrag entgegen (ON 45 und 53).

Mit dem (ersten) von der Beklagten angefochtenen Beschluss vom 28. März 2024 (ON 54) verwarf das Erstgerichtden Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen und verpflichtete die Beklagte zum Ersatz der Kosten des Zwischenstreits. Es vertrat – nach Wiedergabe des Parteivorbringens und der Rechtsprechung zu den Gründen für die Ablehnung eines Sachverständigen (worauf gemäß § 500a ZPO iVm § 526 Abs 3 ZPO verwiesen werden kann) – die Ansicht, dass dem Sachverständigen das Fehlen der Urkunden „bei Ermittlung des notwendigen Sachverhalts“ zwar auffallen hätte können. Dieser Umstand allein begründe jedoch keine Befangenheit des Sachverständigen, sondern beruhe auf einem Versehen aufgrund der vom Gericht versehentlich nicht veranlassten Übermittlung der Urkunden an den Sachverständigen. Der Sachverständige führe zwar in seinem Gutachten an mehreren Stellen die Urkunden Beklagten an, wodurch der Eindruck entstehe, dass er diese Urkunden berücksichtigt habe. Es sei jedoch zu beachten, dass der Sachverständige hierbei auf den Schriftsatz der Beklagten vom 16. Jänner 2023 (ON 17) eingehe und deren dortiges Vorbringen offenbar seinem Gutachten zugrunde lege, ohne die Urkunden, welche die Beklagte zum Beweis dieses Vorbringens vorgelegt habe, gekannt zu haben. Der Sachverständige sei daher offenbar davon ausgegangen, dass diese Beweisanbote das Vorbringen der Beklagten hinreichend belegen können. Eine einseitige Gutachtenserstellung sei daher, auch wenn das bisherige Gutachten noch ungenügend sei, nicht zu erkennen. Vielmehr handle es sich bei der Nichtberücksichtigung der Beilagen ./11 bis ./50 nur um eine Unachtsamkeit des Sachverständigen.

In weiterer Folge übermittelte der Sachverständige ein – unter Berücksichtigung der Urkunden verfasstes – Ergänzungsgutachten an das Gericht (ON 56), das dieses den Parteien zustellte.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Sachverständigen mit Schriftsatz vom 19. Juli 2024 (der darüber hinaus einen Antrag auf Gutachtenserörterung sowie eine Äußerung zu den beanspruchten Gebühren enthält) erneut ab. Ihre umfangreiche Begründung reduziert sich im Kern darauf, dass „die vermeintliche Gutachtensergänzung bloß minimalste und absolut unwesentliche textliche bzw semantische Änderungen beim Befund enthalte“. Es fänden sich darin jedoch keinerlei inhaltliche Modifikationen oder Ergänzungen. De facto habe der Sachverständige die Urkunden Beil ./11 bis ./50 somit in keiner Form inhaltlich gewürdigt. Es sei „vollkommen ausgeschlossen“, dass diese 40 Urkunden bei objektiver und nicht voreingenommener Würdigung keinen Unterschied für die gutachterliche Stellungnahme machen würden. Offenkundig habe der Sachverständige willkürlich sein Gutachten schlicht nicht abändern wollen, um nicht aufdecken zu müssen, dass sein Erstgutachten auf einer völlig einseitigen Gutachtenserstattung beruht habe und deshalb zu unrichtigen Ergebnissen gelangt sei. Alleine dieser Umstand begründe den objektiven Anschein der Befangenheit. Hinzu komme, dass der Sachverständige auch die von der Beklagten angebotenen „Personalbeweise“ schlicht übergehe. Abermals ohne sachliche Rechtfertigung habe er sich einseitig über diese hinweggesetzt und sich dabei nicht einmal bemüßigt gefühlt, den Grund dafür zu erläutern. Außerdem habe der Sachverständige auch keine nachvollziehbare Methodik dargelegt, anhand derer er die Ergänzungen im Gutachten vorgenommen habe. Die Einbeziehung von Beweisen sei vielmehr völlig willkürlich und einseitig erfolgt. In einer Gesamtschau (auch unter Berücksichtigung der Vorgehensweise des Sachverständigen bei der Erstattung des „Erstgutachtens“) sei daher von einer Befangenheit, zumindest jedoch vom Anschein einer solchen, auszugehen.

Sowohl der Sachverständige als auch die Klägerin verneinten in ihren Äußerungen neuerlich jeden Anschein einer Befangenheit des Sachverständigen und traten daher auch dem weiteren Ablehnungsantrag entgegen (ON 61 und 62).

Mit dem (zweiten) von der Beklagten angefochtenen Beschluss vom 21. August 2024 (ON 63) verwarf das Erstgericht auch den weiteren Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen und verpflichtete die Beklagte wiederum zum Ersatz der Kosten des Zwischenstreits. Es führte aus, der Sachverständige habe nunmehr die weiteren von der Beklagten vorgelegten Urkunden berücksichtigt. Es sei durchaus plausibel, dass sich nach deren Durchsicht keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen ergeben hätten, zumal der Sachverständig bereits in seinem ersten Gutachten das Vorbringen der Beklagten (das durch die weiteren Urkunden belegt werde) berücksichtigt habe. Von einer „einseitigen Gutachtenserstellung oder einer Nichteinhaltung des Gutachtensauftrags“ sei daher nicht auszugehen. Soweit die Beklagte meine, der Sachverständige habe das Gutachten ohne die erforderliche Aufnahme von Personalbeweisen erstattet, sei auszuführen, dass der Sachverständige laut Gutachtensauftrag Leistungsverzeichnisse und Planungsunterlagen zu überprüfen gehabt habe. An diesen Gutachtensauftrag habe er sich auch gehalten und außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Ergebnis des Gutachtens ändern könne, falls sich durch das weitere Beweisverfahren Abweichungen ergeben sollten. Ein objektiver Anschein einer Befangenheit liege daher nicht vor.

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2024 bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen für das Ergänzungsgutachten mit EUR 2.832,00 (ON 68).

Dagegen erhob die Beklagte Rekurs, den sie mit Rekursen gegen die beiden Beschlüsse, mit denen das Erstgericht ihre Ablehnungsanträge verwarf, verband (ON 69). In ihren – hier zu behandelnden – Rekursen gegen die Verwerfung ihrer Ablehnungsanträge macht sie jeweils den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragt die Abänderung der Beschlüsse dahin, dass ihren Anträgen stattgegeben, die Befangenheit des Sachverständigen DI C* ausgesprochen und dieser von seiner Funktion enthoben werde.

Die Klägerin beantragt in ihren Rekursbeantwortungen, den Rekursen keine Folge zu geben.

Der Sachverständige hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass in der Folge vereinfachend der Rekurs gegen den Beschluss ON 54 als erster, jener gegen den Beschluss ON 63 als zweiter Rekurs bezeichnet wird.

1. Zur Zulässigkeit der Rekurse:

Gemäß § 366 Abs 1 ZPO ist die abgesonderte Anfechtung von Beschlüssen, mit denen – wie hier – die Ablehnung eines Sachverständigen verworfen wird, nicht zulässig. In solchen Fällen können die Parteien ihren vorbehaltenen Rekurs mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel verbinden (§ 515 ZPO).

Die Klägerin vertritt in ihren Rekursbeantwortungen die Ansicht, dass zumindest der erste Rekurs unzulässig sei, weil das Erstgericht zwischenzeitig mit Beschluss den Erlag eines Kostenvorschusses aufgetragen hatte. Diesen Erlagsauftrag hätte die Beklagte gemäß § 332 Satz 2 ZPO hinsichtlich der Höhe bekämpfen können, weshalb es sich beim Gebührenbestimmungsbeschluss – mit dem die Beklagte ihre Rekurse verbunden habe – nicht mehr um die „nächstfolgende bekämpfbare Entscheidung“ im Sinn des § 515 ZPO handle.

§ 515 ZPO stellt allerdings auf die Verbindung des vorbehaltenen Rekurses mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung tatsächlich eingebrachten Rechtsmittel, nicht aber auf die nächste, zumindest abstrakt betrachtet anfechtbare Entscheidung ab ( Sloboda in Fasching/Konecny 3IV/1 § 515 ZPO Rz 4 mwN; vgl 9 Ob 27/18p). Die Ausführungen der Klägerin treffen daher nicht zu.

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass eine nicht im eigentlichen Rechtsstreit, sondern in einem separaten Verfahren ergehende Entscheidung nicht als nächstfolgende anfechtbare Entscheidung gemäß § 515 ZPO angesehen werden kann. Eine Beschlussfassung im Ablehnungsverfahren eröffnet daher etwa keine Möglichkeit zur Erhebung eines vorbehaltenen Rekurses im Hauptverfahren ( Sloboda, aaO Rz 6). Insoweit hat jedoch der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass das Verfahren über die Bestimmung von Sachverständigengebühren nicht als separates Verfahren in diesem Sinn anzusehen ist (3 Ob 212/22f; aA noch 6 Ob 35/13k).

Die Beklagte konnte daher ihre Rekurse gegen die Beschlüsse im Ablehnungsverfahren mit dem Rekurs gegen den Gebührenbestimmungsbeschluss verbinden, weshalb beide Rekurse zulässig sind.

2. Zum Inhalt der Rekurse:

Das Rekursgericht erachtet die Rechtsmittelausführungen in beiden Rekursen nicht für stichhaltig, sondern die damit bekämpften Entscheidungsgründe beider Beschlüsse für zutreffend, weshalb eine kurze Begründung genügt (§ 500a ZPO iVm § 526 Abs 3 ZPO).

2.1. Gemäß § 355 Abs 1 ZPO können Sachverständige aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Ein Richter oder Sachverständiger ist befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiven Merkmalen rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dabei genügt die Besorgnis, dass bei der Entscheidungsfindung andere als rein sachliche Überlegungen eine Rolle spielen könnten (RS0046024). Es reicht bereits aus, dass die Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte (RS0045949 [T2]; Ballon in Fasching/Konecny 3I § 19 JN Rz 5 mwN).

2.2. Befangenheit ist mit anderen Worten nicht erst bei Vorliegen einer tatsächlichen subjektiven Befangenheit im Sinn einer Hemmung der Unparteilichkeit durch unsachliche psychologische Motive („subjektive Parteilichkeit“) gegeben, sondern bereits dann, wenn besondere äußere Umstände gegeben sind, die einen neutralen Außenstehenden begründeterweise an der Unparteilichkeit zweifeln lassen können („objektive Parteilichkeit“); entscheidend ist also der bei objektiver Betrachtungsweise gegebene äußere Anschein, dass das Vorgehen von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten geleitet sein könnte (RS0046052 [T2, T10]; RS0045949 [T2 T6]); Gerechtigkeit soll nämlich nicht nur geübt, sondern auch sichtbar geübt werden (RS0109379 [T4]; RS0046052 [T15]).

2.3. Gerade im Interesse des Ansehens der Justiz selbst ist bei der Prüfung der Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen, was bedeutet, dass die Befangenheit nicht restriktiv auszulegen ist, sondern dass im Zweifelsfall Befangenheit anzunehmen sein wird (RS0045975 [T15]; RS0046024 [T13]). Ungeachtet dessen muss sich die (bloße) Befürchtung einer Befangenheit stets auf konkrete Umstände stützen, die im Zusammenhang mit dem konkreten Verfahren und dessen Parteien stehen (RS0045975 [T10]). Als solche Umstände, die nach objektiven Gesichtspunkten berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit begründen können, kommen insbesondere private Beziehungen zu einer Prozesspartei oder deren Vertreter in Betracht, die über einen reinen kollegialen Kontakt hinausgehen (RS0045935), aber auch ein entsprechendes Naheverhältnis zu einer Person, die zu einer der Verfahrensparteien eine eindeutige Nahebeziehung aufweist und mit dem Verfahren befasst ist oder war (RS0045935 [T21]; ua 1 Ob 144/22s).

2.4. Verfahrensmängel als solche vermögen hingegen in der Regel nicht die Befangenheit des Gerichtes bzw eines Sachverständigen darzutun (vgl RS0046090). Sie können den Anschein der Befangenheit begründen, wenn es sich dabei um schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze handelt, die an der Objektivität des Richters bzw des Sachverständigen mit Grund zweifeln lassen (vgl RS0046090 [T7]).

2.5. Vor diesem Hintergrund ist der Beklagten zwar grundsätzlich zuzustimmen, dass es Sache des Sachverständigen gewesen wäre, die vorgelegten Urkunden zu sichten und – wenn er dabei deren Fehlen bemerkt – sich zumindest nach deren Verbleib zu erkundigen. Allerdings hat der Sachverständige in seiner Äußerung darauf hingewiesen, dass er die im Schriftsatz der Beklagten enthaltenen Behauptungen, in deren Zusammenhang die Beklagte die Urkunden vorlegte, dem Gutachten zugrunde gelegt hat. Ausgehend davon ist dem Erstgericht zuzustimmen, dass insoweit auch nicht vom bloßen Anschein einer Befangenheit ausgegangen werden kann. Selbst wenn die Einschätzung des Sachverständigen sozusagen „voreilig“ gewesen sein sollte und sich aus den Urkunden – so wie die Beklagte meint –weitere Aufschlüsse (insbesondere zum Informationsfluss zwischen der Beklagten und der Klägerin) ergeben sollten, wird dadurch noch kein Anschein einer Befangenheit begründet. Denn der Umstand, dass ein Sachverständiger Behauptungen einer Partei (ohne zureichende Verifikation) als stichhaltig erachtet, kann schon von vornherein keine Voreingenommenheit zu Lasten dieser Partei darstellen. Das gilt selbst dann, wenn er den Sinngehalt der Behauptungen falsch oder zumindest unzureichend erfasst haben sollte. Die Argumentation im (ersten) Rekurs, die im Endeffekt diesen Umstand releviert und ansonsten lediglich wortreich versucht, das – nach der Ansicht der Beklagten gravierende – Gewicht dieses „Fehlverhaltens“ des Sachverständigen zu untermauern, ist daher nicht zielführend. Insbesondere greift es auch zu kurz, wenn die Beklagte dem Argument des Erstgerichts entgegenhält, es sei gar nicht möglich, dass der Sachverständige anstelle der Urkunden das Vorbringen der Beklagten berücksichtigt habe, weil er dann zu dem Ergebnis kommen hätte müssen, dass der Honoraranspruch der Klägerin zu verneinen gewesen wäre. Dieser Schluss ist zu pauschal und vereinfachend und daher unzutreffend. Es ist nämlich grundsätzlich durchaus denkbar, dass auch ausgehend von den Tatsachenbehauptungen der Beklagten (insbesondere zu den Informationen, die sie der Klägerin zwecks Erstellung der Leistungsverzeichnisse zukommen hat lassen), der Honoraranspruch der Klägerin dennoch besteht.

2.6. Gleiches gilt, wenn die Beklagte in ihrem (zweiten) Rekurs im Ergebnis darauf abstellt, dass sich die Voreingenommenheit des Sachverständigen spätestens dadurch zeige, dass er in seinem Ergänzungsgutachten trotz nunmehriger Berücksichtigung der weiteren Urkunden im Wesentlichen zu denselben Schlüssen gelangt sei und lediglich geringfügige „semantische bzw textliche“ Änderungen vorgenommen habe. Für ihre Sichtweise, es sei „ausgeschlossen“, dass die Urkunden keine Änderungen bewirkten, bietet die Beklagte kein zwingendes Argument, zumal es ihr nicht gelingt, bestimmte Urkundeninhalte aufzuzeigen, die (nach allgemeinen Erfahrungssätzen) denklogisch zwingend eine Abänderung der gutachterlichen Schlussfolgerungen erfordert hätten (vgl S 14 ff/ON 69). Vielmehr kann letztendlich nur im Beweisverfahren geklärt werden, ob die gutachterlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen auch unter Berücksichtigung der Urkunden verlässlich bzw plausibel sind. Daher ist für die Beklagte im Hinblick auf eine Befangenheit nichts zu gewinnen, wenn sie unter Bezugnahme auf bestimmte Urkundeninhalte ihrer Ansicht nach unzutreffende Punkte herauszuarbeiten versucht. Für einen Anschein einer Befangenheit ergeben sich daraus nicht einmal im Ansatz ausreichende Anhaltspunkte.

2.7. Einen Anschein einer Befangenheit kann die Beklagte auch nicht dadurch aufzeigen, dass der Sachverständige – ihrer Ansicht nach – ohne sachliche Rechtfertigung Kritikpunkte an seinem Gutachten übergangen und keine nachvollziehbare Methodik dargelegt habe, anhand derer er die Ergänzungen vorgenommen habe. Auch das sind letztendlich Punkte, die möglicherweise zu Bedenken gegen die Richtigkeit der gutachterlichen Schlüsse führen können, nicht jedoch zu einem Anschein einer Befangenheit.

2.8. Soweit die Beklagte hinzufügt, der Sachverständige habe – bei seinem Ergänzungsgutachten – unsachliche psychologische Motive verfolgt, und zwar die „Erhaltung seiner Eigeninteressen an der Vertuschung seiner Schlechtleistungen“ (S 18/ON 69) handelt es sich um rein plakative Vorwürfe ohne (zusätzliches) argumentatives Substrat, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.

2.9. Schließlich ist dem Erstgericht weiters insoweit zuzustimmen, dass ein Anschein einer Befangenheit auch nicht daraus resultiert, dass der Sachverständige die von der Beklagten angebotenen Personalbeweise „übergangen“ bzw zumindest nicht auf die Notwendigkeit ihrer Einholung hingewiesen habe. Unabhängig davon, wie der Gutachtensauftrag tatsächlich gemeint war, kann er – objektiv – jedenfalls auch in dem Sinn verstanden werden, dass das Gutachten zunächst nur aufgrund der Urkunden erstattet werden soll (auch die nunmehrige Erstrichterin versteht den von ihrer „Vorgängerin“ verfassten Auftrag offenbar so, dass tatsächlich nur die Urkunden Ausgangsbasis des Gutachtens sein sollten, vgl S 7f/ON 63). Soweit die Beklagte in ihrem (zweiten) Rekurs mit dem Wortlaut des Auftrags argumentiert, ist auch das nicht zielführend, weil dieser jedenfalls nicht derartig eindeutig ist, dass eine andere Sichtweise nicht mehr nur als allfälliges Missverständnis gewertet werden könnte, sondern als Ausdruck (des Anscheins) einer Befangenheit angesehen werden müsste.

Zusammengefasst gelingt es der Beklagten somit nicht, zumindest das Vorliegen eines (objektiven) Anscheins der Befangenheit des Sachverständigen aufzuzeigen, weshalb beiden Rekursen ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Das Ablehnungsverfahren gegen einen Sachverständigen stellt einen in das Hauptverfahren eingebetteten Zwischenstreit dar (7 Ob 64/05w, 4 Ob 106/04y), über dessen Kosten gesondert zu entscheiden ist (OLG Innsbruck 3 R 66/23i; OLG Graz 4 R 149/23y; idS bereits OLG Linz 1 R 133/22t und 4 R 152/23k; zur Qualifikation des Ablehnungsverfahrens gegen Richter als Zwischenstreit siehe M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3II/1 § 48 Rz 15; grundlegend 4 Ob 143/10y; weiters 2 Ob 43/11d ua). Die Beklagte hat der obsiegenden Klägerin, die sich (auch) im Rechtsmittelverfahren durch Erstattung von Rekursbeantwortungen auf den Zwischenstreit eingelassen hat, die Kosten ihrer Rekursbeantwortungen zu ersetzen. Die Klägerin hat insoweit zutreffend auch nur die Kosten für eine Rekursbeantwortung verzeichnet, weil es sich zwar um zwei Rekurse bzw Rekursbeantwortungen handelte, diese aber gemäß § 22 RATG zu verbinden sind.

Die Revisionsrekurse sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.