JudikaturOLG Innsbruck

4R110/25w – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
Vertragsrecht
30. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Prantl als Vorsitzende sowie die Richterin und den Richter des Oberlandesgerichts Mag. Ladner-Walch und Mag. Eppacher als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , Elektriker, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, wider die B* Limited , Malta, vertreten durch BK. Partners Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in 1070 Wien, wegen EUR 20.338,94 s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 20.338,94) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.6.2025, **-15, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird keine Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen zu Handen der Klagsvertretung die mit EUR 2.351,52 (darin EUR 391,92 an USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte, eine Gesellschaft nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta, verfügt in Österreich bis dato über keine Glücksspiellizenz nach dem GSpG. Von der Maltesischen Glücksspielbehörde wurde ihr hingegen eine Glücksspiellizenz erteilt. Sie betreibt eine Plattform, über die der Kläger im Zeitraum vom 6.1.2021 bis 10.1.2022bei Online-Glücksspielen im Sinne des § 1 Abs 1 GSpG, die nicht in den Ausnahmebereich des § 4 GSpG fallen, einen Verlust von EUR 20.338,94 erlitt.

Von diesem Sachverhalt ist im Berufungsverfahren auszugehen (§ 498 Abs 1 ZPO).

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung seiner Spielverluste samt 4 % Zinsen seit 11.1.2022. Die von ihm mit der Beklagten geschlossenen Glücksspielverträge seien unerlaubt und daher nichtig, weswegen die Spieleinsätze bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden könnten.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, sie habe in Österreich zulässigerweise auf Basis ihrer gültigen maltesischen Glücksspiellizenz Online-Glücksspiele angeboten. Das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig, sodass die zwischen den Streitteilen geschlossenen Verträge jedenfalls wirksam zustande gekommen seien. Die Ausspielungen der Beklagten unterlägen im Übrigen ohnedies maltesischem Sachrecht, das keinen Rückforderungsanspruch vorsehe. Zinsen stünden in jedem Fall erst ab dem Tag der Klagszustellung zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Basis des eingangs festgestellten Sachverhalts in der Hauptsache zur Gänze samt 4 % Zinsen seit 15.1.2025 statt. Ein Zinsenmehrbegehren von 4 % Zinsen aus EUR 20.338,94 vom 11.1.2022 bis 14.1.2025 wies es hingegen ab. Das Erstgericht ging erkennbar von der Anwendung österreichischen Sachrechts aus und bejahte die Unionskonformität des österreichischen Glücksspielrechts. Die erlittenen Spielverluste seien rückforderbar, weil die Beklagte über keine österreichische Glücksspielkonzession verfüge, was zur Nichtigkeit der zugrundeliegenden Verträge führe.

Die Abweisung des Zinsenmehrbegehrens erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Gegen den klagsstattgebenden Teil richtet sich die Berufung der Beklagten , die gestützt auf die Rechtsmittelgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung eine Abänderung des angefochtenen Urteils, eventualiter nach Verfahrensergänzung, im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung anstrebt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In seiner Berufungsbeantwortung beantragt der Kläger, dem Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nicht öffentlicher Sitzung entschieden werden kann, ist nicht berechtigt.

1.Die Anwendbarkeit von materiellem österreichischen Recht (vgl etwa 7 Ob 150/24w; 6 Ob 157/24t) wird von der Berufung genauso wenig in Frage gestellt wie die Höhe des Klagebegehrens.

2. Die Verfahrensrüge kritisiert die unterbliebene Einholung eines von der Beklagten angebotenen Sachverständigengutachtens aus den Fachbereichen Marktforschung und Werbepsychologie zum Beweis dafür, dass die Werbemaßnahmen der Monopolisten im klagsgegenständlichen Zeitraum Verbrauchern hohe Gewinne in Aussicht gestellt, die Risiken des Glücksspiels verharmlost hätten und darauf ausgerichtet gewesen seien, insbesondere auch Neukunden zu akquirieren und somit den Glücksspielmarkt in Österreich zu erweitern, was wiederum dem vorgeschützten Spielerschutzargument zur Rechtfertigung des österreichischen Glücksspielmonopols zuwiderlaufe.

2.1Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist nur dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RS0043049; RS0043027). Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ist dies aber nicht der Fall, weil die Unionskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols für den verfahrensrelevanten Zeitraum zu bejahen ist.

3. In der Rechtsrüge releviert die Berufungswerberin die Frage der Kohärenz des Glücksspielmonopols mit dem Unionsrecht aus unterschiedlichen Aspekten. Sie wiederholt dabei den bereits im erstinstanzlichen Verfahrenen eingenommenen Standpunkt, das österreichische Monopol sei inkohärent und damit unionsrechtswidrig. Ausgehend von diesem Standpunkt vertritt sie die Meinung, das Ersturteil sei mit mehreren sekundären Feststellungsmängeln behaftet. Das Erstgericht habe seine rechtliche Beurteilung ausschließlich auf einschlägige Entscheidungen des OGH gestützt, ohne selbst tragfähige Feststellungen zu den zu prüfenden Kohärenzkriterien zu treffen. Ein bloßer Verweis auf die Rechtsansicht der Höchstgerichte ohne eigene Tatsachenfeststellungen zu den tatsächlichen Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols genüge nicht, um die Kohärenz mit dem Unionsrecht beurteilen zu können.

Diesem Standpunkt kann nicht beigetreten werden.

3.1Der Oberste Gerichtshof hat im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in zahlreichen, teils erst in den letzten Monaten ergangenen und inhaltlich übereinstimmenden Entscheidungen festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (7 Ob 203/23p, 2 Ob 23/23f, 6 Ob 32/23h, uva). Mehrere dieser Entscheidungen betreffen auch den hier maßgeblichen Zeitraum von 6.1.2021 bis 10.1.2022, in dem der Kläger die eingeklagten Verluste erlitt (z.B. 6 Ob 157/24t: Zeitraum Juni 2020 bis Februar 2023; 5 Ob 174/23h: Zeitraum 27.3.2016 bis 30.12.2022).

3.2In zahlreichen Judikaten wurde vom Höchstgericht zudem bejaht, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung der tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (3 Ob 72/21s; 7 Ob 86/24h; 10 Ob 8/24k). An dieser Rechtsprechung hielt der OGH auch nach dem Beschluss des EuGH zu C920/19, Fluctus, fest (für viele: 10 Ob 22/22s). Auf Basis dieser Judikatur kann es als geklärt angesehen werden, dass § 3 GSpG nicht im Widerspruch zu Art 56 AEUV steht. Dieser Rechtsprechungslinie des OGH schließt sich das Berufungsgericht an, sodass die Rechtsfrage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols in Bezug auf den gegenständlichen Rechtsstreit als abschließend geklärt anzusehen ist. Neue Umstände, aufgrund derer die Beurteilung der Kohärenz für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht aufrecht erhalten werden kann (RS0129945; 4 Ob 219/21s ua), vermochte die Beklagte nicht darzulegen.

3.3Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass nach der Judikatur des EuGH entgegen der Darstellung der Berufungswerberin kein Verbot für ein nationales Gericht besteht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte zu berufen (vgl etwa 1 Ob 179/23i). Damit kann die höchstgerichtliche Judikatur, die sich mit weitgehend gleichgelagerten Sachverhalten zu befassen hatte, auch für den gegenständlichen Rechtsstreit fruchtbar gemacht werden.

3.4Auch zu den in der Berufung vorgetragenen Argumenten zu einer unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwetten einerseits und Online-Glücksspielen andererseits nahm das Höchstgericht umfassend Stellung (9 Ob 20/21b, 7 Ob 213/21f, ua).

3.5Die Argumentation der Beklagten geht ins Leere, wonach sie aufgrund ihrer maltesischen Konzession in Österreich Glücksspiele anbieten habe dürfen. Bereits in der Entscheidung 3 Ob 200/21i verneinte der Oberste Gerichtshof die nun auch von der Beklagten thematisierte Verpflichtung zur Notifikation der Bestimmung des § 14 GSpG idF des Budget-Begleitgesetzes 2011, BGBl I 2010/111, nach Maßgabe der Richtlinie 98/34/EG idF der Richtlinien 98/48/EG und 2000/96/EG. Dieser Entscheidung folgten mehrere übereinstimmende Judikate des OGH, sodass auch in dieser Frage von einer ständigen Rechtsprechung auszugehen ist (4 Ob 223/21d, 7 Ob 213/21f, 6 Ob 203/21b, 6 Ob 226/21k).

3.6 Ausgehend von der dargestellten Rechtslage haften dem Ersturteil keine sekundären Feststellungsmängel an, weil die Werbemaßnahmen der Konzessionäre (auch) für den klagsgegenständlichen Zeitraum bereits unter Zugrundelegung ähnlicher Argumente, wie sie von der Beklagten ins Treffen geführt werden, einer Prüfung unterzogen, aber nicht für zutreffend qualifiziert wurden.

3.7Schließlich widerspricht auch der Standpunkt der Berufungswerberin, ein Rückforderungsanspruch sei deshalb auszuschließen, weil das österreichische Glücksspielgesetz allenfalls ein Abschluss-, jedoch kein Inhaltsverbot gebiete, der gefestigten Judikatur. Demnach stellt die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession ein verbotenes Glücksspiel dar. Es sind daher jene Spiele gemäß § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (RS0102178, RS00038378). Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmungen der §§ 1174 Abs 1 Satz 1 und 1432 ABGB entgegenstünden, weil die Leistungen nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurden. Den Rückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (RS00025607 [T1]; RS0134152; 9 Ob 54/22i uva). Entgegen der allgemeinen Regel (§ 1431 ABGB) besteht der Rückforderungsanspruch sogar dann, wenn die Ungültigkeit der Verpflichtung bzw. der Leistung bekannt war (RS0025607 [T2]).

4. Zusammenfassend zeigt sich, dass die angefochtene Entscheidung einer durchgängigen und einheitlichen Judikatur der Höchstgerichte zur Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols folgt und daher zu bestätigen ist.

5.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO. Wegen der Erfolglosigkeit ihres Rechtsmittels hat die Beklagte dem Kläger die tarifmäßig verzeichneten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.

6.Da sich das Berufungsgericht zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes an ständiger und aktueller Judikatur des Obersten Gerichtshofs orientieren konnte, liegen die Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO nicht vor. Damit ist auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.