JudikaturOLG Innsbruck

7Bs133/25d – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
03. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen den Zweitangeklagten A*und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Zweitangeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 16.1.2025, GZ **-448, nach der am 3.7.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Neuner, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Zweitangeklagten A* sowie seiner Verteidigerin RA Mag. Kristina Pegger für RA Dr. Alexandra Eder öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Zweitangeklagten A* auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe :

Mit dem angefochtenen Urteil – das auch unangefochten in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Mitangeklagter und einen den Zweitangeklagten betreffenden Freispruch von einem weiteren realkonkurrierenden Vorwurf sowie unbekämpfte (auch den Zweitangeklagten betreffende) Einziehungs-, Konfiskations- und Verfallserkenntnisse enthält – wurde - soweit hier von Interesse - der am ** geborene Zweitangeklagte A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I. A. 2.), des Vergehens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 (zu ergänzen: erster Fall) SMG (I.B.2.) und des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zu ergänzen: zweiter und dritter Fall), Abs 2 SMG schuldig erkannt.

Demnach habe er vorschriftswidrig Suchtgift

I.)

A.)

2.) auf dem Straßenweg von Italien aus- und über den Grenzübergang ** nach Österreich eingeführt, indem er [US 14: am 6.3.2024] im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit B* 600,1 g Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 80,4 % (482,48 g reines Cocain entsprechend 32,17 Grenzmengen) von Italien nach Österreich verbrachte;

B)

2.) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge durch die überwiegend gewinnbringende Weitergabe einer Menge von zumindest 180 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 60,8 % (109 Gramm reines Kokain entsprechend 7,3 Grenzmengen) an U.T. „C*“ (40 Gramm) sowie die abgesondert verfolgten D* (unbekannte Menge), E* (zumindest 7 Gramm), F* (zumindest 7 Gramm), G* (3 Gramm), H* (20 Gramm), I* (zumindest 17 Gramm), J* (zumindest 15 Gramm), K* (zumindest 70 Gramm) und L* (zirka 1 Gramm), wobei er an Suchtmittel gewöhnt war und die Tat beging, um sich die Mittel für den Erwerb von Suchtgift für den eigenen Konsum zu verschaffen;

C.

in einer das 15-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (32,17 Grenzmengen) mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt wird, und zwar B* und A* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter durch den Besitz und die Beförderung der in den Punkten I.A.1 und I.A.2. genannten Menge von netto 600,1 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 80,4 % (482,48 Gramm reines Kokain entsprechend 32,17 Grenzmengen) von der Einfuhr aus Italien nach Österreich bis zu ihrer Sicherstellung durch die Polizei .

Hiefür verhängte der Schöffensenat über A* in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, rechnete darauf gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB aktenkonform die erlittene Vorhaft an und verpflichtete ihn gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.

Gegen dieses Urteil richtet sich eine rechtzeitig angemeldete (ON 434.1) und in der Folge fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung des Zweitangeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe, die – nach ausdrücklicher Zurückziehung seiner ebenfalls angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde – in den Antrag mündet, die verhängte Freiheitsstrafe tat- und schuldangemessen herabzusetzen und die unbedingte Freiheitsstrafe zumindest zum Teil bedingt nachzusehen (ON 475).

Die Staatsanwaltschaft hat auf die Erstattung von Gegenausführungen ausdrücklich verzichtet (ON 480).

Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass der Berufung nicht Folge zu geben sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung dringt nicht durch.

Der Schöffensenat hat auf der erschwerenden Seite das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, unter Hinweis auf die Strafregisterauskunft des Zweitangeklagten auch den Umstand, dass dieser schon mehrfach wegen Taten verurteilt worden sei, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhten und die Tatbegehung mit einem Komplizen als erschwerend gewertet, mildernd hingegen seine geständige Verantwortung. Ausgehend davon erachtete er die ausgemittelte Freiheitsstrafe für schuld- und tatangemessen und verneinte die Voraussetzungen (auch nur teil-) bedingter Strafnachsicht aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen.

Die Strafzumessungsgründe treffen zu, sie sind aber zu präzisieren und zu ergänzen.

Soweit von der Berufung behauptet wird, das Erstgericht hätte den besonderen Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB berücksichtigen müssen, da der Zweitangeklagte zuletzt im Jahr 2019 verurteilt worden sei, ist ihr zu entgegnen, dass der Strafregisterauskunft des Zweitangeklagten neun Eintragungen zu entnehmen sind, wobei aufgrund des Zusatzstrafenverhältnisses nach §§ 31, 40 StGB von insgesamt sieben zählbaren Verurteilungen auszugehen ist. Diesen Verurteilungen liegen sowohl Delikte gegen fremdes Vermögen, Verstöße gegen das Waffen- und Verbotsgesetz, Delikte gegen die körperliche Integrität als auch die Rechtspflege und der Zuverlässigkeit von Urkunden zugrunde und erfolgte - worauf auch der Berufungswerber zutreffend selbst hinweist - die letzte Verurteilung durch das Bezirksgericht Schwaz am 4.10.2019 zu ** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB. Ausgehend davon aber liegt den umfangreichen Berufungsausführungen zuwider ein ordentlicher Lebenswandel, mit dem die Taten in auffallendem Widerspruch stehen, nicht vor. Daran ändern auch die weiteren Ausführungen, wonach der Zweitangeklagte nunmehr sozial integriert sei, sich vom „M*“ losgelöst und auf freiwilliger Basis eine Suchtberatung in Anspruch genommen habe sowie ehrenamtliche Tätigkeiten ausübe, nichts.

Mit Blick auf den Umstand, dass der Zweitangeklagte nach den Urteilsannahmen aus dem Verkauf des Suchtgifts mindestens EUR 18.000,-- eingenommen hat (US 17) und weil gewinnorientierter Suchtgifthandel (auch) auf der gleichen schädlichen Neigung wie Vermögensdelinquenz beruht (RIS-Justiz RS0092147, Jerabek/Ropper in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 71 Rz 8) ist von fünf einschlägigen Vorverurteilungen auszugehen (zur auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Verurteilungen wie Delikte gegen Leib und Leben: RIS-Justiz RS0091972).

Soweit die Berufung die im Tatzeitpunkt stark ausgeprägte Kokainsucht auf der mildernden Seite ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass diese nur dort mildernd wirken kann, wo sie nicht bereits Eingangsvoraussetzung zur Begründung eines milderen Strafsatzes (hier: § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 3 erster Fall SMG in Bezug auf die Begehungsform des Überlassens zu I. B. 2.) ist. Da Suchtmittelkonsum regelmäßig nur deliktisch verwirklicht werden kann (RIS-Justiz RS0091038) und sich darüber hinaus eine krankheitswertige Einschränkung der Schuldfähigkeit des Zweitangeklagten dem Akteninhalt nicht entnehmen lässt, liegt der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 StGB nicht vor.

Mit Blick auf die vom Zweitangeklagten aus eigenem in Anspruch genommenen ambulanten Beratungstermine bei der N* stellt dies ein positives Nachtatverhalten dar, das im Rahmen allgemeiner Strafbemessung mildernd zu werten ist.

Da der Zweitangeklagte aus Anlass der dem Schuldspruch I. A. 2. zugrundeliegenden Schmuggelfahrt am 6.3.2024 festgenommen wurde, liegt den Berufungsausführungen zuwider der besondere Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 18 StGB nicht vor, da sich dieser an der fünfjährigen Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs 2 StGB orientiert (RIS-Justiz RS0108563).

In Anbetracht des Umstands, dass dem Zweitangeklagten hinsichtlich der Ein- und Ausfuhr von Suchtgiften lediglich die Fahrt vom 6.3.2024 angelastet wurde (I.A.2.) und auch die dem Schuldspruch B. 2. zugrundeliegenden Überlassungen nach den Verfahrensergebnissen einen wenige Monate umfassenden Tatzeitraum von Mitte/Ende 2023 bis 6.3.2024 umfassen, liegt den Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft zuwider kein langer Tatzeitraum vor.

Ausgehend von den Konstatierungen zur unmittelbaren Täterschaft des Zweitangeklagten hinsichtlich der zu Schuldspruch I. A. 2., B. 2. und C. abgeurteilten Taten liegt keine bloß untergeordnete Tatbeteiligung vor, wobei das Motiv des Zweitangeklagten, dem Erstangeklagten einen Freundschaftsdienst zu erweisen, unerheblich ist. Schließlich verkennt die Berufung, dass allein das Nichtvorliegen des Erschwerungsgrunds nach § 33 Abs 1 Z 3 oder Z 4 StGB keineswegs automatisch das Vorliegen des Milderungsgrunds nach § 34 Abs 1 Z 6 StGB bedeutet und ändert auch der Umstand, dass der Erstangeklagte allenfalls im Fall einer Weigerung des Zweitangeklagten die Fahrt mit einer anderen Person unternommen hätte, an der persönlichen Schuld des Zweitangeklagten nichts. Gleich verhält es sich mit dem Umstand, dass er für diese Fahrt keine Gegenleistung erhalten oder erwartet hätte.

In Anbetracht der Depositionen des Zweitangeklagten, der sich zu Schuldspruch I. A. 2. und B. 2. geständig verantwortete, ist dazu sowohl von einer reumütig geständigen Verantwortung aber auch von einer solchen auszugehen, die einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung dargestellt hat. Zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass dieser Umstand den Milderungsgrund nach § 34 Abs 1 Z 17 StGB verstärkt ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 34 Rz 38).

Zu Recht weist die Oberstaatsanwaltschaft aber darauf hin, dass zu Schuldspruch I. A. 2. die Verwirklichung der Begehungsweisen der Aus- und Einfuhr aggravierend wirkt ( Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG³ § 27 Rz 58; RIS-Justiz RS0111410 [T2]).

Demgegenüber blieb auf der mildernden Seite unberücksichtigt, dass die aus Anlass der am 6.3.2024 im Zuge der Schmuggelfahrt aus- und eingeführten Menge von 600,1 g Kokain sichergestellt werden konnte (RIS-Justiz RS0088797; ON 281, 13).

Ausgehend von den so ergänzten und korrigierten Strafzumessungsgründen und unter weiterer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die über den Zweitangeklagten verhängte Freiheitsstrafe mit Blick auf den zur Anwendung zu gelangenden Strafrahmen von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe auch mit Blick auf die deutliche Überschreitung der Übermenge eine schuld- und tatangemessene Sanktion, die nicht einmal das erste Drittel des möglichen Strafrahmens ausschöpft. Sie ist damit einer Herabsetzung nicht zugänglich.

Das deutliche Überschreiten der Übermenge erfordert im konkreten Fall zudem schon aus generalpräventiven Erwägungen den Ausspruch einer zur Gänze unbedingten Freiheitsstrafe (RIS-Justiz RS0090622, RS0090753).

Eine Anwendung des § 41 Abs 3 StGB scheitert daran, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht beträchtlich überwiegen. Schließlich liegt auch kein extremer Ausnahmefall im Sinne des von der Berufung ausdrücklich geforderten § 43a Abs 4 StGB vor ( Jerabek/Ropper aaO § 43a Rz 16). Daran ändert auch die Dauer der vom Berufungswerber bereits in Untersuchungshaft zugebrachten Zeit nichts.

Damit drang die Berufung nicht durch. Die Verurteilung zum Kostenersatz ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens.