Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag a . Tröster und Mag a . Haas in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 10. September 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer sowie des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Lehofer über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 24. Jänner 2025, GZ **-193, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am ** in ** geborene irakische Staatsangehöriger A* B* (Alias: C* B*) – soweit hier von Bedeutung – im zweiten Rechtsgang der Verbrechen der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB (1/a/) und der terroristischen Vereinigung nach (gemeint:) § 278b Abs 2 StGB (2/) schuldig erkannt, hierfür unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teile des Schuldspruchs aus dem ersten Rechtsgang (11 Os 68/24w [ON 175]) in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 75 StGB zur Freiheitsstrafe von 17 Jahren und neun Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet (ON 193).
Ausgehend von den vom Obersten Gerichtshof (11 Os 68/24w [Rz 22 ff betreffend 1/b/ und 1/c/; ON 175] und 11 Os 31/25f [Rz 13 betreffend 1/a/; ON 202]) klargestellten Subsumtionen (RIS-Justiz RS0118870 und RS0129614; Ratzin WK StPO § 290 Rz 27/1) liegen dem Angeklagten (richtig:) zu 1/a/ das Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB, zu 1/b/ das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 4 und 5 Z 3 StGB, zu 1/c/ das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB und zu 2/ das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB zur Last.
Danach hat er (zusammengefasst) in ** und weiteren Orten des Gouvernement ** im **
1/ von 11. bis 13. September 2014 (zu a/ und b/ im bewussten und gewollten Zusammenwirken zumindest mit den im ** bereits verurteilten D*, E*, F* und G*) den Polizeibeamten H*
a/ mit Gewalt, indem sie ihn erfassten und im PKW festhielten, und nach Erlangung dessen Einwilligung durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem sie ankündigten, ihn mit ihren Pistolen zu erschießen, entführt, um dessen Bruder zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von $ 45.000,00, zu nötigen,
b/ durch Herausreißen der Finger- und Zehennägel unter Zufügung besonderer Qualen am Körper verletzt und dadurch eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung herbeigeführt;
c/ durch Bestärken des unmittelbaren Täters „I*“ in dessen Tatentschluss, den Entführten entsprechend der bereits im Vorfeld getroffenen Vereinbarung nach Zahlung eines Lösegelds durch drei Schüsse in den Kopf zu ermorden, getötet;
2/ seit zumindest 11. September 2014 bis Mai 2015 sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung J*, die ein Zusammenschluss von im Tatzeitraum zumindest 3000 Personen und ab 2006 auf einen Zeitraum von mehreren Jahren ausgelegt war und tatsächlich auch zumindest über den Tatzeitraum hinaus bestand, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese terroristische Vereinigung in deren Ziel, die sunnitische Zivilbevölkerung im ** zu terrorisieren, auf schwerwiegende Weise dahingehend einzuschüchtern, selbst Opfer terroristischer Straftaten zu werden, zur Aufgabe bzw. zur Flucht zu zwingen und gemischt-konfessionelle Gebiete zu „säubern“, und deren zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zu fördern, indem er die zu 1/a/ bis 1/c/ genannten Straftaten beging.
Gegen den Strafausspruch des eingangs genannten Urteils wendet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel einer Herabsetzung der Freiheitsstrafe (ON 195).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat dem entgegen.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Strafbestimmend ist – in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB – § 75 StGB mit einer Strafdrohung von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe.
Erschwerend wirkt, dass A* B* mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art begangen hat (hier: Zusammentreffen von vier Verbrechen; § 33 Abs 1 Z 1 StGB). Dass die vorsätzlichen strafbaren Handlungen zu 1/a/ und 1/c/ nach dem ersten Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs unter Einsatz einer Waffe begangen wurden (§ 33 Abs 2 Z 6 StGB), ist ebenso aggravierend zu berücksichtigen. Weiters liegt der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 5 StGB vor, weil der Angeklagte aus besonders verwerflichen Beweggründen (nämlich solchen, die sich gegen eine der in § 283 Abs 1 Z 1 StGB genannten Gruppen von Personen – hier: Personen sunnitischen Glaubens [s. 2/; ON 192, 4 ff] – ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe richten) gehandelt hat. Dass das Herausreißen der Zehen- und Fingernägel zu 1/b/ grausam iS des § 33 Abs 1 Z 6 zweiter Fall StGB und durch eine besondere Brutalität der Tatbegehung gekennzeichnet ist, bedarf keiner näheren Begründung. Da dieser Erschwerungsgrund auf das Charakterdefizit des Täters abstellt, unterscheidet er sich vom Erschwerungsgrund der Tatbegehung auf qualvolle Weise (§ 33 Abs 1 Z 6 dritter Fall StGB; Riffel in WK 2StGB § 33 Rz 21), der deshalb (zu 1/b/) ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot ebenfalls herangezogen werden kann. Zudem war diese Tat mit einem außergewöhnlich hohen Ausmaß an Gewalt (iS brutaler oder rücksichtsloser Aggressionshandlungen; Riffelin WK² StGB § 33 Rz 34; Schwaighoferin WK² StGB § 106 Rz 24) verbunden (§ 33 Abs 2 Z 5 StGB; Riffelin WK² StGB § 32 Rz 7 und § 33 Rz 34/5).
Schuldaggravierend (§ 32 StGB) ist die Begehung der Taten zu 1/a/ und 1/b/ in Gesellschaft (vgl. RIS-Justiz RS0118773).
Mildernd ist hingegen, dass der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat und die Taten mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) sowie dass er die Taten bereits vor längerer Zeit (RIS-Justiz RS0108563 und RS0091574) begangen und sich seither wohlverhalten hat (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB).
Schuldmindernd ist, dass der Angeklagte beim – strafnormierenden – Verbrechen des Mordes nach §§ 12 dritter Fall, 75 StGB keine führende Rolle eingenommen hat.
Dem Berufungsargument hinwieder, wonach Krieg geherrscht habe und die „Grenzen zwischen Gut und Böse“ verschwommen seien, ist zu entgegen, dass – abgesehen davon, dass zwischen „Krieg“ und „Terrorismus“ ein fundamentaler Unterschied besteht und das humanitäre Völkerrecht Folter und willkürliche Tötung von Gefangenen unmissverständlich verbietet – fallbezogen der Angeklagte unter dem Deckmantel der (vermeintlich) „gerechten Sache“ der Allgemeinkriminalität zuzurechnende, durch persönliche unrechtmäßige Bereicherung motivierte schwerste Straftaten begangen hat.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) erweist sich auf Grundlage der (durch einen hohen Handlungs-, Gesinnungs- und Erfolgsunwert geprägten) gravierenden Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) sowie unter Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Erfordernisse ( Tipoldin Leukauf/Steininger, StGB 4 § 32 Rz 9) die bereits vom Erstgericht ausgemessene 18-jährige Freiheitsstrafe (grundsätzlich) als tat- und schuldangemessen.
Für die (durch zwei Rechtsgänge bewirkte, insgesamt) unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer hat bereits das Erstgericht iS des § 34 Abs 2 StGB eine – angemessene – ausdrückliche und messbare Reduktion des Strafmaßes um drei Monate vorgenommen (US 8; RIS-Justiz RS0114926 [T3]; zur gebotenen Vorgangsweise Riffel in WK 2StGB § 34 Rz 58 mwN).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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