Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Juni 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eißler als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 24. Jänner 2025, GZ 24 Hv 99/24a 193, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * A* im zweiten Rechtsgang der Verbrechen der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB (1/a/) und der terroristischen Vereinigung nach (gemeint:) § 278b Abs 2 StGB (2/) schuldig erkannt und hierfür unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teile des Schuldspruchs aus dem ersten Rechtsgang (zu diesem siehe 11 Os 68/24w) in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 75 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach hat er – soweit hier von Bedeutung – „in B* und weiteren Orten des Gouvernement B* im Irak
1/ von 11. bis 13. September 2014 im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 erster Fall StGB) mit den nachgenannten weiteren Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Asa'ib Ahl al-Haqq, die ein Zusammenschluss von im Tatzeitraum zumindest 3.000 Personen war und von 2006 auf einen Zeitraum von mehreren Jahren ausgelegt war und tatsächlich auch zumindest über den Tatzeitraum hinaus bestand, folgendes Verbrechen begangen […], wobei die Tat geeignet war, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens im Irak herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wurde, die nicht den Zielen der terroristischen Vereinigung Asa'ib Ahl al-Haqq folgende, insbesondere sunnitische, Zivilbevölkerung des Irak auf schwerwiegende Weise dahingehend einzuschüchtern, selbst Opfer derartiger Handlungen zu werden, zur Aufgabe bzw zur Flucht zu zwingen und gemischt-konfessionelle Gebiete zu 'säubern', und die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in den von ihnen besetzten Gebieten des irakischen Staats ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören, und zwar
a/ das Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB [...], indem er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den dafür im Irak verurteilten weiteren Mitgliedern der terroristischen Vereinigung Asa'ib Ahl al-Haqq, nämlich zumindest […] H*, […] S*, […] K* und […] R*, den Polizeibeamten [...] Al* mit Gewalt, indem sie ihn erfassten und im PKW festhielten, und nach Erlangung dessen Einwilligung durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem sie ankündigten, ihn mit ihren Pistolen zu erschießen, entführten, was der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, wobei er in der Absicht handelte, [den Bruder des Entführten] zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von 45.000 US Dollar zu nötigen,
2/ seit zumindest 11. September 2014 bis Mai 2015 […] sich als Mitglied (§ 278 Abs 3 StGB) an der terroristischen Vereinigung Asa'ib Ahl al-Haqq, die ein Zusammenschluss von im Tatzeitraum zumindest 3.000 Personen war und von 2006 auf einen Zeitraum von mehreren Jahren ausgelegt war und tatsächlich auch zumindest über den Tatzeitraum hinaus bestand, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) beteiligt, dadurch diese terroristische Vereinigung in deren Ziel, die sunnitische Zivilbevölkerung im Irak zu terrorisieren, auf schwerwiegende Weise dahingehend einzuschüchtern, selbst Opfer terroristischer Straftaten zu werden, zur Aufgabe bzw zur Flucht zu zwingen und gemischt-konfessionelle Gebiete zu 'säubern', und deren zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zu fördern, indem er im Rahmen ihrer terroristischen Ausrichtung“ die zu 1/a/ genannte sowie zwei weitere im Urteil näher beschriebene, nach dem insoweit im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch als „Verbrechen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 4 und 5 Z 3 StGB“ und als Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB zu subsumierende Straftaten beging, „wobei er wusste, dass er dadurch die Asa'b Ahl al-Haqq-Organisation in diesem Ziel, nämlich die sunnitische Zivilbevölkerung im Irak zu terrorisieren, auf schwerwiegende Weise dahingehend einzuschüchtern, selbst Opfer terroristischer Straftaten zu werden, zur Aufgabe bzw zur Flucht zu zwingen und gemischt-konfessionelle Gebiete zu 'säubern', und in diesen strafbaren Handlungen, nämlich den zur Erreichung dieses Ziels als erforderlich angesehenen (terroristischen) Straftaten fördert“.
[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 3 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Die Verfahrensrüge moniert die (der Sache nach auf §§ 308 Abs 1, 252 Abs 1 Z 1 StPO gegründete) Verlesung der Angaben der im Irak vernommenen Zeugen H*, S*, K*, R*, *Ki*, Sb* und Als* (nominell Z 3, inhaltlich Z 4 – RIS-Justiz RS0117437).
[5] Ferner kritisiert sie die Abweisung der Anträge auf Vernehmung von S*, K*, R*, *Ki* und Sb* (im Ergebnis) per Videokonferenz im Weg der Rechtshilfe mit dem Irak (Z 5).
[6] Der Schwurgerichtshof stützte diese prozessleitenden Verfügungen auf Undurchführbarkeit der persönlichen Abhörung der genannten Zeugen, auch im Weg einer Videokonferenz.
[7] Dies begründete er mit den aktenkundigen Verfahrensergebnissen zu den bisherigen umfangreichen, jedoch allesamt erfolglos gebliebenen Versuchen, derartige Vernehmungen durchzuführen (vgl Rechtshilfeersuchen ON 81 iVm dem Antwortschreiben des Vizepräsidenten des Berufungsgerichts Bagdad ON 92.2, 2 [insb zur Undurchführbarkeit einer Vernehmung der im Nasiriyah-Zentralgefängnis inhaftierten S*, K* und R* sowie des „flüchtigen Sträflings 'Ha*' {Sb*}“] und dem Protokoll über die vom Präsidenten des zuständigen Untersuchungsgerichts im Irak erteilten Informationen ON 96 [insb dazu, dass sich die angefragten Personen nicht im Gefängnis Abu Ghuraib befinden, zur Unbekanntheit weiterer Aufenthalte und zur Unmöglichkeit, diese Häftlinge per Videokonferenz zu vernehmen], vgl ferner die Korrespondenz zur Unmöglichkeit der Vernehmung des * Als* per Videokonferenz [ON 160, 3 mwN]).
[8] Erfolgreich könnte die Verfahrensrüge in diesem Kontext in Ansehung beider geltend gemachter Aspekte (Z 4 und 5) nur sein, wenn es ihr gelänge, die Sachverhaltsgrundlage der bejahten Undurchführbarkeit nach Maßgabe der Kriterien des § 281 Abs 1 Z 5 oder Z 5a StPO zu erschüttern (vgl RIS-Justiz RS0118016; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 41, 43, 49 ff).
[9] Daran scheitert sie jedoch mit ihrem (ohne Bezugnahme auf aktenkundige, für ihren Standpunkt sprechende Verfahrensergebnisse oder Bescheinigungen erstatteten) Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer zwischenzeitig einem Anwalt im Irak Vollmacht erteilt und dieser Informationen herangetragen habe, nach welchen die genannten Zeugen am Leben seien, sich sehr wohl im Zentralgefängnis Abu Ghuraib in B* befänden, deren Einvernahme per Videokonferenz mittlerweile möglich wäre, weil davon auszugehen sei, dass sich die Sicherheitslage und die technischen Möglichkeiten verbessert hätten und dem beauftragten Anwalt auch mitgeteilt worden sei, dass für den Fall eines Rechtshilfeersuchens eine Einvernahme der genannten Zeugen per Videokonferenz möglich sei.
[10] Ferner wird die Abweisung des Antrags kritisiert, den Obduktionsbericht betreffend Al* im Rechtshilfeweg mit dem Irak zum Beweis dafür beizuschaffen, dass der Genannte „keine Verletzungen an den Finger- und Zehennägeln aufgewiesen hat“ (Z 5). Die Begründung des Antrags lautete, dass dieser Umstand „schon deshalb [...] für die Schuld- und Subs [umtions] frage von Relevanz“ sei, „weil im Rahmen der erpresserischen Entführung der Vorwurf erhoben wurde, es wären dem * Al* die Finger- und Zehennägel herausgerissen worden“ (ON 192, 15).
[11] Inwiefern Beweisthema und Beweismittel für die Beurteilung der Schuldfrage oder der Richtigkeit der Subsumtion in Bezug auf die im zweiten Rechtsgang noch in Rede stehenden (gegebenenfalls idealkonkurrierenden) strafbaren Handlungen erheblich sein sollten (zu § 278b Abs 2 StGB vgl RIS-Justiz RS0124166, RS0127374; 14 Os 5/25d [Rz 4]), wurde im Antrag (als Bezugspunkt dieser Rüge – vgl RIS-Justiz RS0099618, RS0099117) jedoch nicht dargelegt, weshalb er sanktionslos abgewiesen werden konnte.
[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).
[13] Bleibt – in Übereinstimmung mit der Generalprokuratur – anzumerken (§§ 344, 290 Abs 1 StPO), dass der dem Schuldspruch zu 1/a/ wegen des Verbrechens der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB zugrunde liegende Wahrspruch (US 3) keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zur (rechtlichen) Annahme einer terroristischen Eignung enthält (vgl 11 Os 5/21a [Rz 7], 12 Os 151/21d [Rz 8] und in dieser Sache 11 Os 68/24w [Rz 5, 22 ff]).
[14] Diese Tat ist daher nicht als Verbrechen der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB, sondern als Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB zu subsumieren.
[15] Ein konkreter Nachteil für den Angeklagten ist bislang jedoch nicht eingetreten, weil die Strafdrohungen ident sind (vgl § 102 Abs 1 und § 278c Abs 2 StGB) und der Strafrahmen sich fallkonkret nach § 75 StGB richtet (§ 28 Abs 1 StGB).
[16] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).
[17] Dabei ist – ebenso wie bei allen an dieses Verfahren anschließenden Vorgängen und Verfügungen – von der klargestellten Subsumtion auszugehen (RIS-Justiz RS0118870, RS0129614; 11 Os 68/24w [Rz 27]; Ratz , WK StPO § 290 Rz 27/1).
[18] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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