Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. Oktober 2025, GZ **-220, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene irakische Staatsangehörige A* wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 24. Jänner 2025, GZ **-193, im zweiten Rechtsgang der Verbrechen der terroristischen Straftaten nach § 278c Abs 1 Z 3 StGB (1/a/) und der terroristischen Vereinigung nach (gemeint:) § 278b Abs 2 StGB (2/) schuldig erkannt, hierfür unter Einbeziehung der rechtskräftigen Teile des Schuldspruchs aus dem ersten Rechtsgang (11 Os 68/24w [ON 175]) in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 75 StGB zur Freiheitsstrafe von 17 Jahren und neun Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet (ON 193).
Ausgehend von den vom Obersten Gerichtshof (11 Os 68/24w [Rz 22 ff betreffend 1/b/ und 1/c/; ON 175] und 11 Os 31/25f [Rz 13 betreffend 1/a/; ON 202]) klargestellten Subsumtionen (RIS-Justiz RS0118870 und RS0129614; Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 290 Rz 27/1) liegen dem Verurteilten (richtig:) zu 1/a/ das Verbrechen der erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 1 StGB, zu 1/b/ das Verbrechen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 4 und 5 Z 3 StGB, zu 1/c/ das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB und zu 2/ das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB zur Last. Der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. Jänner 2025 gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 10. September 2025, AZ 10 Bs 158/25y, nicht Folge.
Mit Schreiben vom 28. September 2025 (ON 216) begehrte der Verurteilte die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zur Einbringung eines Wiederaufnahmeantrags. Begründend dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, er befinde sich derzeit in Haft und verfüge nicht über ausreichend finanzielle Mittel, um die Kosten eines Verteidigers zu tragen.
Diesen Antrag wies das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom 16. Oktober 2025 ab (ON 220).
Dagegen richtet sich das – im Zweifel als Beschwerde zu wertende – Schreiben des Verurteilten vom 20. Oktober 2025 (ON 221), worin er erklärt, seinen Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers aufrecht zu halten. Er beabsichtige nach wie vor einen Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu stellen, weil es „neue Beweise im Irak“ geben würde, deren Beischaffung anwaltliche Unterstützung erfordere.
Das Rechtsmittel – zu dem sich die Oberstaatsanwaltschaft Graz inhaltlich nicht äußerte – hat keinen Erfolg.
Gemäß § 61 Abs 2 StPO hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten, der außerstande ist, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die gesamten Kosten der Verteidigung zu tragen, diesem einen Verteidiger beizugeben, dessen Kosten er nicht oder nur zum Teil zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist.
Unter Zugrundelegung dieser Prämissen kann die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers für die Antragstellung auf Wiederaufnahme eines Verfahrens bei schwieriger Sach- oder Rechtslage (§ 61 Abs 2 Z 4 StPO) je nach Lage des Falles durchaus erforderlich sein (vgl Soyer/Schumann in Fuchs/Ratz, WK StPO § 61 Rz 66). Allerdings kann ein rechtskräftig Verurteilter die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gemäß § 353 StPO nur dann wirksam verlangen, wenn dargetan wird, dass seine Verurteilung durch eine Urkundenfälschung oder durch falsche Beweisaussage, Bestechung oder eine sonstige Straftat einer dritten Person veranlasst worden ist (Z 1), er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (Z 2) oder wegen derselben Tat zwei oder mehrere Personen durch verschiedene Erkenntnisse verurteilt worden sind und bei Vergleichung dieser Erkenntnisse sowie der ihnen zugrunde liegenden Tatsachen die Nichtschuld einer oder mehrerer dieser Personen notwendig anzunehmen ist (Z 3). Weder dem Antrag des Verurteilten auf Gewährung von Verfahrenshilfe (ON 216) noch seiner Beschwerde (ON 221) ist ein substanziiertes Vorbringen zum Vorliegen tauglicher Wiederaufnahmegründe zu entnehmen. Die bloße vage Ankündigung, es würden „neue Beweise im Irak“ vorliegen, ist per se nicht geeignet, einen Wiederaufnahmegrund darzulegen. Somit ist die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung erforderlich (vgl RIS-Justiz RS0127077; im Ergebnis auch OLG Graz 1 Bs 34/23v, 1 Bs 29/23h, 9 Bs 244/22h).
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