JudikaturOLG Graz

6R38/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Verbraucherschutzrecht
14. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Fabsits als Vorsitzende, die Richterin Dr in . Meier und den Richter Mag. Schweiger in der Rechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B* Limited , **, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 27.486,73 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. März 2025 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2. April 2025, ON 15), **-12, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.875,92 (darin enthalten EUR 479,32 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist nichtnach § 502 Abs 1 ZPO zulässig .

Text

ENTSCHEIDUNGSgründe:

Die Beklagte betrieb während des gesamten Nutzungszeitraums der Klägerin die Website C*, auf der unter anderem Spiele angeboten werden, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängt. Die Website ist (auch) in Österreich abrufbar. Die Beklagte bietet das Glücksspiel im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit (auch) in Österreich und in deutscher Sprache an. Die Beklagte verfügte während des gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraums über keine Konzession im Sinne des § 14 GSpG in Österreich. Sie verfügte aber über eine Lizenz der maltesischen Regulierungsbehörde für Lotterie- und Glücksspiel (Malta Gaming Authority).

Die Klägerin gelangte über ihre ehemaligen Arbeitskollegen zum Glücksspielangebot der Beklagten. Sie erlitt auf der deutschsprachigen Fassung der Website C* bei Spielen, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt, im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis 31. März 2024 (saldiert) Verluste in Höhe von EUR 27.486,73. Sie spielte die Glücksspiele nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken, sondern aus eigenem Interesse mit ihrem eigenen Geld.

Um das Glücksspielangebot auf der Website C* nützen zu können, registrierte sie sich auf der Website. Sie akzeptierte die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, in denen eine Rechtswahlklausel zugunsten des maltesischen Rechts enthalten war.

Im Prozess fordert die Klägerinals Verbraucherin von der Beklagten die Zahlung von EUR 27.486,73 samt 4 % Zinsen seit 1. April 2024. Die Beklagte richte ihr Angebot auf Österreich aus, sodass österreichisches Recht zur Anwendung komme. Die Beklagte mit Sitz in Malta, veranstalte ohne über eine notwendige Konzession nach dem österreichischen GSpG zu verfügen, Internet-Glücksspiele. Durch das illegal angebotene Glücksspiel habe die Klägerin einen Schaden in Höhe des Klagsbetrags erlitten. Die Beklagte sei somit um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert. Die Klägerin habe von der Möglichkeit der Rückforderbarkeit der Spielverluste und der Illegalität des Angebots der Beklagten keine Kenntnis gehabt.

Die Beklagtebeantragt Klagsabweisung und wendet zusammengefasst ein, sie sei nach dem zur Anwendung gelangenden maltesischen Recht berechtigt, ihr Dienstleistungsangebot im Internet anzubieten. Das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig. Die österreichischen Glücksspielregelungen seien inkohärent, weil die Werbepraxis des Monopolisten aggressiv und auf größtmöglichen Profit ausgerichtet sei. Inkohärenz liege auch vor, weil Spiele mit demselben Gefährdungspotential unterschiedlich reguliert würden und auch wegen der mangelnden Aufsicht über den Monopolisten, dessen Eigentümerstruktur sich zudem geändert habe. Der österreichische Gesetzgeber habe keinen Nachweis für die Erforderlichkeit des Monopols erbracht. § 14 GSpG sei wegen unterbliebener Notifizierung der europäischen Kommission unanwendbar. Die bisherige Judikatur der österreichischen Höchstgerichte habe für die Kohärenzprüfung maßgebliche Bereiche außer Acht gelassen. Aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts folge, dass unionsrechtswidrige nationale Normen unangewendet bleiben müssten, was vor allem für die im GSpG enthaltenen Konzessions- und Verbotstatbestände gelte.

Letztlich sei der Beginn des Zinslaufs unzutreffend. Unabhängig von der Entstehung des Zinsanspruchs könnten Verzugszinsen erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, ab dem die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, den behaupteten Anspruch zu befriedigen. Selbst im Fall ihres Obsiegens könnten der Klägerin Zinsen erst ab dem Tag nach Klagszustellung zugesprochen werden.

Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet das Erstgericht die Beklagte zur Zahlung von EUR 27.486,73 samt 4 % Zinsen seit 1. April 2024. Rechtlich folgert es zusammengefasst, dass österreichisches Recht anwendbar sei, weil die Klägerin Verbraucherin sei. In der Sache verweist es auf die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols. Von der, von der Beklagten beantragten, Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachgebieten Marktforschung und Werbepsychologie habe abgesehen werden können, weil es sich bei der Frage, ob das österreichische Glücksspielmonopol dem Unionsrecht widerspreche, um eine – der Beurteilung durch Sachverständige entzogene – Rechtsfrage handle.

Die einzelnen Glücksspielverträge mit der Klägerin seien nichtig und rückabzuwickeln. Die Klägerin habe aus den nichtigen Glücksspielverträgen einen Verlust von EUR 27.486,73 erlitten. Die von der Klägerin als Bereicherungsgläubigerin begehrten „Vergütungszinsen“ stünden – unabhängig vom Eintritt des Verzugs – ab dem Eintritt der Bereicherung des Bereicherungsschuldners zu, und zwar so lange, wie die Bereicherung durch die Möglichkeit zur Nutzung fremden Gelds, sohin bis zur Rückzahlung, andauere. Die Klägerin habe Zinsen ohnehin erst ab dem auf die letzte Transaktion (Einzahlung) folgenden Tag, sohin ab 1. April 2024 begehrt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Rechtsmittelgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil – in eventu nach Verfahrensergänzung – in Klagsabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Zur Verfahrensrüge:

Die Beklagte vermisst die Aufnahme von Beweisen zur Kohärenz des Glücksspielmonopols, obwohl sie ausdrücklich die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachbereichen 04.60 (Marktforschung) und 04.50 (Werbepsychologie) zum Beweis dafür beantragt habe, dass die Werbemaßnahmen der D* AG und der E* GmbH im klagsgegenständlichen Zeitraum Verbrauchern hohe Gewinne in Aussicht gestellt, die Risiken des Glücksspiels verharmlost hätten und darauf ausgerichtet gewesen seien, insbesondere auch Neukunden zu akquirieren und somit den Glücksspielmarkt in Österreich zu erweitern, was wiederum dem vorgeschützten Spielerschutzargument zur Rechtfertigung des österreichischen Glücksspielmonopols zuwiderlaufe. Aufgrund dieses Stoffsammlungsmangels habe die Beklagte nicht unter Beweis stellen können, dass das österreichische Glücksspielmonopol im interessierenden Zeitraum unionsrechtswidrig gewesen sei, weil die Werbemaßnahmen des Monopolisten sich nicht im Rahmen dessen gehalten hätten, was der EuGH als zulässig erachte. Auf Basis der zu treffenden Feststellungen hätte das Erstgericht zu dem Schluss kommen müssen, dass das österreichische System des Glücksspielmonopols den Kohärenzkriterien widerspreche, sie auf Basis ihrer maltesischen Glücksspiellizenz und der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit gemäß Art 56 ff AEUV rechtmäßig Onlineglücksspiel angeboten habe und die zwischen ihr und der Klägerin abgeschlossenen Glücksspielverträge daher wirksam seien.

Mit ihrem Vorbringen zeigt die Beklagte keine Mangelhaftigkeit auf. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist dann gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049). Verfahrensmängel sind nur dann beachtlich, wenn sie geeignet waren, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0043027). Ein primärer Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO könnte nur dann vorliegen, wenn das Erstgericht infolge Zurückweisung von Beweisanträgen andere als die vom Beweisführer behaupteten Tatsachen festgestellt hätte (Pimmer in Fasching/-Konecny 3IV/1 § 496 ZPO Rz 57 [Stand 1.9.2019, rdb.at]). Hat das Erstgericht hingegen zu den in der Mängelrüge angesprochenen Sachverhaltsumständen keine Feststellungen getroffen, könnte in der unterlassenen Beweisaufnahme, vorausgesetzt diese wäre rechtlich relevant, ein sekundärer Feststellungsmangel (§ 496 Abs 1 Z 3 ZPO) liegen, der mit Rechtsrüge aufzugreifen ist und im Rahmen deren Erledigung zu behandeln ist. Ein primärer Verfahrensmangel besteht aber nicht.

Mit ihrem Vorbringen macht die Beklagte daher keinen Verfahrensmangel geltend, weil sie Feststellungen zu Sachverhalten einfordert, die im Urteil nicht festgestellt sind und aus welchen sie dann rechtliche Schlussfolgerungen ableiten will. Damit spricht sie aber keinen Verfahrensmangel, sondern rechtliche Feststellungsmängel im Sinne des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO an.

Zur Rechtsrüge:

Das Berufungsgericht erachtet die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, die Begründung des angefochtenen Urteils hingegen als zutreffend, weshalb grundsätzlich auf diese verwiesen werden kann (§ 500a ZPO) und sie mit Blick auf die Argumentation der Beklagten nur zu ergänzen ist:

Die Beklagte behauptet das Vorliegen einer Reihe von sekundären Feststellungsmängeln:

Das Erstgericht hätte, so meint die Beklagte, entsprechend ihrem Vorbringen Feststellungen treffen müssen: zur Verhältnismäßigkeit der Werbepraktiken des Monopolisten, zur Verhältnismäßigkeit der Geschäftsstrategie des Monopolisten, zur Ausweitung der Geschäftstätigkeit des Monopolisten, zu den Werbepraktiken etwaiger anderer privater Wirtschaftsteilnehmer, zum Vorliegen von staatlicher Politik, die darauf abzielt, zur Teilnahme an dem Monopol unterliegenden Glücksspielen zu ermuntern. Das Erstgericht habe es aufgrund seiner unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterlassen, Feststellungen im Rahmen einer dynamischen Prüfung des österreichischen Glücksspielmonopols zu treffen. Statt dessen habe es seinem Urteil ausschließlich die vorangegangene höchstgerichtliche Rechtsprechung zugrunde gelegt. Der Verweis auf Rechtsprechung könne aber Feststellungen nicht ersetzen, darüber hinaus hätten sich die relevanten Tatsachen im interessierenden Zeitraum radikal geändert, namentlich angesichts: der aggressiven Werbemaßnahmen und der expansionistischen Geschäftspolitik des österreichischen Glücksspielmonopolinhabers, der D* AG („D*“) sowie deren Tochtergesellschaft, der E* GmbH („E*“), der geänderten Beteiligungsverhältnissen am Monopolisten sowie der konstant – über der jeweiligen Inflationsrate – ansteigenden Jahresumsätze des Monopolisten. Aufgrund der vorgelegten Urkunden und des eingeholten Sachverständigengutachtens hätte das Erstgericht feststellen können und müssen, dass die Werbemaßnahmen sowie die Geschäftsstrategie des Monopolisten im maßgebenden Zeitraum nicht eng auf das Erfordernis begrenzt gewesen sei, die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken; dass die Werbemaßnahmen und die Geschäftspolitik des Monopolisten darauf ausgerichtet gewesen seien, den Glücksspielmarkt in Österreich auch zu Neukunden hin zu erweitern, indem das Glücksspiel verharmlost werde und auch Neukunden zum Glücksspiel ermuntert werden würden; dass die Geschäftstätigkeit des Monopolisten im maßgebenden Zeitraum stetig ausgeweitet worden sei und die Umsätze des Monopolisten stetig – deutlich über der Inflationsrate – gestiegen seien; dass aggressive Werbemaßnahmen privater – nicht konzessionierter – Glücksspielanbieter im interessierenden Zeitraum nicht vorgelegen seien; dass die staatliche Politik darauf abziele, zur Teilnahme an dem Monopol unterliegenden Glücksspielen zu ermuntern.

Schließlich behauptet die Beklagte das Vorliegen von sekundären Feststellungsmängel im Zusammenhang mit der inkohärenten Regelung vergleichbarer Formen des Glücksspiels („horizontale Kohärenz“). Die österreichischen Glücksspielregulierung sei nämlich inkohärent, weil sie Spiele mit identem Gefährdungspotential unterschiedlich – auch in unterschiedlicher Eingriffsintensität – reguliere, namentlich enthalte die Regelung in Österreich unterschiedliche Regelungen von herkömmlichen Glücksspielautomaten und Video Lottery Terminals („VLT“), die dem Regime des GSpG unterliegen und auf Basis der Lotterienkonzession nach § 12a GSpG angeboten werden würden; das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass herkömmliche Glücksspielautomaten, bei denen das Ergebnis direkt im Gerät selbst ermittelt werde, und VLT, bei denen das Ergebnis zentralseitig ermittelt werde, ein identes Gefährdungspotential bergen würden und vom Verbraucher aufgrund ihrer Ähnlichkeit wechselseitig als Substitutionsgüter herangezogen werden könnten. Ebenso enthalte das österreichische Recht eine unterschiedliche Regulierung von Onlinesportwetten und Onlineglücksspielen; das Erstgericht hätte feststellen müssen, dass Onlinesportwetten dasselbe Gefährdungspotential wie Onlineglücksspiele hätten.

Sekundäre Feststellungsmängel erblickt die Beklagte auch im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen, wonach der Staat Österreich seine Nachweispflicht für die Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols nicht erbracht habe; das Erstgericht hätte daher entsprechend ihrem Vorbringen feststellen müssen, dass der Staat Österreich seiner Darlegungs- und Nachweispflicht im Hinblick auf die Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols nicht nachgekommen sei.

Im weiteren vermisst die Beklagte Feststellungen zu ihrem Vorbringen zur unterbliebenen Notifikation der Europäischen Kommission zur mit dem Budgetbegleitgesetz 201 geänderten Konzessionsbestimmung des § 14 GSpG; das Erstgericht hätte daher Feststellungen dazu treffen müssen, dass eine Notifikation der Europäischen Kommission über die Änderungen des § 14 GSpG durch das Budgetbegleitgesetz 2011 niemals erfolgt sei.

Das Berufungsgericht hält die Argumente für nicht stichhältig:

Der Oberste Gerichtshof hat im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte (vgl VfGH G 286/2019; G 161/2021; VwGH Ra 2019/17/0103) und auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (zuletzt 18. Mai 2021, C-920/19, Fluctus und Fluentum) in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre unionsrechtskonform ist und damit Glücksspiele ausschließlich von Monopolisten abgehalten werden dürfen. Deshalb ist ein Spiel, das nicht durch einen Konzessionsinhaber abgehalten wird, grundsätzlich ein verbotenes Spiel ( 1 Ob 171/22m; 2 Ob 221/22x; 3 Ob 186/22g; 6 Ob 200/22p; 7 Ob 168/22i; 9 Ob 84/22a; 2 Ob 23/23f; 1 Ob 25/23t; 7 Ob 198/23b).

Weiters hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls schon wiederholt bestätigt, dass solche Glücksspielverträge aufgrund des Verstoßes gegen das Glücksspielmonopol nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig und daher die erlittenen Verluste im Wege des Bereicherungsrechts rückforderbar sind. Dem steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB nicht entgegen, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde (OGH 6 Ob 50/22d; 7 Ob 168/22i; 6 Ob 32/23h).

Das Ersturteil folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der österreichischen Höchstgerichte, wonach das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- und Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) für den interessierenden Zeitraum den vom Europäischen Gerichtshof aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht.

Soweit die Beklagte einen sekundären Feststellungsmangel darin erblickt, dass das Ersturteil keine Feststellungen zu dem von ihr im Zusammenhang mit der fehlenden Kohärenz und den Auswirkungen des österreichischen Glücksspielmonopols erstatteten Vorbringen enthalte, übersieht sie, dass sie nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs konkret aufzuzeigen gehabt hätte, inwieweit sich diese Praxis im hier relevanten Zeitraum grundlegend geändert haben soll und die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung keine Aussagekraft mehr habe (OGH 1 Ob 174/21a; 7 Ob 163/21b; 7 Ob 213/21f; 9 Ob 20/21p). Derartige konkrete Behauptungen hat die Beklagte in diesem Verfahren nicht erhoben.

Eine Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen ist auch nicht allein schon deshalb anzunehmen, weil die Werbepraktiken des Monopolisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (EuGH 18. Mai 2021, C-920/19, Fluctus und Fluentum, Rn 52 f).

Es besteht auch nach der Entscheidung des EuGH (18. Mai 2021, C-920/19, Fluctus und Fluentum) kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (OGH 2 Ob 146/22t). Eine Bindung der Beklagten an Tatsachenfeststellungen der zitierten höchstgerichtlichen Entscheidungen wird weder vom Erstgericht noch vom Berufungsgericht angenommen. Auch wenn das Erstgericht an die dargestellte Rechtsprechung zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit nicht gebunden, sondern vielmehr gefordert war, diese selbst zu prüfen, konnte es sich dabei an der Judikatur der österreichischen Höchstgerichte orientieren, was es auch tat.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten, der Staat Österreich wäre seiner Darlegungs- und Nachweispflicht zur Erforderlichkeit des Glücksspielmonopols nicht nachgekommen, ist ein darauf gestützter sekundärer Feststellungsmangel schon deshalb zu verneinen, zumal nicht ersichtlich ist, welche konkreten einzelnen Feststellungen die Berufungswerberin tatsächlich anstrebt.

Eine Verpflichtung zur Notifizierung der Bestimmung des § 14 GSpG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBL I 2010/111, nach Maßgabe der Richtlinie 98/34/EG idF der Richtlinien 98/48/EG und 2006/96/EG hat der Oberste Gerichtshof unter Zugrundelegung einschlägiger Judikatur des EuGH bereits mehrfach verneint (OGH 3 Ob 200/21i; 4 Ob 200/21x; 4 Ob 213/21h; 4 Ob 223/21d; 6 Ob 203/21b; 6 Ob 226/21k; 7 Ob 213/21f).

Zusammenfassend ist demnach die Frage nach der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols höchstgerichtlich abschließend beantwortet, ohne dass es zur neuerlichen Schaffung einer ergänzenden Tatsachengrundlage bedarf. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.

In ihrer Rechtsrüge meint die Beklagte schließlich, selbst die Annahme einer Kohärenz mit dem Unionsrecht könne zu keinem Rückforderungsanspruch der Klägerin führen; Glücksspielverträge seien nämlich zulässig, das ABGB erfasse solche Verträge als eine eigene Vertragsgattung (§§ 1267 bis 1274 ABGB); die fehlende Konzession könne demnach zu keinem Inhaltsverbot, sondern allenfalls nur zu einem (hier irrelevanten) Abschlussverbot führen; die zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Glücksspielverträge seien daher wirksam zustande gekommen.

Die Argumentation der Beklagten widerspricht der steten Rechtsprechung, wonach jene Spiele nach § 1174 Abs 2 ABGB verboten und damit nichtig gemäß § 879 Abs 1 ABGB sind, die – wie hier – den in § 168 Abs 1 StGB und in § 1 Abs 1 GSpG angeführten Charakter haben, bei denen also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen (RIS-Justiz RS0102178; OGH 1 Ob 182/22d; 6 Ob 50/22d; 7 Ob 168/22i).

Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder des § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. Eine Verweigerung des Rückforderungsanspruchs würde dem Zweck des Glücksspielverbots widersprechen (OGH 1 Ob 172/22h; 6 Ob 32/23h; 6 Ob 50/22d; 7 Ob 168/22i; 6 Ob 32/23h).

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daher auch der Vertrag, mit dem die Beklagte konzessionslos der Klägerin die Teilnahme an Online-Glücksspielen auf ihrer Website ermöglichte, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig; die Spieleinsätze aus dem verbotenen Glücksspiel können bereicherungsrechtlich zurückgefordert werden (OGH 6 Ob 229/21a; 7 Ob 213/21f; 1 Ob 182/22d; 6 Ob 50/22d).

Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen (RS0032078). Auch diese gelten als Verzögerungszinsen im Sinn des § 1333 ABGB (5 Ob 115/23g, RS0031939). Die genannte Bestimmung ist daher sowohl für Verzugs- als auch für Vergütungszinsen maßgeblich. Vergütungszinsen gebühren im Fall unrechtmäßiger Bereicherung dem Entreicherten ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Bereicherung zumindest in Höhe der gesetzlichen Zinsen (§ 1000 Abs 1 ABGB). Denn ein (auch redlicher) Bereicherungsschuldner hat – im Falle des Fehlens einer Gegenleistung – die mit dem gesetzlichen Zinssatz pauschalierten Nutzungen eines von ihm zu erstattenden Geldbetrags unabhängig vom Eintritt des Verzugs herauszugeben (10 Ob 2/23a, 3 Ob 140/22t). Da die letzte Einzahlung der Klägerin auf ihrem Spielerkonto am 31. März 2024 erfolgte, ist der Zinsenzuspruch des Erstgerichts ab dem 1. April 2024 gerechtfertigt.

Aus diesen Erwägungen ist der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Die ordentliche Revision ist mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt, von der das Berufungsgericht nicht abweicht.