JudikaturOLG Graz

3R113/25z – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
09. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr. in Lichtenegger und Mag. a Binder in der Insolvenzeröffnungssache der Antragstellerin Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen , **, gegen die Antragsgegnerin A* , geb. am **, Selbstständige, **, vertreten durch die factum Rechtsanwalts GmbH in Klagenfurt am Wörthersee, wegen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens , über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 16.05.2025, ** - 14, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen .

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig .

Text

BEGRÜNDUNG:

Die Antragstellerin beantragte am 19.12.2024 beim Bezirksgericht Villach die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin. Sie bringt dazu vor, die Antragsgegnerin sei Unternehmerin im Sinne des § 182 IO (§ 1 Abs 2 KSchG) und bei ihr versichert. Sie habe eine aus rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen aus dem Zeitraum von 01.12.2022 bis 30.09.2024 samt Nebengebühren bestehende Forderung von gesamt EUR 4.127,89 zuzüglich Verzugszinsen von 7,88 % seit 20.12.2024 aus EUR 3.694,50. Zur Bescheinigung ihrer Forderung berief sie sich auf den (vollstreckbaren) Rückstandsausweis für rückständige Beiträge aus dem Zeitraum von 01.12.2022 bis 30.09.2024 in der Gesamthöhe von EUR 4.127,89 und auf einen nicht näher bezeichneten Exekutionsakt mit dem Aktenzeichen **. Sie erklärte, keinen Kostenvorschuss nach § 71a Abs 1 IO zu erlegen (**, ON 1).

Mit Beschluss vom 13.01.2025, **, sprach das Bezirksgericht Villach unter Hinweis auf die im Antrag angeführte Unternehmereigenschaft der Antragsgegnerin seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies die Insolvenzeröffnungssache gemäß § 44 JN an das Erstgericht, das das Insolvenzeröffnungsverfahren unter dem Aktenzeichen ** weiterführte.

Am 20.02.2025 schrieb das Erstgericht gemäß § 70 IO für den 11.03.2025 eine Tagsatzung zur Einvernahme der Antragsgegnerin und zur Abgabe des Vermögensverzeichnisses aus. Die Zustellung der Ladung samt dem Insolvenzeröffnungsantrag, einem Vermögensverzeichnis-Formular und dem Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 13.01.2025 verfügte das Erstgericht an die Antragsgegnerin unter der Anschrift „**“. Das Zustellorgan vermerkte handschriftlich auf dem im Akt erliegenden hybriden Rückscheinkuvert vom 26.02.2025, dass die Antragsgegnerin „verzogen“ ist, sodass die Zustellung an die Antragsgegnerin nicht bewirkt werden konnte.

Das Erstgericht verfügte sodann die Zustellung der oben genannten Schriftstücke an die Antragsgegnerin an der Adresse „**“. Nach Hinterlegung der Ladung zur Abholung ab 07.03.2025 wurde sie dem Erstgericht als „nicht behoben“ am 25.03.2025 retourniert.

Die Antragsgegnerin erschien nicht zur Tagsatzung am 11.03.2025 und legte kein Vermögensverzeichnis vor.

Das Erstgericht forderte die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12.03.2025 letztmalig unter Hinweis auf die möglichen Rechtsfolgen der Nichtvorlage des Vermögensverzeichnisses auf, binnen einer Woche das Vermögensverzeichnis vorzulegen. Es wies darauf hin, dass es von der von der Antragstellerin erstbescheinigten Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin ausgehe. Dieser Beschluss wurde der Antragsgegnerin nach dem im Akt erliegenden Zustellschein am 24.03.2025 durch Hinterlegung zugestellt und von ihr am 01.04.2025 beim Postamt behoben.

Mit Beschluss vom 24.04.2025 trug das Erstgericht der Antragstellerin gemäß § 71 a Abs 1 IO den Erlag eines Kostenvorschusses von EUR 4.000,00 bei sonstiger Abweisung ihres Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens auf. Begründend verwies es darauf, dass es nach dem bisherigen Verfahren an einem zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens hinreichenden Vermögen im Sinne des § 71 IO fehle. Dieser Beschluss wurde der Antragsgegnerin nach dem Zustellschein am 02.05.2025 persönlich zugestellt.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin mangels eines zur Deckung der Kosten des Verfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens ab. Es stellte auf der Grundlage seiner von Amts wegen eingeleiteten Erhebungen folgenden Sachverhalt fest:

Die Antragsgegnerin schuldet der Antragstellerin die in ihrem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens angeführten Sozialversicherungsbeiträge. Es sind zahlreiche Exekutionen gegen die Antragsgegnerin anhängig. Zuletzt wurde vom Bezirksgericht Villach zu ** die Exekution zur Hereinbringung von EUR 4.831,98 bewilligt. Im August 2024 fand ein „mangels pfändbarer Gegenstände“ erfolgloser Vollzugsversuch statt. Mit Beschluss vom 28.10.2024 wurde die offenkundige Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gemäß § 49a EO festgestellt. Sie verfügt über kein pfändungsfreies, realisierbares Vermögen von zumindest EUR 4.000,00. Die Antragstellerin erlegte den ihr aufgetragenen Kostenvorschuss nicht.

Daraus folgerte es, die Antragsgegnerin sei nicht in der Lage, alle ihre Verbindlichkeiten zum Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen, weshalb sie zahlungsunfähig sei. Sie habe nichts vorgebracht, woraus auf den Wegfall dieser Insolvenzvoraussetzung zu schließen sei. Nach § 71 IO sei weitere Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Vorhandensein kostendeckenden Vermögens, um die Anlaufkosten des Insolvenzverfahrens zu decken. Da die Antragsgegnerin über kein kostendeckendes Vermögen verfüge und die Antragstellerin den nach § 71a IO aufgetragenen Kostenvorschuss nicht erlegt hat, sei der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 71b IO mangels Vermögens abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der aus dem Rekursgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Rekurs der Antragsgegnerin . Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss „ersatzlos zu beheben bzw den Akt zur Verfahrensergänzung“ an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Antragstellerin beteiligt sich nicht am Rekursverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist verspätet.

1. Der angefochtene Beschluss, mit dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Kostendeckung abgewiesen und in dem auf die Zahlungsunfähigkeit der Antragsgegnerin hingewiesen wurde, wurde gemäß § 71b Abs 1 IO am 21.05.2025 durch Aufnahme in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt gemacht ( Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer , IO² [2022] zu § 71b IO Rz 6). Zu diesem Zeitpunkt hatte sie aufgrund der ihr zugestellten und an sie ausgefolgten Beschlüsse des Erstgerichts vom 12.03.2025 und 24.04.2025 Kenntnis vom anhängigen Insolvenzverfahren.

2. Die Wirkungen der Zustellung treten gemäß § 257 Abs 2 IO durch die öffentliche Bekanntmachung ein, und zwar unabhängig davon, ob und wann auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist. Daher wird die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt, unabhängig davon, ob und wann eine individuelle Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Antragsgegnerin erfolgt ist (RS0065237; RS0110969; 8 Ob 87/20g mwN; 8 Ob 101/24x mwN) und ob die Rekurswerberin in die Insolvenzdatei tatsächlich Einsicht genommen hat (8 Ob 61/16b; 8 Ob 87/20g mwN).

3. Die Berechnung der 14-tägigen Rechtsmittelfrist (§ 260 Abs 1 IO) beginnt gemäß § 252 IO iVm § 125 ZPO am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung. Der Tag nach der Bekanntmachung ist der erste Tag der Rechtsmittelfrist (RS0065237 [T27]). Die Rekursfrist begann demnach am 22.05.2025 und endete mit Ablauf des 04.06.2025. Der am 05.06.2025 eingebrachte Rekurs ist daher gemäß § 252 IO iVm § 526 Abs 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen (vgl RS0044025).

Der Bewertungsausspruch beruht auf § 252 IO iVm §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 lit b und Abs 3 ZPO. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt nach der Aktenlage (vgl Beschluss vom 28.10.2024 des BG Villach, **) aufgrund der Verbindlichkeiten der Antragsgegnerin EUR 5.000,00, nicht aber EUR 30.000,00.

Der Revisionsrekurs ist nicht jedenfalls im Sinne des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 252 IO unzulässig (8 Ob 101/24x = RS0065237 [T29]). Der ordentliche Revisionsrekurs ist aber mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO iVm § 252 IO nicht zulässig.