8Bs368/24i – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) und die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Petzner, Bakk. in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und 3 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. Oktober 2024, GZ **-7, nach der am 30. April 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Rechtsanwaltsanwärterin Mag a . Kohla durchgeführten öffentlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt wird.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
gründe:
Text
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und 3 StGB schuldig erkannt und nach § 148a Abs 3 StGB zur Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
Nach dem Schuldspruch hat er am 17. Februar 2024 in ** „und anderen Orten“ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der B* GmbH dadurch am Vermögen geschädigt, dass er eine „Online-Bestellung“ von zwei Garnituren Bettwäsche im Gesamtwert von EUR 75,98 auf den Namen seiner ehemaligen Freundin C* tätigte, mithin das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch unrechtmäßige Eingabe von Daten beeinflusste, wobei ihm die bestellte Ware auch tatsächlich zugestellt wurde.
Der unvertretene Angeklagte erklärte nach Verkündung des Urteils und Rechtsmittelbelehrung, dass er ein „Rechtsmittel“ anmelden möchte, weil ihm die unbedingte Strafe zu hoch sei (ON 6, PS 7). Damit brachte er unmissverständlich einen Anfechtungswillen in Bezug auf den Ausspruch über die Strafe zum Ausdruck (zur Beurteilung einer Rechtsmittelerklärung nicht nach ihrem Wortlaut, sondern ihrem Sinn vgl RIS-Justiz RS0099951). Die schriftliche Ausführung des Rechtsmittels bekämpft das Urteil mit Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a iVm § 489 Abs 1 StPO) sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe (ON 10).
Rechtliche Beurteilung
Nur die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe hat teilweise Erfolg.
Die Mängelrüge verfehlt ihr Ziel.
Soweit diese eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen, wonach der Angeklagte den Tatentschluss völlig unbeeindruckt von seinen bisherigen einschlägigen Verurteilungen aufgrund seiner tristen finanziellen Situation gefasst habe (US 3), behauptet, verabsäumt sie die Bezugnahme auf einen für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage entscheidenden Umstand (RIS-Justiz RS0099497, RS0106268; RS0088761 [T2]).
Der Berufung zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tathergang (Bestellung unter dem Namen der C* unter Anführung der Adresse des Angeklagten als Liefer- und Rechnungsadresse, Entgegennahme der Pakete und Unterfertigung der Abliefernachweise direkt unter bzw neben dem Namen der C* sowie Nichtbezahlung der Kaufpreisforderung) und dem einschlägig belasteten Vorleben des Angeklagten unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden. Mit seinen dagegen erhobenen Einwänden kritisiert der Angeklagte in weiten Teilen – an dieser Stelle unzulässig – die Beweiswürdigung des Erstgerichts im Stil einer Schuldberufung (RIS-Justiz RS0098471 [T2] und [T5]).
Die Annahme eines bei der B* GmbH eingetretenen Vermögensschadens geht bereits aus der Feststellung, wonach diese dem Angeklagten zwei Garnituren Bettwäsche zum Gesamtpreis von EUR 75,98 zusandte, ohne den vollen Kaufpreis zu erhalten (US 4 zweiter Absatz) hinreichend deutlich hervor und bedurfte daher keiner weiteren Begründung.
Entgegen der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) steht die am 24. September 2024 und somit erst nach bereits erfolgter Anzeigenerstattung geschlossene Ratenzahlungsvereinbarung mit dem von der B* GmbH beauftragten Inkassobüro als bloßes Nachtatverhalten den Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten im Tatzeitpunkt nicht erörterungsbedürftig entgegen, weil nur erhebliche Tatsachen, mithin solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung sind, berücksichtigt werden müssen (RIS-Justiz RS0118316 [T1, T7, T8]). Die weitere in diesem Zusammenhang aufgestellte Behauptung, der Angeklagte habe eine „Anzahlung“ von EUR 20,00 geleistet, ist urteilsfremd (vgl US 3 vorletzter Absatz).
Der Berufung zuwider besteht auch kein (der Sache nach geltend gemachter) innerer Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zwischen der Feststellung, dass der Angeklagte bei der inkriminierten Bestellung seine eigene Adresse als Liefer- und Rechnungsadresse angab, und jener zum Bereicherungsvorsatz des Angeklagten, weil diese Tatsachen nach den Gesetzen logischen Denkens nebeneinander bestehen können (RIS-Justiz RS0099651).
Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld, die vor dem geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund zu prüfen ist, bleibt erfolglos. Gegen die auf einer lebensnahen Beweiswürdigung des Erstgerichts beruhenden Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite bestehen keine Bedenken (vgl § 489 Abs 1 iVm § 473 Abs 2 StPO).
Die Konstatierungen zum objektiven Tatgeschehen konnte das Erstgericht bedenkenlos auf die mit den vorliegenden Bestellunterlagen (vgl deren Zusammenfassung in ON 2.2, 2 ff) in Einklang stehende tatsachengeständige Verantwortung des Angeklagten stützen. Die von ihm behauptete irrtümliche Verwendung des Namens der C* lehnte es mit überzeugender Begründung als Schutzbehauptung ab. Gegen diese Einlassung spricht im Übrigen auch, dass der Angeklagte den Empfang der beiden Pakete direkt unter bzw neben dem Namen der C* mit seiner Unterschrift bestätigte und die behauptete irrtümliche Verwendung des Namens der C* als Bestellerin der Waren auch in der nachfolgenden Korrespondenz mit der B* GmbH nicht offenlegte, sondern stattdessen – den vorliegenden Abliefernachweisen zuwider (ON 2.11 und ON 2.13) – ohne Nennung seines Namens behauptete, nur das Paket mit der Bettwäsche erhalten zu haben (ON 6.1). Dass der Angeklagte bei der Bestellung seine eigene Adresse als Liefer- und Rechnungsadresse angab, schließt den festgestellten Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz keineswegs aus, kann die B* GmbH ihre Forderung – wie auch tatsächlich geschehen (vgl Inkassoschreiben ON 2.7) – doch nur bei der (vermeintlichen) Bestellerin der Waren (hier: C*) betreiben und exekutieren. Auch vor diesem Hintergrund ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Geschehensablauf in Verbindung mit den angespannten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Angeklagten (vgl US 5), der nicht einmal in der Lage war, den Rechnungsbetrag von EUR 75,98 auf einmal zu bezahlen, und seinem im engsten Sinn einschlägig belasteten Vorleben nachvollziehbar und daher nicht zu beanstanden.
Die Rechtsrüge(Z 9 lit a) behauptet einen substanzlosen Gebrauch der verba legalia in Bezug auf die Feststellungen zum Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz des Angeklagten. Sie legt aber nicht dar, warum diesen an die Schilderung des objektiven Tatgeschehens (Eingabe des Namens der C* als Bestellerin der Waren, Entgegennahme der Pakete und Unterfertigung der Abliefernachweise direkt unter bzw neben dem Namen der C* sowie Nichtbezahlung der Kaufpreisforderung) anschließenden Konstatierungen der Sachverhaltsbezug fehlen sollte (vgl RIS-Justiz RS0119090 [T2]). Inwiefern Feststellungen zu früheren Bestellungen des Angeklagten und der C* auf deren Namen erforderlich gewesen wären, legt die Berufung nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar (vgl aber RIS-Justiz RS0116565, RS0116569). Ferner nimmt das weitere Vorbringen, dass der Angeklagte die offene Rechnung mit „seinem Gehaltskonto“ ohne weiteres bezahlen hätte können, prozessordnungswidrig nicht Maß am konstatierten Urteilssachverhalt (vgl aber RIS-Justiz RS0099810), wonach er bei Vornahme der Bestellung nicht zahlungswillig und zahlungsfähig war (US 4 dritter Absatz).
Zutreffend zeigt die Oberstaatsanwaltschaft auf, dass aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen der Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 Abs 1 StGB ausgehend von der Strafbefugnis des § 148a Abs 3 StGB ein Strafrahmen von bis zu viereinhalb (anstatt bis zu drei) Jahren Freiheitsstrafe ausgeschöpft werden kann (zur fehlenden Bindung an einen vom Erstgericht zu gering ausgemessenen Strafrahmen: 15 Os 119/23y). Nach den Urteilskonstatierungen (US 2 f) wurde der Angeklagte nämlich schon mehr als zweimal wegen vorsätzlicher strafbarer Handlungen, die gegen das Rechtsgut Vermögen gerichtet waren, zu Freiheitsstrafen verurteilt, wobei sich aus der Strafregisterauskunft ergibt, dass er diese auch verbüßte (und zwar zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Graz bis 23. Mai 2019 und zu AZ ** des Bezirksgerichts Voitsberg bis 23. November 2021). Er beging nach Vollendung des 19. Lebensjahres die nunmehr abgeurteilte, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat, ohne dass Rückfallsverjährung nach § 39 Abs 2 StGB eingetreten wäre.
Erschwerend wirkt, dass der Angeklagte bereits viermal wegen gegen das Rechtsgut Vermögen gerichteter und damit auf derselben schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB; zur Berücksichtigung auch der rückfallsbegründenden Vorstrafen als erschwerend siehe RIS-Justiz RS0091527 [T3]; Riffel, WK² StGB § 33 Rz 8). Mildernd ist hingegen die im Berufungsverfahren behauptete (im Zweifel zu Gunsten des Angeklagten angenommene) gänzliche Wiedergutmachung des der B* GmbH entstandenen Schadens (§ 34 Abs 1 Z 14 zweiter Fall StGB).
Davon ausgehend erweist sich ungeachtet der erweiterten Strafbefugnis die vom Erstgericht verhängte Strafe wegen des geringen Erfolgsunwerts als überhöht. Die Freiheitsstrafe ist daher auf das tat- und schuldangemessene Maß von sechs Monaten herabzusetzen.
Die bedingte Nachsicht der Strafe (§ 43 Abs 1 StGB) oder die Verhängung einer Geldstrafe (§ 37 Abs 1 StGB) scheidet beim Angeklagten aus spezialpräventiven Gründen aus, weil wegen seines (erheblich) einschlägig belasteten Vorlebens und der Wirkungslosigkeit der bisher über ihn verhängten bedingten und unbedingten Sanktionen davon auszugehen ist, dass es des Vollzugs der Freiheitsstrafe bedarf, um ihn in Zukunft von strafbaren Handlungen abzuhalten.
Der Kostenausspruch ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet auf § 390a Abs 1 StPO.