3R52/25d – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch den Richter Mag. Tanczos (Vorsitz) und die Richterinnen Dr in . Lichtenegger und Dr in . Steindl-Neumayr in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Pensionist, **, vertreten durch Mag. Martin Winter, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Konrad Burger-Scheidlin, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen (eingeschränkt) EUR 22.210,00 und Feststellung (Streitwert EUR 3.000,00), über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8. Februar 2025, **-23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 2.744,82 (darin EUR 457,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .
Entscheidungsgründe:
Text
Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers gegen die beklagte Privatklinik wegen der auf die Operation (transurethrale Prostataresektion) vom 17. Jänner 2023 zurückzuführenden erektilen Dysfunktion und einer Dranginkontinenz, die er auf einen Aufklärungsfehler der Ärzte der beklagten Partei stützt.
Der Kläger befand sich seit dem Jahr 2016 beim Urologen Dr. C* in Behandlung. Dr. C* untersuchte regelmäßig die Prostata des Klägers, da dieser über Erektionsprobleme und Probleme beim Harnlassen aufgrund einer vergrößerten Prostata klagte. Mit der Zeit erhöhte sich der PSA-Wert beim Kläger grenzwertig. Dr. C* besprach mit dem Kläger zwei Therapievarianten: Eine medikamentöse Behandlung und eine Operation.
Im Dezember 2022 wurde der Kläger bei Dr. D* (einem Mitarbeiter der beklagten Partei) vorstellig. Er wollte ein Konsil wegen der bestehenden Symptome des unteren Harntraktes („Lower Urinary Tract Symptom“) und der PSA-Erhöhung. Im Rahmen der Untersuchung wurde mit dem Kläger ein MRT der Prostata geplant und zugleich die mögliche Indikation für eine operative Sanierung der Prostata besprochen.
Die MRT-Untersuchung des Klägers ergab keinen Hinweis auf eine maligne Veränderung der Prostata. Der folgenden Besprechung (am 27. Dezember 2022) zog Dr. D* Oberarzt Dr. E* hinzu. Dr. D* empfahl dem Kläger eine transurethrale Teilresektion der Prostata. Durch diese Operation werde er wieder Harn lassen können. Er erklärte dem Kläger, es könne für acht bis zwölf Wochen zu Nachblutungen und einer auf denselben Zeitraum beschränkten Inkontinenz kommen. Dr. D* klärte den Kläger darüber auf, dass ein Samenerguss nur mehr in die Blase erfolgen wird und er keine Kinder mehr zeugen könne. Impotenz wurde bei diesem Gespräch nicht thematisiert.
Am 16. Jänner 2023 wurde der Kläger bei der beklagten Partei stationär zur Durchführung einer transurethralen Prostataresektion aufgenommen, gestützt auf die Diagnosen einer Prostatahyperplasie und einer chronischen Prostatitis.
Am Tag der stationären Aufnahme erfolgte die Operationsaufklärung des Klägers aus den Fachbereichen der Urologie und der Anästhesie. Die urologische Aufklärung nahm der Operateur vor, Oberarzt Dr. E*. Dieser erklärte dem Kläger zunächst die Vorgehensweise bei der Operation und wie die Teilresektion erfolgt. [F 1] An Nebenwirkungen und Komplikationen wies Dr. E* den Kläger auf Nachblutungen, eine Infektion durch den gelegten Katheter, Engstellenbildung in der Harnröhre binnen Wochen oder Monaten nach der Operation, Erektionsprobleme, Ejakulation in die Blase, Dranginkontinenz für die Dauer von bis zu drei Monaten, eine Belastungsinkontinenz abhängig von der Stärke des Beckenbodens und die Möglichkeit einer dauerhaften Harninkontinenz hin .
[F 1 1 ] Das von Dr. E* zum Gegenstand der Aufklärung gemachte Risikospektrum ist aus medizinischer Sicht vollständig, die Aufklärung sohin in diesem Kontext regelrecht erfolgt.
Der Kläger äußerte im Hinblick auf die geplante Operation weder gegenüber Dr. D* noch gegenüber Dr. E*, dass ihm sein Sexualleben besonders wichtig ist oder er darauf Wert legt, dass sein Sexualverhalten nach der Operation gleich ist wie davor.
Die den Kläger behandelnden Ärzte der beklagten Partei hatten keine Kenntnis von bereits vor der Operation bestehenden Erektionsproblemen des Klägers.
Die Operation war aus medizinischer Sicht indiziert.
[F 2] Selbst wenn dem Kläger die dauernde Harninkontinenz und/oder die dauernde Impotenz als Operationsrisiken vor der Operation bekannt gewesen wären, hätte er sich dennoch für die Durchführung der gegenständlichen Operation entschieden.
Oberarzt Dr. E* war für die Durchführung der gegenständlichen Operation fachlich qualifiziert.
[F 3] Der Kläger leidet seit der Operation an einer erektilen Dysfunktion und einer Dranginkontinenz.
Im Zuge der beim Kläger am 17. Jänner 2023 durchgeführten Operation entfernte Oberarzt Dr. E* 56 Gramm an Prostatagewebe. Die Operation und der postoperative Verlauf bei der beklagten Partei zeigten sich komplikationslos, weshalb am fünften Tag nach der Operation der Blasenkatheter beim Kläger ohne Restharn entfernt werden konnte. Der Kläger wurde am 23. Jänner 2023 aus der stationären Behandlung entlassen.
Der Kläger fordert von der beklagten Partei EUR 22.210,00 samt Anhang (darin EUR 10.000,00 Schmerzengeld; EUR 10.700,00 Verdienstentgang; EUR 700,00 Fahrtkosten; EUR 150,00 Barauslagen; EUR 810,00 Heilbehelfe [gesamt richtig EUR 22.360,00) sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für sämtliche zukünftige Schäden resultierend aus der unterlassenen notwendigen Aufklärung, in eventu für sämtliche zukünftige Schäden gestützt auf den Titel des Verdienstentganges aus der unterlassenen notwendigen Aufklärung. Begründend führt er eine Aufklärungspflichtverletzung in Ansehung des Risikos an, durch die Operation dauerhaft inkontinent sowie impotent zu werden. Wäre er über diese Risiken aufgeklärt worden, hätte er der Operation nicht zugestimmt.
Die beklage Partei beantragt die Klagsabweisung und wendet ein, der Kläger sei am 16. Jänner 2023 über die anstehende Operation und deren Komplikationen vollumfänglich aufgeklärt worden. Er habe selbstbestimmt und in Kenntnis der möglichen Folgen des Eingriffs seine Einwilligung und sein Einverständnis zur Operation am 17. Jänner 2023 erteilt. Mit dem Kläger sei der gesamte Aufklärungsbogen durchbesprochen worden. Er hätte sich unabhängig vom Umfang der Aufklärung jedenfalls für die Operation entschieden.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren und das Eventualfeststellungsbegehren ab und verpflichtete den Kläger, der beklagten Partei die mit EUR 8.741,76 (darin EUR 1.191,96 an Umsatzsteuer und EUR 1.590,00 an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen. Es traf neben den eingangs zusammengefasst - soweit bekämpft in Fettschrift – wiedergegebenen, die in den Urteilsseiten 3 bis 5 enthaltenen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist. Daraus zog es zusammengefasst folgende rechtliche Schlüsse : Der Kläger sei über das Risikospektrum regelgerecht aufgeklärt worden. Es stehe zwar nicht fest, dass der die Aufklärung durchführende Dr. E* dem Kläger dargelegt habe, er könnte dauerhaft impotent sein. Fest stehe aber, dass Dr. E* ihn über operationsbedingte Erektionsprobleme in Kenntnis gesetzt habe. Da der Kläger nicht erwähnt habe, Wert auf ein unverändertes Sexualverhalten nach der Operation zu legen und nicht mitgeteilt habe, dass ihm sein Sexualverhalten besonders wichtig sei, habe keine Notwendigkeit bestanden, über den festgestellten Umfang hinaus, in der Aufklärung weiter ins Detail zu gehen. Die Aufklärung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Selbst für den Fall, der Kläger hätte über eine dauerhafte Harninkontinenz und/oder dauerhaften Impotenz aufgeklärt werden müssen, wäre für ihn nichts gewonnen, denn der beklagten Partei sei der Beweis gelungen, der Kläger hätte sich in Kenntnis dieser Risiken für die Durchführung der Operation entschieden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Berufung des Klägers mit dem auf Klagsstattgebung gerichteten Abänderungsantrag. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung , der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, über die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden konnte, ist nicht berechtigt.
I. Zur Mängelrüge:
1. In seiner Mängelrüge behauptet der Kläger, weder von Dr. D* noch von Dr. E* über die Risiken einer dauerhaften Impotenz und dauerhaften Inkontinenz aufgeklärt worden zu sein. Er hebt die Richtigkeit seiner Aussage hervor, wonach für ihn das Weiterfunktionieren seiner Sexualfunktion wichtig war. Zudem fehle ein Sachverständigengutachten, denn Univ.-Prof. Dr. F* sei lediglich „einvernommen“ worden.
2. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt vor, wenn dieser abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu verhindern. Zu diesen primären Verfahrensmängeln zählen insbesondere Stoffsammlungsmängel, wie zB die unberechtigte Nichtzulassung bzw Nichtaufnahme von Beweisen. Einen solchen Verfahrensmangel kann das Berufungsgericht wahrnehmen, wenn er (ausdrücklich geltend gemacht wird und) wesentlich ist, also zumindest abstrakt geeignet ist, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen. Der Berufungswerber muss behaupten, welche für die Entscheidung des Rechtsfalles relevanten Ergebnisse ohne den Mangel hätten erzielt werden können ( Pimmer in Fasching/Konecny³ IV/1 § 496 ZPO Rz 35 [Stand 1.9.2019, rdb.at]).
2.1. Diesen Voraussetzungen werden die Ausführungen des Klägers in keiner Weise gerecht. Die Verfahrensrüge des Klägers ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Die Frage, ob der Kläger vollständig aufgeklärt wurde, ist der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen. Die Prüfung der Aussage des Klägers auf ihren Wahrheitsgehalt ist Teil der Beweiswürdigung. Inwiefern die fachlichen Ausführungen des vom Erstgericht zum Sachverständigen bestellten Univ.-Prof. Dr. F* in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 2024 kein Gutachten sein sollen, bleibt unklar.
II. Zur Beweisrüge:
1. Der Kläger bekämpft die Feststellungen [F 1] und [F 1 1 ] , mit welchen das Erstgericht beschreibt, über welche Nebenwirkungen und Komplikationen Dr. E* den Kläger aufklärte (unter anderem Erektionsprobleme, dauerhafte Harninkontinenz) und festhält, dass die Aufklärung aus medizinischer Sicht vollständig war. An deren Stelle begehrt er, folgende Ersatzfeststellungen zu treffen:
EF 1 : „An Nebenwirkungen und Komplikationen wies Dr. E* den Kläger nicht auf eine dauerhafte Impotenz und nicht auf eine dauerhafte Inkontinenz hin.“
EF 1 1: „Das von Dr. E* zum Gegenstand der Aufklärung gemachte Risikospektrum ist nicht vollständig, die Aufklärung ist somit in diesem Kontext nicht regelrecht erfolgt.“
Er argumentiert, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überzeuge nicht. Aus keinem Beweisergebnis ergebe sich eine Aufklärung des Klägers über das Risiko der dauerhaften Impotenz und dauerhaften Inkontinenz. Das Erstgericht hätte zum Ergebnis der Unvollständigkeit der Aufklärung des Klägers gelangen müssen.
1.1. Es gehört zum Wesen der freien Beweiswürdigung, dass der Richter die Aussagekraft der Beweisergebnisse beurteilt. Er hat sich für eine von mehreren widersprechenden Darstellungen aufgrund seiner Überzeugung, dass dieser mehr Glaubwürdigkeit zukomme, zu entscheiden (RIS-Justiz RS0043175). Der diesem Grundsatz folgenden Beweiswürdigung des Erstgerichts stellt der Kläger bloß seine Angaben in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 2024 gegenüber. Es genügt aber nicht, den bekämpften Feststellungen Gegenbehauptungen entgegenzusetzen oder für einzelne Standpunkte sprechende Beweisergebnisse aufzuzeigen (stRspr; RIS-Justiz RS0041830). Erforderlich ist eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Es ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweisergebnisse andere Feststellungen) hätte treffen müssen ( Kodek , Praxistipp zum Berufungsverfahren, ZAK 2016, 348; RIS-Justiz RS0041835 [T 7]).
1.1.1. Nach der vom Erstgericht getroffenen Feststellung [F 1] waren dem Kläger nach der Aufklärung durch Dr. E* die Risiken der Dranginkontinenz (für die Dauer von bis zu drei Monaten), einer Belastungsinkontinenz abhängig von der Stärke des Beckenbodens und die Möglichkeit einer dauerhaften Harninkontinenz bekannt. Dass dazu keine Beweisergebnisse vorliegen würden, ist falsch:
Dr. E* machte in seiner Aussage deutlich, standardmäßig über die Risiken der Drang- und Belastungsinkontinenz aufzuklären (vgl ON 18.8, Seite 19). Der vom Kläger aus der Aussage des Zeugen Dr. E* zitierte Hinweis, er kläre „für gewöhnlich“ auf diese Weise auf, bietet keinen Grund anzunehmen, beim Kläger wäre das Aufklärungsgespräch anders verlaufen. Denn gerade die von Dr. E* durch diesen Hinweis zum Ausdruck gebrachte Routine bei der Aufklärung lässt den Rückschluss darauf zu, dass auch der Kläger über die angesprochenen Risiken informiert wurde. In dem mit dem Kläger besprochenen (und von ihm unterfertigten) Aufklärungsbogen findet sich sodann der vom Erstgericht (disloziert in der Beweiswürdigung) festgestellte Halbsatz, wonach es in ungünstigsten Fällen zu einer dauerhaften Harninkontinenz kommen kann. Völlig zu Recht stützt das Erstgericht daher die getroffene Feststellung [F 1] auf die Aussage des Zeugen Dr. E* in Verbindung mit dem Aufklärungsbogen Beilage ./A.
1.1.2. Tatsächlich wurde der Kläger nicht über eine „dauerhafte Impotenz“ als Folge der Operation aufgeklärt. Eine gesonderte Feststellung brauchte dazu entgegen der Annahme des Klägers aber nicht getroffen werden. Denn dieser Umstand ist unstrittig. Das Erstgericht hält dazu in seiner rechtlichen Beurteilung fest: „Fest steht zwar nicht, dass der die Aufklärung durchführende Dr. E* dem Kläger dargelegt hat, dass er dauerhaft impotent sein könnte, es steht aber fest, dass Dr. E* ihn sehr wohl über operationsbedingte Erektionsprobleme in Kenntnis setzte.“
1.1.3. Aus dem Fehlen einer Feststellung zur Aufklärung über das Risiko der dauerhaften Impotenz leitet der Kläger erkennbar die Ersatzfeststellung EF 1 1 ab. Dazu ist Folgendes festzuhalten: Die Frage, ob die Aufklärung vollständig war, ist eine der rechtlichen Beurteilung. Damit bietet die auf der Tatsachenebene getroffene Aussage, „das zum Gegenstand der Aufklärung gemachte Risikospektrum ist aus medizinischer Sicht vollständig“ nur einen Anhaltspunkt dafür, dass - aus medizinischer Sicht - sämtliche Risiken angesprochen wurden. Zumal im Aufklärungsgespräch mit Dr. E* Erektionsprobleme ein Thema waren, ist diese Aussage auch gut nachvollziehbar und plausibel. Für die vom Kläger begehrte Verkehrung der Aussage in ihr Gegenteil besteht keine Grundlage.
2. Das Erstgericht verweist in seiner Begründung im Wesentlichen auf zwei Umstände, warum sich der Kläger in Kenntnis der Risiken einer dauerhaften Harninkontinenz und dauerhaften Impotenz für die Operation entschieden hätte: Die Sorge des Klägers, an Krebs erkrankt zu sein oder zu erkranken (arg: vergrößerte Prostata und kontinuierlich steigender PSA-Wert) und seinen Leidensdruck, weil er wegen der vergrößerten Prostata zum Teil über Stunden (nach den Angaben der Tochter des Klägers einmal über zwölf bis dreizehn Stunden) nicht urinieren konnte. Diese Faktoren ließen die Aussage des Klägers unglaubwürdig erscheinen, er hätte sich in Kenntnis der Möglichkeit, dauerhaft inkontinent und dauerhaft impotent zu sein, gegen die Operation entschieden.
2.2. Innere Tatsachen, wie der Wille, Gemütsbewegungen, Kenntnisse und Absichten, können in der Regel nicht direkt bewiesen werden, sondern es bedarf dabei der Zuhilfenahme eines Erfahrungsschlusses. Von erweislichen Tatsachen, die nicht unmittelbar den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen entsprechen, muss mit Hilfe von Erfahrungssätzen auf sie geschlossen werden ( Rechberger in Fasching/Konecny³ III/1 Vor § 266 ZPO). Der Kläger war über das Risiko der dauerhaften Harninkontinenz aufgeklärt. Wofür er sich entschieden hätte, wäre mit ihm zudem das Risiko einer dauerhaften Impotenz erörtert worden (bei Vorliegen einer Impotenz käme zur sexuellen Funktionsstörung [erektile Dysfunktion] die Zeugungsunfähigkeit), lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Dieses Geschehen fand nicht statt. Beim Versuch, die Entscheidung des Klägers hypothetisch nachzuvollziehen, ist daher unter Einbeziehung sämtlicher Umstände sorgsam zu erwägen, wie er sich zum relevanten Zeitpunkt entschieden hätte. Dabei spielen die vom Erstgericht genannten Faktoren die entscheidende Rolle. Der MRT-Befund zeigte keinen Hinweis auf eine maligne Entwicklung. Eine mögliche Krebserkrankung war damit nicht der primäre Grund für den operativen Eingriff, sondern die von Dr. D* und Dr. E* in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 2024 (ON 18.4 Seiten 14 und 18) angesprochene deutliche Verbesserung der Beschwerdesymptomatik (leichtere Entleerung der Blase). Dennoch war die Möglichkeit, einen histopathologischen Befund betreffend das Resektionsmaterial zu bekommen, für den Kläger offenbar sehr wichtig. Nicht anders lässt sich seine folgende Aussage erklären: „Ob die Prostata bösartig ist oder nicht, das wusste ich vorher nicht, das wurde dann erst danach eruiert. Ich hätte das machen können oder nicht. Ich habe das wegen der Sicherheit gemacht, nämlich ob ich Krebs habe oder eben nicht. [...] Der Hauptgrund für mich, warum ich mich für die Operation entschieden habe, war eben die Abklärung, ob ich Krebs habe oder nicht.“ (ON 18.4, Seite 8). Eine mögliche Krebserkrankung mit höchstmöglicher Sicherheit auszuschließen, war für den Kläger erkennbar von großer Bedeutung. Berücksichtigt man zudem den Leidensdruck des Klägers, über Stunden nicht urinieren zu können, der vom Kläger zwar verharmlost, von seiner Tochter - bestätigt durch den ihn behandelnden Arzt (ON 18.4, Seiten 22f) - aber als sehr belastend geschildert wird, teilt das Berufungsgericht die Einschätzung des Erstgerichts.
3. Zuletzt bekämpft der Kläger die Feststellung [F 3] , wonach er seit der Operation an einer erektilen Dysfunktion und einer Dranginkontinenz leidet. Unter Zugrundelegung seiner Aussage strebt er die Ersatzfeststellung an, er sei „dauerhaft impotent und dauerhaft inkontinent“. Dies sei ihm von Dr. C* so gesagt worden.
3.1. Das Erstgericht stützt die bekämpfte Feststellung auf die fachlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. F*. Die Aussage des Klägers ist nicht geeignet, dessen Expertise in Zweifel zu ziehen. Auch der Hinweis auf ihm gegenüber getätigte Angaben von Dr. C* lässt keine andere Beurteilung zu. Seine Aussage bringt keine neuen Tatsachen hervor, mit welchen der Sachverständige konfrontiert hätte werden müssen. Dr. C* verweist vielmehr auf die Angaben des Klägers, wenn er in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. Oktober 2024 (ON 18.4 Seite 22) angibt: „Zu mir hat der Kläger gesagt, dass seit der Operation die Erektion schlechter ist. Ob er mir gesagt hat, dass er gar keine hat, das müsste ich nachschauen, jedenfalls hat er mir gesagt, dass ein Erektionsproblem besteht“.
Zusammengefasst übernimmt das Berufungsgericht den vom Erstgericht erarbeiteten Sachverhalt als Ergebnis einer durchwegs unbedenklichen Beweiswürdigung und legt ihn seiner eigenen rechtlichen Beurteilung zugrunde (§ 498 Abs 1 ZPO).
III. Zur Rechtsrüge:
1. Der Kläger wendet sich auch in der Rechtsrüge gegen die vom Erstgericht basierend auf den vorliegenden Feststellungen vorgenommene rechtliche Beurteilung in Ansehung der geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzung. Die Aufklärung über eine dauerhafte Impotenz fehle, weshalb diese unvollständig geblieben sei.
2. Grundlage für eine Haftung des Arztes wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch den ärztlichen Eingriff eingegriffen wird (RIS-Justiz RS0118355). Grundsätzlich ist jeder ärztliche Eingriff in die körperliche Integrität eines Patienten rechtswidrig, soweit nicht eine wirksame Einwilligung des Patienten vorliegt (RIS-Justiz RS0026511 [T4]). Für den Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht trifft den beklagten Arzt die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zu der ärztlichen Maßnahme erteilt hätte (RIS-Justiz RS0108185 [T2]). Der Patient ist nicht beweispflichtig für den Umstand, dass er dem Eingriff bei ordentlicher Aufklärung nicht zugestimmt hätte. Insofern trifft die Behauptungs- und Beweislast einer Einwilligung des Patienten selbst im Fall einer vollständigen Aufklärung den Beklagten (vgl RIS-Justiz RS0038485 [T10]).
3. Das Erstgericht stellt fest, der Kläger hätte in die Operation eingewilligt, wenn er über die Risiken der dauerhaften Inkontinenz und der dauerhaften Impotenz aufgeklärt worden wäre. Der beklagten Partei ist demnach - das Bestehen einer Aufklärungspflicht und deren Verletzung unterstellt – der sie treffende Beweis des rechtmäßigen Alternativverhaltens gelungen. Auf die Frage der Vollständigkeit der Aufklärung durch Dr. D* und Dr. E* braucht nicht weiter eingegangen zu werden.
4. Soweit der Kläger fehlende Feststellungen zur dauerhaften Impotenz und dauerhaften Inkontinenz, zum Nichtvorliegen der notwendigen Fachexpertise der den Kläger behandelnden Chirurgen sowie zu der dem Kläger zugesagten Verantwortungsübernahme durch Dr. E*, „ im Falle es würde etwas schiefgehen “, als sekundäre Feststellungsmängel rügt, ist ihm das Folgende zu entgegnen:
Die Feststellungsgrundlage ist nur mangelhaft, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind und die Umstände betreffen, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS-Justiz RS0053317). Wenn zu bestimmten Themen - wie hier zu den Folgen der Operation („Dranginkontinenz und erektile Dysfunktion“) und zur Fachkompetenz des die Operation durchführenden Chirurgen („Oberarzt Dr. E* war für die Durchführung der gegenständlichen Operation fachlich qualifiziert“) - Tatsachenfeststellungen getroffen wurden, können diesbezüglich auch keine rechtlichen Feststellungsmängel erfolgreich geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0053317 [T 1], RS0043320 [T 18], RS0043480 [T 15]).
4.1. Der Kläger stützt seine Schadenersatzforderungen ausschließlich auf das Vorliegen einer Aufklärungspflichtverletzung durch die Ärzte der beklagten Partei. Welche rechtlich relevanten Feststellungen im Zusammenhang mit der vom Kläger geschilderten Verantwortungsübernahme durch Dr. E*, „ im Falle es würde etwas schiefgehen “, fehlen sollen, führt die Berufung nicht aus. Das bleibt unklar. Insoweit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.
5. Der Berufung war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
Beim Bewertungsausspruch war zu berücksichtigen, dass das Feststellungsbegehren – offenbar aus Kostengründen – ersichtlich unterbewertet wurde, liegen doch beim Kläger behauptetermaßen eine dauerhafte Impotenz und eine dauerhafte Inkontinenz vor, die sein Leben entscheidend beeinträchtigen und einschränken.
Die im Gesetz (§ 502 Abs 1 ZPO) genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision gegen diese Entscheidung liegen nicht vor.