JudikaturOGH

14Os94/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
07. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Mann sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin FOI Bayer in der Strafsache gegen Mag. Dr. * K* wegen des Verbrechens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen des Genannten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Mai 2025, GZ 62 Hv 36/24b 137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Dr. * K* des Vergehens des Handels mit psychotropen Stoffen nach § 31a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von 1. Jänner 2022 bis 1. Jänner2024 in E* vorschriftswidrig psychotrope Stoffe in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er in zahlreichen Angriffen entgegen der das Apotheken- und Arzneimittelrecht regelnden Vorschriften (§ 7 SMG) Rivotril (Wirkstoff: Clonazepam), X anor(Wirkstoff: Alprazolam), Praxiten (Wirkstoff: Oxazepam), Psychopax (Wirkstoff: Diazepam), Gewacalm (Wirkstoff: Diazepam), Alprazolam (Wirkstoff: Alprazolam), Halcion (Wirkstoff: Triazolam) und Anxiolit (Wirkstoff: Oxazepam) in einer insgesamt die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge * M* und Unbekannten verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10, 10a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Die Nichtannahme der Qualifikation nach § 31a Abs 2 SMG bekämpft die Staatsanwaltschaft mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gegründeter Nichtigkeitsbeschwerde. Keiner von beiden kommt Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

[4]Indem die Mängelrüge (Z 5 dritter und vierter Fall) widersprechende und offenbar unzureichend begründete Feststellungen zu – neben M* – weiteren Suchtgiftabnehmern behauptet, spricht sie keine für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an, die allein Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ist (vgl RIS-Justiz RS0117499).

[5]Die Tatrichter erschlossen die Feststellungen zum Überlassen einzeln bezeichneter psychotroper Stoffe in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden (Gesamt-)Menge (US 5) aus der teilgeständigen Verantwortung des Angeklagten, den Aussagen der Zeugen * Mi*, * P* und * H* und der Sicherstellung von (der Apotheke des Angeklagten in E* zugeordneten) Medikamenten bei M* sowie aus Buchhaltungsunterlagen über die Verkaufsmengen der hier in Rede stehenden Medikamente in E* im Vergleich zu einer weiteren Apotheke des Angeklagten (US 7 ff). Indem die weitere Rüge (Z 5 vierter Fall) einzelne beweiswürdigende Überlegungen der Tatrichter als widersprüchlich bezeichnet und daraus ableitet, es seien gar keine Gründe angegeben, bekämpft sie unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichts (vgl RIS-Justiz RS0098400 [T6, T10]).

[6]Der Beantwortung der (einen Schuldspruch nach § 30 Abs 1 SMG anstrebenden) Subsumtionsrüge (Z 10) wird vorausgeschickt, dass die Tatrichter die vom Angeklagten überlassenen Medikamente und die in jeder Tablette oder – im Fall von Psychopax – in jeder Flasche enthaltene Menge des jeweiligen psychotropen Stoffes feststellten. Davon ausgehend ermittelten sie rechnerisch pro Medikament, ab welcher Gesamtmenge Schachteln oder Flaschen die Grenzmenge (§ 31b SMG) überschritten ist (US 5 f). Dies mit dem Ergebnis, dass (beispielsweise) 20 Schachteln Rivotril Clonazepam in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Gesamtmenge enthielten. Gleiches gilt für 20 Schachteln Praxiten oder 16 Flaschen Psychopax hinsichtlich der darin enthaltenden psychotropen Stoffe (US 5 und 8). Zudem konstatierte das Erstgericht, dass M* in zumindest drei Fällen „die gegenständlichen“ Medikamente beim Angeklagten abholte und zu deren Transport eine (nach den Angaben mehrerer Zeugen jeweils „prall gefüllte“) Reisetasche verwendete. Ob sich darin jeweils nur Medikamente oder auch andere Gegenstände befanden, konnte nicht festgestellt werden (US 8). Davon ausgehend sowie in Zusammenschau mit durch Unterlagen objektivierten (vom Angeklagten nicht bestrittenen) „untypisch umfangreichen“ Verkaufsmengen (US 9) und Angaben zweier weiterer Zeuginnen stellten die Tatrichter fest, dass der Angeklagte einzeln bezeichnete psychotrope Stoffe (insgesamt) in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen überließ (US 5). Die exakte Gesamtmenge konnten die Tatrichter ebenso wenig beziffern, wie den jeweiligen Anteil des einzelnen psychotropen Stoffes an der Gesamtmenge (US 8 f). Weiters liegen nach dem Urteilssachverhalt mehrere (sukzessive) Tathandlungen vor, die über einen von Anfang an bestehenden Additionsvorsatz zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit verknüpft sind (US 6 f; vgl RIS-Justiz RS0112225 [T1], RS0088096 [T11, T14, T16]).

[7]Davon ausgehend weist die Konstatierung, dass der Angeklagte psychotrope Stoffe in einer die Grenzmenge (§ 31b SMG) übersteigenden Menge anderen überließ, Sachverhaltsbezug auf, sodass sich die Subsumtionsrüge (Z 10) – soweit sie einen solchen bestreitet – nicht am Urteilssachverhalt orientiert (vgl aber RISJustiz RS0099810). Weshalb die rechtliche Unterstellung der Tat unter § 31a Abs 1 fünfter Fall SMG darüber hinausgehend weitere Feststellungen zur ziffernmäßig exakten Gesamtmenge der einzelnen psychotropen Stoffe erfordern sollte, leitet die Beschwerde nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (vgl RIS-Justiz RS0116565). Die dazu zitierten Entscheidungen (11 Os 152/07y, 11 Os 102/09y, 14 Os 2/10s [14 Os 14/10f], 15 Os 105/14a, 15 Os 73/23h, 15 Os 93/23z) betrafen jeweils nicht vergleichbare Fallkonstellationen, denen bloß pauschale, auf die verba legalia beschränkte Feststellungen (auch) ohne Konkretisierung des Reinheitsgehalts der tatverfangenen Suchtgifte zugrunde lagen.

[8] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RISJustiz RS0124801). Diese Vorgaben verfehlt die Beschwerde, zumal sie sich mit den für die Beurteilung der Diversionsvoraussetzung nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO entscheidenden Feststellungen zum Tatzeitraum, der Vielzahl sukzessiver Tathandlungen und der Ausnützung der Stellung als Apotheker (US 10 f) inhaltlich nicht auseinandersetzt. Ein Eingehen auf das weitere Rechtsmittelvorbringen erübrigt sich daher.

[9] Der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) zuwider geht aus den Entscheidungsgründen (vgl zum Bezugspunkt materieller Nichtigkeit RISJustiz RS0099810) unmissverständlich hervor, dass sich der Verfallsausspruch gegen den Angeklagten richtet (US 12).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

[10]Indem die Beschwerde (nominell Z 5 zweiter Fall) die Erwägungen des Erstgerichts zu drei konkret bezeichneten Unterlagen (US 8) kritisiert und aus diesen Verfahrensergebnissen andere Schlussfolgerungen zieht, bekämpft sie unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung (vgl erneut RIS-Justiz RS0098400 [T6, T10]).

[11]Mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) waren die Tatrichter – entgegen der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) – nicht verhalten, sich im Urteil mit sämtlichen Details der in ihre Beweiswürdigung einbezogenen (US 7 ff), als „Ausgangslisten“ benannten Aufzeichnungen der (in Rede stehenden) Apotheke des Angeklagten über abgegebene Medikamente (ON 2.113.2, ON 95) auseinanderzusetzen (RISJustiz RS0106642). Der Sache nach zieht die Beschwerde abermals bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts in Zweifel.

[12] Die Sicherstellung bestimmter Medikamente in der Wohnung des M* (siehe ON 2.82.2, ON 132) berücksichtigte das Erstgericht – der weiteren Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider – ebenfalls (US 7). Dass sich daraus nach Ansicht der Beschwerdeführerin – im Gegensatz zu den Erwägungen der Tatrichter – das Übersteigen der 15 fachen Grenzmenge ergebe, zeigt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht auf.

[13] Da die (mit Mängelrüge erfolglos bekämpfte) Negativfeststellung zum Überlassen psychotroper Stoffe in einer die 15fache Grenzmenge übersteigenden Menge die Nichtannahme der Qualifikation nach § 31a Abs 2 SMG tragen und damit einer erfolgreichen Urteilsanfechtung in diesem Umfang entgegenstehen, erübrigt sich eine Erörterung der (unter anderem trotz der genannten Negativfeststellung hinsichtlich des Tatbildes einen Feststellungsmangel geltend machenden [vgl aber RIS-Justiz RS0118580 {T24}]) Subsumtionsrüge (Z 10).

[14]Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[15]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.