12Os70/25y – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * D* und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster und vierter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten D* gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Jugendschöffengericht vom 5. März 2025, GZ 63 Hv 108/24m 245, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
Dem Angeklagten * D* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant wurde * D* mit dem angefochtenen Urteil des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und Abs 2 erster und vierter Fall StGB (I./1./) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (I./2./) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 26. Dezember 2023 in S*
I./1./ * Dö* außer den Fällen des § 201 StGB durch die Äußerung, er werde ihr ihr Mobiltelefon und jenes von * C* nur zurückgeben, wenn sie mit ihm Geschlechtsverkehr habe, sohin durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zur Duldung des Oralverkehrs samt Ejakulation in deren Mund sowie Duldung des vaginalen Geschlechtsverkehrs, somitzu einer geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung mit Krankheitswert verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung des Opfers zur Folge hatte und dieses in besonderer Weise erniedrigt wurde;
I./2./ Dö* durch die sinngemäße Äußerung, sie dürfe seiner Freundin von der Tat zu I./1./ nichts erzählen, ansonsten würde er sie zerstören, er habe Sachen gegen sie in der Hand und würde diese „posten“, wobei er sich auf Nacktbilder bezog, somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Bildaufnahmen, die geeignet ist , dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme davon, seiner Freundin von der Tat zu erzählen, genötigt.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des D*, die nicht berechtigt ist.
[4] Die Mängelrüge (Z 5) verfehlt die prozessordnungskonforme Darstellung eines Begründungsmangels bereits insofern, als sie die mit Bezug auf eine entscheidende Tatsache kritisierten Feststellungen nicht deutlich und bestimmt benennt (RISJustiz RS0130729 [T1]).
Im Übrigen sei ihr erwidert:
[5]Die Tatrichter waren entgegen dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend nicht verhalten, den in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 244, 37) Prüfbericht der Gerichtsmedizin Salzburg-Linz (ON 126) zum fehlenden Nachweis des DNA Profils des Angeklagten an den beim Opfer sichergestellten Spuren explizit zu erörtern. Denn mangels empirischen Erfahrungssatzes, dass bei einer Probenentnahme zwei Tage nach der Tat stets biologische Spuren mit einem für eine Auswertung qualitativ hinreichenden DNAProfil des Täters vorhanden sind, ist dieses Verfahrensergebnis (das demnach weder für noch gegen eine Täterschaft des Beschwerdeführers spricht) für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache nicht von Bedeutung und damit kein erheblicher Umstand (vgl 13 Os 25/13w; RISJustiz RS0116877 [T1], Ratz , WKStPO § 281 Rz 409).
[6] Die Reklamation von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) der beweiswürdigenden Erwägung, wonach der Zeuge * Y* die Angaben des Angeklagten insofern vor der Polizei bestätigt habe, als das Opfer diesem gegenüber sexuelle Andeutungen gemacht habe, der Angeklagte sich aber verweigert habe, während dieser Zeuge sich daran anlässlich seiner Vernehmung am 5. März 2025 nicht mehr erinnern habe können (US 14), zeigt kein – eine entscheidende Tatsache betreffendes (RISJustiz RS0106268, RS0117499) – Fehlzitat im Urteil auf (RIS JustizRS0130729 [T2] ).
[7] Ebenso vernachlässigt die weitere Beschwerde (Z 5 vierter Fall) den in entscheidenden Tatsachen gelegenen Bezugspunkt der Mängelrüge (neuerlich RISJustiz RS0106268, RS0117499), wenn sie in Ansehung der Erwägung des Erstgerichts, wonach die Verantwortung des Angeklagten lebensfremd und konstruiert sei (US 13), eine Begründung vermisst.
[8] Mit dem neuerlichen Hinweis auf die – im Urteil ohnedies gewürdigten (US 14), die von den Tatrichtern als unglaubwürdig verworfene (US 13) Verantwortung des Angeklagten bestätigenden – Aussagen der Zeugen * S* und Y* sowie auf vorgebliche Widersprüche in den Depositionen des Opfers bekämpft die Tatsachenrüge (Z 5a) bloß unzulässig die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.
[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet erkennbar zu I./1./ nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RISJustiz RS0116565), weshalb es für die Wichtigkeit des angedrohten Übels (auch) auf das Ausmaß der durch das abgenötigte Verhalten entstehenden Rechtsgutsbeeinträchtigung ankommen sollte und warum der Umstand, dass das Opfer die Duldung des Beischlafs zunächst verweigert hatte, der (rechtlichen) Annahme der Besorgniseignung der gefährlichen Drohungen (vgl dazu RISJustiz RS0092753) unter der gebotenen Anlegung eines objektiv individuellen Maßstabs (dazu RISJustiz RS0092255, RS0092413) entgegenstehen sollte.
[10] Mit der Behauptung, die von I./2./ umfasste Tat sei nicht konkretisiert und (bloß) „eine milieubedingte Unmutsäußerung“, bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) – der Sache nach – die (den Gegenstand einer Tatfrage bildende) Ernstlichkeit der Drohung (RISJustiz RS0092448 [T5], RS0093096 [T6]). Indem sie dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt (US 11) ausgeht, verfehlt sie den gerade darin gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS Justiz RS0112523 ).
[11] Eben dies trifft auf den Einwand zu, wonach es an der „kausalen Beziehung der Handlung des Täters [gemeint: der Drohung] und dem eingetretenen Erfolg [gemeint: des Geschlechtsverkehrs]“ zu I./1./ fehle (US 9; siehe dazu im Übrigen RISJustiz RS0121420; zur rechtlichen Gleichwertigkeit von Versuch und Vollendung RIS JustizRS0122138).
[12]Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider liegt in der Heranziehung der Mehrfachqualifikation des § 202 Abs 2 erster und vierter Fall StGB als Erschwerungsgrund (US 18) kein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB), weil die Erfüllung der einen Qualifikation nicht zu den Voraussetzungen der anderen zählt (RISJustiz RS0116020 [T7], RS0091058).
[13]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[14]Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.