JudikaturOGH

4Ob164/24g – OGH Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Dr. Stiefsohn und Mag. Böhm in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Dr. Hans-Moritz Pott, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Unterlassung (Streitwert: 47.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. August 2024, GZ 5 R 123/24h-21, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger betreibt nahe der Bergstation eines Skigebiets einen Beherbergungsbetrieb, die Beklagte nahe der Talstation eine Ski- und Sportschule samt Skiverleih. Weiters vermietet die Beklagte seit einigen Jahren dort auch Appartements bzw Hütten.

[2] Mit seiner Klage begehrt der Kläger sinngemäß, der Beklagten zu verbieten, auf ihrer Liegenschaft „ einen gewerblichen/touristischen Beherbergungsbetrieb oder einen dem gleichzusetzenden, der bestehenden raumordnungsrechtlichen Widmung widersprechenden Betrieb zu betreiben “. Das Grundstück liege im Freiland und verfüge lediglich über die Zusatzwidmung „ Sondernutzung im Freiland für Sportzwecke “, sodass eine touristische Beherbergung dort weder nach der Raumordnung, noch nach den baubehördlich erteilten Auflagen gestattet sei, und im Sinn der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ gegen § 1 UWG verstoße.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab, weil nach ständiger Rechtsprechung nur ein unvertretbarer Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende Norm als unlautere Handlung iSd § 1 UWG gewertet werden könne. Das Erstgericht verneinte einen solchen unter Verweis auf Bau- und Benützungsbewilligungsbescheide aus den Jahren 2002 und 2013, die sich auch auf eine Vermietung bezogen hätten. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass eine touristische Vermietung im Rahmen der Skischule auch dann nicht unvertretbar sei, wenn man die in der Baubewilligung des Jahres 2013 erteilte Auflage („ die Nutzung des Objektes muss mit der ausgewiesenen Kategorie Sondernutzung Freiland, Ski-Alpin, erfolgen “) und § 33 Abs 3 Z 1 Stmk ROG heranziehe.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die außerordentliche Revision des Klägers , mit der er eine Klagsstattgebung erreichen will, hilfsweise eine Aufhebung und Zurückverweisung, ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen .

[5] 1. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallenden Rechtsmaterien kommt dem Obersten Gerichtshof keine Leitfunktion zu (vgl RS0116438; RS0113455). Dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Bestimmungen des Verwaltungsrechts fehlt, deren Verletzung einem Mitbewerber vorgeworfen wird – hier § 33 Stmk ROG –, begründet für sich allein daher noch keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO (RS0123321).

[6] Bei Beurteilung der lauterkeitsrechtlichen Vertretbarkeit einer Rechtsansicht durch den Obersten Gerichtshof sind zudem zwei Prüfungsstufen zu unterscheiden: Auf der ersten geht es um die Frage der vertretbaren Auslegung der für den Rechtsbruch ins Treffen geführten Normen, um den behaupteten Verstoß gegen § 1 UWG beurteilen zu können (s dazu insb RS0123239; RS0077771). Auf der zweiten – für die Anfechtung beim Obersten Gerichtshof gemäß § 502 Abs 1 ZPO vorgelagerten – Stufe geht es um die Frage, ob das Berufungsgericht diese Vertretbarkeitsfrage seinerseits vertretbar, also ohne krasse Fehlbeurteilung gelöst hat („doppelte Vertretbarkeitsprüfung“, vgl RS0124004).

[7] 2. Nicht nachvollziehbar ist das Revisionsvorbringen, wonach der Sachverhalt nur bescheinigt worden sei und auf Basis der getroffenen Feststellungen keine rechtliche Beurteilung erfolgen könne. Zwar nahm das Erstgericht keine Personalbeweise auf, es führte aber nicht bloß eine Bescheinigungstagsatzung im Provisorialverfahren durch, sondern eine vorbereitende Tagsatzung iSd § 258 ZPO, in deren Zuge es auch die jeweils vorgelegten Urkunden verlas und die Gegenseite iSd § 298 Abs 3 ZPO zu einer Erklärung dazu aufforderte. Die daraus gewonnenen Feststellungen binden den Obersten Gerichtshof, die Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht mehr angefochten werden (vgl RS0043371 uvm). Ebenso wenig kann eine behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die in der Berufung nicht gerügt oder vom Berufungsgericht verneint wurde, als Revisionsgrund geltend gemacht werden (vgl RS0074223; RS0042963 uvm). Unstrittiger Urkundeninhalt kann allerdings auch noch im Rechtsmittelverfahren berücksichtigt werden (vgl RS0121557; RS0040083 [T1]).

[8] 3. Auch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen das Verbot von Überraschungsentscheidungen gemäß §§ 182, 182a ZPO ist nicht ersichtlich. Der Rechtsmittelwerber hat zur Darlegung der Relevanz in seiner Revision jenes Vorbringen anzuführen, das er – über die Rechtsansicht des Berufungsgerichts informiert – erstattet hätte (vgl RS0120056 [T7, T8]). Der Kläger bringt dazu jedoch nur vor, dass er den Flächenwidmungsplan und einen allfälligen Bebauungsplan ausgehoben hätte, während die Beibringung einer positiven Stellungnahme des Raumplaners – die es nicht gebe – im Verantwortungsbereich der Beklagten läge.

[9] Dass der Bauplatz im Freiland liegt mit der Widmung „Sondernutzung für Sportzwecke (Ski Alpin)“, ist jedoch unstrittig. Zu beurteilen ist lediglich, ob die Vorinstanzen vertretbar davon ausgingen, dass die Beklagte nicht lauterkeitswidrig iSd § 1 UWG gehandelt hat, indem sie dort neben dem Betrieb der Skischule auch Unterkünfte (zu touristischen Zwecken) vermietete.

[10] 4. Der Kläger argumentiert in rechtlicher Hinsicht mit § 33 Abs 5 Z 1 lit a Stmk ROG , wonach außerhalb der land- und/oder forstwirtschaftlichen Nutzung im Freiland nur „Neu- und Zubauten“ (im Gegensatz zu „Umbauten“ gemäß Z 3) errichtet werden dürfen, die für eine Sondernutzung gemäß Abs 3 Z 1 „erforderlich“ sind, was aus seiner Sicht bei den im Jahr 2013 erfolgten Baumaßnahmen nicht der Fall gewesen sei.

[11] Die Vorinstanzen wiesen allerdings bereits auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach die Richtigkeit von Genehmigungen – insbesondere deren Übereinstimmung mit der Raumordnung – im UWG Prozess nicht zu prüfen ist, und dem Beklagten in der Regel kein lauterkeitswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm die zuständigen Verwaltungsbehörden die entsprechenden Bewilligungen erteilt haben (vgl RS0077861 ).

[12] Hier wurde der Beklagten im Jahr 2002 eine Baubewilligung für den Neubau einer „ Skischule-Verleih-Skihütte, Vermietung “ mit zwei „ Vermieteinheiten “ erteilt und im Jahr 2013 eine Baubewilligung für „ Zu- und Umbauten beim bestehenden Geschäftsgebäude “, die ua die Aufstockung eines bestehenden Gebäudes um zwei „ Wohneinheiten “ umfasste. Während die erste, vom Kläger ins Treffen geführte Auflage auf eine „ Nutzung des Objektes mit der ausgewiesenen Kategorie Sondernutzung Freiland, Ski-Alpin “ abstellte, bezog sich die zweite, vom Erstgericht herangezogene auf „ den Vermietungseinheiten “ zuzuordnende Parkplätze. Nach Durchführung des Aus- und Umbaus wurde sodann unstrittig eine Benützungsbewilligung erteilt.

[13] Die Rechtsansicht, dass die Beklagte berechtigt sei, in ihrem Betrieb bzw Haus, solange sie es als Skischule und -verleih und damit „für Sportzwecke (Ski Alpin)“ nutzt, auch die bewilligten Wohneinheiten (touristisch) zu vermieten, ist aus lauterkeitsrechtlicher Sicht damit jedoch („doppelt“) vertretbar. Nach der Auslegung des Klägers wäre eine Nutzung der – vorweg bewilligten – Einheiten selbst zu Wohnzwecken unmöglich. Ein Mitbewerber ist aber nicht zur strengsten, für ihn nachteiligsten Auslegung verpflichtet (vgl 4 Ob 225/07b).