JudikaturOGH

5Ob69/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
03. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. K*, als Insolvenzverwalter im Konkurs über das Vermögen des I*, gegen die beklagte Partei S*, vertreten durch Mag. Reinhard Traumüller, Mag. Katharina Laszlo, Rechtsanwälte in Neumarkt in der Steiermark, wegen Zivilteilung (Streitwert 63.661,44 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. März 2025, GZ 5 R 208/24h 47, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. 4. 2022 wurde über das Vermögen des Ehegatten der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte und ihr Mann sind seit 1995 jeweils Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit dem von ihnen darauf errichteten Wohnhaus, das sie seither gemeinsam bewohnen. Im Kaufvertrag hatten die Ehegatten einander wechselseitig ein Belastungs und Veräußerungsverbot eingeräumt, das grundbücherlich einverleibt wurde. Der Verkehrswert der Liegenschaft beträgt 391.000 EUR. Das ob der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Wohnbauförderungsdarlehen haftet mit rund 50.000 EUR unberechtigt aus. Dem Guthaben auf dem Massekonto von derzeit 33.000 EUR stehen 26.000 EUR an Masseforderungen und ca 240.000 EUR an Insolvenzforderungen gegenüber. Eine Naturalteilung der Liegenschaft ist nicht möglich.

[2] Das Erstgericht gab dem Zivilteilungsbegehren des Insolvenzverwalters statt.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, ging von einem 30.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstand aus und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[4] 1. Fehlt der Bewertungsausspruch, ist er an sich vom Berufungsgericht nachzutragen (RS0007073). Eine Rückstellung an diesesist entbehrlich, wenn der Entscheidungsgegenstand eindeutig 30.000 EUR übersteigt (RS0007073 [T10]). Dies ist hier der Fall, wie das Berufungsgericht in Punkt 4 seiner Entscheidung durch Verweis auf den festgestellten Verkehrswert, der 30.000 EUR übersteigt, festhielt. Dass es keinen formellen Bewertungsausspruch fasste, schadet daher nicht.

[5] 2. Dass das von der Beklagten und ihrem Ehegatten einander eingeräumte Belastungsund Veräußerungsverbot hier grundsätzlich als Verzicht auf den an sich unbedingten Teilungsanspruch zu werten ist, weshalb eine Teilung nur aus wichtigen Gründen verlangt werden kann (vgl RS0013376; RS0010746), haben die Vorinstanzen berücksichtigt. Die Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft kann aber – wie jedes andere Dauerschuldverhältnis – aus wichtigen Gründen dann vorzeitig aufgelöst werden, wenn die weitere Erfüllung unmöglich oder unzumutbar wird (RS0098749). Die Verbindlichkeit zur Fortsetzung der Gemeinschaft und damit der Ausschluss der Teilungsbefugnis hören dann auf, wenn die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft aus wichtigen, objektiven (die gemeinschaftliche Sache betreffenden) oder aus subjektiven (nur die Personen einzelner Teilhaber betreffenden) Gründen unvermeidlich wird (RS0013260; 5 Ob 86 /22s). Die Frage, welche schwerwiegenden Gründe die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken, kann nur aus umfassender Sicht aller dafür und dagegen sprechender Gegebenheiten des Einzellfalls beantwortet werden, sodass sie regelmäßig nicht erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist(RS0111817; 5 Ob 99/20z). Eine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor.

[6]3. Der der von den Vorinstanzen zitierten Entscheidung 7 Ob 72/08a zugrunde liegende Sachverhalt ist im Gegensatz zu den Revisionsausführungen vergleichbar. Dort sprach der siebente Senat aus (ErwGr 4.), dass der Masseverwalter berechtigt ist, die Auflösung des im wechselseitigen Teilungsverzicht gelegenen Dauerschuldverhältnisses durch außerordentliche Kündigung (auch) wegen wichtiger Gründe zu begehren. D er siebente Senat wertete mit ausführlicher Begründung die schlechte finanzielle Situation des Schuldners, dessen Miteigentumsant eil an der Liegenschaft der einzige im Rahmen eines Schuldenregulierungsverfahrens verwert bare Vermögenswert war , als ausreichenden subjektiven Grund wirtschaftlicher Natur und verwies dazuauch auf § 97 ABGB, dessen Satz 2 den Wohnungserhaltungsanspruch eines Ehegatten dann aus schließt, wenn der Wohnungsverlust durch die Umstände erzwungen ist. Dass in dem zu 7 Ob 72/08a beurteilten Fall der Schuldner ausgezogen war, macht keinen relevanten Unterschied, zumal die Ehe des Schuldners und der Beklagten dort – wie hier – aufrecht und kein Scheidungsverfahren anhängig war. Auch zu 7 Ob 72/08i hatte die gemeinsame Liegenschaft über 20 Jahre lang als Ehewohnung gedient. Au f das in der Revision erwähnte grundsätzliche Interesse des Schuldners an der Fortsetzung der Rechtsgemeinschaft kommt esim Hinblick darauf, dass dieser keine Verfügungsbefugnisse über seinen Miteigentumsanteil mehr hat (§ 2 Abs 2 und § 3 Abs 1 IO) nicht an.

[7] 4. DasArgument der Beklagten, die schlechte finanzielle Situation ihres Ehegatten sei dessen Sphäre zuzurechnen, erachtete bereits 7 Ob 72/08a als nicht stichhältig . D as auch von der dortigen Beklagten verfolgte Ziel der Erhaltung des Familienbesitzes kann den Ausschluss einer Verwertung des Miteigentumsanteils des Schuldners durch Zivilteilung nicht rechtfertigen, weil dem Schuldner damit praktisch jede Möglichkeit einer wirtschaftlichen Gesundung und seinen Gläubigern die – wohl einzige – Chance auf (teilweise) Befriedigung in absehbarer Zeit genommen wird. Das Interesse am Erhalt des Liegenschaftsvermögens würde somit höher bewertet werden als das Interesse eines einzelnen Familienmitglieds daran, seine missliche finanzielle Lage zu beseitigen oder zumindest zu verbessern und Verbindlichkeiten gegenüber Dritten zu erfüllen. Vorbringen der Beklagten, der Schuldner habe seine schlechte finanzielle Situation rechtswidrig und schuldhaft herbeigeführt oder die Gläubiger des Schuldners wären nicht schützenswert, fehlte dort wie auch hier. Eine Obdachlosigkeit der Beklagten droht ihr aufgrund des zu erwarteten Erlöses aus der Zivilteilung der Liegenschaft nicht. Warum die Gläubiger ihres Ehegatten nur deshalb nicht schutzwürdig sein sollten, weil das wechselseitige Veräußerungs und Belastungsverbot grundbücherlich ersichtlich gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar.

[8] 5. Die Argumentation zu den Auswirkungen des wechselseitigen Belastungsund Veräußerungsverbots nach § 364c ABGB verkenn t– wie die Vorinstanzen zutreffend hervorgehoben haben – die ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung. Demnach würde nur ein auf der ganzen Liegenschaft zugunsten desselben Berechtigten einverleibtes Veräußerungsverbot ein Hindernis für die Bewilligung der Exekution nach § 352 EO zur Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft bilden (RS0010778 [T2]; 5 Ob 99/20z; 3 Ob 231/00t). Das auf dem Liegenschaftsanteil eines Miteigentümers eingetragene Belastungsund Veräußerungsverbot nach § 364c ABGB steht dem Begehren des anderen Miteigentümersauf Aufhebung der Gemeinschaft hingegen nicht entgegen (RS0010783; RS0010778). Auch dem Miteigentümer, dessen Anteil mit einem Belastungsund Veräußerungsverbot belastet ist, steht der Anspruch auf Zivilteilung zu (RS0010786 [T1]). Auch insoweit kann die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[9]6. Damit wäre die Revision zurückzuweisen ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).