JudikaturJustiz9ObA47/11v

9ObA47/11v – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. April 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon. Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Dr. Heinrich Ehmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** P*****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed ua, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P. ***** GmbH, *****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 9.663,75 EUR brutto sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 3.010,64 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 5.649,56 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 16. Februar 2011, GZ 7 Ra 110/10s 44, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Juni 2010, GZ 29 Cga 24/08p 39, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen der klagenden Partei und der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss des rechtskräftig gewordenen Teils insgesamt wie folgt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 3.010,64 EUR brutto samt 4 % Zinsen seit 25. 4. 2008 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den weiteren Betrag von 6.653,11 EUR brutto samt 4 % Zinsen seit 25. 4. 2008 zu zahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.250,48 EUR (darin 541,75 EUR USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit 194,85 EUR (darin 32,48 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 492,31 EUR (darin 30,55 EUR USt und 309 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war bei der Beklagten ab dem 13. 1. 1998 als Raumpflegerin beschäftigt und mit Reinigungsarbeiten im (vom Betrieb der Beklagten verschiedenen) Objekt 1, einem Krankenhaus in Graz, betraut. Das Arbeitsverhältnis unterlag dem Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden-, Gebäudereiniger. Die Klägerin arbeitete beim Objekt 1 praktisch immer zwölf Tage durch und bekam dann zwei Tage frei. An den Arbeitstagen ging ihre Arbeitszeit von 6:00 Uhr bis 10:30 Uhr. Die Klägerin äußerte den Wunsch, für die Beklagte in Vollzeit tätig zu sein, worauf ihr ab dem 21. 7. 2005 auch noch das Objekt 2 in Graz zur Reinigung übertragen wurde. Dort kam die Klägerin von Montag bis Samstag ab 11:00 Uhr zum Einsatz. Die Arbeitszeit betrug von Montag bis Freitag jeweils 2,5 Stunden, am Samstag 2 Stunden. Für den Weg vom Objekt 1 zum Objekt 2 benötigte die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchschnittlich 45 Minuten, weshalb der für das Objekt 2 geplante Beginn um 11:00 Uhr von ihr in der Regel nicht eingehalten werden konnte. Insgesamt kam die Klägerin an 575 Tagen bei beiden Objekten zum Einsatz. Entlohnt wurde die Klägerin auf Basis der von ihr geleisteten Stunden. Der Weg vom Objekt 1 zum Objekt 2 wurde von der Beklagten nicht als Arbeitszeit gewertet und nicht entlohnt. Aufgrund privater finanzieller Belastungen übernahm die Klägerin über die vorgenannten Dienste hinaus auch noch freiwillig die Dienste beurlaubter Kolleginnen sowie auch noch zusätzliche Wochenenddienste an ihren arbeitsfreien Wochenenden. Trotz Aufforderung von Beklagtenseite, sich an arbeitsfreien Tagen nicht für Zusatzdienste einteilen zu lassen, hielt die Klägerin an der Mehrarbeit fest. Auch das Angebot, sich samstags von Ersatzkräften vertreten zu lassen, lehnte die Klägerin ab.

Familiäre Probleme führten zu einer psychischen Erkrankung der Klägerin, sodass sie sich in fachärztliche Behandlung begeben musste. Dazu kamen die finanziell angespannte Situation und die Arbeitsbelastung. Der depressive Verstimmungszustand der Klägerin war nicht ausschließlich durch ihre Arbeitstätigkeit bedingt. Die Klägerin hätte auch bei einer Fortsetzung der Arbeit keinen gesundheitlichen Schaden und keine dauernde Arbeitsunfähigkeit zu erwarten gehabt. Im Unternehmen der Beklagten herrschte ein gutes Arbeitsklima. Die Klägerin beklagte sich nie über Schikanen, Mobbing oder Bossing.

Im April 2008 ergab sich für die Klägerin, die sich vom 4. 4. bis 21. 4. 2008 im Krankenstand befand, die Möglichkeit einer Vollzeitbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber. Am 18. 4. 2008 teilte sie der Personalmitarbeiterin der Beklagten mit, dass sie kündige. Auf den Hinweis, dass bei einer Eigenkündigung der Abfertigungsanspruch entfalle, erklärte die Klägerin, dass sie noch mit der Niederlassungsleiterin über ihre Abfertigung sprechen werde. Als letzter Arbeitstag wurde der 24. 4. 2008 vereinbart. Vom 22. 4. bis 24. 4. 2008 konsumierte die Klägerin ihre restlichen Urlaubstage. Bei den nachfolgenden Gesprächen mit ihrer Vorgesetzten und der Niederlassungsleiterin nannte die Klägerin die Erlangung einer Vollzeitbeschäftigung bei einem anderen Unternehmen als Kündigungsgrund. Auf den Umstand, dass sie bei einer Eigenkündigung keine Abfertigung erhalte, wurde die Klägerin erneut hingewiesen.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage nach zweifacher Einschränkung des Klagebegehrens zuletzt den Betrag von 9.663,75 EUR brutto, wovon 3.912,52 EUR brutto als Entgelt auf die Fahrzeit zwischen den Objekten 1 und 2 im Zeitraum 11/05 bis 04/08 und 5.751,23 EUR brutto auf die Abfertigung entfallen. Die Klägerin habe das Arbeitsverhältnis zur Beklagten am 18. 4. 2008 durch vorzeitigen Austritt zum 25. 4. 2008 beendet, weil der Leistungsdruck, der auf sie ausgeübt worden sei, immer stärker geworden sei. Sie sei bei der Beklagten ungerecht behandelt und regelrecht schikaniert worden. Das Arbeitszeitgesetz sei von der Beklagten massiv und systematisch verletzt worden. Insbesondere sei die gesetzliche Wochenendruhe praktisch nie eingehalten worden. Aufgrund dieser Belastungen haben das Familienleben und der Gesundheitszustand der Klägerin gelitten. Die Beklagte habe ihr auch zu Unrecht, in Verletzung des anzuwendenden Kollektivvertrags, das Entgelt für die Fahrzeit vom Objekt 1 zum Objekt 2 von jeweils rund einer Stunde vorenthalten und insoweit einen weiteren Austrittsgrund verwirklicht. Vor dem Austritt habe die Klägerin bei einem Gespräch im März 2008 auf die unerträgliche Arbeitssituation und den Umstand, dass sie dem Druck und Stress nicht mehr gewachsen sei, hingewiesen. Das Gespräch sei jedoch ohne Ergebnis geblieben.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klageabweisung und wendete ein, dass die Betrauung der Klägerin mit einem zweiten Objekt nur über deren ausdrücklichen Wunsch erfolgt sei. Auf die Klägerin sei kein Leistungsdruck ausgeübt worden. Sie habe von sich aus einen Mehrverdienst lukrieren wollen. Es habe bei der Beklagten kein Mobbing oder Bossing gegeben. Unter Druck sei die Klägerin ausschließlich aus privaten Gründen gestanden. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch vorzeitigen Austritt, sondern durch Kündigung der Klägerin beendet worden. Zunächst habe die Klägerin keinen Grund genannt, danach die Erlangung eines Vollzeitjobs bei einem anderen Arbeitgeber als Grund für die Kündigung angegeben. Bei den beiden Reinigungsobjekten der Klägerin habe es sich um ständige Arbeitsstellen im Sinne des anzuwendenden Kollektivvertrags gehandelt. Reisezeiten zwischen den ständigen Arbeitsstellen seien vom Arbeitgeber nicht zu bezahlen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts ab. Wegzeiten zwischen geteilten Diensten fielen nicht in das dienstliche Aufgabengebiet der Klägerin, sondern zählten zur Freizeit. Deren Honorierung sei weder im anzuwendenden Kollektivvertrag vorgesehen, noch sei zwischen den Parteien eine einzelvertragliche Vereinbarung auf Honorierung dieser Wegzeiten abgeschlossen worden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei nicht durch vorzeitigen Austritt, sondern durch Kündigung beendet worden. Austrittsgründe seien nicht vorgelegen. Eine Abfertigung stehe daher ebenfalls nicht zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren hinsichtlich der begehrten Abfertigung von 5.649,56 EUR brutto sA stattgab. Bezüglich des weiteren Begehrens von 4.014,19 EUR brutto sA blieb es hingegen bei der Abweisung. Das Berufungsgericht stellte eine dem Erstgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit dahin richtig, dass die Klägerin beim Objekt 1 nicht wie vom Erstgericht angenommen nur von Montag bis Samstag gearbeitet habe. Richtig sei vielmehr, dass die Klägerin, wie auch von der Beklagten in erster Instanz eingeräumt, beim Objekt 1 praktisch immer zwölf Tage durchgearbeitet und dann anschließend zwei Tage frei erhalten habe. Im Übrigen übernahm das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen als zutreffend. In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Beklagte eklatant gegen das Arbeitsruhegesetz (ARG) verstoßen habe, weil der Klägerin schon beim Objekt 1 aufgrund der langen Durcharbeitungszeiträume keine Wochenendruhe und keine Ersatzruhe gewährt worden seien. Da dieser Gesetzesverstoß so schwerwiegend gewesen sei, sei die Klägerin vor ihrer Kündigung nicht gehalten gewesen, von der Beklagten die Einhaltung des ARG einzufordern. Die Verletzung dieses Gesetzes sei schon aus den Stundenaufzeichnungen der Beklagten erkennbar. Die Klägerin könne daher infolge Kündigung bei Vorliegen eines Austrittsgrundes die Abfertigung verlangen.

Die Wegzeit von der Wohnung zur Arbeitsstätte und wieder zurück zähle nicht als Arbeitszeit. Zu den geteilten Diensten von Kraftfahrern habe der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen, dass die Wegzeit zwischen den Diensten nicht zum dienstlichen Aufgabengebiet, sondern zur Freizeit zähle. Dies gelte auch für die Klägerin, zumal weder eine einzelvertragliche noch eine kollektivvertragliche Regelung die Vergütung der Wegzeiten zwischen den beiden von ihr betreuten Objekten vorsehe. Laut anzuwendendem Kollektivvertrag seien der Klägerin lediglich die Fahrtkosten zwischen den Objekten zu ersetzen. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Lediglich gegen die Abweisung des Begehrens von 3.010,64 EUR brutto sA richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren auch insoweit stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gegen die Stattgebung des Begehrens von 5.649,56 EUR brutto sA richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren auch insoweit abgewiesen werde.

Die Parteien beantragen in den vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortungen, der jeweils gegnerischen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionen sind gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig und berechtigt.

Zur Revision der Klägerin:

Die Tätigkeit der Klägerin als Raumpflegerin war zuletzt dadurch gekennzeichnet, dass sie an insgesamt 575 Tagen an zwei vom Standort des Betriebs der Beklagten verschiedenen, in derselben Stadt gelegenen Arbeitsstellen zum Einsatz kam. Der Dienst beim Objekt 1 dauerte täglich von 6:00 Uhr bis 10:30 Uhr. Danach fuhr die Klägerin sofort mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Objekt 2, um dort weiter zu arbeiten. Die Reinigungsarbeiten beim Objekt 2 sollten um 11:00 Uhr aufgenommen werden und 2,5 bzw an Samstagen 2 Stunden dauern. Tatsächlich war die von der Beklagten veranschlagte Fahrzeit von einer halben Stunde zwischen den beiden Objekten jedoch zu knapp bemessen, weil die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwa eine Dreiviertelstunde benötigte, um vom Objekt 1 zum Objekt 2 zu gelangen. Dadurch verzögerte sich der vorgesehene Beginn der Reinigungsarbeiten entsprechend.

Zwischen den Parteien ist strittig, ob es sich beim Weg der Klägerin vom Objekt 1 zum Objekt 2 um Arbeitszeit handelte, für die die Klägerin ein Entgelt beanspruchen kann. Dies wurde vom Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den zweigeteilten Diensten von Kraftfahrern (9 ObA 102/93 ua) und auf den hier anwendbaren Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden-, Gebäudereiniger (im Folgenden kurz KollV) verneint.

Auszugehen ist davon, dass die Orte, an denen die Leistungen des Arbeitnehmers zu erbringen sind, zum wesentlichen Inhalt der Arbeitspflicht gehören (RIS Justiz RS0018175 ua). Nach den getroffenen Vereinbarungen sollte die Klägerin zuerst beim Objekt 1 in einem bestimmten zeitlichen Ausmaß Reinigungsarbeiten verrichten und sich danach umgehend zum Objekt 2 eines anderen Auftraggebers der Beklagten begeben, um dort ebenfalls Reinigungsarbeiten in einem bestimmten zeitlichen Ausmaß vorzunehmen. Die Zeit, die ein Arbeitnehmer braucht, um den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurückzulegen und nach Arbeitsschluss wieder in die Wohnung zurückzukehren, ist grundsätzlich nicht als Arbeitszeit zu beurteilen, weil sie vor Dienstbeginn oder nach Dienstende liegt (4 Ob 92/82, 4 Ob 93/82 = Arb 10.180; RIS Justiz RS0051331 ua). Gehört die Reisetätigkeit zum ständigen Aufgabenkreis des Arbeitnehmers, dann wird sie von der Rechtsprechung als Teil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und damit als Arbeitszeit im engeren Sinn gewertet (vgl RIS Justiz RS0029300 ua).

Anders wurde die Situation bei den geteilten Diensten von Kraftfahrern (zB Personenverkehr im Liniendienst) beurteilt (vgl RIS Justiz RS0051964 ua). Die dort beurteilten Fälle sind jedoch mit der Situation der Klägerin bei der Beklagten nicht zu vergleichen. Dies liegt nicht am Inhalt der Tätigkeit, sondern an der zeitlichen Gestaltung zwischen den Diensten. In den vom Obersten Gerichtshof beurteilten Fällen geteilter Dienste von Kraftfahrern ging es nicht wie bei der Klägerin bloß darum, nach Ende der Tätigkeit am Ort 1 umgehend zum Ort 2 zu gelangen. So betrugen im Fall 9 ObA 102/93 die Pausen der Kraftfahrer zwischen den Diensten bis zu fünf Stunden, die Wegzeiten hingegen nur etwa 30 Minuten; im Fall 9 ObA 6/09m betrugen die Pausen zum Teil über 4 Stunden, die Wegzeiten jedoch nur bis zu einer Dreiviertelstunde. Demgegenüber gab es bei der Klägerin keine über die Wegzeiten hinausgehenden Pausen. Die Zeit zwischen den zu reinigenden Objekten entsprach der Arbeitsplanung der Beklagten für die Klägerin und war ausschließlich dazu bestimmt, möglichst rasch von einem Objekt zum nächsten zu gelangen. Insoweit ähnelte die Tätigkeit der Klägerin - wenn sie auch nur zwei Orte zu besuchen hatte jener eines Monteurs, der zur Durchführung von Servicearbeiten von Kunde zu Kunde fährt (vgl RIS Justiz RS0051347 ua). Die Klägerin hatte anders als die Kraftfahrer in den vorgenannten Fällen nicht annähernd die Möglichkeit, die Zeit zwischen den Objekten nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Bewegung vom Objekt 1 zum Objekt 2 im Auftrag der Beklagten kann auch nicht mit dem Weg von der Wohnung zum Arbeitsplatz verglichen werden. Den Weg zur Arbeit kann der Arbeitnehmer in der Regel antreten, von wo aus immer er will, und kann ihn grundsätzlich auch gestalten wie er will. Vorgegeben ist üblicherweise nur die Beginnzeit, zu der er am Arbeitsplatz eintreffen muss. Was der Arbeitnehmer auf dem Weg zur Arbeit allenfalls an privaten Dingen erledigt, steht in seinem Belieben und richtet sich praktisch nur danach, wann er von der Wohnung in Richtung Arbeit aufbricht. Demgegenüber waren Ort und Dauer des Aufenthalts der Klägerin beim Objekt 1 von der Beklagten exakt vorgegeben. Auch der Weg der Klägerin zum Objekt 2 stand in den Fällen, in denen sie vorher im Objekt 1 tätig war nur um diese Fälle geht es hier nicht in ihrem Belieben, sondern war von der Beklagten genau geplant. Die Weisung der Arbeitgeberin an die Arbeitnehmerin lautete, sich auf dem raschesten Weg vom Objekt 1 zum Objekt 2 zu begeben, um dort die Reinigungsarbeiten fortzusetzen. Dabei war die Beginnzeit beim Objekt 2 von der Beklagten so knapp kalkuliert, dass sie praktisch kaum eingehalten werden konnte. An eine freie Gestaltung des Weges vom Objekt 1 zum Objekt 2 nach den eigenen Vorstellungen der Klägerin war nicht im entferntesten zu denken. Diese Zeit als „Freizeit“ der Klägerin zu qualifizieren, ist daher nicht möglich. Richtig ist, dass die Klägerin auf dem Weg vom Objekt 1 zum Objekt 2 keine Reinigungsarbeiten verrichtete; dies schließt aber die „Inanspruchnahme“ durch den Arbeitgeber nicht aus. Die Klägerin hatte diesen Weg nach den örtlichen und zeitlichen Vorgaben der Beklagten zurückzulegen. Die zeitlichen Abläufe waren von der Beklagten so festgelegt worden, dass der Klägerin zwischen den Objekten 1 und 2 keine Freizeit zur Verfügung stand. Insoweit hat daher die Beklagte auch für die Zeit zwischen den Reinigungsobjekten über die Klägerin disponiert.

In der Praxis wird die Entgeltproblematik bei Weg- und Reisezeiten vielfach durch kollektivvertragliche Regelungen gelöst (vgl Löschnigg , Arbeitsrecht 11 Rz 6/565 ua). Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Den Kollektivvertragsparteien war zwar die Problematik des Vorliegens mehrerer Arbeitsstellen bewusst, sieht doch § 6 Abs 3 KollV ausdrücklich vor, dass Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit an verschiedenen Arbeitsplätzen innerhalb eines Tages ausüben, die Fahrtkosten für die zweite und die weiteren Hin- und Rückfahrten zu den Arbeitsplätzen zu vergüten sind. In § 4 KollV, der die „Arbeitszeit“ regelt, findet sich keine Differenzierung zwischen der Ausübung der Tätigkeit an einer oder an mehreren Arbeitsstellen. Diese Bestimmung differenziert nur, ob die Arbeitsstelle mit dem Standort des Betriebs ident oder von dieser verschieden ist. In § 4 Abs 2 KollV heißt es, dass die Arbeitszeit bei Arbeitnehmern, die an einer vom Betrieb verschiedenen ständigen Arbeitsstelle tätig sind, an der Arbeitsstelle beginnt und endet. Der KollV ordnet aber im Übrigen weder an, die Wegzeit von einer ständigen Arbeitsstelle zur nächsten ständigen Arbeitsstelle als Arbeitszeit zu behandeln, noch steht er dem entgegen. Es bleibt daher bei den vorstehenden rechtlichen Erwägungen, die auf der konkreten Gestaltung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses aufbauen. Die Rechtsrüge der Klägerin ist somit berechtigt. Der Entgeltanspruch der Klägerin bezüglich ihrer Wegzeiten vom Objekt 1 zum Objekt 2 besteht dem Grunde nach zu Recht. Die Höhe dieses Entgeltanspruchs wurde von der Klägerin ursprünglich mit 4.682,41 EUR brutto sA beziffert, sodann im Lauf des Verfahrens mehrfach eingeschränkt. Im Revisionsverfahren machte die Klägerin schließlich nur mehr 3.010,64 EUR brutto sA geltend. Diesem Betrag wurde von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung nur mehr dem Grunde nach entgegengetreten; von seiner Höhe ist daher bei der teilweisen Stattgebung des Klagebegehrens auszugehen.

Zur Revision der Beklagten:

Der von der Beklagten erhobene Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; er ist jedoch nicht berechtigt. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Zutreffend sind jedoch die rechtlichen Erwägungen der Beklagten bezüglich der von der Klägerin begehrten Abfertigung. Nach den bindenden Feststellungen wurde das gegenständliche Arbeitsverhältnis durch Arbeitnehmerkündigung beendet, wobei sich die Klägerin erst im Prozess auf das Vorliegen verschiedener Austrittsgründe stützte. Von diesen Gründen ist im Revisionsverfahren nur noch die Verletzung des Arbeitsruhegesetzes (ARG) und das teilweise Vorenthalten des Entgelts durch die Arbeitgeberin in Bezug auf die bei der Revision der Klägerin behandelten Wegzeiten relevant.

Die Beklagte verweist bezüglich der von der Klägerin geltend gemachten Verletzung der Arbeitsruhe darauf, dass es der ausdrückliche Wunsch der Klägerin gewesen sei, zusätzliche Dienste zu übernehmen. Allfällige Verstöße gegen das ARG seien über Initiative der Klägerin erfolgt. Diese Sichtweise übergeht, dass Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht oder nur sehr eingeschränkt, wo dies das Gesetz vorsieht, der Disposition der Parteien des Arbeitsvertrags unterliegen (vgl Grillberger in Löschnigg , AngG 8 § 26 Rz 48 ua).

Richtig ist aber der weitere Einwand, dass aus der Auflösungserklärung erkennbar sein muss, dass der Arbeitnehmer einen wichtigen Lösungsgrund in Anspruch nimmt. Dann steht seinem Begehren auf Abfertigung nicht entgegen, dass er nicht formell seinen Austritt erklärte, sondern kündigte (vgl 9 ObA 93/88; 9 ObA 85/03w; RIS Justiz RS0031717, RS0060132 ua). Dies war hier allerdings nicht der Fall. Die Klägerin hat die beim Objekt 1 vorgesehenen Wochenenddienste gegenüber der Beklagten nie in Frage gestellt, sondern sich sogar noch um weitere Wochenenddienste bemüht. Dies änderte zwar nichts an der Verletzung der Wochenendruhe (§ 3 ARG), bezüglich der auf die Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Die Beklagte wurde aber mangels Einwands der Klägerin bei gleichzeitiger freiwilliger Übernahme zusätzlicher Dienste von Kollegen in der Annahme bestärkt, dass bezüglich der zeitlichen Gestaltung der Dienste kein Grund vorliege, der der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten unzumutbar mache.

Richtig wies das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass vom Obersten Gerichtshof die Möglichkeit des vorzeitigen Austritts im Fall einer „eklatanten“ Verletzung des Arbeitszeitgesetzes auch schon ohne vorherigen Hinweis des Arbeitnehmers bejaht wurde (9 ObA 7/95). Dieser Fall war jedoch besonders gelagert. Es geht hier weniger darum, die „Eklatanz“ verschiedener Gesetzesverletzungen des Arbeitgebers miteinander zu vergleichen, als vielmehr darum, die Frage der Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer, vom Arbeitgeber die Einhaltung eines gesetzmäßigen Verhaltens zu verlangen, in die Beurteilung miteinzubeziehen. Die Zumutbarkeit wurde in 9 ObA 7/95 verneint. Dort ging die Initiative zu übermäßigen (und für den späteren Austritt kausalen) Überstunden ausschließlich von der Arbeitgeberin aus. Es handelte sich um einen Kleinbetrieb mit nur sieben Arbeitskräften, sodass aufgrund der engen Zusammenarbeit eine durch die Weigerung der Arbeitnehmerin ausgelöste Spannung des Verhältnisses zu einer unerträglichen Belastung des Arbeitsklimas geführt hätte. Schließlich bestanden Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin nicht gewillt war, die Bestimmungen des AZG einzuhalten. Im vorliegenden Fall ergab sich keine derartige Konzentration vergleichbarer Umstände. Das von der Klägerin behauptete Mobbinggeschehen blieb unbewiesen. Das Arbeitsklima war gut. Die Klägerin machte auch nicht geltend, dass es ihr nicht zumutbar gewesen sei, von der Beklagten die Einhaltung des ARG zu verlangen. Vielmehr behauptete sie im Gegenteil, mit der Beklagten über die unerträgliche Arbeitssituation gesprochen zu haben und wie man das ändern könne. Diese Behauptung war zwar nicht objektivierbar, machte aber deutlich, dass die Klägerin nach dem im Prozess eingenommenen Standpunkt offenbar keine Scheu gehabt hätte, die Beklagte auf die Arbeitssituation anzusprechen. Der Abfertigungsanspruch kann daher von der Klägerin nicht darauf gestützt werden, dass sie wegen der „unerträglichen“ Verletzung des ARG gekündigt habe.

Ähnliche Überlegungen können auch für die Abgeltung der Wegzeiten vom Objekt 1 zum Objekt 2 gelten. Diese Entgeltfrage war während des aufrechten Arbeitsverhältnisses kein besonderes Thema zwischen den Parteien. Durch die Duldung der Zahlungsrückstände verwirkte die Klägerin selbstverständlich nicht ihr Austrittsrecht. Sie konnte die Rückstände aber nicht zum Anlass eines plötzlichen Austritts (abfertigungswahrenden Kündigung) nehmen; vielmehr wäre die Beklagte vorher zur Zahlung aufzufordern gewesen (vgl 4 Ob 12/83; 14 Ob 67/86 ua). Damit erweist sich die Revision der Beklagten als berechtigt, weshalb der Klägerin zufolge Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenkündigung, ohne dass der Beklagten ein Austrittsgrund der Klägerin bekannt war oder bekannt gemacht wurde, keine Abfertigung zusteht (§ 2 Abs 1 ArbAbfG iVm § 23 Abs 7 AngG).

Zusammenfassend ist sohin die Berufungsentscheidung zufolge Berechtigung der Revisionen beider Parteien spruchgemäß abzuändern.

Die Kostenentscheidungen beruhen unter Berücksichtigung der mehrfachen Änderung des Streitwerts, der jeweils geänderten Verhältnisse von Obsiegen und Unterliegen in den einzelnen Instanzen und der jeweiligen Gerichts-, Zeugen- und Sachverständigengebühren auf den §§ 43, 50 ZPO.

Rechtssätze
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