JudikaturJustiz9ObA46/14a

9ObA46/14a – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juli 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, gegen die beklagte Partei K***** A*****, vertreten durch Gruböck Lentschig Rechtsanwälte OG in Baden, wegen 11.105,81 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. Februar 2014, GZ 7 Ra 11/14k 40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits und Sozialgericht vom 29. Oktober 2013, GZ 27 Cga 122/12z 36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass es lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 11.105,81 EUR samt 8,38 % Zinsen seit 1. 5. 2012 sowie die mit 6.537,05 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 741 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.976,80 EUR (darin 1.088 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.002,20 EUR (darin 1.362 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte studierte nach der Matura vier Semester Biologie und drei Semester Psychologie an der Universität. Sie arbeitete in weiterer Folge im Innen und Außendienst für einen Pharmakonzern, für einen Bandagisten, als Verkäuferin und für einen Lernverein. Ab 2009 absolvierte sie die Ausbildungen als Freizeitbetreuerin an einer Pädagogischen Hochschule und als Lerntrainerin.

Im Zuge ihrer Ausbildung erfuhr sie, dass Nachmittagsbetreuer für eine Praxisvolksschule gesucht werden, an der die Möglichkeit einer schulischen Nachmittagsbetreuung nicht nur für Lehrer, sondern auch für Freizeitpädagogen besteht. Bei einem Vorstellungsgespräch wurde mit der Beklagten nur über die Tätigkeit, nicht aber über die zu erwartende Gehaltshöhe gesprochen, nach der sich die Beklagte auch nicht erkundigte. Sie recherchierte lediglich im Internet betreffend die Entlohnungsgruppe IIL/I2b1 und „wünschte sich 1.000 EUR netto pro Monat“.

Das Dienstverhältnis der Beklagten zur Klägerin begann am 6. 9. 2010. Die Beklagte erhielt einen Dienstvertrag, der auszugsweise lautete:

Dienstvertrag

gemäß § 4 Vertragsbedienstetengesetz 1948

[…]

13. Auf dieses Dienstverhältnis finden die Bestimmungen des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, […] Anwendung.

15. Sonstiges […] Auf das Dienstverhältnis findet § 4 Absatz 4 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 keine Anwendung.

Mit Schreiben der Klägerin vom 1. 7. 2011 erfolgte die wiederum befristete Weiterbestellung der Beklagten. Dieses Schreiben lautet auszugsweise:

[Die Beklagte wird] als Vertragslehrerin IIL/I2b1 für 'Nachmittagsbetreuung' an der Praxisvolksschule […] auf die Dauer vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 weiterbestellt.

Die Einreihung in das Entlohnungsschema IIL erfolgte gemäß § 42b Abs 2 Z 5 VBG 1948.“

Obwohl das Dienstverhältnis zur Klägerin das erste Dienstverhältnis der Beklagten im öffentlichen Dienst und an einer Volksschule war, erkundigte sie sich nicht über die Bedeutung der Worte „Nachmittagsbetreuung“ oder „Entlohnungsgruppe“.

Gleichzeitig mit der Beklagten begann eine Kollegin in der Nachmittagsbetreuung mit 24 Jahreswochenstunden zu arbeiten. Diese erkundigte sich telefonisch beim zuständigen Bundesministerium und erhielt die Auskunft, dass sie 1.783,20 EUR brutto verdienen würde. Davon erlangte die Beklagte keine Kenntnis.

Der Beklagten wurden im Zug ihres Dienstverhältnisses drei Beschäftigungsausweise ausgehändigt. Darin wird unter dem Titel „Funktionen“ ua festgehalten:

Wiederum erkundigte sich die Beklagte nicht, was diese Formulierungen bedeuteten.

Im November 2010 erhielt die Beklagte ihre erste Gehaltsabrechnung. Darin waren das Schema Vertragslehrer IIL, die Einstufung L2b1 und ein Beschäftigungsgrad von 100 % angegeben. Unstrittig erhielt die Klägerin für November 2010 ein Gehalt von 2.229 EUR brutto. Die Abrechnung für Oktober 2010 umfasste die Gehälter für September 2010 in Höhe von 1.857,50 EUR brutto und Oktober 2010 in Höhe von 2.229 EUR brutto sowie eine Sonderzahlung, sodass die Beklagte insgesamt 4.435,99 EUR brutto (das entspricht 3.174,67 EUR netto) erhielt. Die Beklagte zeigte diese Gehaltsabrechnung nicht der Direktorin. Es steht nicht fest, dass die Direktorin sagte, das ausbezahlte Gehalt sei angemessen.

Unstrittig weist die Gehaltsabrechnung für Dezember 2010 ein Bruttomonatsgehalt von 2.229 EUR, und weisen die weiteren Gehaltsabrechnungen für die Monate Jänner 2011 bis November 2011 ein Bruttomonatsgehalt von jeweils 2.262 EUR auf. Die Beklagte erhielt aufgrund eines Eingabefehlers im SAP System der Klägerin im Zeitraum September 2010 bis Dezember 2011 einen doppelt so hohen Bezug, als ihr gesetzlich zugestanden war.

Erst nach dem 15. 11. 2011 erfuhr die Beklagte, dass das Gehalt zweier Kolleginnen niedriger war als ihres. Erstmals mit Schreiben vom 1. 12. 2011 informierte die Klägerin die Beklagte über den Übergenuss, der unstrittig 12.246,07 EUR netto betrug. Die Klägerin buchte mit der Monatsabrechnung Dezember 2011 einen Übergenuss von gesamt 3.766,26 EUR brutto zurück und behielt ohne Zustimmung der Beklagten in weiterer Folge von Dezember 2011 bis März 2012 insgesamt 1.144,26 EUR ein.

Das Dienstverhältnis der Streitteile endete einvernehmlich am 30. 1. 2012.

Die Beklagte verwendete das ihr von der klagenden Partei ausbezahlte Gehalt für den Lebensunterhalt ihrer Familie und für die Rückzahlung von Schulden, die aus einer Arbeitslosenzeit und Übersiedlung vor Beginn ihres Dienstverhältnisses zur Klägerin vorhanden waren.

Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des der Beklagten durch während des laufenden Dienstverhältnisses bezahlten Übergenusses von restlichen (unstrittig) 11.105,81 EUR sA. Sie brachte vor, dass bei Vertragslehrern Unterrichtsstunden doppelt zählen, sodass 20 Lehrerwochenstunden das Ausmaß einer Vollbeschäftigung (40 Wochenstunden) begründen. Dies gelte jedoch infolge § 12 Abs 3 Bundeslehrer Lehrverpflichtungsgesetz (BLVG) nicht für die von der Beklagten geleisteten Nachmittagsbetreuungsstunden, die „normal“, daher als „halbe Lehrer Wochenstunde“ zählten. Aufgrund eines EDV Eingabefehlers seien der Beklagten wie auch zwei weiteren Bediensteten jedoch statt 15 Wochenstunden irrtümlich 30 Wochenstunden ausbezahlt worden. Auf einen gutgläubigen Verbrauch und Empfang der Leistungen könne sich die Beklagte nicht berufen, weil der Beklagten nach den Beschäftigungsausweisen klar sein musste, dass sie nicht „quasi 30 Lehrerstunden“, sondern bloß 30 Wochenstunden zum Faktor 0,525, daher im Ergebnis etwa „halbe“ Lehrerstunden erhalten sollte. Der Beklagten hätte objektiv auffallen müssen, dass sie einen doppelt so hohen Bezug erhielt, als ihr zustand. Sie hätte bei einem durchschnittlichen Maß an Sorgfalt zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit der fortlaufend bezogenen überhöhten Bezüge hegen müssen. Das der Beklagten gezahlte Gehalt von 2.229 EUR brutto entspreche dem Einstiegsgehalt einer Volksschullehrerin. Die Beklagte habe schon anhand der Monatsabrechnung für Oktober 2010 nicht davon ausgehen können, dass sie 4.435,99 EUR brutto (3.174,67 EUR netto) für bloß 30 Nachmittagsbetreuungsstunden monatlich erhalten solle. Bei Unklarheiten wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, Informationen einzuholen.

Die Beklagte wandte dagegen zusammengefasst den gutgläubigen Erhalt und Verbrauch der geltend gemachten Übergenüsse, die Unterhaltscharakter hätten, ein. Sie sei erstmalig im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen und habe keine Unstimmigkeiten in den Abrechnungen entdecken können, die der Höhe nach auch jenen einer zeitgleich eingetretenen anderen Kollegin im Wesentlichen entsprochen hätten. Die Beklagte treffe am Fehler der Klägerin, auf den diese erst ca 1 ½ Jahre später gekommen sei, kein Verschulden. Weder der Dienstvertrag noch die Beschäftigungsausweise hätten eine konkrete Entgelthöhe genannt. Die Beklagte habe auf die Richtigkeit der komplizierten Gehaltsberechnung der Klägerin vertrauen dürfen. Das ihr überwiesene Entgelt errechne sich auch bei Anwendung der §§ 42b, 44 VBG 1948, auf § 12 Abs 3 BLVG sei die Beklagte nicht hingewiesen worden. Ein offensichtlicher oder für sie erkennbarer Irrtum der Klägerin sei daher nicht vorgelegen und habe der Beklagten objektiv nicht vor Erhalt des Schreibens der Klägerin vom 1. 12. 2011 auffallen müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im zweiten Rechtsgang ab. Soweit für die Behandlung der Revision erforderlich, führte es aus, dass der der Beklagten bezahlte Übergenuss gemäß § 18a VBG 1948 zurückgefordert werden könne, soweit er nicht im guten Glauben empfangen und verbraucht worden sei. Der Beklagten, die erst nach Erhalt ihres eigenen Gehalts am 15. 11. 2011 Kenntnis über die tatsächliche Gehaltshöhe erlangt habe, könne Unredlichkeit nicht vorgeworfen werden.

Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Aus den §§ 1431, 1437 und 326 ABGB ergebe sich, dass der Empfänger einer Nichtschuld grundsätzlich zur Rückzahlung verpflichtet ist, es sei denn, dass er den Überbezug in gutem Glauben empfangen und für Bedürfnisse des täglichen Lebens verbraucht habe. Auch für Vertragsbedienstete sei die Frage der Gutgläubigkeit beim Empfang des Übergenusses nach der objektiven Erkennbarkeit zu beurteilen. Da die Redlichkeit gemäß § 328 ABGB vermutet werde, habe der rückfordernde Arbeitgeber die Unredlichkeit des Arbeitnehmers zu beweisen. Dies sei der Klägerin nicht gelungen: Die Beklagte habe grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin ihre eigenen Gesetze kenne und die der Beklagten gezahlten Beträge dieser auch wirklich zustünden. Im Allgemeinen bestehe auch keine Pflicht zur Recherche der Gehaltshöhe, von einer Freizeitpädagogin könne bei ihrer Erstanstellung auch nicht erwartet werden, umfassende juristische Nachforschungen anzustellen. Bei einem gesetzlich determinierten Gehalt sei eine Erkundigungspflicht des Dienstnehmers nur dann anzunehmen, wenn es konkrete Hinweise auf eine Überzahlung gebe, nicht aber schon dann, wenn das Gehalt dem Dienstnehmer nicht ziffernmäßig offengelegt worden sei. Weder der Umstand, dass die Gehaltshöhe die Wünsche der Beklagten überstiegen habe, noch die Höhe der monatlichen Überzahlung seien Umstände, die eine Unredlichkeit der Beklagten indizierten. Eine Überzahlung von rund 500 EUR netto könne nicht als enorm bezeichnet werden, zumal nicht zwingend sei, dass die Differenz zum zustehenden Gehalt für die Beklagte überhaupt erkennbar gewesen sei. Vor Auszahlung des Gehalts für Dezember 2011 habe die Beklagte daher keine konkreten Hinweise auf einen Überbezug gehabt. Da sie die erhaltenen Beträge für den Lebensunterhalt verwendet habe, sei sie nicht nur beim Empfang, sondern auch beim Verbrauch dieser Beträge gutgläubig gewesen. Die ordentliche Revision sei mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Wer irrtümlich eine Nichtschuld bezahlt, kann das Geleistete gemäß § 1431 ABGB zurückfordern ( Preiss in ZellKomm² § 1154 ABGB Rz 52 ff; Löschnigg , Arbeitsrecht 11 6/285 ff mwN ua). Werden Bezüge irrtümlich angewiesen, obwohl sie nicht oder nicht in diesem Umfang gebühren, so können sie vom Dienstgeber zurückgefordert werden. Lediglich im Fall redlichen Verbrauchs durch den Dienstnehmer ist die Rückforderung ausgeschlossen. Dabei wird der gute Glaube nicht nur durch auffallende Sorglosigkeit des Empfängers ausgeschlossen, sondern von der Rechtsprechung schon dann verneint, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit des ihm ausbezahlten Betrags auch nur zweifeln musste ( Ziehensack , VBG § 18a Rz 7b mwN; RIS Justiz RS0010271; RS0033826 ua). Da die Redlichkeit gemäß § 328 ABGB vermutet wird, hat der rückfordernde Dienstgeber die Unredlichkeit des Dienstnehmers zu beweisen (Jud 33 neu ua; RIS Justiz RS0010182). Der Dienstnehmer darf nämlich grundsätzlich darauf vertrauen, dass ihm alle vom Dienstgeber zukommenden Leistungen auch wirklich endgültig zustehen (9 ObA 197/92; 9 ObA 168/13s).

Ausgehend von diesen von den Parteien im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellten Grundsätzen der Rechtsprechung erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts nach Maßgabe der konkreten Umstände des hier zu beurteilenden Falls (RIS Justiz RS0033826 [T5]) als korrekturbedürftig.

2. Voranzustellen ist, dass die Ursache des Irrtums der Klägerin, der zum Übergenuss der Beklagten geführt hat, nicht auf einer unrichtigen Auslegung einer Norm beruht, sondern auf einem Eingabefehler im SAP System der Klägerin. Es ist nicht strittig, dass dieser Irrtum von der Beklagten weder veranlasst noch erkannt wurde. Der Beklagten, die ihr erstes Dienstverhältnis als Vertragsbedienstete antrat, ist auch zuzubilligen, das Abrechnungssystem der Klägerin (bzw die zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen) und die Bedeutung der auf den Beschäftigungsausweisen verwendeten Kürzel nicht gekannt und nicht verstanden zu haben.

Allerdings ist nicht strittig, dass sich die der Beklagten zustehenden Bezüge aus den Bestimmungen der §§ 37 ff VBG iVm § 12 Abs 3 BLVG ergeben und nicht schwankend sind. Sie waren in den der Beklagten ausgehändigten Unterlagen dem Dienstvertrag und den Beschäftigungsausweisen auch korrekt ausgewiesen. Diese Umstände sind ungeachtet der subjektiven Kenntnisse der Beklagten zumindest grundsätzlich objektiv geeignet, dass der Beklagten der Irrtum der Klägerin auffallen hätte können ( Geroldinger , Gutgläubiger Verbrauch im Arbeitsrecht, ASoK 2007, 378 [380]).

3. Da der Dienstnehmer wie ausgeführt grundsätzlich auf die Abrechnung der Bezüge durch den Dienstgeber vertrauen darf, müssen besondere Umstände vorliegen, aus denen für den Dienstnehmer erkennbar wird, dass keine ordnungsgemäße Zahlung vorliegt, er also damit rechnen muss, die Überzahlung an den entreicherten Dienstgeber zurückzuzahlen ( Wachter , Zur Nichtrückforderbarkeit irrtümlich bezahlten Arbeitsentgelts bei gutgläubigem Verbrauch, in FS Strasser [1983], 147 [175]; ihm folgend Burger , Rückforderung von Überzahlungen eine Bestandsaufnahme, wbl 2007, 567 [574]). Ein solcher Umstand liegt hier entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts vor allem darin, dass die Beklagte während eines Zeitraums von 15 Monaten (im Dezember 2011 erfolgte die Korrekturabrechnung) unstrittig das Doppelte der ihr gesetzlich zustehenden Bruttoentlohnung erhalten hat.

Es entspricht der Rechtsprechung, dass die außergewöhnliche, sonst nicht erklärbare Höhe der Lohnzahlung einen Umstand bilden kann, der objektiv den guten Glauben des Dienstnehmers erschüttern kann (4 Ob 71/55 = Arb 6296; RIS Justiz RS0010271 [T1]). Da nach der Rechtsprechung der Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen sogar verpflichtet werden kann, dem Arbeitgeber den Rückforderungsbetrag brutto zu bezahlen (8 ObA 69/05p = RIS Justiz RS0121439; ebenso zu § 13a GehG VwGH 2013/12/0072 mwH), kann nicht allein auf die Höhe der Nettoüberzahlung abgestellt werden. Aber selbst ausgehend von der Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte „nur“ eine monatliche Nettoüberzahlung von rund 500 EUR erhalten habe (tätsächlich betrug der Übergenuss für den Zeitraum September 2010 bis Dezember 2011 insgesamt unstrittig 12.246,07 EUR, woraus sich für 15 Monate rein rechnerisch ein monatlicher Durchschnitt von rund 816 EUR einschließlich Sonderzahlungen errechnen würde), stellt dieser Betrag, setzt man ihn in Relation zum von der Beklagten erwarteten („gewünschten“) Gehalt in Höhe von rund 1.000 EUR monatlich, keinesfalls eine bloß unerhebliche Überzahlung dar. Auch der von der Beklagten ins Treffen geführte Umstand eines sicherlich komplizierten und insbesondere in Bezug auf die in den Beschäftigungsausweisen verwendeten Kürzel intrans-parenten Abrechnungssystems ändert letztlich nichts daran, dass diese Überzahlung weit über der der Beklagten nach dem Gesetz zustehenden Entlohnung liegt. Vor allem darin unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von der Entscheidung 9 ObA 168/13s, sodass aus dem Verweis auf diese in der Revisionsbeantwortung für die Beklagte nichts zu gewinnen ist.

4. Auf die Frage, ob die Beklagte angesichts dieser Umstände eine Nachforschungspflicht getroffen hätte (vgl 4 Ob 42/69 = Arb 8645, ebenfalls zum VBG 1948; ebenso VwGH 84/12/0118 zur Frage nicht entschlüsselbarer Abkürzungen im Bezugszettel; VwGH 86/12/0293 zur „nicht wünschenswerten“ Darstellungsform des Gehaltszettels; beide in: Zach/Koblizek , Gehaltsgesetz, Rsp zu § 13a GehG, §§ 15 ff) muss hier nicht weiter eingegangen werden. Die Beklagte war nämlich ohnehin bestrebt, Informationen über die Höhe der zu erwartenden Entlohnung zu erhalten. Aufgrund ihrer Internetrecherche rechnete sie mit einer Entlohnung von 1.000 EUR netto pro Monat. Dass das Ergebnis dieser Recherche unrichtig gewesen wäre, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Parteien, noch aus den Verfahrensergebnissen, wonach die Beklagte etwa für Oktober 2010 eine doppelte Entlohnung von 2.229 EUR brutto erhielt. Damit war aber der Beklagten auch subjektiv aus den übermittelten Gehaltszetteln von Anfang an erkennbar, dass die darin ausgewiesenen Brutto und Nettobeträge deutlich über ihren Erwartungen lagen. Soweit sich die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung auf den Umstand bezieht, dass eine gleichzeitig mit ihr eintretende Nachmittagsbetreuerin die Auskunft erhalten habe, 1.783,20 EUR brutto (bei einem Beschäftigungsausmaß von 24 Wochenstunden) zu verdienen, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie von diesem Umstand nach den Feststellungen keine Kenntnis erlangte.

Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen waren dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattzugeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht für das Verfahren erster Instanz auf § 41, für die Rechtsmittelverfahren auf den §§ 41 und 50 ZPO. Kosten für den Schriftsatz vom 23. 1. 2013 (Bekanntgabe, Urkundenvorlage, Antrag) waren der Klägerin in Entsprechung der Einwendungen der Beklagten nicht zuzuerkennen, weil diese Schriftsatz gemäß § 22 RATG iVm § 8 ProkG mit dem aufgetragenen Schriftsatz vom 9. 1. 2013 verbunden hätte werden können ( Obermaier , Kostenhandbuch 2 Rz 212 mwH). Für das Verfahren erster Instanz kommt überdies ein Zuspruch der Kosten des Antrags der Klägerin vom 10. 9. 2013 (Fristerstreckung) gemäß § 48 ZPO nicht in Frage (9 Ob 50/08f; Obermaier aaO Rz 238).

Oberster Gerichtshof, Wien, am 22. Juli 2014 Dr. H o p f Für die Richtigkeit der Ausfertigung die Leiterin der Geschäftsabteilung:

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