JudikaturJustiz9ObA328/00a

9ObA328/00a – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Juni 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Norbert Riedl und Mag. Albert Ullmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Werner S*****, AHS-Lehrer, *****, vertreten durch Dr. Breitwieser Rechtsanwaltskommanditpartnerschaft in Bad Schallerbach, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Landesschulrat für Oberösterreich), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Feststellung (S 75.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. September 2000, GZ 11 Ra 175/00k-38, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 16. Februar 2000, GZ 19 Cga 31/98a-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1) Die Anträge der klagenden Partei, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof ein Verfahren auf Normenkontrolle der §§ 38 Abs 3, 39, 42b Abs 1 und 4 Vertragsbedienstetengesetz 1948 anregen, hilfsweise beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften eine Vorabentscheidung zur Auslegung des § 42c Abs 3 Vertragsbedienstetengesetz 1948 im Hinblick auf die Richtlinie 91/533/EWG des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom 14. Oktober 1991 einholen, werden zurückgewiesen.

2) Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.059,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gemäß § 503 Z 2 ZPO liegt nicht vor. Diese Beurteilung bedarf keiner Begründung (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisrüge des Klägers auseinandergesetzt, sie jedoch als unbegründet verworfen. Die vom Revisionswerber angestellten Überlegungen zur Glaubwürdigkeit einzelner Zeugen betreffen die Beweiswürdigung, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof im Revisionsverfahren entzogen ist (Kodek aaO Rz 1 zu § 503 mwN).

In rechtlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht die Frage des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses des Klägers zutreffend verneint, sodass auf die Richtigkeit der Begründung der Berufungsentscheidung hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

§ 4 Abs 4 Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), der der wiederholten Befristung eines Dienstverhältnisses entgegensteht, findet dann keine Anwendung, wenn die Verwendung des Vertragslehrers nur zur Vertretung erfolgt (zunächst § 38 Abs 3 VBG, danach § 42b Abs 4 VBG [eingefügt mit BGBl 1995/522] für Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L; Stierschneider/Zach, VBG 1948, Anm 3 zu § 42b). In dieses Entlohnungsschema sind Vertragslehrer einzureihen, die ausschließlich in nicht gesicherter Verwendung stehen. Als eine nicht gesicherte Verwendung gilt ua jene zur Vertretung einer konkret bestellten Person (bzw mehrerer konkret bestellter Personen; § 42b Abs 2 Z 1 VBG). Die Zeiträume einer Verwendung als Vertragslehrer des Entlohnungsschemas II L an einer im § 26 Abs 2 Z 1 lit b VBG angeführten Einrichtung oder mehrerer solcher Verwendungen beim selben Dienstgeber dürfen für einen Vertragslehrer insgesamt sieben Jahre nicht übersteigen (§ 42e Abs 1 VBG, eingeführt mit BGBl 1995/522).

§ 4 Abs 4 VBG lässt erkennen, dass der Gesetzgeber grundsätzlich vom Abschluss unbefristeter Dienstverhältnisse ausgeht; befristete Dienstverträge sollen die Ausnahme bilden und nur in den im Gesetz umschriebenen Fällen zulässig sein. Absicht des Gesetzgebers ist es, die Umgehung der Bestimmungen, die den sozialen Schutz des Vertragsbediensteten bei Dienstverhältnissen auf unbestimmte Zeit gewährleisten, zu verhindern. Die enge Umschreibung der Zulässigkeit von wiederholten befristeten Dienstverhältnissen soll sicherstellen, dass grundsätzlich Dienstverhältnisse unbefristet begründet werden und wiederholte Befristungen nur dann wirksam erfolgen können, wenn es sich (bezogen auf den vorliegenden Fall) um einen tatsächlichen Vertretungsfall handelt. Nur dann tritt nach dem Willen des Gesetzgebers das Interesse des Dienstnehmers an der Begründung eines den vollen sozialen Schutz nach dem VBG genießenden unbefristeten Dienstverhältnisses gegenüber den Interessen des Dienstgebers an einer Vorsorge für einen bloß vorübergehenden Einsatz des Dienstnehmers zurück (DRdA 1990/27 ((Schindler)); ARD 4938/9/98; RdW 1997, 355; 9 ObA 97/00f).

Zur Beweislastverteilung hinsichtlich des Vorliegens sachlicher Gründe der mehrfachen Befristung eines Dienstverhältnisses wurde bereits mehrmals ausgesprochen, dass stets der Dienstgeber zu beweisen hat, ob besondere Gründe den Abschluss wiederholter Verträge auf bestimmte Zeit rechtfertigen (Arb 8003; DRdA 1987/22 ((Pfeil)) mwN; ARD 4248/8/91; ARD 4284/26/91; ecolex 1994, 244).

Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichts, wonach zwischen den Parteien mit Dienstvertrag vom 6. 4. 1992 und fünf weiteren Nachtragsverträgen jeweils befristete Dienstverhältnisse zur Vertretung jeweils konkret benannter Lehrer ab 17. 12. 1991 bis zuletzt 31. 8. 1997 abgeschlossen worden waren und der Kläger in diesem Zeitraum ausschließlich Vertretungsstunden verrichtet hatte, gelangte das Berufungsgericht in Anwendung des VBG und der vorstehend zitierten Grundsätze der Rechtsprechung zum zutreffenden Ergebnis, dass das zuletzt am 29. 1. 1997 bis längstens 31. 8. 1997 abgeschlossene befristete Dienstverhältnis durch Zeitablauf per 31. 8. 1997 geendet hat. Die beklagte Partei ist ihrer Beweispflicht, dass die Verwendung des Klägers nur zur Vertretung erfolgte, nachgekommen.

Dem Vertragsbediensteten ist eine schriftliche Ausfertigung des Dienstvertrages und allfälliger Nachträge zum Dienstvertrag auszufolgen; diese haben bestimmte Angaben zu enthalten (§ 4 Abs 1 und 2 VBG). Gemäß dem durch BGBl 1995/522 eingeführten § 42c Abs 3 VBG hat der Dienstvertrag im Fall des § 42b Abs 2 Z 1 VBG (Verwendung zur Vertretung) auch den Namen der vertretenen Person (bzw die Namen der vertretenen Personen) zu enthalten. Ähnlich normiert nunmehr § 4 Abs 2 Z 3 VBG idF BGBl 1999/10, dass der Dienstvertrag jedenfalls Bestimmungen darüber zu enthalten hat, ob und für welche Personen der Vertragsbedienstete zur Vertretung aufgenommen wird.

Richtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis des Revisionswerbers, dass die gegenständlichen Nachtragsverträge zwar einzelne, nicht aber immer alle Namen der von ihm vertretenen Personen enthielten. Seiner Schlussfolgerung, dass es in einem derartigen Fall nicht mehr auf die tatsächliche Vertretung als solche ankomme, sondern automatisch vom Fehlen einer Vertretungstätigkeit und zwingend vom Vorliegen "eigener Stunden" auszugehen sei, kann jedoch nicht beigepflichtet werden. Der Gesetzgeber verfolgte mit den Bestimmungen in § 4 Abs 1 und Abs 2 Z 3 VBG die Umsetzung der Richtlinie des Rates 91/533/EWG über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen vom 14. Oktober 1991 (NachweisRL). Ziel dieser Regelungen ist die Verpflichtung des Dienstgebers, den Dienstnehmer über die wesentlichen Rechte und Pflichten aus dem Dienstverhältnis schriftlich zu informieren (VAB 1561 BlgNR XX. GP 8 ((abgedruckt auch bei Stierschneider/Zach aaO Anm 1 zu § 4)); Art 2 Abs 1 NachweisRL). Die gleichen Erwägungen können auch bei § 42c Abs 3 VBG zugrundegelegt werden, der mit BGBl 1995/522 ab 1. 1. 1996 eingeführt wurde.

Die Ausführung des Berufungsgerichtes, es "müssten nicht" alle Namen der vertretenen Personen im Dienstvertrag enthalten sein, könnte - isoliert betrachtet - missverstanden werden. Sie ist im Zusammenhang mit dem zutreffenden Hinweis des Berufungsgerichtes auf die Rechtsprechung zu sehen, dass die Ausfertigungspflicht nach § 4 VBG (in dem Sinn) eine Ordnungsvorschrift sei, dass ihre Verletzung nicht die Gültigkeit des Dienstvertrages berührt (Arb 6328, 7209; JBl 1962, 393 ((Gschnitzer)); DRdA 1987/8 ((Grof)); Stierschneider/Zach aaO Anm 3 und 5 zu § 4). Festzuhalten ist jedoch ausdrücklich, dass der Dienstnehmer einen Anspruch auf Ausfolgung einer Ausfertigung des Dienstvertrages hat (Stierschneider/Zach aaO Anm 2 zu § 4). Der Dienstnehmer muss über alle wesentlichen Punkte des Dienstverhältnisses unterrichtet werden. Die Ausfertigungspflicht muss sohin vom Dienstgeber eingehalten werden. Die Erfüllung der Ausfertigungspflicht kann vom Dienstnehmer nötigenfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden. Entgegen der Annahme des Revisionswerbers ist dem Dienstgeber aber weder nach nationalem Recht noch nach der NachweisRL der Beweis über Tatsachen abgeschnitten, die nicht in der Ausfertigung des Dienstvertrages ausgewiesen sind. Gemäß Art 6 zweiter Gedankenstrich berührt die NachweisRL die Regelung des nationalen Rechts für den Nachweis über das Vorhandensein und den Inhalt des Dienstvertrags oder Dienstverhältnisses nicht. Der Nachweis kann vielmehr in jeder nach dem nationalen Recht zulässigen Form erbracht werden, selbst wenn der Dienstgeber keine schriftliche Mitteilung gemacht hat. Der mit dieser Bestimmung verfolgte Zweck würde nicht erreicht, wenn die NachweisRL dahin ausgelegt wird, dass das Bestehen und der Inhalt der wesentlichen Punkte des Dienstvertrages oder des Dienstverhältnisses, die dem Dienstnehmer nicht schriftlich mitgeteilt worden sind, niemals nachgewiesen werden könnten, weil diese Punkte als unwirksam anzusehen wären. Die nationalen Beweislastregeln als solche werden sohin entgegen der Annahme des Revisionswerbers durch die Richtlinie nicht berührt (Europäischer Gerichtshof 8. 2. 2001, C-350/99, RdNr 27 und 31 ((Lange)); EuGH 4. 12. 1997, C-253/96 bis C-258/96, RdNr 30, 34 f, Slg 1997, I-6907 ((Kampelmann ua)) = ARD 4895/5/97; Gruber, ecolex 2000, 57). Auf Grund der bereits erfolgten Klarstellung der Auslegung der NachweisRL durch den Europäischen Gerichtshof bedarf es keiner neuerlichen Vorabentscheidung. Im Übrigen hat allein das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vorliegen; den Parteien kommt insoweit kein Antragsrecht zu; der Antrag des Klägers auf Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischer Gerichtshof war daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053805).

Im vorliegenden Fall kommt der Frage der Beweislast aber letztlich keine besondere Bedeutung zu, weil der beklagten Partei nach der begründeten Überzeugung der beiden Vorinstanzen der Beweis gelungen ist, dass der Kläger ausschließlich Vertretungstätigkeit verrichtet hat. Vertretung im hier relevanten Zusammenhang bedeutet allgemein, die Aufgaben einer konkret bestellten anderen Person zu übernehmen und die Arbeitsleistung an ihrer Stelle zu erbringen. Für einen Vertretungsfall ist erforderlich, dass einer bestimmten Person grundsätzlich die Erfüllung eines Aufgabenbereiches zugewiesen ist; im Fall ihrer Verhinderung übernimmt eine andere Person, der Vertreter, diese Verpflichtung an ihrer Stelle (DRdA 1990/27 ((Schindler)). Im Speziellen liegt nach § 42c Abs 1 VBG eine Vertretung gemäß § 42b Abs 2 Z 1 VBG vor, wenn die vertretene Person

1. zur Gänze abwesend oder deren Lehrverpflichtung herabgesetzt oder ermäßigt ist oder diese Person eine Teilzeitbeschäftigung nach den §§ 15g oder 15h MSchG oder nach den §§ 8 oder 8a EKUG ausübt oder 2. einen Teil oder alle der ursprünglich für sie in Betracht gekommenen Stunden nicht unterrichtet, weil sie ihrerseits eine Vertretung nach Z 1 oder eine Vertretung übernommen hat, die durch einen solchen Vertretungsfall oder mehrere solcher Vertretungsfälle erforderlich geworden ist. Dies war nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen bei allen vom Kläger vertretenen Personen der Fall. Soweit er dies in manchen seiner Rechtsausführungen negiert, ist seine Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von den bindenden Tatsachenfeststellungen ausgeht (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 9 zu § 471).

Schließlich kann dem Revisionswerber - abgesehen davon, dass auch insoweit kein diesbezügliches Antragsrecht der Parteien besteht (RIS-Justiz RS0056514) - auch nicht beigepflichtet werden, soweit er die Verfassungsmäßigkeit der im VBG eröffneten besonderen Möglichkeit des wiederholten Abschlusses befristeter Dienstverhältnisse bei Vertragslehrern in Zweifel zieht. Der in Art 7 B-VG normierte Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber, an gleiche Tatbestände gleiche Rechtsfolgen zu knüpfen. Er verbietet also willkürliche Differenzierungen, lässt aber unterschiedliche Regelungen dort zu, wo sie durch entsprechende Unterschiede im Tatsächlichen sachlich gerechtfertigt sind (SZ 49/101; Arb 10.093, jeweils mwN, ua). Letzteres trifft aber hier zu. Mit den in Abschnitt II (§§ 37 ff) des VBG enthaltenen "Sonderbestimmungen für Vertragsbedienstete im Lehramt", zu welchen insbesondere auch die Möglichkeit des wiederholten Abschlusses befristeter Dienstverträge zur Vertretung konkret bestellter Personen gehört, trägt das Gesetz den Besonderheiten des Dienstverhältnisses der Vertragslehrer Rechnung. Hierin liegt keine unsachliche, dem Gleichheitssatz des Art 7 B-VG widersprechende Differenzierung (vgl 4 Ob 143/83 = ARD 3672/10/85). Kettendienstverträge beschränken sich im Übrigen entgegen der Meinung des Revisionswerbers nicht auf Vertragslehrer; sie sind ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn sie durch besondere wirtschaftliche und soziale Gründe gerechtfertigt sind (Arb 11.746). Die Erwerbsfreiheit wird durch die Beendigung eines befristeten Dienstvertrages durch Zeitablauf nicht in Frage gestellt. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 B-VG die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 38 Abs 3, 39, 42b Abs 1 und 4 VBG zu beantragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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