JudikaturJustiz9Ob58/22b

9Ob58/22b – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. August 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon. Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei R* H*, vertreten durch Mag. Michael Stuxer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei P* R*, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (5.000 EUR), Beseitigung (5.000 EUR) und Leistung (8.032,76 EUR sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2022, GZ 12 R 90/21z 33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. September 2021, GZ 10 Cg 11/20s 27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden an das Berufungsgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Eigentümer zweier aneinander angrenzenden Liegenschaften mit jeweils einem darauf errichteten Einfamilienhaus samt Garage.

[2] Der Kläger begehrt den Beklagten schuldig zu erkennen,

1. ab sofort

a. die Ableitung von Wasser auf den Boden der Liegenschaft durch das am Haus auf der Liegenschaft * 104 befindliche Regenfallrohr,

b. die Ableitung von Wasser über das auf der Liegenschaft * 104 befindliche Abtropfblech des Garagendachs in die Hecke und auf das Grundstück * 106 und

c. die Immission von Laub und Ästen von dem auf der Liegenschaft * 104 befindlichen Nussbaum auf das Dach der auf der Liegenschaft * 106 errichteten Garage

zu unterlassen,

2. binnen 14 Tagen die in * 104 gepflanzte Hecke, direkt angrenzend an die Grenzmauer und die Garage der Liegenschaft * 106 zu beseitigen,

3. dem Kläger 8.032,76 EUR samt 4 % Zinsen seit 22. 9. 2020 binnen 14 Tagen zu bezahlen, sowie

4. den am Garagendach der Garage in der Liegenschaft * 106 befindlichen Bewuchs mit Moos binnen 14 Tagen zu beseitigen.

[3] Der Kläger bewertete seine drei (ursprünglich vier) Unterlassungsbegehren mit (zusammen) 5.000 EUR sowie die zwei Beseitigungsbegehren mit (zusammen) 5.000 EUR.

[4] Das Erstgericht wies alle Klagebegehren ab.

[5] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt. Dabei folgte es der Bewertung durch den Kläger.

[6] Die ordentliche Revision wurde zugelassen.

[7] Mit seiner dagegen erhobenen Revision ficht der Kläger die Berufungsentscheidung zur Gänze an.

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Das Berufungsgericht hat nur eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands insgesamt vorgenommen, ohne die mit Klagenhäufung geltend gemachten Ansprüche einzeln zu bewerten. Eine solche Vorgangsweise wäre nur dann zutreffend, wenn die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 JN stünden. Das ist jedoch nicht der Fall:

[9] 2. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn allen Ansprüchen der selbe Klagsgrund zugrunde liegt und keiner der Ansprüche die Behauptung eines ergänzenden Sachverhalts erfordert. Ein rechtlicher Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Ansprüche aus dem selben Vertrag bzw einem einheitlichen Rechtsgeschäft oder aus der selben Rechtsnorm abgeleitet werden (RS0037899 [T3]). Bei der Beurteilung dieser Fragen ist vom Klagevorbringen auszugehen (RS0042741).

[10] 3. Im vorliegenden Fall macht der Kläger neben seinem Leistungsbegehren drei getrennt erhobene Unterlassungsbegehren und zwei getrennt erhobene Beseitigungsbegehren hinsichtlich jeweils verschiedener Eingriffshandlungen des Beklagten geltend. Da sich diese Eingriffe bzw die relevierten Störungshandlungen voneinander unterscheiden, bedarf es für die Klärung der einzelnen Unterlassungs- und Beseitigungsbegehren jeweils anderer Sachverhaltselemente. Ein tatsächlicher Zusammenhang ist dabei ebenso zu verneinen wie ein rechtlicher Zusammenhang. Mehrere Ansprüche aus einer Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB, die sich auf verschiedene Eingriffshandlungen des Beklagten stützen stehen nach der Rechtsprechung nicht in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN (RS0110012; Gitschthaler in Fasching / Konecny ³ § 55 JN Rz 21/5).

[11] 4. Das Berufungsgericht hat die nach diesen Ausführungen erforderliche Differenzierung bei seiner Pauschalbewertung, die es auf den Gesamtbetrag der jeweils vom Kläger für seine einzelnen Gruppen von Begehren genannten Bewertungen stützte, bisher unterlassen. Dies wird hinsichtlich jedes einzelnen Unterlassungsbegehrens und jedes einzelnen Beseitigungsbegehrens nachzuholen sein. Eine Aufteilung der mit je 5.000 EUR vorgenommenen Gesamtbewertung der Unterlassungs- bzw Beseitigungsbegehren auf die einzelnen Unterlassungsbegehren (1/3) bzw Beseitigungsbegehren ( 1/2 ) ist dem Obersten Gerichtshof nicht erlaubt. Der Oberste Gerichtshof kann keine Bewertung vornehmen, er ist grundsätzlich an den Bewertungsausspruch gebunden (§ 500 Abs 4 Satz 1 ZPO; vgl RS0042515, RS0042450).

Rechtssätze
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