JudikaturJustiz9Ob55/04k

9Ob55/04k – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. G***** Ing. O***** OEG, *****, vertreten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagte Partei P***** + Partner GmbH, *****, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 7.248,96 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2004, GZ 4 R 6/04m-15, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 28. Oktober 2003, GZ 28 Cg 70/03t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte, die ihrerseits als Generalplanerin tätig war, beauftragte die Klägerin mit Gastronomieplanungsarbeiten für das Projekt "Erlebnisbad Wörgl". Die Klägerin legte über ihre Arbeiten an die Beklagte die Honorarnote vom 16. 12. 2002 mit folgendem Inhalt (Beil ./M):

"Honorar für bereits geleistete Planungsaufgaben

unseres Büros im Zuge der geplanten

Errichtungsarbeiten der gastronomischen

Anlagen im Erlebnisbad in Wörgl.

Pkt 1 bis 3 = 75 % = 18.054,40 x

75% = 13.540,80 EUR 13.540,80

Pauschale für Umplanung und

Erstellung einer 2. Ausschreibung EUR 2.500,00

Zwischensumme EUR 16.040,80

20 % MwSt EUR 3.208,16

Summe EUR 19.248,96"

Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Beklagten darüber hinaus die "Honorarberechnung - Technische Ausrüstung" (Beil ./Q) zuging. Die Beklagte zahlte auf die Honorarnote der Klägerin den Betrag von EUR 12.000.

Die Klägerin begehrt für die im Auftrag der Beklagten erbrachten Gastronomieplanungsarbeiten nach Klageeinschränkung infolge Teilzahlung der Beklagten von EUR 12.000 den restlichen Betrag von EUR 7.248,96 sA. Bei der Ermittlung des Honorars sei ein 25 %iger Abschlag berücksichtigt worden, weil die Beklagte auf Leistungen der Klägerin hinsichtlich Baubegleitung, Abnahme und Erstellung allfälliger Mängelprotokolle verzichtet habe. Das Änderungspauschale von EUR 2.500 sei verrechnet worden, weil die Klägerin Umplanungen habe vornehmen müssen, die nicht in Ihrer Sphäre gelegen seien. Mangels Vereinbarung eines Fixpreises habe die Klägerin Anspruch auf ein angemessenes Honorar. Sie habe ihrer Honorarberechnung die Honorarrichtlinien für Leistungen der technischen Büros, zu denen im Übrigen auch die Beklagte arbeite, zugrundegelegt. Gegenüber dem sich daraus ergebenden Betrag von EUR 27.050 werde ohnehin nur ein reduzierten Betrag begehrt. Zum Beweis Ihres Vorbringens berief sich die Klägerin neben vorgelegten Urkunden auf Parteienvernehmung, für die sie ihre beiden Gesellschafter namhaft machte, und die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet für Leistungen eines technischen Büros.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Klägerin auf der Grundlage der Vertragsbedingungen der Beklagten tätig geworden sei. Diese sähen in Punkt 07. 01 einen Pauschal- und Fixpreis von EUR 10.000 zuzüglich 20 % USt von EUR 2.000, insgesamt sohin EUR 12.000, vor. Dieser Betrag sei auch gezahlt worden. Allfällige Umplanungen seien in diesem Honorar bereits enthalten. Im Übrigen seien die Leistungen der Klägerin mangelhaft und nur teilweise verwertbar gewesen. Mangels Überprüfbarkeit der Honorarnote der Klägerin werde auch mangelnde Fälligkeit eingewendet.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 10,75 % Zinsen aus EUR 12.000 vom 17. 12. 2002 bis 31. 7. 2003, wohingegen es das Mehrbegehren der Klägerin von EUR 7.248,96 samt 10,75 % Zinsen ab 17. 12. 2002 abwies. Ausgehend von den unter Abstandnahme von der beantragten Parteienvernehmung und der Einholung eines Sachverständigengutachtens nur auf Grund von Urkunden getroffenen Feststellungen führte es in rechtlicher Hinsicht aus, dass das Klagebegehren trotz Aufforderung und Erörterung unschlüssig geblieben sei. Der klägerische Anspruch sei nicht nachvollziehbar begründet und aufgeschlüsselt worden. Konkrete Behauptungen über Art und Ausmaß der erbrachten Arbeitsleistungen fehlten. Da es sich offenbar um einen Werkvertrag handle, resultiere aus der Unschlüssigkeit der Klage auch die mangelnde Fälligkeit des Werklohns. Nach ständiger Rechtsprechung müsse nämlich die Rechnung des Werkunternehmers für den Werkbesteller überprüfbar sein.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin wegen Nichtigkeit und gab der Berufung auch in den übrigen Gründen nicht Folge. Es trat der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes zur Unschlüssigkeit des Klagevorbringens bei. Gemäß § 178 Abs 1 ZPO habe jede Partei in ihren Anträgen alle im einzelnen Fall zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt anzugeben. Das Beweisverfahren diene nicht dazu, die Partei vom Vollständigkeits- und Bestimmtheitsgebot zu entbinden und lückenhaftes Vorbringen aufzufüllen. Über ein unschlüssiges Klagebegehren seien keine Beweise aufzunehmen.

Das Berufungsgericht sprach zunächst aus, dass die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, weil keine über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfragen von "grundsätzlicher Bedeutung" entscheidungswesentlich gewesen seien. Über Antrag der Klägerin änderte es jedoch den Zulässigkeitsausspruch dahin ab, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben. Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat; sie ist auch im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin wendet sich zurecht gegen die Ansicht der

Vorinstanzen, ihre Klage sei unschlüssig. Ihr ist zuzustimmen, dass

sie zur Begründung ihres Klagebegehrens ein ausreichend konkretes

Sachverhaltsvorbringen erstattet hat. Verfahrensgegenständlich ist

ein Begehren auf Zahlung des restlichen Werklohns für im Auftrag der

Beklagten erbrachte Planungsleistungen. Auftragserteilung und

Erbringung von Leistungen sind unstrittig. Strittig ist vorerst nur,

ob zwischen den Parteien ein zwischenzeitig bezahltes Fixhonorar von

EUR 12.000 vereinbart wurde oder ob mangels Vereinbarung eines

ziffernmäßig bestimmten Werklohns ein angemessenes Entgelt als

bedungen gilt (§ 1152 ABGB). Ersteres behauptet die Beklagte,

Letzteres die Klägerin, wobei sie meint, dass das angemessene Entgelt

zumindest EUR 19.248,96 betrage. Dazu kommt im Honorarbereich die

weitere Frage, ob die (von der Beklagten behauptete)

Entgeltsvereinbarung der Parteien auch allfällige Mehrarbeiten

("Umplanung") mitumfassen sollte oder nicht.

Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des

Klägers materiellrechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO² Vor § 226 Rz 13; 4 Ob 274/01z; 7 Ob 149/03t mwN; RIS-Justiz RS0001252, RS0037516 ua). Bestimmtheit und Schlüssigkeit eines Tatsachenvorbringens sind eine Angelegenheit der rechtlichen Beurteilung (RIS-Justiz RS0037532). Der Frage, ob eine Klage schlüssig ist, kommt im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern nicht - wie im vorliegenden Fall - eine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt (8 Ob 70/03g; RIS-Justiz RS0037780, RS0116144 ua).

Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen ist die gegenständliche Klage ausreichend substantiiert. Richtig ist der Hinweis des Berufungsgerichtes, dass jede Partei in ihren Vorträgen alle im einzelnen Fall zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen tatsächlichen Umstände der Wahrheit gemäß vollständig und bestimmt anzugeben hat (§ 178 Abs 1 ZPO). Diese Bestimmung ist jedoch im Zusammenhang mit den §§ 76, 226 ZPO zu lesen. Danach hat die (vollständige) Darstellung des behaupteten Sachverhalts knapp, übersichtlich und gedrängt, also keineswegs bis in die letzten Einzelheiten gehend, zu erfolgen. Ein Prozessvorbringen wird daher immer dann als vollständig angesehen werden können, wenn es das Beweisthema so klar erscheinen lässt, dass eine sinnvolle Beweisaufnahme nach den Prozessvorschriften (beispielsweise also die Ausübung des Fragerechtes und die Erkennbarkeit der Relevanz vorgelegter Urkunden) möglich ist. Bei Unklarheiten über den geltend gemachten Rechtsgrund oder den Umfang des Anspruchs wird auf eine Ergänzung des Vorbringens zu drängen sein (6 Ob 132/99a; 7 Ob 149/03t ua). Nach diesen Grundsätzen kann hier von einem ausreichend präzisierten Begehren und Klagesachverhalt ausgegangen werde. Eine detailliertere Darstellung konnte unterbleiben, ohne dass hiedurch Unschlüssigkeit begründet wurde. Dennoch verbleibende Zweifel dürfen nicht zu einer Abweisung des Klagebegehrens wegen Unschlüssigkeit führen, sondern müssten zum Anlass einer Anleitung zur Ergänzung der für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemäß §§ 182 Abs 1, 182a ZPO genommen werden (1 Ob 73/03x; RIS-Justiz RS0037166). Auf die mangelnde Fälligkeit, die das Erstgericht aus der vermeintlich fehlenden Schlüssigkeit ableitet, braucht derzeit nicht eingegangen werden. Das Erstgericht wird sich im fortgesetzten Verfahren unter Abstandnahme vom Abweisungsgrund der Unschlüssigkeit mit dem Parteivorbringen und den beantragten Beweisen auseinanderzusetzen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Rechtssätze
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