JudikaturJustiz9Ob105/03m

9Ob105/03m – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. März 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Isabella S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Leopold H*****, Rechtsanwalt, ***** vertreten durch Dr. Otmar Wacek, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 35.182,12 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2003, GZ 4 R 29/03t-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21. November 2002, GZ 1 Cg 160/01y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zufolge Bauführung auf der Liegenschaft der Klägerin war es im Jahr 1995 zu einer Hangrutschung und in der Folge zu Schäden am Nachbarhaus gekommen. Die Nachbarin bzw. deren Verlassenschaft nahm die Klägerin zu 7 Cg 97/95s des Landesgerichtes Salzburg klageweise in Anspruch. Die Klägerin verkündete als damalige Beklagte der E***** GmbH Co KG (als Aushubunternehmen), Helmut P***** (als Bauplaner und Bauüberwacher) sowie der F***** GmbH (als Bauunternehmer) den Streit. Lediglich die E***** GmbH Co KG schloss sich als Nebenintervenientin an. Die Klägerin wurde letztlich, gestützt auf § 364b ABGB, zum Ersatz der Schäden in Höhe von S 372.056 samt Zinsen und zum Ersatz der Kosten (S 149.892,72) verurteilt. Desgleichen wurde die Haftung der Klägerin für sämtliche Folgeschäden festgestellt. Diese Entscheidung (bestehend aus Teil- und Endurteil) erwuchs in Rechtskraft.

Über Auftrag der Klägerin machte der Beklagte in der Folge Regressansprüche gegenüber dem Aushubunternehmen, dem Bauplaner und -überwacher sowie gegenüber dem Bauunternehmen zu 10 Cg 1/98z des Landesgerichtes Salzburg in Höhe von S 607.446,64 geltend und erhob eine Feststellungsklage. Das Leistungsbegehren setzte sich aus dem Kapitalzuspruch im Verfahren 7 Cg 97/95s des Landesgerichtes Salzburg in Höhe von S 372.056, dem Kostenzuspruch an die seinerzeitige Klägerin von S 149.892,72 sowie den eigenen Prozesskosten der Klägerin in Höhe von S 85.497,92 zusammen. Darüber hinaus wurde auch das Zinsenbegehren übernommen und die Verzinsung des Kapitalbetrages mit 4 % begehrt. Die Klägerin stützte sich dort, vertreten durch den Beklagten, auf eine Solidarhaftung der im Zuge der Bauführung tätig gewordenen Professionisten. Sie brachte vor, dass bezüglich der Kapital- und Kostenforderungen der Prozessgegnerin aus dem Vorprozess ein Exekutionstitel bestehe.

Die beklagten Parteien des Regressprozesses bestritten generell ihre Zahlungspflicht. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Regressverfahren - mit Ausnahme eines geringfügigen, rechtskräftig abgewiesenen Zinsenbegehrens, statt. Das Berufungsgericht gab den Berufungen aller drei beklagten Parteien im Regressprozess teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es alle drei Beklagten zur ungeteilten Hand für schuldig erkannte, S 372.056, die aufgelaufenen Zinsen sowie Fremd- und Eigenkosten geteilt nach Köpfen (je S 78.463,54 sA) zu zahlen. Weiters bestätigte das Berufungsgericht im Regressprozess die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für künftige Schäden. Die erstbeklagte Partei hatte im Berufungsverfahren darauf verwiesen, dass die klagende Partei gar nicht behauptet habe, ihrerseits Zahlung geleistet zu haben. Diesen Einwand verwarf das Berufungsgericht des Regressprozesses mit der Begründung, dass die Schaffung des Exekutionstitels als Regressgrundlage ausreichen müsse. Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionen der beklagten Parteien teilweise Folge. Während der Fetstellungsausspruch bestätigt wurde, wurde das Leistungsbegehren zur Gänze abgewiesen und die Klägerin wurde verurteilt, der erstbeklagten Partei S 146.308,60, der zweitbeklagten Partei S 134.230,60 und der drittbeklagten Partei S 146.308,60 an Verfahrenskosten zu ersetzen. In dieser Entscheidung (2 Ob 332/99h) wies der Oberste Gerichtshof darauf hin, dass Voraussetzung für einen Regressanspruch nach § 896 ABGB das Bestehen eines Solidarschuldverhältnisses sei. Dies treffe hier zu (Anm:

zitiert wird die Entscheidung SZ 56/185, in der ausgesprochen wurde, dass eine - nur - nach § 364b ABGB in Anspruch genommene Bauherrin dennoch die bauausführenden Unternehmen als Regressschuldner in Anspruch nehmen könne, weil diese ansonsten dem geschädigten Nachbarn wegen Eingriff in dessen absolutes Eigentumsrecht gehaftet hätten). Weitere Voraussetzung für eine Haftung eines Mitschuldners zur ungeteilten Hand nach § 896 Satz 1 ABGB sei aber, dass der Regressnehmer die Schuld bereits abgetragen, somit geleistet habe, wofür auch reiche, dass auf seine Rechnung (etwa durch einen Versicherer) bezahlt worden sei. Diese Erwägungen gelten auch für § 1302 letzter Halbsatz ABGB, welche Bestimmung - ebenfalls - demjenigen von mehreren solidarisch haftenden Schädigern den Rückersatz gegen die übrigen vorbehalte, der den Schaden "ersetzt hat". Nach dieser ausdrücklichen doppelten Anordnung des Gesetzgebers entstehe daher der Rückersatzanspruch nach § 1302 iVm § 896 ABGB nicht schon mit dem Schaden selbst oder mit der Geltendmachung des Anspruches durch den geschädigten Dritten, sondern erst dann, wenn insoweit der über den von ihm im Innenverhältnis endgültig zu tragende Anteil hinaus in Anspruch genommene und damit grundsätzlich forderungsberechtigte Solidarschuldner dem geschädigten Dritten auch tatsächlich Ersatz geleistet hat. Der Umstand, dass bereits ein Exekutionstitel gegen die Klägerin vorliege, gebe keinen Anlass, vom klaren und unmissverständlichen Gesetzeswortlaut abweichend bereits vor Zahlung den Regress zu gestatten. Da die Klägerin immer nur auf den Exekutionstitel, nicht jedoch auf Zahlung hingewiesen habe, erweise sich ihr Leistungs-Regressbegehren als verfrüht. Gestützt auf das stattgebende Feststellungsurteil erreichte die Klägerin in der Folge von den drei Professionistenunternehmungen nur teilweisen Rückersatz, weil diese die ihnen im Regressprozess entstandenen Kosten mit den Forderungen der Klägerin kompensierten. Im vorliegenden Verfahren begehrt die Klägerin, gestützt auf einen Beratungs- und Kunstfehler des Beklagten anlässlich der Vertretung der Klägerin im Regressprozess, den Ersatz des Schadens, der dadurch verblieben sei, dass sie gegenüber den Regressverpflichteten nur teilweisen Ersatz habe erlangen können.

Der Beklagte bestritt seine Haftung. Seine Rechtsauffassung bei Führung des Regresssprozesses sei vertretbar gewesen, zumal er ja auch in zwei Instanzen obsiegt habe. Überdies müsse sich die Klägerin den Vorteil anrechnen lassen, den sie durch ihr Obsiegen mit dem Feststellungsbegehren erlangt habe.

Kompensando bis zur Höhe des Klagebegehrens wendete der Beklagte eine Eigenforderung von EUR 16.419,84 sA ein. Das Erstgericht erachtete die Klageforderung mit EUR 35.182,12 als zu Recht, die Gegenforderung von EUR 16.419,84 als nicht zu Recht bestehend und den Beklagten für schuldig, der Klägerin EUR 35.182,12 sA zu zahlen. Ein Mehrbegehren der Klägerin auf von 1,25 % Zinsen aus dem Kapitalsbetrag wies es unangefochten ab. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass sich der Beklagte einen Beratungsfehler anrechnen lassen müsse und ein Honoraranspruch im Hinblick auf seinen Kunstfehler nicht bestehe. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Gestützt auf die ständige Rechtsprechung vertrat es die Rechtsauffassung, dass ein Regress nach § 896 ABGB iVm §§ 1302, 1313 zweiter Satz ABGB nur dann bestehe, wenn der entstandene Schaden bereits ersetzt worden sei. Darüber hätte der Beklagte Bescheid wissen und vor Anhängigmachen des Regressprozesses seine Klientin darauf hinweisen müssen, dass die Führung dieses Prozesses vor einer Zahlung riskant sei. Wie schon aus dem Urteil des Obersten Gerichtshofes im ersten Verfahren hervorgehe, wäre es Sache der Klägerin gewesen, Zahlung im Sinne des § 896 ABGB als Anspruchsvoraussetzung zu behaupten, dies sei jedoch unterblieben. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zu der Frage aufgefunden werden konnte, inwieweit das Neuerungsverbot nach § 482 Abs 2, § 504 Abs 2 den Rechtsanwalt als Klagevertreter vor einem klageabweisenden Unschlüssigkeitsurteil schütze, wenn der Beklagte erstmals und überraschend in höherer Instanz das Fehlen einer in erster Instanz nicht behaupteten Anspruchsgrundlage einwende.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die klagende Partei beantragte zwar formell nur, der Revision nicht Folge zu geben, verwies jedoch unter der Überschrift "Zur Zulässigkeit der Revision" ausdrücklich darauf, dass keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes, an welchen der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner im Regressprozess ergangenen Vorentscheidung 2 Ob 332/99h einen Verstoß der dort beklagten Parteien gegen das Neuerungsverbot bereits implizit verneint. Damit folgte er aber nur der ständigen Rechtsprechung, derzufolge anspruchsbegründende Umstände vom Kläger zu behaupten sind und daher fehlendes Vorbringen im Rahmen der umfassenden rechtlichen Beurteilung zu Lasten des Behauptungs- und Beweispflichtigen geht. Der Beklagte hat es als seinerzeitiger Vertreter der Klägerin auch unterlassen, einen allfälligen Mangel des Verfahrens erster Instanz in seiner Berufungsbeantwortung im Regressprozess gemäß § 480 Abs 2 ZPO zu rügen, der im Unterlassen eines Verbesserungsauftrages nach § 84 ZPO hätte liegen können. Offensichtlich ist dies aber unterblieben, weil ja tatsächlich keine Zahlung erfolgt war. Damit erweist sich aber die vom Berufungsgericht aufgeworfene Vorfrage als für den vorliegenden Prozess nicht erheblich, zumal selbst die Frage des Umfanges der rechtlichen Prüfung durch ein Instanzgericht als auch der Notwendigkeit eines Verbesserungsauftrages jeweils nur am konkreten Einzelfall gemessen werden können. Auch mit dem darüber hinausgehenden Revisionsvorbringen vermag der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen: Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Vorentscheidung 2 Ob 332/99h darauf hingewiesen, dass sowohl Rechtsprechung als auch Lehre völlig einhellig die Zahlung durch den Regressnehmer als unabdingbare Voraussetzung für den Regress nach § 1302 iVm § 896 ABGB ansehen. Wenn daher der Beklagte den Standpunkt vertreten hätte, dass - entgegen dem Gesetzestext - schon das Vorhandensein eines Exekutionstitels im Leistungsregress berechtige, so ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes jedenfalls vertretbar, dass der Beklagte seine Mandantin vor Klageeinbringung auf das erhebliche Prozessrisiko hätte hinweisen müssen. Genauso verhält es sich bei den nur nach § 1037 ABGB einforderbaren eigenen Kosten der Klägerin aus dem Vorprozess (SZ 70/241), zumal im Zeitpunkt der Klageeinbringung die Judikatur derartige Kosten noch als überhaupt nicht regressfähig erkannt hatte (siehe hiezu SZ 70/241). Soweit der Beklagte weiters vorbringt, er habe namens der Klägerin keinen "Regressanspruch" geltend gemacht, weil diese nach § 364b ABGB in Anspruch genommen worden sei, so sei er auf die schon in 2 Ob 332/99h zitierte Entscheidung SZ 56/185 verwiesen. Was den angeblichen Nutzen der Klägerin durch Obsiegen mit ihrem Feststellungsbegehren im Regressprozess anlangt, hat das Berufungsgericht bereits zutreffend darauf verwiesen, dass diese im Falle der Einbringung nur des Feststellungsbegehrens alleine den Kostenanspruch auf die dann voll unterliegenden Beklagten hätte überwälzen können. So war aber das nur teilweise Obsiegen der Klägerin im Zusammenhalt mit ihrem Unterliegen mit dem Leistungsbegehren zu vernachlässigen und verursachte deren ungeschmälerte Kostenersatzpflicht (2 Ob 332/99h).

Zusammenfassend steht die Bejahung einer Haftung des Beklagten aus mangelhafter Beratung im Einklang mit der bisherigen Judikatur (RS0038663 uva), sodass die Revision nicht zulässig ist. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Wenngleich die Klägerin formell beantragte, der Revision nicht stattzugeben, so hat sie doch ausdrücklich und zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen. Die Revisionsbeantwortung diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.