JudikaturJustiz8ObA158/99i

8ObA158/99i – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. August 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Lothar Matzenauer und ADir Reg. Rat Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei DI Hans K*****, Geschäftsführer, ***** vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei N***** AG, ***** vertreten durch Dr. Georg Grießer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, hilfsweise Anfechtung einer Entlassung (Streitwert S 1 Mio), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. März 1999, GZ 9 Ra 345/98s-19, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7. Oktober 1998, GZ 24 Cga 49/98w-13, teils bestätigt, teils aus Anlaß des Rekurses abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird teils bestätigt, teils dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.932,40 (darin S 3.155,40 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung:

Mit Schreiben vom 2. 3. 1998 sprach die beklagte Partei (dieses Verfahrens = klagende Partei des Verfahrens 10 Cga 48/98w des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) die Entlassung des Klägers (dieses Verfahrens = Beklagter des Verfahrens 10 Cga 48/98w des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien) aus. Dieses Schreiben kam dem Arbeitnehmer am 3. März 1998 zu. Mit der am 12. 3. 1998 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 10 Cga 48/98w eingelangten Klage stellte die klagende Arbeitgeberin das Klagebegehren, es werde festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen der klagenden Partei (sowie deren Rechtsvorgängern) und der beklagten Partei infolge Entlassung mit Schreiben vom 2. 3. 1998 (irrig 2. 3. 1997), zugestellt am 3. 3. 1998, nicht über den 4. 3. 1998 hinaus fortbestehe und brachte hiezu vor, aufgrund welcher Vorkommnisse sie sich zur Entlassung veranlaßt gesehen habe. Der Beklagte bestreite, daß die Entlassung die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses bewirke, deshalb bestehe ein rechtliches Interesse an der geltend gemachten Feststellung. Diese Klage wurde dem beklagten Arbeitnehmer am 19. 3. 1998 zugestellt.

Mit der am 17. 3. 1998 zur Post gegebenen und am 18. 3. 1998 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu 24 Cga 49/98w eingelangten Klage klagte derselbe Arbeitnehmer die beklagte Arbeitgeberin (ident mit der klagenden Partei des Verfahrens 10 Cga 48/98w) auf Unwirksamerklärung der mit Schreiben vom 2. 3. 1998 ausgesprochenen Entlassung ("Die durch die beklagte Partei mit Schreiben vom 2. 3. 1998 ausgesprochene vorzeitige Beendigung des zwischen den Streitteilen bestehenden Dienstverhältnisses durch Entlassung der klagenden Partei wird für rechtsunwirksam erklärt"). Hiezu brachte der klagende Arbeitnehmer vor, die Entlassung sei sozial ungerechtfertigt, er habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. Diese Klage wurde der beklagten Arbeitgeberin am 23. 4. 1998 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 29. 6. 1998, ON 8, änderte der klagende Arbeitnehmer sein Anfechtungsbegehren in ein Hauptbegehren auf Feststellung, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen trotz der mit Schreiben vom 2. 3. 1998 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen sofortigen Entlassung auch über den Erhalt dieses Schreibens vom 3. 3. 1998 hinaus aufrecht fortbestehe; dazu brachte die klagende Partei vor, die Entlassung sei nicht gerechtfertigt und verspätet ausgesprochen. Wegen des mit dem Kläger vereinbarten Bestandschutzes (Vereinbarung der Unkündbarkeit bis zum Pensionsantritt) habe die Entlassung das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet. Weiters änderte der klagende Arbeitnehmer sein bisheriges Hauptbegehren (Entlassungsanfechtung) in ein Eventualbegehren.

Mit Beschluß vom 7. 10. 1998, ON 13, wies das Erstgericht das (Haupt )Begehren, es werde festgestellt, daß das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen trotz der mit Schreiben vom 2. 3. 1998 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Entlassung auch über den Erhalt dieses Schreibens am 3. 3. 1998 hinaus aufrecht fortbestehe (wegen Streitanhängigkeit), zurück und verpflichtete den klagenden Arbeitnehmer zum Kostenersatz an die beklagte Partei (Punkt 1 und 2 dieses Beschlusses). Weiters unterbrach das Erstgericht das Verfahren über das Eventualbegehren (Entlassungsanfechtung) bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens 26 Cga 148/97t des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien; die Fortsetzung erfolge nur über Parteiantrag (Punkt 3.).

Mit der am 1. 8. 1997 beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eingelangten Klage zu 26 Cga 148/97t begehrte der klagende Arbeitnehmer (gegenüber der beklagten Arbeitgeberin) die Feststellung des Inhaltes seines Dienst- und Pensionsvertrages vom 2. 3. 1990 und die Zahlung von S 226.793,43 samt 4 % Zinsen seit Klagstag.

In der rechtlichen Begründung des Zurückweisungs- und Unterbrechungsbeschlusses führte das Erstgericht aus, es bestehe das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit zwischen dem Streitgegenstand des Verfahrens 10 Cga 48/98w des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien und dem Hauptbegehren dieses Verfahrens.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des klagenden Arbeitnehmers nicht Folge (Punkt 1 - Zurückweisung des Hauptbegehrens wegen Streitanhängigkeit). Aus Anlaß des Rekurses hob es Punkt 3 des angefochtenen Beschlusses ersatzlos auf und wies das Eventualbegehren (Entlassungsanfechtung) zurück und erklärte das diesbezügliche Verfahren seit 11. 9. 1998 für nichtig. Es trat in seiner rechtlichen Begründung den Ausführungen des Erstgerichtes bei, daß zwischen dem Begehren des Vorprozesses auf negative Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis über die Beendigung durch Entlassung mit Schreiben vom 2. 3. 1998 hinaus nicht fortbestehe, und dem vorliegenden Begehren auf positive Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis über den 2. 3. 1998 hinaus fortbestehe, das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit bestehe. Zum Eventualbegehren führte es aus, daß auch diesem die Streitanhängigkeit entgegenstehe. Abgesehen davon, daß bei der Entscheidung über das gleichartige Hauptbegehren das Eventualbegehren auch sachlich nicht mehr in Betracht komme, sei wegen des engen Zusammenhanges zwischen Haupt- und Eventualbegehren die Streitanhängigkeit ungeachtet des Umstandes gegeben, daß der Unterbrechungsbeschluß nicht bekämpft worden sei, denn das Prozeßhindernis sei von Amts wegen wahrzunehmen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn abzuändern und dem Erstgericht die Fortführung des Verfahrens über das Klagebegehren (gemeint: Haupt- und Eventualbegehren) aufzutragen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Arbeitgeberin beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 47 Abs 1 ASGG zulässig, weil § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (Anfechtungsausschluß bei bestätigendem Beschluß) nicht anzuwenden ist; er ist auch teilweise berechtigt.

Nicht berechtigt ist der Revisionsrekurs soweit er sich gegen die Zurückweisung des Hauptbegehrens wegen Streitanhängigkeit zu dem inhaltsgleichen, wenn auch "spiegelbildlichen" (korrelativen) Begehren des Verfahrens 10 Cga 48/98w des ASG Wien wendet (Rechberger-Rechberger ZPO, Rz 10 zu §§ 232 f). Die geringfügigen Unterschiede in der Formulierung sind schon deshalb unerheblich, weil es auf den erkennbar beabsichtigten Kern des Begehrens ankommt, wie aus dem Umstand hervorgeht, daß es dem Gericht freisteht, ein undeutliches Begehren zu verdeutlichen und ihm eine klarere Fassung zu geben (Rechberger aaO Rz 2 zu § 405; Arb 11.190/II).

Der "Fristenschutz des § 34 AngG" ist von den Feststellungsklagen unabhängig; nur durch eine rechtzeitige Leistungsklage kann der Anspruch auf Kündigungsentschädigung fristwahrend geltend gemacht werden. Für den Anspruch hingegen, der die rechtliche Folge des vom Arbeitnehmer geltend gemachten Feststellungsanspruches ist, steht ihm - abgesehen von kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen Fallfristen - ein Zeitraum von drei Jahren offen (§ 1155 Abs 1 ABGB iVm § 1486 Z 5 ABGB).

Für das Begehren zu 32 Cga 105/98i des ASG Wien (Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den 16. 4. 1998 hinaus ungeachtet der mit Schreiben vom 14. 4. 1998 ausgesprochenen zweiten Entlassung) besteht wegen des unterschiedlichen Entlassungszeitpunktes und der unterschiedlichen Gründe der Entlassung das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit hingegen nicht. Auch für das gegenständliche Eventualbegehren zu 24 Cga 49/98w, die Entlassung mit Schreiben vom 2. 3. 1998 werde für rechtsunwirksam erklärt, besteht dieses Prozeßhindernis nicht. Das vom Rekursgericht angenommene Hindernis auch für das Eventualbegehren (RS0037688) ist bei der im Anlaßfall gegebenen engen Verknüpfung von Zivil- und Realteilung eines Liegenschaftsanteiles, so der Sachverhalt, der der Entscheidung vom 18. 11. 1986, 2 Ob 694/86, zugrundeliegt, gegeben; der zu weit gefaßte und verkürzte (und damit irreführende) Rechtssatz ist aber auf den Fall einer Verknüpfung eines Hauptbegehrens auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und eines Eventualbegehrens (Rechtsgestaltungsbegehrens) auf Unwirksamerklärung einer Entlassung nicht anzuwenden. In der zuvor zitierten Entscheidung wird als Fundstelle Fasching Komm ZPO III 32 angeführt; dort werden aber zwei Gruppen von Eventualbegehren begrifflich unterschieden, nämlich lit a) Begehren, die aus den gleichen (vermutlich gemeint denselben) Tatsachen abgeleitet werden, die bereits zur Stützung des Hauptbegehrens vorgetragen werden und b) Eventualbegehren, zu deren Begründung der Kläger andere Tatsachen (oft solche, die mit den das Hauptbegehren begründenden Tatsachen in Widerspruch stehen) vorbringt. Der Rechtssatz trifft für die Fallgruppe der Eventualbegehren gemäß lit a), nicht aber - wie im vorliegenden Fall - für die Fallgruppe b). Wegen des unterschiedlichen anspruchsbegründenden Sachverhaltes der begehrten Feststellung, das Arbeitsverhältnis bestehe über die (rechtsunwirksame) Entlassung hinaus fort und die (rechtswirksame) Entlassung werden wegen Sozialwidrigkeit angefochten, besteht das vom Rekursgericht angenommene Hindernis für das Eventualbegehren nicht.

Der Sachzusammenhang zwischen Hauptbegehren des klagenden Arbeitnehmers (Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses) und seinem Eventualbegehren (Entlassungsanfechtung) in der Weise, daß die Entlassungsanfechtung eine das Arbeitsverhältnis beendende wirksame Entlassung voraussetzt, begründet nicht das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit; vielmehr ergibt sich schon daraus allein die völlig unterschiedliche Anspruchsgrundlage. Aus Gründen der Prozeßökonomie wird es zweckmäßig sein, den Ausgang des ersten Feststellungsverfahrens abzuwarten, da dort über die für die Zulässigkeit der Entlassungsanfechtung maßgebliche Vorfrage der Wirksamkeit der Entlassung abzusprechen ist.

Die Entscheidung über die nur das Feststellungsbegehren betreffenden Kosten des Verfahrens 2. Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Wegen des gleichwertigen Rechtsmittelerfolges der Bestätigung und der Abänderung sowie der im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof auch das Eventualbegehren erfassenden Kostenbestimmung des § 58 Abs 1 ASGG gründet sich die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens 3. Instanz auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO, wobei darauf hinzuweisen ist, daß die beklagte Partei in ihrer Rekursbeantwortung beantragte, dem Revisionsrekurs des Klägers insgesamt, und damit auch, soweit die amtswegige Zurückweisung des Eventualbegehrens bekämpft wurde, nicht Folge zu geben.