JudikaturJustiz8ObA124/01w

8ObA124/01w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Langer und Dr. Kuras sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Felix Joklik und o. Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dkfm. Gerhard M*****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Josef A***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 5,633.009,50 sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2001, GZ 8 Ra 63/01w-57, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10. Jänner 2001, GZ 33 Cga 101/98h-50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerberin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten seine Ansprüche aus dem Dienstvertrag als Geschäftsführer im Wesentlichen mit der Begründung, dass seine Entlassung unberechtigt erfolgt sei.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet die Berechtigung der Entlassung ein. Zum Nachweis unter anderem der verschiedenen Versäumnisse des Klägers im Zusammenhang mit der Unternehmensorganisation, insbesondere dem Rechnungswesen und dessen Kontrolle, stützt sie sich auch auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Buchprüfers (Band I, AS 445).

In der Tagsatzung vom 6. 10. 2000 fasste das Erstgericht den Beschluss, diese zur Einholung eines Sachverständigengutachten zu erstrecken und stellte den Parteien frei, binnen 4 Wochen allfällige Anregungen zur Fragestellung einzubringen.

Der Kläger wendete sich dann in weiterer Folge ganz allgemein gegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil es die Beklagte unterlassen habe, konkrete Fakten anzugeben. Auch seien vorweg die Rechtsfragen zu klären, bzw handle es sich um Fragen der Beweiswürdigung. Im Folgenden formulierte er auch zahlreiche Fragen an den Sachverständigen, ebenso die Beklagte. Zu deren Fragen nahm der Kläger wieder Stellung und machte deren Unzulässigkeit geltend.

Mit seinem von der Vorsitzenden allein außerhalb der Verhandlung gefassten Beschluss vom 10. 1. 2001 (ON 50) bestellte das Erstgericht Mag. Martin G***** zum Sachverständigen mit dem Auftrag, ein Gutachten im Sinne des Beweisbeschlusses zu erstatten, insbesondere darüber, welche Mängel der Unternehmensorganisation dem Kläger ab welchem Zeitpunkt erkennbar waren. Dabei sollte der Sachverständige auch auf die umfangreichen vorgelegten Fragenlisten der Parteien eingehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Gericht zweiter Instanz den Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluss des Erstgerichts zurück. Es ging davon aus, dass der Vorsitzende gemäß § 183 Z 4 ZPO berechtigt sei, einen amtswegig beschlossenen Sachverständigen zuzuziehen. Im Hinblick auf die diskretionäre Gewalt des Vorsitzenden sei auch die Bestellung eines Sachverständigen gemäß § 186 Abs 2 ZPO nicht selbständig bekämpfbar. Eine abgesonderte Anfechtung einzelner Schritte sei bei der Sammlung des Prozessstoffes nicht vorgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist gemäß §§ 47 Abs 2 iVm 46 Abs 3 Z 1 ASGG zulässig; es kommt ihm jedoch keine Berechtigung zu. Der Oberste Gerichtshof hat nunmehr in ständiger Rechtsprechung daran festgehalten, dass § 519 ZPO nur auf Beschlüsse des Berufungsgerichtes, nicht aber auf zweitinstanzliche Beschlüsse im Rekursverfahren anzuwenden ist. Nur dann, wenn sich der Rekurs gegen einen Beschluss richtet, mit dem über einen Sachantrag einer Partei oder über ein von ihr gestelltes Rechtsschutzbegehren entschieden wird, entspricht er in seiner Funktion einem Rechtsmittel in der Hauptsache und sind ergänzend auch die Vorschriften über Berufung und Revision heranzuziehen. Sonst hat es dabei zu bleiben, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur in den Grenzen des § 528 ZPO bzw im arbeitsgerichtlichen Verfahren jenen der §§ 46 und 47 ASGG zulässig ist (OGH 8. 6. 2000 8 ObA 345/99i mwN 9 ObA 98/91; SZ 65/84; 9 ObA 36/95; 3 Ob 501/96; 4 Ob 2018/96k; 5 Ob 120/99d uva). Daher ist hier bei der rein verfahrensrechtlichen Entscheidung der Sachverständigenbestellung die Zulässigkeit nach §§ 47 Abs 2, iVm 46 Abs 3 Z 1 ASGG zu prüfen und als jedenfalls zulässig zu bejahen.

Nicht näher einzugehen ist auf die Frage einer allfälligen Nichtigkeit des allein von der Vorsitzenden gefassten Beschlusses des Erstgerichtes gemäß § 2 ASGG iVm § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Nach § 11a ASGG ist der Vorsitzende im Verfahren erster Instanz nicht befugt, außerhalb einer Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung den Beweisbeschluss zu ergänzen. Das Rekursgericht hat sich bereits ausdrücklich mit der Abgrenzung des Zuständigkeit des Vorsitzenden auseinandergesetzt und damit die Nichtigkeit verneint, sodass diese nicht mehr vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden könnte (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 528 Rz 1 mwN).

Voranzustellen ist nun, dass zu unterscheiden ist zwischen den verschiedenen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einholung von Sachverständigengutachten. Die Frage, welche Beweise aufzunehmen sind, ist gemäß § 277 Abs 1 ZPO durch Beschluss (Beweisbeschluss) vom Senat zu entscheiden ist. Die Befugnis des Vorsitzenden nach § 183 Abs 1 Z 4 ZPO bezieht sich nur auf die ihm gemäß § 182 ZPO zukommenden Anleitung- und Aufklärungpflichten, nicht aber die grundsätzliche - und hier im Revisionsrekurs ausschließlich relevierte - Frage, ob über Antrag einer Partei überhaupt ein Sachverständiger bestellt wird (vgl Rechberger in Rechberger aaO § 366 Rz 1 mwN). Die Auswahl des Sachverständigen richtet sich dann nach § 351 ZPO (vgl zum Nachweis der überwiegend selbst die Bekämpfbarkeit der Auswahl des Sachverständigen verneinten Rechtsprechung RIS-Justiz RS0040607). Für die Frage, wer die im Zusammenhang mit dem Sachverständigenbeweis entstehenden Kosten vorweg zu tragen hat, sind die Bestimmungen der §§ 365 und 332 ZPO sowie § 3 GEG maßgeblich.

Die hier ausschließlich relevierte Frage, ob überhaupt ein Sachverständiger zu bestellen ist stellt sich also als Frage der Beweisaufnahmen dar, die durch den Beweisbeschluss entschieden wird. Der Beweisbeschluss ist jedoch zufolge § 277 Abs 4 ZPO nicht abgesondert bekämpfbar (vgl Rechberger in Rechberger aaO § 366 Rz 1 mwN). Er kann daher erst gemeinsam mit der nächsten abgesondert bekämpfbaren Entscheidung angefochten werden (vgl § 515 ZPO). Die vom Kläger herangezogenen Entscheidungen 6 Ob 113/98f sowie 2 Ob 511/92 bezogen sich auf die Bestellung von Sachverständigen im Außerstreitverfahren. Dort findet sich keine dem § 277 Abs 4 ZPO vergleichbare Rechtsmittelbeschränkung. Auch besteht dort allgemein eine größere Verbindung zwischen dem erstinstanzlichen Verfahren und dem Rekursverfahren bei der Feststellung des relevanten Sachverhaltes (vgl etwa zur erweiterten Zulässigkeit von Neuerungen Mayr/Fucik Verfahren außer Streitsachen § 10 Rz 1 f; Klicka/Oberhammer Außerstreitverfahren 3 Rz 59 uva).

Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof selbst für das Außerstreitverfahren zuletzt in seiner Entscheidung vom 14. 12. 2000 6 Ob 277/00d folgendes festgehalten:

"Jedes Rechtsmittel setzt nach ständiger Rechtsprechung ein Rechtsschutzinteresse voraus (EFSlg 82.723 uva), also einen Eingriff in die Rechtssphäre des Rechtsmittelwerbers (EFSlg 79.560 uva). Durch die Aufnahme von Beweisen wird grundsätzlich noch nicht in die Rechtssphäre der Partei eingegriffen. Eine überflüssige Beweisaufnahme berührt zunächst nicht ihre Rechtsstellung, sondern höchstens ihr wirtschaftliches Interesse, den Verfahrensaufwand möglichst gering zu halten. Ein überflüssiger Beweis steht zwar im Gegensatz zur Verfahrensökonomie, dies muss aber grundsätzlich auch für die Zulassung der abgesonderten Anfechtbarkeit einer Beweisanordnung gelten: Wenn jede einzelne von Amts wegen angeordnete Beweisaufnahme anfechtbar wäre, könnten die Verfahren durch (überflüssige) Rechtsmittelverfahren über Gebühr verzögert werden. Schon daraus wird ersichtlich, dass die Sammlung des Prozessstoffes nur dort die Rechtssphäre der Partei berühren kann, wenn zu wenig Beweise aufgenommen werden (diese also für eine verlässliche Beurteilung der Sache nicht ausreichen), nicht aber im gegenteiligen Fall eines "Zuviel" an Beweismitteln, womit nur in die wirtschaftliche Sphäre der Partei unter dem Aspekt der Verfahrensökonomie eingegriffen wird. Eine unnötig verbreiterte Entscheidungsgrundlage begründet keine Beschwerde der Partei. Darin läge im Zivilprozess kein Verfahrensmangel nach § 496 ZPO (vgl JBl 1964, 208 ua). Die Verwertung eines unnötig erhobenen, nicht entscheidungswesentlichen Sachverhalts könnte mit Rechtsrüge gegen die Sachentscheidung bekämpft werden. Sogenannte "überschießende Feststellungen", die sich nicht im Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes halten, sind unbeachtlich (4 Ob 2338/96v uva). Die Beweismittel und der Umfang der Beweisaufnahme dienen der Herbeiführung der Überzeugung des Gerichtes vom entscheidungswesentlichen Sachverhalt nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung. In den amtswegigen Verfahren ist das Gericht an Parteienanträge nicht gebunden. Diese haben keinen Rechtsanspruch, Beweisaufnahmen zu verhindern."

Der Grund für die mangelnde abgesonderte Bekämpfbarkeit des Beschlusses über die Beweisaufnahme im Streitverfahren liegt nun darin, dass zeitraubende Zwischenstreitgkeiten über die Zulassung von Beweismittel verhindert werden sollen (Rechberger aaO § 277 Rz 2).

Die vom Kläger gegen die mangelnden Bekämpfbarkeit der Entscheidung der Frage, ob überhaupt ein Sachverständigengutachten eingeholt wird, herangezogene Kritik von Fasching (Handbuch2 Rz 1009), Rechberger/ Simotta (Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechts5 Rz 638) und Deixler-Hübner (Fortschreitender Einsatz von Sachverständigen Notwendigkeit oder Gefahr RZ 1992, 280) bezieht sich auf den Beschluss über den Kostenvorschuss nach den §§ 365 iVm 332 ZPO. Sie monieren, dass dieser auch hinsichtlich der Frage, ob überhaupt ein Sachverständigengutachten einzuholen wäre, bekämpfbar sein müsse.

Die Regelungen über den Kostenvorschuss sind jedoch von jenen über die Führung des Beweisverfahrens auseinanderzuhalten. Die Regelungen über den Kostenvorschuss beziehen sich auch nur auf den Beweisführer und können allenfalls zu einer Präklusion des von ihm beantragten Beweismittels aus Gründen des mangelnden Erlags des Kostenvorschusses - soweit ihm keine Verfahrenshilfe bewilligt wurde - führen. Hingegen umfasst der Beweisbeschluss die Frage, ob ein bestimmtes Beweismittel überhaupt zur Ermittlung rechtlich relevanter strittiger Tatsachen zu erheben ist (vgl dazu auch Fasching Handbuch Rz 906). Es handelt sich um getrennte Beschlüsse mit unterschiedlichen Fragen (Kostenvorschuss: "Beweisführer", Verfahrenshilfe, zu erwartende SV-Gebühren etc; Beweisbeschluss: rechtlich relevante Prozessbehauptungen, geeignete bzw erforderlich Beweismittel etc - vgl auch § 364 ZPO). Auch die Gerichtsbesetzung ist unterschiedlich (vgl § 37 Abs 1 Z 7a GOG-Kompetenz des Vorsitzenden zum Auftrag von Kostenvorschüssen). Aus den Regelungen über die Rechtsmittelbeschränkungen hinsichtlich des Beschlusses über den Kostenvorschuss kann daher für eine einschränkende Interpretation des § 277 Abs 4 ZPO nichts gewonnen werden.

So wie etwa beim Zeugenbeweis, bei dem sich ebenfalls die Frage der Auferlegung eines Kostenvorschusses mit daran anschließenden allfälligen Präklusionsfolgen stellen kann, hat es auch beim Sachverständigenbeweis dabei zu bleiben, dass die grundsätzliche Entscheidung im Beweisbeschluss, ob dieses Beweismittel überhaupt zu erheben ist, nicht abgesondert angefochten werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass selbst dann wenn die Entscheidung dieser Frage, ob also das Gericht vermeint, zur Feststellung des Sachverhaltes ein Sachverständigengutachten zu benötigen, später mit dem nächsten Beschluss bekämpft werden kann, es sich - wie die Frage der Einholung weiterer Sachverständigengutachten - um eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung handelt (vgl RIS-Justiz RS0043320 mzwN inbes 8 Ob 559/89).

Im Ergebnis hat das Rekursgericht den abgesondert erhobenen Rekurs des Klägers berechtigt zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG sowie 50 und 41 ZPO.

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