JudikaturJustiz8Ob571/89

8Ob571/89 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 23.August 1933 verstorbenen Adolf L***, infolge Revisionsrekurses der Verlassenschaft nach Elsie A***-L*** DE V***, zuletzt wohnhaft gewesen in Bulnes 1283-5, 1176 Buenos Aires, Argentinien, vertreten durch Dr.Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Dr.Michael Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19.Jänner 1989, GZ 43 R 923,924/88-55, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 28.August 1987, GZ 2 A 513/33-44 und 45, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes wird: 1. derart abgeändert, daß der Rekurs des Einschreiters Walter L***, soweit er die gesetzliche Erbfolge anstrebt, zurückgewiesen wird, und 2. im übrigen bestätigt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte das Erbrecht der erblasserischen Witwe Elsie A***-L*** DE G***-V*** für ausgewiesen, nahm die von ihr auf Grund des Testamentes vom 5.April 1922 zum gesamten Nachlaß abgegebene unbedingte Erbserklärung zu Gericht an, legte das eidesstättige Vermögensbekenntnis mit einem Aktivstand von S 51.500,-- und einem ebensolchen Reinnachlaß der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde, ermächtigte Elsie A***-L***, die auf sie übergegangenen Urheberrechte auszuüben und zu verwerten und bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs. Es erließ auf Grund des genannten Testamentes weiters den Beschluß auf Einantwortung der Verlassenschaft an den Nachlaß der inzwischen verstorbenen Elsie A***-L***.

Das Rekursgericht gab dem vom Noterben Walter L*** dagegen erhobenen Rekurs Folge, hob die angefochtenen Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es führte aus, daß sich dessen Rekurslegitimation aus der Stellung als Noterbe sowohl nach dem im Todeszeitpunkt anwendbaren tschechoslowakischen als auch nach dem inhaltsgleichen österreichischen Recht ergebe, weil der Adoptivsohn dem ehelichen Kind gleichzuhalten ist. Die Tatsache der Existenz desselben sei dem Erstgericht durch die Eingabe ON 36 unzweifelhaft bekannt gewesen; es sei für ihn auch am 6.Oktober 1988 zu 6 P 425/88-2 ein Abwesenheitskurator bestellt worden. Die Unterlassung der Beiziehung eines Verfahrensbeteiligten (hier des Noterben), dessen Vorhandensein dem Abhandlungsgericht bekannt ist, begründe die Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens, weshalb schon aus diesem Grund die erstgerichtlichen Beschlüsse aufzuheben seien. Es sei aber auch die inländische Gerichtsbarkeit noch fraglich, weil einerseits vom ursprünglichen Abhandlungsakt nur noch die Todfallsaufnahme und das Testament vorhanden seien und andererseits sich in dem dazu geführten Register in der Bemerkungsspalte 12 die Eintragung vom 15. Juli 1938 "Ausfolgeverfahren" findet. Es liege daher die Vermutung nahe, daß bereits im Jahr 1938 ein Ausfolgungsverfahren stattgefunden habe. Sollte dies zutreffen, könnte ein weiteres Verfahren in Österreich mangels inländischer Gerichtsbarkeit nicht durchgeführt werden. Diese Frage sei durch vollständige Erhebungen in der vom Rekursgericht näher umschriebenen Weise und letztlich allenfalls im Rekonstruktionsweg zu klären. Dem fortgesetzen Verfahren werde der Noterbe jedenfalls beizuziehen sein. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin, in welchem sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses oder dessen Belassung, jedoch unter Verfahrensergänzung im Sinne des Vorbringens der Rechtsmittelwerberin, beantragt. Walter L*** habe keine Rekurslegitimation, weil er den Antrag auf Abhandlung vor dem ausländischen Gericht zurückgezogen habe, was auch für das inländische Verfahren gelten müsse. Außerdem seien seine Ansprüche längst verjährt, so daß ihm jegliche Beschwer fehle. Die Erbin habe den Nachlaß auch ersessen. Die inländische Gerichtsbarkeit sei gegeben; Adolf L*** habe nämlich die österreichische Staatsangehörigkeit besessen. Die Bestellung Dris.M*** zum Abwesenheitskurator sei rechtswidrig, zumindest sei dieser aber nicht unvoreingenommen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist teilweise berechtigt.

Zunächst ist darauf zu verweisen, daß im Außerstreitverfahren gegen einen die Entscheidung erster Instanz aufhebenden Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz - sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt - grundsätzlich der Revisionsrekurs zulässig ist (JBl 1972, 97; JBl 1971, 138; SZ 47/12 uza). Der Adoptivsohn des Erblassers hat aber bisher keine Erbserklärung abgegeben, so daß ihm insoweit, als er sich in seinem Rekurs auf sein angebliches gesetzliches Erbrecht stützt (Punkt 3 des Rekurses ON 52), auch keine Rekurslegitimation zukam. Diesem Umstand hat das Rekursgericht Rechnung getragen, in dem es die Fragen der gesetzlichen Erbschaft des Rekurswerbers mit dem Hinweis auf seine fehlende Erbserklärung nicht behandelte; richtig hätte es den Rekurs in diesem Umfang zurückweisen sollen.

Anders verhält es sich mit den Ausführungen des Adoptivsohns Walter L*** im Rahmen der Behauptung von Pflichtteilsansprüchen. Das im Todeszeitpunkt des Erblassers sowohl in Mähren (Brünn) als auch in Österreich geltende inhaltsgleiche Recht gewährte dem Adoptivsohn gleiche Rechte wie einem ehelichen Kind (vgl. § 183 ABGB23 1936; HfD 10.5.1833, JGS 2610; aber auch Bergmann-Ferid, Tschechoslowakei, § 2 Abs 1). Demnach hat dieser auch einen Pflichtteilsanspruch nach § 763 ABGB; er wird "in dieser Rücksicht Noterbe genannt" (§ 764 ABGB).

Nach ständiger Rechtsprechung hat jeder Noterbe das Recht auf Beteiligung am Abhandlungsverfahren. Er ist, soweit seine Interessen betroffen sind, auch rekursberechtigt (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 77; EFSlg. 14.630; SZ 47/12 uza), ohne daß über die Zulässigkeit der Rechtsmittel eine Vorprüfung stattzufinden hätte auch ohne daß zu beurteilen wäre, ob und inwieweit durch sie seine besonderen Interessen betroffen sind (NZ 1952, 126; SZ 24/284; SZ 47/12; 4 Ob 581/73; 4 Ob 502/75 ua). Es ist unmaßgeblich, daß Walter L*** vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen für Brno-Stadt seinerzeit den Antrag auf Verhandlung der Verlassenschaft vor diesem (ausländischen) Gericht zurückgenommen hat, weil damit jedenfalls nicht zum Ausdruck gebracht wurde, daß er auch auf eine Beteiligung am inländischen Verlassenschaftsverfahren als Noterbe verzichtet hatte. Es ist aber auch die voraussetzliche Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche als Pflichtteilsberechtigter unbeachtlich, weil diese Frage nach ständiger Judikatur bei der Beurteilung seiner Beteiligtenstellung im Verlassenschaftsverfahren selbst nicht zu beantworten ist (vgl. insbesondere SZ 24/284 und die oben dargestellte Judikatur). Nach der im Akt erliegenden Todfallsaufnahme vom 29.August 1933 (AS 10 ff, vgl. auch Todfallsaufnahme vom 12.August 1983, AS 23) ist beurkundet, daß der Verstorbene tschechoslowakischer Staatsangehöriger war; der gegenteilige Standpunkt der Revisionsrekurswerberin ist durch die genannten Aktenstücke nicht gedeckt. Bezüglich der Staatsgrenzen zwischen der Republik Österreich und der damaligen Tschecho-Slowakei (heute C***) wird der Rechtsmittelwerber auf Art 27 Z 6 des Staatsvertrages von Saint-Germainen-Laye vom 10.September 1919, StGBl 1920/303, und bezüglich der Staatsbürgerschaftsregelungen im Gefolge der Grenzveränderungen aufgrund dieses Vertrages auf dessen Art 70,76-78 und 80 sowie auf den "Brünner Vertrag" vom 7.Juni 1920, BGBl 1921/163, verwiesen.

In der Mitteilung betreffend rechtliche Beziehungen und gegenseitigen Rechtshilfeverkehr zwischen der österreichischen und der tschechoslowakischen Republik JABl 1947, 8 - I Z 6, wurde festgestellt, daß die Gegenseitigkeit iS des § 23 Abs 2 AußStrG mit der Einschränkung gewährleistet ist, daß nach § 140 AußStrG in den dort angeführten Fällen das tschechoslowakische Gericht nicht mehr die Überlassung der Abhandlung über den (inländischen) beweglichen Nachlaß eines tschechoslowakischen Staatsbürgers begehren kann (siehe FN 8 zu § 23 Manz'sche Große Gesetzesausgabe des Verfahrens außer Streitsachen); hat aber - wie das Rekursgericht unter Anführung konkreter Erhebungsergebnisse bisher allerdings nur vermutet - bereits ein Abhandlungsverfahren vor dem tschechoslowakischen Gericht stattgefunden, kommt eine neuerliche Abhandlung der Verlassenschaft in Österreich nicht in Betracht. Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß diese Frage noch nicht ausreichend geklärt ist, kann der Oberste Gerichtshof jedoch nicht entgegentreten, weil es sich hiebei um Fragen der Sammlung des für die Entscheidung erforderlichen Tatsachenmaterials handelt, vor dessen Klarstellung weitere Erörterungen nicht zielführend sein können.

Zur Bekämpfung der Bestellung eines Abwesenheitskurators für den Adoptivsohn ist die Rechtsmittelwerberin nicht legitimiert. Es war daher wie im Spruch zu erkennen.

Rechtssätze
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