JudikaturJustiz8Ob562/93

8Ob562/93 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 1993

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria K*****, vertreten durch Dr.Norbert Gugerbauer, Dr.Gerhard Schatzlmayr und Dr.Klaus Schiller, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, gegen die beklagten Parteien 1. Mathias L*****, und 2. Elfriede L*****, vertreten durch Dr.Alois Nußbaumer und Dr.Stefan Hoffmann, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen Aufhebung eines Vertrages, infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 11.Jänner 1993, GZ R 853, 854/92-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 29.Juli 1992, GZ 2 C 99/91-27, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die am 7.12.1912 geborene Klägerin ist bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ. 55 der KG. Stauf im Ausmaß von 199.269 m2. Mit dem von Rechtsanwalt Dr.R***** im Auftrag der Parteien verfaßten und vor einem Notar gefertigen Übergabsvertrag vom 25.5.1990 übergab die Klägerin diese Liegenschaft je zur Hälfte an die beiden mit ihr nicht verwandten Beklagten um den Kaufpreis von S 600.000,--, eine monatlichen Leibrente von S 5.000,-- ab Juni 1990 und gegen Einräumung eines Wohnrechtes an zwei Zimmern unter Mitbenützung weiterer Räumlichkeiten und des Umgangs auf der Liegenschaft. Die Berichtigung des Übergabspreises sollte dann erfolgen, wenn die Klägerin entweder den Gesamtenbetrag zum Ende eines Jahres unter Einhaltung einer 1 jährigen Frist oder Teilbeträge bis maximal S 20.000,-- zum Ende eines jeden Monats unter Einhaltung einer 1 monatigen Frist fällig stellt. Die Klägerin verzichtete auf Verzinsung, Wertsicherung und grundbücherliche Sicherstellung des Übergabspreises und der Leibrente sowie auf grundbücherliche Sicherstellung der Dienstbarkeit der Wohnung.

Aufgrund einer entsprechenden Aufforderung der Grundverkehrskomission, der der Vertrag zur Genehmigung vorgelegt wurde, verfaßte Dr.R***** im Auftrag des Erstbeklagten einen Nachtrag zum Übergabsvertrag, wonach die Einverleibung des Pfandrechtes für die monatliche Leibrente, der Dienstbarkeit der Wohnung, der Pflegeleistungen und einer entsprechenden Reallast sowie ein obligatorisches Belastungs- und Veräußerungsverbot vorgesehen ist. Dieser Nachtrag wurde von den Beklagten, nicht aber von der Klägerin unterfertigt.

Über den tatsächlichen Wert der Liegenschaft wurde nie gesprochen. Die Klägerin fragte den Erstbeklagten lediglich einmal nach Vertragserrichtung, ob ihm klar sei, daß er sich normalerweise eine solche Liegenschaft nicht leisten könne.

Die Klägerin begehrte die Aufhebung dieses Vertrages und Rückgabe der Liegenschaft und machte Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes geltend, weil der Verkehrswert der Liegenschaft mindestens 5,000.000,-- S betrage, der Kapitalwert der monatlichen Leibrente aber mit S 180.000,-- und der des Wohnrechtes mit S 18.000,-- anzusetzen sei, sodaß die Gegenleistung lediglich S 798.000,-- betrage. Überdies berief sich die Klägerin auf Irrtum über wesentliche Vertragsbedingungen und auf ihre mangelnde Geschäftsfähigkeit.

Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, bestritten das Vorliegen der letztgenannten Anfechtungsgründe und vertraten die Ansicht, daß der Übergabevertrag wegen seines aleatorischen Charakters gem. § 1268 ABGB nicht wegen Verkürzung über die Hälfte anfechtbar sei. Sofern überhaupt ein Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen sollte, sei zudem eine gemischte Schenkung anzunehmen. Der Wert der Leibrente und des Wohnrechtes sei von der Klägerin viel zu niedrig kalkuliert worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es verneinte im Hinblick auf seine (weiteren) Feststellungen betreffend die Vorgänge vor und beim Vertragsabschluß und des Geisteszustandes der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen für die Irrtumsanfechtung sowie die behauptete mangelnde Geschäftsfähigkeit. Da Leibrentenverträge Glücksverträge seien, finde die Einrede der laesio enormis nicht statt. Es erübrige sich daher, Feststellungen über den wahren Wert der übergebenden Liegenschaft zutreffen.

Das Gericht 2. Instanz hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichern Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Gericht 2. Instanz verneinte zwar im Hinblick auf § 1268 ABGB die Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages wegen Verkürzung über die Hälfte, stimmte der in der Berufung der Klägerin vertretenen Ansicht aber insoweit zu, daß der Vertrag gemäß § 879 ABGB anfechtbar sei. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Berufungsschrift verstießen nicht gegen das Neuerungsverbot, weil schon das Vorbringen der Klägerin in 1. Instanz auf Sittenwidrigkeit und Wucher abziele und auf das auffallende Mißverhältnis der eigenen Leistung und der Gegenleistung sowie auf das hohe Alter, den Gesundheitszustand und die Geschäftsunfähigkeit der Klägerin hingewiesen worden sei. Ob Sittenwidrigkeit und Wucher vorlägen, sei daher in einem Beweisverfahren zu untersuchen, das eine Bewertung und Gegenüberstellung der beiderseitigen Leistungen sowie die Prüfung der Voraussetzungen des § 879 Abs. 2 Ziffer 4 ABGB zu beinhalten habe.

Die Zulässigkeit des Rekurses begründete das Gericht 2. Instanz damit, daß der Qualifikation des als Übergabevertrag bezeichneten Rechtsgeschäftes, der Frage der Zulässigkeit der Anfechtung wegen der Verkürzung über die Hälfte und der Frage eines ausreichenden Prozeßvorbringens in 1. Instanz hinsichtlich der Sittenwidrigkeit und des Wuchers erhebliche Bedeutung im Sinne des § 528 Abs. 1 ZPO zukomme.

Gegen den aufhebenden Beschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen, hilfsweise wird Aufhebung des Beschlusses der 2. Instanz begehrt.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist aus den im angefochtenen Beschluß aufgezeigten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Jeder Vertrag, mit dem eine Leibrente zugesagt wird, ist (auch) ein Leibrentenvertrag (EvBl 1964/2; SZ 25/328, SZ 45/112). Wird eine Liegenschaft gegen Leibrente veräußert, liegt nicht nur ein Leibrenten-, sondern auch ein Kaufvertrag vor, bei dem die Leibrente den Kaufpreis bildet. Die Leibrentenvereinbarung ist dann nicht allein nach den Bestimmungen über den Leibrentenvertrag, sondern auch nach jenen des Kaufvertrages zu beurteilen (SZ 45/112; SZ 49/46; MietSlg 29.198; Anw 1988, 168); es macht keinen Unterschied, ob der Kaufpreis ausschließlich in der Leibrente besteht oder teilweise in Barem und teilweise durch Leibrente abzudecken ist. Jedenfalls aber sind alle Vorschriften über den Leibrentenvertrag heranzuziehen.

§ 1269 ABGB zählt den Leibrentenvertrag zu den Glücksverträgen. Diese werden im 29.Hauptstück des ABGB abgehandelt. Gem. § 1268 ABGB findet bei solchen Verträgen das Rechtsmittel wegen Verkürzung über die Hälfte nicht statt.

Die bisherige Rechtsprechung verneinte ohne jede Differenzierung die Möglichkeit, derartige Verträge wegen Verkürzung über die Hälfte anzufechten (SZ 24/306; SZ 54/173 = EvBl 1982/95, 328; EvBl 1961/20; 8 Ob 604/86 und andere). Sie ließ aber, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, die Geltendmachung der Sittenwidrigkeit zu, wenn aufgrund besonderer Umstände eine Äquivalenzstörung anzunehmen war (SZ 24/306; EvBl 1957/198; EvBl 1958/94; NZ 1986, 158; JBl 1990, 802; 6 Ob 717/83, 7 Ob 581/89, 7 Ob 729/89). Hiebei wurde besonderes Gewicht auf das zum Tatbestand des Wuchers - neben weiteren Voraussetzungen - erforderliche objektive Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gelegt. Die Größe des Mißverhältnisses komme nicht nur als selbständiges Erfordernis für die Anwendung des § 897 Abs. 2 Ziffer 4 ABGB in Betracht, sondern lasse auch Schlüsse auf die unwirtschaftlichen Eigenschaften des Bewucherten zu (SZ 24/306; SZ 27/19; JBl 1990, 802). Auch bei entgeltlichen Glücksverträgen wie dem Leibrentenvertrag können das Verhältnis zwischen den einander gegenüberstehenden Chancen so auffällig unausgewogen und die Hoffnung eines noch ungewissen Vorteiles nur ganz einseitig zugunsten eines Vertragsteiles gegeben sein, daß Wucher vorliege.

Dementsprechend ist zwar den Ausführungen Krejci's in Rummel2 II, § 1267-1274 Rz 85 insofern beizupflichten, als die besondere Äquivalenzstörung sowohl Tatbestandsmerkmal des Wuchers als auch der leasio enormis ist. Seiner Ansicht, daß deshalb auch bei entgeltlichen Glücksverträgen, bei denen bei einer ex-ante-Betrachtung Leistung und Gegenleistung nach Wahrscheinlichkeitsregeln in einem entsprechenden Mißverhältnis stehen, die Berufung nicht nur auf Wucher, sondern auch auf laesio enormis zulässig sein solle (aaO Rz 88), ist jedoch entgegenzuhalten, daß nichts so ungewiß und unabsehbar ist wie die Lebensdauer eines Menschen. Statistiken über die durchschnittliche Lebenserwartung des Menschen, Sterbetafeln und versicherungsmathematische Erwägungen können dem jeweiligen Einzelfall nicht gerecht werden; sie haben generelle Berechnungen zum Gegenstand, nicht aber den einzelnen Menschen. Die Unmeßbarkeit der individuellen Lebenserwartung zwingt vielmehr zu dem Schluß, daß Fehleinschätzungen der Lebenserwartung als typische Glücksfrage gelten müssen. Das charakteristische Wesen des Leibrentenvertrages als Glücksvertrag, nämlich die Unsicherheit, zu wessen Vorteil oder Nachteil sich ein bestimmter Vertrag auswirken wird, wohnt daher auch heute noch - trotz der im Versicherungswesen und im steuerrechtlichen Bereich üblichen Heranziehung von Wahrscheinlichkeitsaspekten zur Bewertung derartiger, auf die Lebensdauer abstellender Rechte - dem Leibrentenvertrag inne (8 Ob 604/86).

Der Wuchertatbestand unterscheidet sich insofern wesentlich von der laesio enormis, als die bloße Äquivalenzdifferenz einen Vertrag noch nicht sittenwidrig macht. Wirtschaftliche Gleichwertigkeit der Leistung ist bei einem zweitseitigen Vertrag keine Voraussetzung seiner Gültigkeit, es sei denn, es läge ein Ausbeutungstatbestand vor. Nur beim Hinzutreten dieser für das Vorliegen des Wuchers erforderlichen Prämisse ist daher die Heranziehung von Wahrscheinlichkeitsregeln zur Bewertung von Leistung und Gegenleistung als Hilfsmittel vertretbar. Der bisher ständigen Rechtsprechung, die sich gegen die Anfechtungsmöglichkeit wegen Verkürzung über die Hälfte auch in jenen Fällen aussprach, in denen sich nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung bei einer ex-ante-Betrachtung ein entsprechendes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung ergibt (zuletzt etwa 8 Ob 604/86 und - mit ausdrücklicher Ablehnung der Ansicht Krejci's - 7 Ob 581/89), ist deshalb im allgemeinen zuzustimmen.

Es steht jedoch nach medizinischen Erkenntnissen fest, daß Menschen nicht über ein gewisses Alter hinausgelangen können. Meyers "Enzyklopädisches Lexikon9 (Bd 1 S. 828) meint: "Die äußerste Lebensspanne dürfte für den Menschen bei 100 Jahren liegen". Ist schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewiß, daß der Leibrentenberechtigte bis zu jenem Zeitpunkt, der nach heutiger Sicht der Wissenschaft als absolute Obergrenze für die Dauer eines Menschenlebens anzusehen ist, bei Berücksichtigung aller ihm in diesem Zeitraum zukommenden Leistungen weniger als die Hälfte des Wertes seiner eigenen Leistung erhalten haben wird, liegt allerdings überhaupt kein Glücksvertrag vor. In einem solchen Fall fehlt das typische Element der Ungewißheit. Beide Seiten des Vertrages sind in diesem Sinne objektiv bewertbar.

Die Aufhebung dieses Ersturteiles durch das Berufungsgericht zur Feststellung des Wertes der gegenseitigen Leistungen erweist sich daher schon in diesem aufgezeigten Sinne als berechtigt. Es wird demnach erforderlich sein, den heutigen Wissensstand der Medizin über die maximale menschliche Lebenserwartung - etwa mit Hilfe eines in geriatrischen Fragen erfahrenen medizinischen Sachverständigen - zu erkunden. Die Leistungen der Beklagten werden sodann auf diesen Zeitpunkt hochzurechnen sein. Dabei ist eine durchschnittliche inflationäre Entwicklung einzukalkulieren und eine dementsprechende Abzinsung bei der Kapitalisierung bei Leibrente, die ohne jede Wertsicherung vereinbart wurde, vorzunehmen.

Krejci (aaO) betont - unter Verweisung auf P. Bydlinski in JBl 1983, 410 - zutreffend, daß dem Institut der laesio enormis insofern auch ein subjektives Tatbestandsmerkmal eigen ist, als es um die Unkenntnis des wahren Wertes der Sache - hier der Übergabsliegenschaft - geht; dies spricht in der Tat für die Möglichkeit, den Irrtum über den wahren Wert der Übergabsliegenschaft im Rahmen der laesio enormis aufzugreifen. Liegt ein Irrtum der Vertragspartner des Leibrentenvertrages in der Bewertung der Übergabsliegenschaft vor, dann kann folglich unter Zugrundelegung des maximal erreichbaren Lebensalters der Übergeberin laesio enormis geltend gemacht werden, wenn es sich um einen krassen Wertirrtum im Sinne des § 934 ABGB handelt.

Es wird daher nötig sein, mit den Parteien zu erörtern, ob sie bei den dem Vertragsschluß vorangegangenen Verhandlungen Wertvorstellungen bezüglich der Übergabsliegenschaft geäußert haben. Aber selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, dann könnte immerhin aus der Gegenleistung erschlossen werden, welchen Liegenschaftswert die Vertragspartner angenommen haben. Der Höchstbetrag, der aus der Leibrente zu erzielen ist, wäre dann ein Indiz für die Wertvorstellungen der Parteien bezüglich der Übergabsliegenschaft. Wenn der nach der maximalen Lebenserwartung der Übergeberin erzielbare Betrag unter der Hälfte des wahren Wertes der Liegenschaft liegt, dann wäre ein krasser Wertirrtum bezüglich der Liegenschaft und demgemäß laesio enormis zu bejahen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Sachvorbringen der Klägerin in erster Instanz auch als hinreichende Darlegung des Wuchertatbestandes angesehen werden kann. Die Hinweise der Klägerin auf ihre Unerfahrenheit in geschäftlichen Dingen, ihre intelektuelle Unterlegenheit und ungünstige seelische Verfassung, insbesondere aber auf das von ihr behauptete grasse Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung, das nach der oben zitierten Rechtsprechung den Wuchertatbestand geradezu indiziert, hätten es im Sinn des § 182 Abs. 1 ZPO jedenfalls erfordert, mit der Klägerin abzuklären, ob sie ihr Begehren auch auf diesen Tatbestand stützten will (vgl. JBl 1990, 802).

Im fortgesetzten Verfahren soll deshalb der Klägerin Gelegenheit gegeben werden, ihr Vorbringen in diese Richtung entsprechend zu präzisieren und insbesondere im Hinblick auf den Ausbeutungstatbestand zu ergänzen, und es wird dem Beklagten die Möglichkeit einzuräumen sein, hiezu Stellung zu nehmen. Entsprechend den nach den Berufungsausführungen der Klägerin zu erwartenden Vorbringen müssen, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, die Voraussetzungen des Wuchertatbestandes geprüft werden; dabei wird im Sinn der bisherigen Judikatur das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nach Wahrscheinlichkeitsregeln über die durchschnittliche Lebenserwartung zu bewerten sein. Auch bei dieser Berechnungsmethode muß die Leibrente bei der Kapitalisierung abgezinst werden. Es wird aber zu beachten sein, daß zum Tatbestand des Wuchers nicht nur ein auffallendes objektives Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zur Zeit des Vertragsabschlusses erforderlich ist, sondern auch die im Gesetz beispielsweise aufgezählten unwirtschaftlichen Eigenschaften des Bewucherten und insbesondere die Ausbeutung durch den Wucherer, also die Ausnützung der durch die ersten beiden Voraussetzungen entstandenen, für ihn günstigen und den Partner ungünstigen Lage, ohne daß er zu deren Herbeiführung etwas beigetragen haben müßte (vgl. SZ 44/71 mwN; JBl 1990, 802).

Zusätzlich wird aber auch der schon in 1. Instanz erhobene Einwand der Beklagten, es liege eine gemischte Schenkung vor, zu prüfen sein. Hiezu ist anzumerken, daß zwar bei bäuerlichen Übergabsverträgen in der Regel der Wert der Leistungen der Übernehmer hinter dem Wert des überlassenen Gutes zurückbleibt, weil die Übernehmer als Eigentümer des übergebenen Gutes "wohl bestehen können müssen" (SZ 50/166). Es ist jedoch jeweils auf die Umstände des zu beurteilenden Falles abzustellen.

Da die Beklagten keine Landwirte sind, sich bisher nicht auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der Klägerin aufhielten, nicht von dessen Erträgnissen lebten und der derzeitige Akteninhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß die Beklagten zur Bestreitung ihres Unterhaltes auf die Liegenschaft der Klägerin angewiesen wären, kann aus den bisher vorliegenden Umständen noch nicht ohne weiteres auf einen Schenkungswillen der Klägerin geschlossen werden. Es kann auch nicht ohne nähere Prüfung davon ausgegangen werden, daß der als "Übergabsvertrag" bezeichnete Vertrag eine "verfrühte Erbfolge" (vgl. JBl 1955, 405; JBl 1957, 188; EvBl 1971/35) bezweckte, zumal die Beklagten mit der Klägerin nicht verwandt sind und sich die Streitteile offenbar überhaupt erst kurz vor Vertragsabschluß kennenlernten.

Sollte sich allerdings herausstellen, daß das Entgelt nach dem Willen der Vertragsparteien bewußt weit unter dem wahren Wert liegen sollte und demnach eine gemischte Schenkung mit überwiegendem Schenkungscharakter vorlag, käme schon begrifflich infolge bewußter Inkaufnahme der Unterschreitung des wahren Wertes eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte nicht in Betracht.

Andererseits stünde die bloße Absicht der Klägerin - die auch durch ein Verhalten der Beklagen hervorgerufen sein könnte -, die Liegenschaft dem Beklagten zu einem günstigen Kaufpreis zu überlassen, für sich allein noch nicht der Anfechtung wegen Wuchers entgegen.

Aus den aufgezeigten Gründen war daher die Aufhebung des Urteiles 1. Instanz zu bestätigten.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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