JudikaturJustiz7Ob643/95

7Ob643/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Februar 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz B*****, vertreten durch Dr.Herwig Hammerer und Dr.Alois Autherith, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagten Parteien 1.) Johann St*****, und 2.) Leopoldine St*****, beide vertreten durch Dr.Felix Winiwarter und Dr.Wolfgang Winiwarter, Rechtsanwälte in Krems, wegen Erbringung von Ausgedingsleistungen (Gesamtstreitwert S 477.069,20, Revisionsinteresse S 225.069,20), infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 14.September 1995, GZ 2 R 140/95-44, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 1.Februar 1995, GZ 4 C 685/92-34, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der sogenannte Unvergleichsfall liegt vor, wenn dem Ausgedingsberechtigten die Annahme der Naturalleistungen im Hause des Verpflichteten (RZ 1958, 12) wegen grober Unverträglichkeit des Verpflichteten oder schwerwiegender Verletzung der Nebenpflicht zur anständigen Begegnung billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann. Jedes Verhalten, das dem Ausgedingsberechtigten den Genuß des Naturalausgedinges billigerweise unzumutbar macht, stellt bereits ein den Unvergleichsfall bewirkendes Verschulden des Ausgedingsverpflichteten dar (SZ 19/105; SZ 47/54; SZ 53/15). Jede unfreundliche Haltung, die jenes Maß an Takt- und Lieblosigkeiten, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auch sonst in einem Familienverband auftreten können, übersteigt, ist, sofern es durch den Ausgedingsberechtigten nicht geradezu provoziert wird, eine Vertragsverletzung und begründet damit ein Verschulden des Verpflichteten (SZ 47/54; SZ 53/15). Im Unvergleichsfall ist der Ausgedingsnehmer berechtigt, die Ablösung des Naturalausgedinges in Geld zu verlangen (SZ 23/305; SZ 31/150; SZ 47/54; SZ 53/15; EvBl 1970/90; EvBl 1971/248). Dieses Recht steht dem Ausgedingsberechtigten auch ohne vertragliche Regelung für die Vergangenheit wie für die Zukunft zu (§ 406 Satz 2 ZPO; SZ 50/58; 6 Ob 717/78; 1 Ob 591/81).

Auf Grund dieser Rechtsprechung gehen schon die grundlosen Mitteilungen der Beklagten an das Pflegschaftsgericht, die dreimal zur erfolglosen Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens gegen den Kläger geführt haben, ohne daß jemals Anhaltspunkte vorgefunden werden konnten, die eine Sachwalterbestellung gerechtfertigt hätten, über bloße Takt- oder Lieblosigkeiten hinaus, die nach allgemeiner Lebenserfahrung auch sonst ab und zu in einem Familienverband auftreten können. Daß das zuletzt eingeleitete Sachwalterbestellungsverfahren förmlich auf Grund des Schreibens eines Arztes eingeleitet wurde, ändert nichts an dieser Zurechnung, weil dieser Arzt seine Informationen von der Zweitbeklagten erhalten hatte. Die Frage aber, ob auch die Einleitung zweier Zivilverfahren durch die Beklagten gegen den Kläger schikanös erfolgte, muß unter diesen Umständen gar nicht mehr geprüft werden.

Gegen die Verurteilung zur Erbringung der in Punkt II 3 und 8 des Urteiles des Erstgerichts angeführten Naturalleistungen wenden sich die Revisionsausführungen, die sich auf die Geldleistungen und die Verurteilung auf künftige Geldleistungen beschränken, nicht.

Ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs (§ 508 a ZPO) des Berufungsgerichts, daß die ordentliche Revision zulässig sei, war das Rechtsmittel der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Auf die Unzulässigkeit der Revision aus dem Grunde des § 502 Abs 1 ZPO hat der Kläger nicht hingewiesen.

Rechtssätze
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