JudikaturJustiz7Ob54/14p

7Ob54/14p – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Mai 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 194.641,55 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2014, AZ 2 R 206/13a 162, berichtigt mit Beschluss vom 24. April 2014, GZ 2 R 206/13a, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508 Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Keiner der in der Revision genannten Richter war an der angefochtenen Entscheidung beteiligt, sodass der von der Revisionswerberin vermutete Ausschließungsgrund nicht vorliegt.

II.1.1 Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 erster Satz ABGB beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem dem Geschädigten sowohl der Schaden und die Person des Schädigers als auch die Schadensursache bekanntgeworden ist (RIS Justiz RS0034951; RS0034374). Lehre und Rechtsprechung legen § 1489 ABGB dahin aus, dass dies der Fall ist, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, er also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS Justiz RS0034524). Dies bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und bei verschuldensabhängiger Haftung auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen (RIS Justiz RS0034603; RS0034951; RS0034524 [T14, T27, T29]).

Setzt diese Kenntnis Fachwissen voraus, beginnt die Verjährungsfrist zwar grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Geschädigte durch ein Sachverständigengutachten Einblick in die Zusammenhänge erlangt hat (10 Ob 1/03z, 1 Ob 162/10w); bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht. Der Geschädigte darf jedoch nach ständiger Rechtsprechung mit seiner Schadenersatzklage nicht so lange zuwarten, bis er sich seines Prozesserfolgs gewiss ist oder glaubt, es zu sein. Nur wenn Ungewissheit darüber besteht, ob überhaupt ein Schaden entstanden ist und hierüber ein Rechtsstreit anhängig ist, wird dem Geschädigten zugebilligt, den Ausgang eines Verfahrens abzuwarten, weil er erst dann über ausreichend sichere Informationen für seine Schadenersatzklage verfügt (10 Ob 111/07g, 2 Ob 158/09p).

Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es daher entscheidend darauf an, wann der Geschädigte die für eine entsprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen kann (RIS Justiz RS0034327). Die Kenntnisnahme gilt schon als in dem Zeitpunkt erlangt, in dem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Es darf die Erkundungspflicht des Geschädigten aber nicht überspannt werden (RIS Justiz RS0034327). Ihre Grenzen hängen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (RIS Justiz RS0034374 [T31]), RS0034524 [T22], RS0113916). Im Allgemeinen wird im Rahmen der Erkundungspflicht die Einholung von Sachverständigengutachten nicht gefordert (RIS Justiz RS0034327 [T2]; 10 Ob 1/03z), wobei es aber ebenfalls eine Frage des Einzelfalls ist, ob ein Sachverständigengutachten eingeholt werden muss (8 Ob 285/00w).

1.2 Hier steht zwar fest, dass sich für den Geschäftsführer der Beklagten erst aus dem in diesem Verfahren erstatteten Gutachten vom 31. 1. 2012 zweifelsfrei die Verantwortung der Klägerin für die Wassereintritte ergab. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte hätte nicht bis zum Vorliegen des Ergebnisses dieses Sachverständigengutachtens zuwarten, sondern bereits früher angemessene Erkundigungen, allenfalls durch die Einholung eines Privatgutachtens anstrengen können, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Judikatur und ist im vorliegenden Einzelfall nicht korrekturbedürftig: Die ersten Wasserschäden traten bereits 1994 (!) auf, wiederholten sich laufend und führten immer wieder zu „optischen Sanierungen“. Der Kreis der möglichen Verursacher war von Anfang an sehr eingeschränkt und eine Verantwortung der Klägerin als Bauausführerin, sei es wegen eines selbst gesetzten Baumangels oder aber einer Warnpflichtverletzung, lag von Beginn auf der Hand. Weiters war auch bereits im Verfahren 4 Cg 153/93f des Landesgerichts Leoben, das am 8. 6. 1999 in erster Instanz endete, die Undichtheit der Fuge 8 Thema, waren doch von der Beklagten Sanierungskosten für die ordentliche wasserdichte Herstellung der Fuge 8 und Kosten für die Beseitigung von durch Wassereintritte entstandenen Schäden geltend gemacht worden. Zudem ging die Beklagte selbst bereits im September 2001 (Schriftsatz ON 29) davon aus, dass eine von der Klägerin zu vertretende Mangelhaftigkeit der Fuge 8 vorlag, aus der sie sich berechtigt erachtete, Schadenersatzansprüche abzuleiten. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, ist daher nicht zu erkennen.

2.1 Eine gültige Aufrechnungserklärung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem sich Forderung und Gegenforderung zum ersten Mal aufrechenbar gegenübergestanden sind (RIS Justiz RS0033973, RS0033904). Das bewirkt, dass die Kompensation auch dann zulässig ist, wenn die Forderung des Aufrechnenden im Zeitpunkt seiner Aufrechnungserklärung bereits verjährt war, wenn dies nur nicht im Zeitpunkt der Aufrechungslage der Fall war (RIS Justiz RS0034016).

Gemäß § 1439 ABGB setzt die gesetzliche Aufrechnung die Fälligkeit beider Forderungen, also der Forderung des Aufrechnenden gegen den Aufrechnungsgegner wie auch der Forderung des Aufrechnungsgegners gegen den Aufrechnenden voraus. Vor Fälligkeit beider Forderungen ist die Aufrechenbarkeit nicht gegeben. Nur für die Forderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet werden soll, ist die Fälligkeit dann nicht zu fordern, wenn der Aufrechnende berechtigt ist, vorzeitig zu zahlen (RIS Justiz RS0033731, RS0033762).

2.2 Eine Schadenersatzforderung wird erst dann fällig, wenn der Geschädigte den Schaden (zahlenmäßig bestimmt) eingemahnt hat (RIS Justiz RS0023392).

Eine aus mehreren Gegenforderungen abgeleitete pauschale Aufrechnungseinrede widerstreitet dem Bestimmtheitsgebot (RIS Justiz RS0037570). Auch das Vorbringen der Beklagten muss eine zur Dartuung des Rechtsbestands der Gegenforderung entsprechende Konkretisierung und Spezifizierung enthalten (RIS Justiz RS0041043). Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls, die die Anrufung des Obersten Gerichtshofs nicht rechtfertigt (9 Ob 105/02k).

2.3 Die Beklagte führte zunächst (Schriftsatz ON 29 vom September 2010) verschiedene Mängel (auseinanderklaffende Gebäudeteile, Undichtheit der weißen Wanne, Undichtheit der Fuge 8, fehlende Drainagierung, unnützer Halbkeller) an und wandte „die Klagssumme weit übersteigenden Schadenersatzanspruch“ compensando ein, ohne konkrete Beträge zu nennen.

Selbst wenn man der Beklagten folgte, dass sie ihre Schadenersatzforderung mit der Höhe der Klagsforderung von 194.641,55 EUR bezifferte, bleibt jedenfalls, dass sie den Betrag einerseits aus mehreren Gegenforderungen ableitete und andererseits keine Behauptungen dazu aufstellte, welchen Schaden (Sanierungsaufwand für die Behebung des Mangelschadens und/oder Mangelfolgeschäden) sie überhaupt erlitt. Die erst nach 2001 aufgetretenen Mangelfolgeschäden können jedenfalls nicht von der vorher eingewandten Gegenforderung umfasst sein.

Die Bezifferung der zuletzt mit 2.539.800 EUR eingewendeten Schadenersatzforderungen aus der Mangelhaftigkeit der Fuge 8 erfolgte erstmals im Schriftsatz vom 31. 8. 2010 und damit außerhalb der Verjährungsfrist.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist aus ihrer Argumentation, dass in der compensando erhobenen Einwendung einer Gegenforderung auch ein Feststellungsbegehren enthalten sei, nichts gewonnen. Ausgehend von der sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung haltenden Ansicht des Berufungsgerichts, wonach mit Schriftsatz vom 30. 8. 2001 keine wirksame Fälligstellung der geltend gemachten Schadenersatzforderung der Beklagten erfolgte, lässt sich daraus auch keine die Verjährung unterbrechende Wirkung ableiten.