JudikaturJustiz7Ob256/05f

7Ob256/05f – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. März 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. Hans L*****, vertreten durch Dr. Oswin Lukesch und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die beklagte Parteien 1. Ing. Karl F*****, 2. Maria Susanne F*****, beide: *****, vertreten durch Mag. Stefan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert: EUR 6.000), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 24. Mai 2005, GZ 21 R 158/05a-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 1. März 2005, GZ 6 C 132/04b-13, teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 549,33 (darin enthalten EUR 91,56 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulassung der Revision nicht gebunden. Entgegen diesem Ausspruch ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines solchen Rechtsmittels auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Der Kläger begehrte (abgesehen von einem [über Berufung] rechtskräftig zuerkannten Feststellungsbegehren) 1. die Feststellung der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über bestimmte Grundstücke der Beklagten sowie 2. letztere zu verpflichten, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung dieser Begehren. Dazu vertrat es unter anderem den Standpunkt, für die Beklagten als Eigentümer der dienenden Grundstücke sei nicht erkennbar gewesen, dass die Pächter den klagsgegenständlichen Weg als Besitzmittler für den Eigentümer der angeblich herrschenden Grundstücke befahren hätten wollen. Außerdem könne von einer Duldung gemäß § 351 ABGB (auch) mangels Untersagungsmöglichkeit des Befahrens durch die Eigentümer der dienenden Grundstücke nicht gesprochen werden, weil die Pächter den Weg in Ausübung ihrer Pachtrechte befahren hätten dürfen. Insoweit vermöge das Berufungsgericht der in 2 Ob 159/04b geäußerten Meinung, es stehe der Ersitzung nicht entgegen, dass der Pächter des herrschenden Grundstücks auch Pächter des dienenden Grundstücks sei, weil zwischen dessen Nutzung und der Nutzung im Interesse des herrschenden Grundstücks zu unterscheiden sei, „in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen". Im Übrigen werde aber auch in dieser Entscheidung darauf abgestellt, dass die Benutzung des dienenden Grundstücks als Zufahrt auch zum Grundstück der Kläger für die dort beklagte Partei erkennbar gewesen sein müsste.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsurteil von der Entscheidung 2 Ob 159/04b abweiche und andere Stellungnahmen zum angesprochenen Problem der Pächteridentität bei (benachbarten) herrschenden und dienenden Grundstücken weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung nicht aufzufinden seien.

Auch der Kläger macht in seiner Revision geltend, dass die bekämpfte Entscheidung von der Rechtsprechung laut 2 Ob 159/04b abweiche; danach sei der Pächter für Ersitzungszwecke ein tauglicher Besitzmittler, und stehe dem nicht entgegen, dass er auch Pächter des dienenden Grundstückes gewesen sei, weil zwischen dessen Nutzung und der Nutzung im Interesse des herrschenden Grundstückes zu unterscheiden sei.

Mit diesen Ausführungen wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO jedoch nicht dargetan, weil das Berufungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht abgegangen ist:

Nach Rechtsprechung und Lehre ist auch der Pächter als ein tauglicher Besitzmittler für Ersitzungszwecke zu qualifizieren (RIS-Justiz RS0034597; vgl auch: RS0011655; M. Bydlinski in Rummel³ II/3 § 1460 ABGB Rz 3 mwN). Dem steht nicht entgegen, dass er auch Pächter des dienenden Grundstückes war, weil - iSd bereits mehrfach zitierten Entscheidung - zwischen dessen Nutzung und der Nutzung im Interesse des herrschenden Grundstückes zu unterscheiden ist (RIS-Justiz RS0034597 [T3]).

Neben diesen Ausführungen sind in dieser Entscheidung (2 Ob 159/04b) allerdings auch noch folgende Grundsätze der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofes festgehalten:

Voraussetzung der Ersitzung einer Wegedienstbarkeit ist der Besitz eines Rechtes; der Besitzwille muss sich aus dem äußeren Verhalten ergeben; dem Grundeigentümer muss die Ausübung des Rechtes erkennbar sein; die Besitzausübung muss nach Inhalt und Umfang dem zu erwerbenden Recht entsprechen (RIS-Justiz RS0009762, RS0010140, RS0010145, RS0034138 [T1]; M. Bydlinski aaO Rz 2 f mwN [so zuletzt auch: 2 Ob 252/05f]).

Für den für eine Ersitzung erforderlichen Rechtsbesitz kommt es dabei nicht auf die objektive Erkennbarkeit einzelner Ersitzungshandlungen schlechthin an; der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muss vielmehr aus der Art der Benützungshandlungen auch erkennen können, dass damit ein Recht ausgeübt wird. Um von einer Duldung der Ausübung des Rechts (§ 351 ABGB) sprechen zu können, muss für den Duldenden erkennbar sein, dass der den Rechtsbesitz Behauptende die Benützung der fremden Sache so ausübt, als hätte er ein Recht (stRsp; 7 Ob 637/94; M. Bydlinski aaO Rz 3 mwN). Deshalb kann etwa der Entlehner eines Grundstücks auf die im Zuge des Leihverhältnisses ausgeübten Nutzungshandlungen keinen Ersitzungsbesitz gründen (EvBl 1987/134), und auch die Nutzung eines fremden Grundstücks im Rahmen des Gemeingebrauchs reicht für einen Ersitzungsbesitz nicht aus (7 Ob 637/94).

Im vorliegenden Fall steht zur Nutzung des strittigen Servitutsweges fest, dass ihn die Pächter zwecks Zufahrt zu den näher bezeichneten (teils im Eigentum des Klägers, teils der Beklagten stehenden) Pachtgrundstücken nämlich deshalb befuhren, „weil sie sich als Pächter dazu berechtigt hielten, um auf die von ihnen gepachteten Weideflächen zwecks Grasbewirtschaftung zu gelangen", wobei sie den Weg jeweils in gleicher Weise benützen (S 10 des Ersturteils bzw S 8 der Berufungsentscheidung). Wenn das Berufungsgericht daraus abgeleitet hat, für die Eigentümer der dienenden Grundstücke sei „in keiner Weise" erkennbar gewesen, dass die Pächter den Weg als Besitzmittler für den Eigentümer der angeblich herrschenden Grundstücke [als dem den Rechtsbesitz Behauptenden] befahren wollten [und damit so ausgeübt hätten, als hätte dieser ein Recht], ist dies nicht zu beanstanden.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, wonach die Ersitzung der Wegedienstbarkeit im vorliegenden Fall auch (bereits) daran scheitere, dass die Ausübung eines Wegerechts für die Beklagten (anders als zu 2 Ob 159/04b) gar nicht erkennbar gewesen sei, steht daher - wie bereits die Revisionsbeantwortung aufzeigt - weder mit der zitierten Entscheidung noch mit den Grundsätzen der dargestellten Rechtsprechung in Widerspruch.

Da das Klagebegehren schon aus diesem Grund abzuweisen war, stellt sich die in der Zulassungsbegründung angesprochene Frage gar nicht, während jene, ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benützungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, immer von den Umständen des Einzelfalles abhängt (stRsp; 7 Ob 637/94; 7 Ob 207/99p; RIS-Justiz RS0033021; zuletzt: 2 Ob 162/02s). Die Revision ist daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Rechtssätze
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