JudikaturJustiz7Ob217/06x

7Ob217/06x – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 23. Jänner 1951 geborenen Pauline W***** über den Revisionsrekurs des Sachwalters Peter K*****, vertreten durch Dr. Bernd Fritsch und andere Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 20. Juli 2006, GZ 2 R 151/06t-96, womit der Rekurs des Sachwalters gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Völkermarkt vom 2. Mai 2006, GZ 1 P 160/01z-90, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Sachwalters unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der (nur im eigenen Namen erhobene) Rekurs des Sachwalters gegen die Entscheidung des Erstgerichtes (das ihm den Auftrag erteilt hatte, einen [„Ausgedinge/Wohnungsrechts-"]Prozess der Betroffenen „zu vergleichen" [also durch Abschluss eines im Beschluss näher bezeichneten Vergleiches zu beenden und das Verfahren nur für den Fall, dass der Vergleichsabschluss nachweislich verweigert werden sollte, fortzusetzen]) vom Rekursgericht als unzulässig zurückgewiesen. Mangels Abweisung eines Antrags und mangels tatsächlichen Eingriffs in die Befugnisse des Sachwalters sei der Rekurswerber weder formell noch materiellrechtlich beschwert. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, inwieweit eine Beschwer des Sachwalters durch einen solchen Auftrag gegeben sei, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der Zurückweisungsbeschluss wurde dem Sachwalter am 9. 8. 2006 zugestellt. Sein dagegen erhobener, am 23. 8. 2006 zur Post gegebener Revisionsrekurs war nicht an das Gericht erster Instanz, sondern an das Rekursgericht adressiert. Dort ging der Rechtsmittelschriftsatz am 24. 8. 2006 ein und wurde vom Rekursgericht an das Erstgericht weitergeleitet, wo er am 29. 8. 2006 einlangte.

Die Frist für den Revisionsrekurs beträgt gemäß § 65 Abs 1 AußStrG 14 Tage und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes. Sie endete im vorliegenden Fall bereits am 23. 8. 2006, weil die Vorschriften der ZPO über die (ua vom 15. Juli bis 25. August dauernde) verhandlungsfreie Zeit (§§ 222 ff ZPO) auf außerstreitige Verfahren keine Anwendung finden (Art XXXVI EGZPO). Ein Revisionsrekurs ist beim Gericht erster Instanz zu erheben (§ 65 Abs 2 AußStrG). Die Tage des Postlaufes werden in die Rechtsmittelfrist nicht eingerechnet (§ 89 GOG); dies gilt jedoch nur dann, wenn das Rechtsmittel an das richtige Gericht adressiert ist. Die unrichtige Adressierung einer fristgebundenen Eingabe schließt hingegen die Anwendung des § 89 GOG generell aus (RIS-Justiz RS0041753).

Wurde das Rechtsmittel - wie hier - beim unzuständigen Gericht eingebracht und erst von diesem dem zuständigen Gericht übersendet, ist die Zeit dieser Übersendung in die Rechtsmittelfrist einzurechnen (RIS-Justiz RS0041584). Dann ist für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels nur der Tag seines Einlangens beim zuständigen Gericht maßgeblich (RIS-Justiz RS0041608). Da diese Grundsätze auch im Verfahren außer Streitsachen gelten (RIS-Justiz RS0006096; RS0008755; RS0041608 [T 5]; 7 Ob 114/04x mwN; 4 Ob 109/06t; zu allem jüngst: 2 Ob 120/06w; Fucik/Kloiber AußStrG § 46 Rz 1 mwN), hat der Sachwalter den erst am 29. 8. 2006 beim Erstgericht einlangten Revisionsrekurs somit verspätet erhoben. Gemäß § 46 Abs 3 AußStrG können nach Ablauf der Rekursfrist Beschlüsse angefochten werden, wenn ihre Abänderung oder Aufhebung mit keinem Nachteil für eine andere Person verbunden ist. Diese Bestimmung gilt gemäß § 71 Abs 4 AußStrG auch im Verfahren über den Revisionsrekurs (Fucik/Kloiber aaO § 46 AußStrG Rz 3 und § 67 AußStrG Rz 1). Der Oberste Gerichtshof hat zwar zu § 11 Abs 2 AußStrG aF, der Vorgängerbestimmung zu dieser Regelung, in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass etwa bei Sachwalterbestellungsbeschlüssen grundsätzlich auf verspätete Rekurse nicht Bedacht genommen werden kann, weil § 11 Abs 2 AußStrG aF - vor dem Hintergrund des § 247 AußStrG aF (nunmehr § 125 AußStrG [Fucik/Kloiber aaO § 125 AußStrG ErläutRV und Rz 1]) - soweit nicht anzuwenden sei (RIS-Justiz RS0007137). Es wurde ferner jedoch auch ausgesprochen, dass bei anderen Beschlüssen im Zuge eines Sachwalterschaftsverfahrens, die nicht unter § 247 AußStrG aF zu subsumieren seien, „im Sinne des Fürsorgeprinzips § 11 Abs 2 AußStrG aF Anwendung finden" müsse (3 Ob 172/04x).

Dies muss auch für ein verspätetes Rechtsmittel gegen die Zurückweisung eines - wie hier - vom Sachwalter im eigenen Namen ergriffenen Rekurses (vgl dazu: 9 Ob 7/03z [wonach dem Sachwalter das Recht zusteht, im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen, ob eine vom Pflegschaftsgericht ausgesprochene Weisung zulässig und gerechtfertigt ist, weil dadurch seine eigene Rechtssphäre berührt wird]) gelten, das sich letztlich gegen eine Weisung des Pflegschaftsrichters wendet. Auf dieses ist nach § 46 Abs 3 AußStrG Bedacht zu nehmen (vgl 3 Ob 172/04x), weil eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses „ohne Nachteil für eine andere Person" (hier: der Betroffenen) möglich ist.

Mit der in der Zulassungsbegründung und im Revisionsrekurs angesprochenen Frage, ob eine Beschwer des Sachwalters durch den Auftrag des Erstgerichts nicht doch zu bejahen gewesen wäre, hat sich der Oberste Gerichtshof - entgegen den (auch) insoweit unzutreffenden Ausführungen der Rekursentscheidung - aufgrund einer nahezu identen Fallgestaltung aber bereits befasst (9 Ob 7/03z). Demgemäß entspricht es der Rechtsprechung, dass einem Sachwalter, der grundsätzlich im Rahmen seines Wirkungsbereiches die Vertretung des Betroffenen eigenverantwortlich wahrzunehmen hat, das Recht zusteht, im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen, ob eine vom Pflegschaftsgericht ausgesprochene Weisung zulässig und gerechtfertigt ist (RIS-Justiz

RS0006497 [T14] = RS0006641 [T18] = EFSlg 106.613; vgl auch

RIS-Justiz RS0005755 [T11] = 6 Ob 286/05k [wo erst jüngst

ausgesprochen wurde, dass auch § 8 AußStrG 2005 (BGBl I 2003/111), wonach - sofern nichts anderes angeordnet ist - ein Verfahren nur auf Antrag einzuleiten ist, die amtswegige Ausübung von nach dem Schutzzweck des materiellen Rechtes gebotenen Überwachungsaufgaben durch das Pflegschaftsgericht nicht ausschließt]).

Das Rekursgericht wird daher unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund der fehlenden Beschwer den Rekurs des Sachwalters in der Sache zu behandeln haben.

Rechtssätze
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