JudikaturJustiz7Ob2149/96x

7Ob2149/96x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der kündigenden Partei Rudolf W*****, vertreten durch Winkler/Reich- Rohrwig/Elsner, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wider die gekündigte Partei F***** reg.Gen.mbH, ***** vertreten durch Dr.Ulrich Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12.März 1996, GZ 39 R 178/96g-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 18. Oktober 1995, GZ 9 C 2770/95-3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Mieter kündigte der Vermieterin das Bestandobjekt in *****, am 10.10.1995 zum 31.1.1996 auf. Am 17.10.1995, dem Tag der Zustellung der Aufkündigung an die Gegnerin, zog die kündigende Partei die Aufkündigung ohne Verzicht auf den Anspruch zurück.

Das Erstgericht nahm die Rückziehung der Aufkündigung zur Kenntnis.

Das Rekursgericht wies die Erklärung der kündigenden Partei, die Aufkündigung zurückzuziehen, zurück. Eine Aufkündigung könne wohl vor ihrer Zustellung an den Gegner, nach dieser aber nur mit Zustimmung, nach Erhebung von Einwendungen auch gegen dessen Willen unter Anspruchsverzicht zurückgenommen werden. Die nach Zustellung der Aufkündigung, aber noch vor Erhebung von Einwendungen ohne Zustimmung der gekündigten Partei erfolgte Zurücknahme der Aufkündigung sei daher nicht zulässig und somit unwirksam. Die Wirkung der Zurücknahme der Aufkündigung trete zwar bereits mit ihrem Einlangen bei Gericht ein, doch handle es sich bei ihr um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Vor Erhebung von Einwendungen sei die Zurücknahme einer Aufkündigung daher nur dann zulässig, wenn der Schriftsatz mit der Rücknahmeerklärung längstens gleichzeitig mit der Aufkündigung selbst zugestellt worden sei. Eine solche gleichzeitige Zustellung von Kündigung und Rücknahmeschriftsatz sei im vorliegenden Fall, in dem der Rücknahmeschriftsatz erst am Tag der Zustellung der Aufkündigung bei Gericht eingelangt sei, nicht möglich gewesen. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses erübrige sich aufgrund der gebotenen Analogie zu § 519 Z 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der kündigenden Partei erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO. Entgegen der Auffassung im angefochtenen Beschluß ist der Beschluß des Rekursgerichtes, mit dem eine Rücknahme der Aufkündigung zurückgewiesen wurde, nicht analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstandes und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig. In Kündigungsstreitigkeiten erübrigt sich zwar auch im Rekursverfahren im Hinblick auf § 502 Abs 3 Z 2 ZPO ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes. Mit der Zurückweisung der Klage oder der Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen, die im Berufungsverfahren gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO voll anfechtbar ist, kann die Zurücknahme einer Klage oder einer Aufkündigung nicht verglichen werden, geht es hier doch nicht um die Verweigerung des Rechtsschutzes für ein erhobenes Rechtsschutzbegehren, sondern um die Rücknahme eines solchen. Der Nachholung eines ohnehin nicht bindenden Ausspruchs (§ 526 Abs 2 ZPO), ob der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei (§ 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 3 ZPO) bedurfte es nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 8/272; SZ 19/181; EvBl 1955/70 = MietSlg 4114; MietSlg 4.850/23; MietSlg 6.143) ist eine Zurücknahme der Aufkündigung nach der Zustellung bis zur Erhebung von Einwendungen unzulässig. Das wird damit begründet, daß die Kündigung nicht nur ein verfahrenseinleitender Schriftsatz wie eine Klage ist, sondern auch die Erklärung des Willens des Kündigenden enthält, den Bestandvertrag aufzulösen. Diese Willenserklärung führt, wenn sie unwidersprochen bleibt, auch tatsächlich die Auflösung des Bestandvertrages herbei. Der Kündigungsgegner erwirbt im letztgenannten Fall aus der Kündigung unmittelbar Rechte, insbesondere das Recht der Exekutionsführung gegen den Kündigenden (indicium duplex: § 561 Abs 2 ZPO). Dieser Rechtsprechung hat sich auch Fasching angeschlossen (III, 144 Anm 2 zu § 237 ZPO; LB2 Rz 2146). Der offenbar gegenteiligen Ansicht Rechbergers in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 571, wonach für die Zurücknahme der Aufkündigung die Vorschriften über die Zurücknahme der Klage gälten, vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. § 237 ZPO enthält für das Verfahren über eine Aufkündigung bis zum Zeitpunkt der Erhebung von Einwendungen keinen brauchbaren Ansatzpunkt, weil es ohne Erhebung von Einwendungen zu keiner (ersten) Tagsatzung kommt. Diese Bestimmung kann daher erst dann angewandt werden, wenn gegen eine Aufkündigung bereits Einwendungen erhoben worden sind (vgl SZ 22/37, so auch 8 Ob 580/88).

Im vorliegenden Fall wurde der Rücknahmeschriftsatz an dem Tag bei Gericht überreicht, an dem der Beklagten die Aufkündigung zugestellt worden war. Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat, tritt die Wirkung der Rücknahme einer Aufkündigung bereits mit dem Einlangen bei Gericht ein (MietSlg 32.684). Die Zurücknahme der Aufkündigung enthält jedoch auch eine empfangbedürftige Willenserklärung, woraus auch folgt, daß sie ohne Erhebung von Einwendungen nur dann zulässig ist, wenn sie der gekündigten Partei längstens gleichzeitig mit der Aufkündigung zugestellt wird (so auch LGZ Wien in MietSlg 45.745).

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage erweist sich der Revisionsrekurs daher als unzulässig.

Rechtssätze
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