JudikaturJustiz7Ob127/15z

7Ob127/15z – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. September 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GesmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Georg Legat, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17 19, und die Nebenintervenienten 1. D***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl, Rechtsanwalt GmbH in Wien, und 2. B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 200.059,62 EUR sA, über die Revisionen der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2015, GZ 1 R 233/14p 197, womit das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 21. Oktober 2014, GZ 4 Cg 43/14w 191, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Begründung:

Die Revisionen sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 508a Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revisionen kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

I. Die Beklagte führte im Oktober 1997 eine öffentliche Ausschreibung von Straßen und Brückenbauarbeiten durch. Den Zuschlag erhielt die F***** GmbH. Die Klägerin hätte den Zuschlag erhalten, wenn der Auftrag nicht an die F***** GmbH vergeben worden wäre.

Auf Antrag der Klägerin stellte das Bundesvergabeamt mit Bescheid vom 4. 2. 2000 gemäß § 113 Abs 3 BVergG 1997 fest, dass der Zuschlag an die finanziell und wirtschaftlich nicht leistungsfähige F***** GmbH in Verletzung des Bundesvergabegesetzes nicht dem Bestbieter erteilt wurde.

Aufgrund der rechtswidrigen Zuschlagserteilung an die F***** GmbH sah sich die Klägerin gezwungen, zur Deckung ihrer Fixkosten im Rahmen anderer Ausschreibungsverfahren besonders günstige Angebote zu legen. Dadurch erhielt sie zwei Ersatzaufträge, die zu einem Verlust von 3.185.000 S und 3.114.000 S führten.

Rechtliche Beurteilung

II. Zur Revision der Klägerin:

1. Voranzustellen ist, dass ein Rechtsmittel eine in sich geschlossene selbständige Prozesshandlung ist, die jedenfalls im streitigen Verfahren durch Bezugnahme auf den Inhalt anderer Schriftsätze nicht ergänzt werden kann (RIS Justiz RS0043616 [T5]).

2. Mit den Ausführungen, das Berufungsgericht habe nicht die Rechtsansicht des Erstgerichts geteilt, sondern sich „lapidar auf ein zitiertes OGH Präjudiz“ berufen, wird keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens aufgezeigt.

3.1 Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Schadenersatzansprüchen stellt sich einerseits die Frage, ob die Schadenersatzleistung der Umsatzsteuer unterliegt, und andererseits, ob und inwieweit umsatzsteuerliche Fragen des Schadensfalls bei der Bemessung des Ersatzes zu berücksichtigen sind.

3.2 Zur hier allein interessierenden ersten Frage hat der Oberste Gerichtshof bereits Stellung genommen. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat der Anspruch auf Ersatz der Umsatzsteuer zur Voraussetzung, dass den ersatzberechtigten Geschädigten selbst eine Steuerpflicht traf, was nur dann der Fall ist, wenn zwischen Geschädigtem und Schädiger ein Leistungsaustausch vorlag. Ein solcher fehlt bei Erfüllung von Gewährleistungsansprüchen durch den Verkäufer oder Lieferanten sowie bei „echtem Schadenersatz“. Stellt die Ersatzleistung des Schädigers eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Geschädigten dar wie etwa bei einer Schadensbeseitigung durch den Geschädigten im Auftrag und Interesse des Schädigers , dann liegt ein Leistungsaustausch und damit ein sogenannter „unechter Schadenersatz“ vor. Ob echter oder unechter Schadenersatz vorliegt, ist im Einzelfall aufgrund der gegebenen Verhältnisse nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen zu prüfen. Eine spätere Schadensvergütung durch den Schädiger vermag die nachträgliche Annahme eines Leistungsaustauschs nicht zu begründen (RIS Justiz RS0030181). Bei echtem Schadenersatz fehlt ein Leistungsaustausch. Wer einen solchen Schadenersatz gewährt, leistet nicht deshalb, weil er vom Schadenersatzempfänger eine Lieferung oder sonstige Leistung empfangen hat oder empfangen will, sondern aus anderen Gründen. Es kommt allerdings nicht auf die Bezeichnung der Leistung, sondern auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge des Vorgangs im Einzelfall an (RIS Justiz RS0005745).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts im vorliegenden Fall, in dem die Klägerin den Ersatz des Erfüllungsinteresses (entgangene Deckungskostenbeträge und entgangenen Gewinn wegen Verstoßes gegen die Vergabebestimmungen) geltend mache, handle es sich nicht um das Einstehen für einen Leistungsaustausch, sondern um einen Ausgleich im Vermögen des Geschädigten, somit um echten Schadenersatz, weshalb Umsatzsteuer nicht verlangt werden könne, hält sich im Rahmen der bereits bestehenden oberstgerichtlichen Judikatur. Auch bei Berücksichtigung der Entscheidung 9 Ob 59/12k ergibt sich keine andere Beurteilung, lag dieser Entscheidung doch der Fall eines Leistungsaustauschs (Refundierung der Vorsteuer aus Verfahrenskosten der Durchsetzung einer Werklohnforderung) zugrunde.

4.1 Durch ein Zwischenurteil, „die eingeklagte Forderung von ... samt ... % Zinsen seit ... besteht dem Grunde nach zu Recht“, wird nur über den Grund des Anspruchs, nicht aber über Beginn des Zinsenlaufes und Höhe der Verzinsung abgesprochen (RIS Justiz RS0040861).

Die auf dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fußende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, mit dem vorliegenden Zwischenurteil sei nicht bindend über die Höhe der geltend gemachten Zinsen abgesprochen worden, ist nicht korrekturbedürftig.

4.2 Die Klägerin begehrt handelsrechtliche/ unternehmerische Zinsen. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts könne ein Unternehmen betreiben, auf eine Eintragung im Handelsregister komme es nicht an. Die bautechnische Straßenerrichtung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung führe handelsrechtlich und steuerrechtlich zu einer unternehmerischen Tätigkeit der Beklagten.

4.2.1 Dahingestellt bleiben kann, ob der Ersatzanspruch aus Vergabeverstößen ein Anspruch aus culpa in contrahendo oder ein rein deliktischer Anspruch ist.

4.2.2 Richtig ist zwar, dass der Bau und die Erhaltung von Straßen in die Privatwirtschaftsverwaltung fällt (RIS Justiz RS0023174, RS0029543), und zwar auch dann, wenn dazu Hoheitsakte, wie Baubewilligungsbescheide oder Enteignungsbescheide erforderlich sind (RIS Justiz RS0096184). Voraussetzung für den Zuspruch von handelsrechtlichen/unternehmerischen Zinsen war aber ein beiderseitiges Handels-/Unternehmensgeschäft (§ 352 HGB, ab 1. 8. 2002 § 352 UGB). Nach § 343 Abs 1 UGB idF BGBl I Nr 120/2005 war dann zwar das 4. Buch auf Unternehmer im Sinn der §§ 1 3 sowie auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anzuwenden, doch traten nach § 906 Abs 14 UGB die §§ 343 349 erst mit 1. 1. 2007 in Kraft; auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet hatten, blieben aber die bisher geltenden Bestimmungen anwendbar. Auch nach § 455 UGB idF BGBl I Nr 50/2013 gilt der Abschnitt über den Zahlungsverzug für Rechtsgeschäfte zwischen Unternehmern sowie für Rechtsgeschäfte zwischen einem Unternehmer und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Gemäß § 906 Abs 25 UGB trat diese Bestimmung jeweils in der Fassung des Zahlungsverzugsgesetzes BGBl I Nr 50/2013 - sowie die Aufhebung des § 352 mit 16. 3. 2013 in Kraft. Auf Verträge, die vor dem 16. 3. 2013 geschlossen wurden, sind aber ebenfalls die bisherigen Bestimmungen weiter anzuwenden.

Selbst wenn man den Anspruch der Klägerin als nicht rein deliktisch beurteilte, käme mangels Abschlusses eines Geschäfts als relevanter Zeitpunkt nur die rechtswidrige Zuschlagserteilung (20. 10. 1998) in Betracht. Zu diesem Zeitpunkt war das HGB in Kraft. Die Beklagte müsste also zu diesem Zeitpunkt Kaufmann gewesen sein, somit ein Gewerbe nach dem HGB betrieben haben. Stichhaltige Argumente dafür, dass die Beklagte mit dem wohl dem öffentlichen Interesse dienenden Straßenbau ein Gewerbe nach dem HGB betrieb, brachte die Klägerin nicht. Die Entscheidung SZ 52/82 trägt ihre Argumente nicht, da die Republik Österreich dort als Betreiberin eines Druckerei und Verlagsunternehmens auftrat, das von § 1 Abs 2 Z 8 und 9 HGB umfasst war.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne keine handelsrechtlichen Zinsen von der Beklagten begehren, findet daher Deckung in der bestehenden Rechtslage.

III. Zur Revision der Beklagten:

1. Das Zwischenurteil beantwortet die Frage, ob ein Anspruch besteht, abschließend. Innerhalb des Rechtsstreits sind daher Gericht und Partei daran gebunden und dürfen die Frage des Anspruchsgrundes nicht mehr neu aufrollen (innerprozessuale Bindungswirkung; RIS Justiz RS0040736). Zum Grund des Anspruchs gehören alle rechtserzeugenden Tatsachen, aus denen der Anspruch abgeleitet wird und alle Einwendungen, die seinen Bestand berühren (RIS Justiz RS0122728). Neben der innerprozessualen Bindungswirkung gibt es aber auch eine Präklusionswirkung, als die Parteien keine weiteren Tatsachen vortragen können, die den Grund des Anspruchs betreffen. Die Präklusionswirkung erstreckt sich nur auf solche Tatsachen und Einwendungen, die vor dem Schluss der Verhandlung über den Grund des Anspruchs eingetreten sind und in diesem Verfahrensabschnitt geltend gemacht werden konnten (RIS Justiz RS0040736 [T2]).

1.1 Die Beklagte wendet sich gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Vertretungskosten bis zur Zuschlagserteilung als Erfüllungsschaden anzusehen seien. Die Vertretungskosten stünden der Klägerin nur alternativ zum geltend gemachten Erfüllungsinteresse zu.

Tatsächlich vertrat das Berufungsgericht eine derartige Rechtsansicht gar nicht, es bejahte vielmehr die Bindungswirkung des Zwischenurteils hinsichtlich des Bestehens dieser bereits in der Klage geltend gemachten - Vertretungskosten dem Grunde nach, diese Rechtsansicht stellt die Beklagte mit keinen stichhältigen Argumenten in Abrede.

So führt sie selbst in ihrer Revision aus, dass die Kosten für die Vertretungstätigkeit bis zur Zuschlagserteilung vor deren ziffernmäßigen Aufschlüsselung nur als dem Vergabeverfahren zugehörig beurteilt werden konnten. Derartige Kosten des Vergabeverfahrens könnten aber nach der Judikatur nur statt dem Erfüllungsschaden begehrt werden. Diesen dem Grund des Anspruchs zuzurechnenden Einwand hätte die Beklagte aber bereits vor Schluss der Verhandlung über den Grund des Anspruch erheben und vor allem in ihrem Rechtsmittel gegen das Zwischenurteil dem Grunde nach relevieren müssen. Gegen die Höhe der Vertretungskosten hingegen, wendet sie sich nicht.

2. Soweit die Beklagte argumentiert, dass von der Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei, weshalb 75 % der Fixkosten und ein Drittel der Kosten der diversen Regien nicht abgedeckt werden konnten, die Deckungskostenbeiträge bei umsatzgleichen Aufträgen ident sein müssten, woraus folge, dass durch die Deckungskostenbeiträge und gewinne der Ersatzaufträge, der Deckungskostenbeitrag und der Gewinn des entgangenen Auftrags ersetzt bzw ausgeglichen und daher der Schaden Null sein müsste, bekämpft sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung.

Mit ihren Ausführungen, die Klägerin sei nicht Bestbieterin gewesen; die als Ersatzaufträge deklarierten Bauvorhaben seien in Wirklichkeit keine Deckungsgeschäfte gewesen und die Klägerin hätte diese zu niedrig kalkuliert, entfernt sie sich vom Boden der erstgerichtlichen Feststellungen.

IV. Insgesamt zeigen die Revisionen keine erhebliche Rechtsfrage auf.

V. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.

Rechtssätze
8
  • RS0029543OGH Rechtssatz

    02. September 2015·3 Entscheidungen

    Es unterliegt keinem Zweifel, dass Grundeigentümer berechtigt sind, eine Straße zu errichten und deren Benützung von der Bezahlung eines Entgeltes abhängig zu machen (vgl VfGH B 1255/91 - 14). Findet das LStVG auf eine solche Straße keine Anwendung, so sind die Grundeigentümer berechtigt, ihre rechtlichen Beziehungen zueinander und die Art der Herstellung, Erhaltung und Benützung der Straße im Sinne der die rechtsgeschäftlich begründeten Schuldverhältnisse erfassenden Privatautonomie in dem von den Bestimmungen zwingenden Rechts und den §§ 879, 1295 Abs 2 ABGB gezogenen Rahmen nach ihrem eigenen Willen frei zu gestalten. Da eine Gebietskörperschaft bei Herstellung einer Straße ihre Tätigkeit im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung entfaltet (hier eine Gemeinde), hat auch sie - unter solchen Verhältnissen - das Recht, die Benützung der Straße von der Bezahlung eines Entgeltes abhängig zu machen. Besteht keine Verpflichtung der Gemeinde, eine öffentliche Straße einer bestimmten Straßengruppe herzustellen, so ist sie nicht verpflichtet, die Straße selbst (aus öffentlichen Mitteln) durch ihre Organe und ihre Bediensteten zu errichten, instandzuhalten und für die Ermöglichung deren Benützung zu sorgen; sie ist vielmehr berechtigt, diese Aufgaben an eine andere Person zu übertragen. Da den mit der Übernahme dieser Aufgabe verbundenen Verpflichtungen in der Regel nur ein entsprechend organisiertes, nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführtes und gewinnorientiertes Unternehmen gerecht werden kann, ist ein solches Unternehmen berechtigt, das Straßenbenützungsentgelt nach betriebswirtschaftlichen Kalkulationsgrundsätzen festzusetzen. Das Recht auf Selbstgestaltung der Rechtsbeziehungen zu anderen ist dabei allerdings beschränkt, wenn dieses Unternehmen von Anfang an wirtschaftlich eine monopolartige Stellung hatte. Dem Publikum ist dann der Abschluss von Straßenbenützungsverträgen zu angemessenen, in diesem Wirtschaftszweig üblichen Bedingungen anzubieten. Wird eine Straße von einer Gemeinde von Anfang an als "Mautstraße", dass heißt als Straße geplant, die gegen ein privatrechtliches Benützungsentgelt benützt werden darf, und wird die Straße durch eine andere Person als solche errichtet und betrieben, so hat der Umstand, daß die Straße infolge "stillschweigender Widmung" zu einer öffentlichen Straße wird, keinen Einfluss auf die Gültigkeit der in Ansehung der Herstellung, der Instandhaltung und des Betriebes der Straße getroffenen Vereinbarungen und der sich daraus ergebenden Rechte.