JudikaturJustiz6Ob596/90

6Ob596/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juli 1990

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 22. August 1981 verstorbenen Hermann R***, Bauarbeiter i.R., Au-Schrecken 168, infolge Revisionsrekurses der Testamentserben 1. Johann R***, Pensionist, Schrecken, 6883 Au, 2. Anton R***, Landwirt, Schrecken 171, 6883 Au,

3. Josef R***, Unternehmer, Kreuzgasse 360, 6883 Au, 4. Katharina M***, geb. R***, Hausfrau, Argenstein 13, 6883 Au,

5. Verlassenschaft nach der am 24. März 1989 verstorbenen Frieda M***, geb. R***, 6882 Schnepfau Nr. 14, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Alois N***, 6870 Bezau 453, 6. Martina M***, geb. R***, 6883 Au 91, alle vertreten durch Dr. Norbert Margreiter, Rechtsanwalt in Bezau, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 23. April 1990, GZ 1 b R 60 und 61/90-20, womit der Rekurs der Testamentserben gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Bezau vom 17. November 1981, GZ A 133/81-5, und vom 23. Juni 1982, GZ A 133/81-10, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Das Verlassenschaftsverfahren nach Hermann R*** wurde mit dem gesetzlichen Erben, dem Sohn des Verstorbenen, Vinzenz R*** abgehandelt, da auf der Todfallsaufnahme vermerkt worden war, daß beim Bezirksgericht Bezau keine letztwillige Verfügung aufbewahrt sei, und das Gericht von einer mit 18.11.1981 datierten Auskunft des zentralen Testamentsregisters keine Kenntnis hatte. Aus dem Urkundenregister des Abhandlungsgerichtes hätte sich erheben, daß dort ein im Jahre 1956 hinterlegtes Testament vorhanden ist. Bei Durchsicht des Namensverzeichnisses wurde jedoch der Name des Erblassers Hermann RÜF offenbar übersehen. Vom damaligen Gerichtskommissär wurde zwar eine Auskunft beim zentralen Testamentsregister eingeholt, doch wurde diese dem Gericht erstmals am 9.4.1990 zur Kenntnis gebracht. Aus dieser mit 18.11.1981 datierten Auskunft an den Gerichtskommissär hätte sich ebenfalls ergeben, daß der Erblasser ein Testament hinterlegt hatte. Diese Mitteilung hat jedoch der die Abhandlung durchführende Gerichtskommissär sehr wahrscheinlich nie zu Gesicht bekommen. Sie wurde von einer Sekretärin des Notariats im Ordner für Testamentsauskünfte mit dem handschriftlichen Vermerk "keine Registrierung" abgelegt.

Der Gerichtskommissär hatte seine Tätigkeit in der gegenständlichen Abhandlungssache spätestens am 17.11.1981 beendet und den Akt dem Abhandlungsgericht übergeben.

Am 17.11.1981 wurde der Nachlaß dem gesetzlichen Erben Vinzenz RÜF eingeantwortet. Am 23.6.1982 wurde der entsprechende Grundbuchbeschluß erlassen.

Am 9.4.1990 wurde zufällig beim Bezirksgericht Bezau das hinterlegte Testament des Hermann RÜF vom 19.6.1956 aufgefunden und am 10.4.1990 kundgemacht.

Eine Ausfertigung der Einantwortungsurkunde und eine Kopie des Testamentes wurden mit Schreiben vom 10.4.1990 den Testamentserben zugestellt (AS 37). Weitere Zustellungen von gerichtlichen Entscheidungen im Verfahren erfolgten nicht.

Die Testamentserben erhoben gegen die Einantwortungsurkunde und den Grundbuchbeschluß rechtzeitig Rekurs, beantragten die Aufhebung dieser Beschlüsse und die Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens und gaben bedingte Erbserklärungen ab.

Das Rekursgericht wies beide Rekurse als unzulässig zurück und sprach aus, daß der Entscheidungsgegenstand S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht führte aus, werde nach erfolgter Einantwortung der Erbschaft eine letztwillige Erklärung entdeckt, so finde nach § 180 AußStrG eine neuerliche Abhandlung der Erbschaft nicht statt. Die Personen, denen aus der kundgemachten letztwilligen Anordnung Rechte erwachsen könnten, müßen ihre Rechte gegen den Erbschaftsbesitzer im ordentlichen Rechtsweg geltend machen. Das Abhandlungsgericht habe vor Ablauf der Rechtsmittelfrist gegen die bekämpften Beschlüsse keine Kenntnis von einem Testament gehabt, das Vorhandensein von Testamentserben sei daher nicht aktenkundig gewesen. Aus welchen Gründen dies der Fall gewesen sei, sei nicht entscheidend. Zum Zeitpunkt der Erlassung der Einantwortungsurkunde sei auch das Ergebnis der Anfrage beim zentralen Testamentsregister noch nicht vorgelegen. Der Gerichtskommissär habe von dieser Auskunft vor Ablauf der Rechtsmittelfrist sehr wahrscheinlich keine Kenntnis erlangt, so daß selbst dann, wenn man die Kenntnis des Gerichtskommissärs jener des Gerichtes zurechne, eine Verständigung der Testamentserben nicht möglich gewesen wäre. Eine Nichtigkeit des Verfahrens könnte nur dann bejaht werden, wenn das Gericht einen mit Nichtigkeit behafteten Verfahrensmangel zu verantworten hätte, weil nur ihm die Verständigung der im § 75 AußStrG genannten Personen oblegen sei.

Da es an einer oberstgerichtlichen Rechtsprechung fehle, ob das Einlangen der Auskunft des zentralen Testamentsregisters im Notariat des Gerichtskommissärs zu einer Nichtigkeit des Abhandlungsverfahrens führen könne, sei der Revisionsrekurs für zulässig zu erklären gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Wenn nach erfolgter Einantwortung eine letzte Willenserklärung "entdeckt" wird, hat das Abhandlungsgericht diese "kundzumachen und bei den Akten aufzubewahren". Eine neuerliche Abhandlung der Erbschaft findet nicht statt. Erbansprechern steht es frei, ihr Recht gegen den Erbschaftsbesitzer im Klagewege geltend zu machen (§ 180 AußStrG). Der Grundsatz, daß der Abhandlung nicht beigezogene Erbansprecher nach Rechtskraft der Einantwortung gegen diese und auch gegen den in der Folge erlassenen Grundbuchbeschluß keine Rechtsmittel haben, kommt nur dort zum Tragen, wo die Abhandlung gesetzmäßig durchgeführt wurde und das Abhandlungsgericht trotz gesetzmäßiger Durchführung nicht in der Lage war, die von den Rechtsmittelwerbern behaupteten Ansprüche zu berücksichtigen. Wie der Oberste Gerichtshof insbesondere in seiner Entscheidung SZ 47/142 dargelegt hat, kann von einer rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens dann nicht gesprochen werden, wenn Personen, die ein Recht auf Beteiligung an dem Verfahren hatten und deren Beteiligung nach dem Inhalt des Aktes auch möglich gewesen wäre, dem Verfahren nicht beigezogen wurden und ihnen die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung des das Verfahren beendenden Beschlusses entzogen wurde. Es kommt somit darauf an, ob nach dem Inhalt des die jeweilige Verlassenschaft betreffenden Aktes die Verständigung einer der im § 75 AußStrG genannten Personen unterlassen wurde. Unterblieb eine Verständigung, weil das Vorhandensein solcher Personen nicht aktenkundig war, so können diese Erbansprecher gemäß § 180 AußStrG nur noch im Rechtsweg gegen den eingeantworteten Erben vorgehen. Nicht entscheidend kann demnach sein, aufgrund welcher Umstände das Vorhandensein solcher Personen nicht aktenkundig war. Insbesondere spielt es keine Rolle, ob wegen Unvollständigkeit der Todfallsaufnahme eine der im § 75 AußStrG genannten Personen übergangen oder eine eine letztwillige Anordnung enthaltende Urkunde aus Versehen des Gerichtes oder aus welchem Grunde immer, nicht rechtzeitig entdeckt wurde. Das Wort "entdeckt" ist wörtlich auszulegen und kann sinnvollerweise nur auf das jeweilige Abhandlungsverfahren bezogen werden.

Gilt aber der Grundsatz, daß aktenkundig nur die in einem jeweiligen Verlassenschaftsverfahren bereits kundgemachten letztwilligen Anordnungen sind, nicht aber auch beim selben Gericht vom Testator hinterlegte letztwillige Anordnungen, so muß dies umsomehr für Auskünfte aus dem zentralen Testamentsregister gelten, die über Anfrage des Gerichtskommissärs (vgl § 39 Abs. 2 Z 7 AußStrG) unter vielen nur in dessen Notariatskanzlei einlangen, diesem aber (hier offensichtlich wegen eines Irrtums einer Kanzleiangestellten) gar nicht zur Kenntnis gelangten. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Kenntnis des Gerichtskommissärs als Hilfsorgan des Abhandlungsgerichtes der Kenntnis des Gerichtes gleichzuhalten sei, muß es sich nach § 180 AußStrG um die Entdeckung einer bestimmten letztwilligen Erklärung (also der Urschrift, vgl SZ 31/46) handeln. Die bloße Auskunft des zentralen Testamentsregisters, daß unter einem bestimmten Namen eine letztwillige Verfügung zu einer bestimmten Registernummer gespeichert ist, kann nur ein Hilfsmittel sein, das zur Entdeckung der letzten Willenserklärung führen kann.

Das Abhandlungsverfahren ist daher durch rechtskräftige Einantwortung beendet. Das Rekursgericht hat den Rekurs der Testamentserben zu Recht zurückgewiesen. Den Testamentserben bleibt nur mehr die Möglichkeit, ihre Ansprüche im Rechtsweg gegen den eingeantworteten Erben zu verfolgen.

Rechtssätze
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