JudikaturJustiz6Ob4/12z

6Ob4/12z – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. März 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S*****, vertreten durch Dr. Hans Dieter Sereinig, Rechtsanwalt in Ferlach, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Manfred Rath und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 30.700 EUR sA (Revisionsinteresse 20.853,22 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 18. November 2011, GZ 3 R 217/11y 44, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur die Gegenforderung der Beklagten, die in den von der Beklagten getragenen Kosten eines zwischen ihr und dem Letzterwerber eines PKWs wegen geltend gemachter Gewährleistungsansprüche geführten Verfahrens besteht. Diesen PKW hatte die Beklagte vom Kläger erworben und an den Letzterwerber weiterveräußert. Beide Parteien sind Autohändler mit Sitz in Österreich.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist zwar denkbare Anspruchsgrundlage für den Ersatz der Kosten eines Vorprozesses eine Geschäftsführung der Beklagten ohne Auftrag (RIS Justiz RS0109200). Dieser Anspruch besteht aber nicht, wenn der (angeblich) für die Verfolgung fremder Interessen (hier: des Klägers) gemachte Aufwand von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht abtrennbar ist (4 Ob 146/10i mwN). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Beklagte im Vorverfahren (lediglich) versucht hat, eigene Verpflichtungen aus dem Titel der Gewährleistung gegenüber dem Letzterwerber des PKWs abzuwehren. Dass die Klägerin bei Obsiegen der Beklagten im Vorverfahren keinen Regressansprüchen der Beklagten ausgesetzt gewesen wäre, machte das Vorverfahren aus der Sicht der Beklagten noch nicht eindeutig abgrenzbar fremdnützig; Voraussetzung für die Ersatzpflicht wäre vielmehr, dass der nunmehr geltend gemachte Aufwand bei ausschließlicher Eigengeschäftsführung gar nicht angefallen wäre ( Fötschl , Zur Ausgleichsfähigkeit von Kosten eines Vorprozesses, Fragmente zu den Anspruchsgrundlagen aus Geschäftsführung ohne Auftrag, ÖJZ 2004/48, 781).

2. Die Parteien stehen dem Letzterwerber gegenüber nicht in einem Solidarverhältnis, der Kläger ist auch nicht als Erfüllungsgehilfe der Beklagten (oder umgekehrt) anzusehen. Damit scheidet ein Ersatzanspruch aus dem Titel des Schadenersatzes aus, der von der Rechtsprechung in den genannten Fällen unter Umständen anerkannt wird (1 Ob 232/99w; 1 Ob 296/04t).

3. Jedenfalls dann, wenn der Regresspflichtige den im Vorverfahren Beklagten weder veranlasst noch darin bestärkt hat, sich auf das Vorverfahren einzulassen und einen nachteiligen Prozessstandpunkt zu verfechten, ist er für die Kosten des Vorverfahrens nicht ersatzpflichtig (8 Ob 92/08z). Die Ausführungen der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision, der Kläger habe sie „darin bestärkt, sich auf das Vorverfahren einzulassen und die erhobenen Forderungen des dortigen Klägers bis zuletzt abzuwehren“, stehen mit den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht im Einklang. Danach hat der Kläger sogar angeboten, das Fahrzeug zurück zu nehmen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Kläger in weiterer Folge im Vorverfahren auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenient beigetreten ist (3 Ob 53/02v).

4. Nach zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs kann die Schlechterfüllung eines Vertrags für sich allein genommen die Haftung auch für Verfahrenskosten nicht begründen, weil Gewährleistungsprozesse keine typische Folge von Gewährleistungsansprüchen sind. Nur wenn der Regresspflichtige über die Schlechterfüllung der Hauptleistung hinaus weitere Vertragspflichten verletzt, wie etwa die (Neben )Pflicht, den Regressberechtigten wahrheitsgemäß über die Vertragsabwicklung zu informieren, und wenn diese Pflichtverletzung für den Gewährleistungsprozess kausal war, kann es zu einer Haftung des Regresspflichtigen für die Verfahrenskosten kommen (RIS Justiz RS0045850 [insbesondere T1 und T2]). Diese Grundsätze hat der Oberste Gerichtshof erst in jüngster Zeit wiederholt angewendet (8 Ob 88/07k; 8 Ob 92/08z; 7 Ob 73/10a; 4 Ob 146/10i). Auf eine derartige weitere Vertragspflichtenverletzung stützt sich die Beklagte nicht.

Der in der außerordentlichen Revision aufgeworfenen Frage, ob der Oberste Gerichtshof in einzelnen Entscheidungen von diesen Grundsätzen abgewichen ist (vgl dazu die Nachweise in 6 Ob 100/07k) und ob der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden grundsätzlich in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen ist, die den Vertragspartner dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen (vgl dazu 1 Ob 218/04x RdW 2005/448; 10 Ob 79/05y), braucht hier nicht weiter nachgegangen zu werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren auch dem Kläger die konkreten Besonderheiten des von ihm an die Beklagte verkauften Fahrzeugs, nämlich seine Ausschreibung zur Fahndung im „Schengenraum“, bei Vertragsabschluss nicht bekannt. Da die Beklagte ihre Gegenforderung hier auf den Titel des Schadenersatzes stützt, steht ihr das insoweit festgestellte mangelnde Verschulden des Klägers entgegen.