JudikaturJustiz6Ob33/18y

6Ob33/18y – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Aurelie ***** M*****, geboren am ***** 2015, vertreten durch die Mutter J***** M*****, beide *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters J***** S*****, vertreten durch Scheer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 2. Jänner 2018, GZ 20 R 301/17f 73, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Mistelbach vom 12. Oktober 2017, GZ 1 Ps 35/16a 54, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben .

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert , dass Punkt 8. der Entscheidung des Erstgerichts aufgehoben wird; hinsichtlich Punkt 9. wird dem Revisionsrekurs keine Folge gegeben. Hinsichtlich Punkt 10. wird der Revisionsrekurs zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Minderjährige ist das Kind des J***** S***** und der J***** M*****, die nicht miteinander verheiratet sind oder waren; sie lebt bei ihrer Mutter, von der sie betreut wird und der die Alleinobsorge zukommt. Zwischen den Eltern ist seit Februar 2016 ein Obsorgestreit anhängig; der Vater strebte ursprünglich die Obsorge beider Elternteile, seit August 2017 die Alleinobsorge an. Darüber hinaus streiten die Eltern über ein Kontaktrecht des Vaters zum Kind.

Nachdem sich die Eltern bereits im Mai 2016 (ON 9) auf ein vorläufiges Kontaktrecht des Vaters in einem Besuchscafé geeinigt hatten, stellte der Vater am 28. 11. 2016 (ON 17) den Antrag, ihm unbegleiteten Kontakt wöchentlich am Dienstag von 14 bis 17:30 Uhr und in den geraden Kalenderwochen am Freitag von 14 bis 17:30 Uhr sowie in den ungeraden Kalenderwochen am Samstag von 9 bis 15 Uhr einzuräumen; darüber hinaus beantragte er ein jährliches Weihnachtskontaktrecht am 25. 12. von 9 bis 13 Uhr.

Die Mutter trat zwar diesem Antrag entgegen (ON 22), am 11. 1. 2017 (ON 26) kam es jedoch zu einer Einigung dahin, dass dem Vater ein unbegleitetes wöchentliches Kontaktrecht abwechselnd am Samstag und Sonntag von 10 bis 15 Uhr zusteht. Nachdem derartige Kontakte in der Zeit zwischen 1. 4. und 27. 5. 2017 stattgefunden hatten, beantragte der Vater am 13. 6. 2017 (ON 29) die Ausdehnung des Kontaktrechts auf wöchentlich am Montag von 8 bis 14 Uhr und in den geraden Kalenderwochen am Samstag von 10 bis 15 Uhr sowie in den ungeraden Kalenderwochen am Sonntag von 10 bis 15 Uhr, welchem Antrag die Mutter entgegentrat (ON 32).

In weiterer Folge setzte das Erstgericht mit Beschluss vom 18. 8. 2017 (ON 37) über entsprechenden Antrag des Vaters und Zustimmung der Mutter ein vorläufiges Kontaktrecht des Vaters wöchentlich am Dienstag von 17:30 bis 19:30 Uhr und in den geraden Kalenderwochen am Samstag von 14 bis 19 Uhr sowie in den ungeraden Kalenderwochen am Sonntag von 14 bis 19 Uhr fest.

Bereits am 28. 8. 2017 (ON 38) beantragte der Vater, der Mutter die Obsorge zu entziehen sowie diese ihm allein zu übertragen und über die Mutter gemäß § 110 AußStrG angemessene Zwangsmittel zu verhängen, weil sie sich bewusst über den Beschluss vom 18. 8. 2017 hinweggesetzt und ihm den Kontakt mit dem Kind verweigert habe; den zuletzt genannten Antrag wiederholte er am 31. 8. 2017 (ON 40), weil ihm die Mutter neuerlich den Kontakt verwehrt habe.

Die Mutter wandte sich gegen diese Anträge und beantragte ihrerseits, die Kontakte zwischen dem Vater und dem Kind bis zum Vorliegen eines psychiatrischen Gutachtens über den Vater auszusetzen. Der Vater sei nicht vertrauenswürdig, habe er doch gegen die in der Mediation getroffene Vereinbarung, das Kind nicht nach Wien mitzunehmen, verstoßen. Darüber hinaus erhob sie gegen den Beschluss vom 18. 8. 2017 (ON 42) Rekurs mit dem Ziel, dass der Antrag des Vaters auf Einräumung eines vorläufigen Kontaktrechts abgewiesen werde; dieser Rekurs wurde zwischenzeitig zurückgewiesen (ON 72).

In weiterer Folge beantragte der Vater mehrmals die Anordnung angemessener Zwangsmittel gegen die Mutter, die ihm die Kontakte mit dem Kind verweigere (ON 43, 45 und 59), was schließlich am 24. 11. 2017 (ON 65) zur Verhängung einer Geldstrafe von 250 EUR über die Mutter führte; dieser Beschluss wurde zwischenzeitig vom Rekursgericht bestätigt (ON 74).

Das Erstgericht wies die Anträge des Vaters auf Festsetzung der Obsorge beider Elternteile beziehungsweise der Alleinobsorge des Vaters und eines laufenden Kontaktrechts sowie eines Weihnachtskontakrechts des Vaters (Punkte 1. bis 4.) ebenso ab wie den Antrag der Mutter auf Aussetzung des Kontaktrechts des Vaters bis zum Vorliegen eines psychiatrischen Gutachtens (Punkt 7.), regelte jedoch das Kontaktrecht (erkennbar: vorläufig) anstelle der am 18. 8. 2017 (ON 37) getroffenen Regelung dahin, dass der Vater das Kind im Rahmen von begleiteten Besuchskontakten beim Familienbund Wien oder beim Hilfswerk Gänserndorf/Mistelbach einmal in der Woche für zwei Stunden treffen dürfe, ordnete hinsichtlich dieser Termine die Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe an und sprach die vorläufige Verbindlichkeit dieser Anordnung aus (Punkte 8. bis 10.). Dabei ging das Erstgericht hinsichtlich des Zeitraums ab 11. 1. 2017 (erste einvernehmliche Kontaktregelung) von folgendem Sachverhalt aus:

Ausgangsbasis für diese Vereinbarung war, dass es bis zu diesem Zeitpunkt etwa acht Kontakte im Besuchscafé in Wien gegeben hatte und zwei Kontakte bei einer Besuchsbegleiterin in Mistelbach. Ein weiterer Kontakt war für den 19. 1. 2017 geplant. Es wurde besprochen, dass es Sinn mache, einen Bericht der Besuchsbegleiterin bezüglich der Besuchskontakte einzuholen beziehungsweise auch eine Einschätzung, ob diese der Meinung ist, dass der Vater nicht imstande sei, für das Kind allein zu sorgen. Die Eltern beauftragten die Besuchsbegleiterin neben der Besuchsbegleitung mit der Mediation. Die Besuchsbegleiterin erachtete die damals geplante Übergabe des Kindes am Parkplatz eines Möbelhauses für eine Überforderung des Kindes, worauf die Eltern im Rahmen der Mediation andere Lösungen erarbeiteten.

Über mehrere Monate hindurch nahmen die Eltern bei der Besuchsbegleiterin die Mediation in Anspruch, die grundsätzlich sehr gut verlief. Die Eltern konnten Lösungen hinsichtlich der Besuchskontakte erarbeiten; sie räumten auch Missverständnisse untereinander aus, obwohl es auch immer wieder Rückschläge gab.

Insgesamt fanden bei der Besuchsbegleiterin drei bis fünf begleitete Besuchskontakte statt. Der Vater kümmerte sich dabei in den Räumlichkeiten der Besuchsbegleiterin um seine Tochter. Sein Umgang mit ihr war kindgerecht und verliefen die Kontakte harmonisch.

In weiterer Folge fanden unbegleitete Kontakte statt, wobei vereinbart war, dass die Besuchsbegleiterin bei den Übergaben telefonisch erreichbar sein sollte. Einmal nahm die Mutter das auch in Anspruch, weil eine Eskalation drohte; warum es gerade bei diesem Termin zu einer Eskalation kommen sollte, steht allerdings nicht fest. Jedenfalls fanden 18 Termine statt. Der Vater verbrachte die vereinbarte Zeit mit dem Kind im Bereich Mistelbach, indem er mit ihm auf Spielplätze ging, mit ihm im Museum war oder auch im Freibad. Der Vater holte das Kind von der Mutter ab und brachte es ihr wieder zurück. Im Großen und Ganzen wurden die vereinbarten Zeiten durch den Vater auch eingehalten. Seine Eltern nahm er nur einmal zu den Kontakten mit.

Im Rahmen der Mediation war erörtert worden, dass die Kontakte grundsätzlich noch im Raum Mistelbach stattfinden sollten und der Vater vorläufig nicht mit dem Kind nach Wien fahren sollte, wobei aber auch darüber gesprochen wurde, dass die Eltern auch eigenständig andere Lösungen finden könnten. Am 22. 4. 2017 erschien der Vater bei der Mutter und teilte ihr einfach mit, dass er mit dem Kind nach Wien in das Haus des Meeres fahren werde. Er meinte zur Mutter: „Das wirst du schon überleben.“ Die Mutter war zwar damit nicht einverstanden, akzeptierte es aber, weil sie vor dem Kind nicht streiten wollte. In weiterer Folge gab es bei diesem Termin ein Problem, weil grundsätzlich ausgemacht war, dass die Mutter den Vater etwa zur Hälfte der Besuchszeit kontaktiert, um nachfragen zu können, wie es denn dem Kind geht. Der Vater war aber zunächst nicht erreichbar und rief dann etwas später zurück. Wie viel Zeit zwischen erster Kontaktaufnahme und Antwort des Vaters verstrichen war, steht nicht fest.

Grundsätzlich äffte der Vater, wenn die Mutter bei ihm nachfragte, wie es dem Kind geht, diese nach. Erst nach mehrmaligen Nachfragen durch die Mutter antwortete er jeweils kurz, wo er sei, und legte dann auf. Bis jedenfalls Juni 2017 verliefen die Besuchskontakte des Vaters zum Kind relativ gut.

Am 13. 6. 2017 wies der Vater darauf hin, dass die Mutter lernen müsse, ihn als gleichwertigen Elternteil der gemeinsamen Tochter zu akzeptieren, und einsehen müsse, dass auch das Kind ein Recht habe, einen regelmäßigen Kontakt zum Vater zu pflegen. Er beantragte deshalb die Ausdehnung der Kontaktzeiten, worauf es zur einvernehmlichen Kontaktregelung vom 18. 8. 2017 kam.

Mediation und Besuchsbegleitung liefen trotz der Schriftsätze, die bei Gericht eingebracht worden waren, weiter. Noch am 27. 7. 2017 gab die Besuchsbegleiterin auf Nachfrage durch das Gericht an, dass die Mediation weiterhin gut verlaufe, nach ihren Informationen gebe es regelmäßigen Kontakt des Vaters zum Kind. Am 29. 7. 2017 kam es allerdings zum vorläufig letzten Kontakt des Vaters mit dem Kind.

Die Kommunikation, die der Vater mit der Mutter führt, ist äußerst bedenklich. Grundsätzlich pflegen die Eltern Whatsapp-Kontakte. Dabei gelang es den Eltern teilweise schon, sich auf ihre Tochter zu konzentrieren, es wurden auch wichtige Informationen über das Kind ausgetauscht. Der Vater fiel aber zumindest seit 30. 7. 2017 immer wieder mit sexistischen Bemerkungen gegenüber der Mutter auf. So schrieb die Mutter am 30. 7. 2017 um 13 Uhr „ich habe keine Ahnung, alles ist zur Zeit eine Bea. Sie möchte e Biene sagen, aber zu allem aber wennst dann zB Ameise sagst, dann bessert sie sich e aus . Die Antwort des Vaters daraufhin war ein pornografisches Bild der Mutter mit der Bemerkung: „kann ich das als profilbild nehmen ... gfoit ma irgendwie und man erkennt eh nix!?!“ , worauf die Mutter meinte „sag mal bist du verrückt, bestimmt nicht. Aber nimm eines von dir und Aurelie, hast bestimmt viele liebe zum reingeben.“ Die Mutter versuchte in der weiteren Konversation den Fokus auf das Kind zu lenken, indem sie schrieb: „Ne auf keinen Fall – mach es niiiiicht ... Hab irgendwie Angst, dass sie bis zum Kindergarten noch Windeln braucht ...“ . Der Vater ließ sich allerdings nicht davon abbringen, das pornografische Foto als Profilbild hochzuladen, worauf die Mutter meinte: „Du bist bescheuert, gib es wieder raus ..... Man merkt doch dass es irgendwas schweinisches ist“ . Die Mutter versuchte weiterhin, die Konversation auf das Kind zu lenken, indem sie meinte: „Sag doch was zum Windel Thema.“ Die Antwort des Vaters: „Sag du lieber etwas zu deinem jetzigen Hosal Status“ . Danach schwenkte auch der Vater mit der Konversation wieder auf Angelegenheiten das Kind betreffend um. Aber schon am Abend desselben Tages schickte der Vater wiederum pornografische Fotos der Mutter, die diese teilweise mit „Nein“ beziehungsweise „Gar keines von den dreien“ – verbunden mit Zwinkersmileys – beantwortete. In der weiteren Konversation wurde über Beziehungsprobleme gesprochen. Um 23:15 Uhr meinte die Mutter noch: „bitte lass die Bilder, Videos oder sonst was von uns gut, bitte!!!“ Jedenfalls bis zum 31. 7. 2017 spätabends ersuchte die Mutter den Vater mehrfach, das Profilbild zu ändern, daneben gab es kaum noch Konversation über das Kind; es entbrannte vielmehr ein Streit zwischen den Eltern ihre (Ex-)beziehung betreffend.

Ende Juli 2017 entschloss sich der Vater, die Mediation bei der Besuchsbegleiterin abzubrechen. Er war der Meinung, dass diese für die Mutter Partei ergreife und nicht objektiv sei; sie hatte zum Vater nach dessen Schriftsatz vom 13. 6. 2017 gemeint, dass er sich nunmehr keinen positiven Bericht mehr erwarten brauche. Der Vater lehnte deshalb auch dezidiert die Einholung eines Berichts der Besuchsbegleiterin oder deren Einvernahme ab.

Vor der Beschlussfassung vom 18. 8. 2017 hatte der Erstrichter beim Vertreter der Mutter telefonisch nachgefragt, ob es irgendwelche Entwicklungen gebe, die gegen eine Beschlussfassung im Sinne eines Vorschlags der Mutter vom 17. 7. 2017 sprechen würden; der Vertreter der Mutter wusste von keinen solchen Entwicklungen. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung hatte das Erstgericht keine Information darüber, was zum Kontaktabbruch geführt hatte. Der Vater behauptete im Schriftsatz vom 14. 8. 2017, die Mutter habe den geplanten Kontakt vom 5. 8. 2017 ohne Angabe von Gründen abgesagt. Auf die Anfrage des Vaters für das Wochenende 12./13. 8. 2017 habe die Mutter überhaupt nicht reagiert. Die Mutter verweigere völlig grundlos und zum Nachteil des Kindes, die konkreten Kontakttage festzulegen.

Die Mutter ermöglicht dem Vater keine Kontakte mehr. Sie ist der Meinung, dass ihr die Vertrauensbasis fehlt, und wurde ihr auch von Seiten der Besuchsbegleiterin empfohlen, dass ein Stopp der Besuchskontakte hergehöre. Am 26. 8. 2017 war das Kind krank, es zahnte und hatte Fieber. Davon informierte die Mutter den Vater bereits am 25. 8. 2017, trotzdem stand der Vater am 26. 8. 2017 vor der Türe der Mutter. Diese ließ und lässt weitere Besuchskontakte bewusst nicht zu.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht hinsichtlich der Punkte 8. bis 10. die Auffassung, zwar dürften die Kontakte des Vaters mit dem Kind nicht einfach entfallen, unbegleitete Kontakte könnten zurzeit mangels Kommunikationsfähigkeit der Eltern untereinander jedoch nicht stattfinden. Betrachte man das Verhalten des Vaters zum Kind während der begleiteten und unbegleiteten Kontakte in der Vergangenheit, dann wäre „sicherlich“ kein begleitetes Kontaktrecht anzuordnen; der Vater habe bereits unter Beweis gestellt, dass er mit dem Kind kindgerecht umgehen kann. Das Problem sei einzig und allein das Verhältnis der Eltern zueinander und die Tatsache, dass sie ihre Probleme auf der Paarebene noch nicht gelöst hätten. Konkret warf das Erstgericht dem Vater vor, der Mutter „üble Spielchen“ und grundlose Absagen von Besuchskontakten vorzuwerfen, wobei diese jedoch nicht objektivierbar seien, und der Mutter pornografische Bilder geschickt zu haben, weshalb die Mutter das Vertrauen in den Vater verloren habe.

Das Rekursgericht hob die Entscheidung des Erstgerichts in den Punkten 1. bis 4. zur neuerlichen Entscheidung durch das Erstgericht auf (dies ist nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens), bestätigte die Entscheidung in Punkt 8., wobei es klarstellte, dass es sich dabei um eine vorläufige Regelung handelt, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. In der Sache selbst vertrat das Rekursgericht zum Hauptverfahren (Obsorge- und Kontaktrechtsregelung) die Auffassung, das Erstgericht habe mit seiner Abweisung der väterlichen Anträge den noch ausstehenden Beweisergebnissen, insbesondere auch einem einzuholenden Sachverständigengutachten, vorgegriffen. Zur vorläufigen Kontaktregelung meinte das Rekursgericht, dem Vater wäre zwar aufgrund der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über seinen Umgang mit dem Kind ein unbegleitetes Kontaktrecht einzuräumen; eine nicht vorhandene oder schlechte Kommunikationsbasis zwischen den Eltern könne kein Grund für eine Besuchsbegleitung sein, bestehe doch die Möglichkeit einer Besuchsmittlung nach § 106b AußStrG. Allerdings habe sich gezeigt, dass der Vater nicht „abgeneigt“ sei, außergerichtlich mit der Mutter getroffene Vereinbarungen über die Modalitäten des Kontaktrechts zu brechen, und dass er bei persönlichen Kontakten nicht davor zurückschrecke, unangepasste und dem Wohlverhaltensgebot widerstreitende Wortmeldungen „abzugeben“, die die Mutter diskreditierten. Es sei deshalb zu befürchten, dass das Kind künftig bei unbegleiteten Besuchskontakten Einblick in die herabwürdigende Einstellung des Vaters der Mutter gegenüber bekommen werde. Die Besuchsbegleitung gebe allen Beteiligten die Möglichkeit, das aufgeheizte Verhältnis abzukühlen und im Interesse des Kindes in geordnete Bahnen zu lenken.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters hinsichtlich der Punkte 8. bis 10. des erstinstanzlichen Beschlusses ist teilweise unzulässig, teilweise jedoch berechtigt und teilweise unberechtigt. Die Mutter hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

1. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist ausschließlich das vorläufige begleitete Kontaktrecht des Vaters (Punkt 8.) samt Anordnung der Besuchsmittlung (Punkt 9.) und Ausspruch der vorläufigen Verbindlichkeit nach § 44 AußStrG. Im Hinblick auf § 44 Abs 2 AußStrG, wonach gegen Entscheidungen über die vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit ein Rechtsmittel nicht zulässig ist, war zunächst einmal der Revisionsrekurs hinsichtlich Punkt 10. des erstinstanzlichen Beschlusses zurückzuweisen.

2.1. Nach § 107 Abs 2 AußStrG kann das Gericht die Ausübung des Rechts auf persönliche Kontakte nach Maßgabe des Kindeswohls, insbesondere zur Aufrechterhaltung der verlässlichen Kontakte, auch vorläufig einräumen. Dabei ist zu beachten, dass es sich beim Kontaktrecht zwischen Eltern und Kindern um ein Grundrecht deren Beziehung handelt, das als Menschenrecht unter dem Schutz des Art 8 EMRK steht (RIS-Justiz RS0047754 [insbesondere T3, T19, T21]), weshalb Einschränkungen des Kontakts zwischen dem Kind und dem nicht (hauptsächlich) betreuenden Elternteil die Ausnahme darstellen müssen. Eine Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes besorgen lassen (RIS-Justiz RS0048384 [T7]; 7 Ob 159/15f; 10 Ob 96/15p); ansonsten ist dem Kontaktberechtigten, um den Zweck des Kontakts zu erreichen, der Kontakt zu seinem Kind unbeschränkt, das heißt ohne Beeinträchtigung durch Zuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten, zu gestatten und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (RIS-Justiz RS0048369, RS0048384). Oberstes Prinzip der Gestaltung des Kontaktrechts ist immer das Wohl des Kindes (RIS-Justiz RS0047958, RS0048062 [T3], RS0087024 ); im Konfliktfall hat das Interesse eines Elternteils gegenüber dem Wohl des Kindes zurückzutreten (RIS-Justiz RS0048062 , RS0048068 [T3]).

2.2. Die Vorinstanzen sind – gerade unter Berücksichtigung des Wohls der minderjährigen Aurelie – davon ausgegangen, dass dem Vater aufgrund der von ihnen getroffenen Feststellungen über seinen Umgang mit dem Kind ein unbegleitetes Kontaktrecht einzuräumen wäre; tatsächlich hatten im Jahr 2017 jedenfalls 18 unbegleitete Kontakte stattgefunden, weshalb das Erstgericht auch am 18. 8. 2017 ein unbegleitetes Kontaktrecht des Vaters genau in dem nunmehr vom Vater beantragten Umfang festsetzte. Der Umgang des Vaters mit dem Kind war kindgerecht, die Kontakte verliefen harmonisch. Unter Berücksichtigung des Verhaltens des Vaters während der begleiteten und unbegleiteten Kontakte in der Vergangenheit wäre „sicherlich“ – so das Erstgericht ausdrücklich – ein begleitetes Kontaktrecht nicht anzuordnen; der Vater habe bereits unter Beweis gestellt, dass er mit dem Kind kindgerecht umgehen kann. Dem Rekursgericht wiederum ist darin beizupflichten, dass eine nicht vorhandene oder schlechte Kommunikationsbasis zwischen den Eltern kein Grund für eine Besuchsbegleitung, also eine Beschränkung des grundsätzlich unbeeinträchtigten Kontakts des Vaters, sein kann, besteht doch die Möglichkeit einer Besuchsmittlung nach § 106b AußStrG, die das Erstgericht im Übrigen in Punkt 9. seines Beschlusses ohnehin ausdrücklich angeordnet hat.

2.3. Von dieser Prämisse ausgehend ist zu prüfen, weshalb im konkreten Fall doch eine Beschränkung (sowohl hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes gegenüber der Beschlussfassung vom 18. 8. 2017 als auch durch Anordnung einer Besuchsbegleitung) aus der Sicht des Kindeswohls notwendig sein könnte.

2.3.1. Die Vorinstanzen haben sich dabei – neben der nicht maßgeblichen fehlenden beziehungsweise schlechten Kommunikationsbasis der Eltern – zunächst auf die Nichteinhaltung von außergerichtlichen Vereinbarungen über die Modalitäten des Kontakts bezogen, konkret auf den Umstand, dass die Kontakte grundsätzlich im Raum Mistelbach stattfinden sollten und der Vater vorläufig nicht mit dem Kind nach Wien fahren sollte, der Vater tatsächlich aber am 22. 4. 2017 mit dem Kind nach Wien in das Haus des Meeres fuhr. Es steht allerdings weiters fest, dass im Rahmen der Mediation diesbezüglich auch darüber gesprochen wurde, dass die Eltern auch eigenständig andere Lösungen finden könnten; darüber hinaus war die Mutter mit dem Vorhaben des Vaters zwar nicht einverstanden, akzeptierte es aber.

2.3.2. Was das Rekursgericht mit unangepassten und dem Wohlverhaltensgebot widerstreitenden Wortmeldungen des Vaters, die die Mutter diskreditierten, meint, lässt sich dessen Entscheidung nicht mit Sicherheit entnehmen. Sollte das Nachäffen der Mutter gemeint sein, welches der Vater bei deren Kontrollanrufen während der Kontakte zeigte, so lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen, dass dies in Anwesenheit des Kindes erfolgte. Dies gilt auch für die Äußerung des Vaters gegenüber der Mutter, sie werde das (gemeint: der Ausflug ins Haus des Meeres in Wien) „schon überleben“.

2.3.3. Nicht nachvollziehbar ist auch der Vorwurf des Erstgerichts, der Vater werfe der Mutter „üble Spielchen“ und grundlose Absagen von Besuchskontakten vor, wobei diese jedoch nicht objektivierbar seien. Tatsächlich hat das Erstgericht selbst über die Mutter eine Ordnungsstrafe verhängt und darin ausgeführt, ein konkretes Vorgehen der Mutter sei jedenfalls mit einer Verzögerung der Kontaktausübung verbunden gewesen, wobei ihre Vorgehensweise „als mutwillig bezeichnet“ werden könne.

2.3.4. Dass das Verhalten des Vaters im Zusammenhang mit der Übermittlung pornografischer Fotos an die Mutter und deren Hochladen im Kommunikationsdienst Whatsapp jedenfalls geschmacklos war, steht auch für den Obersten Gerichtshof außer Frage. Es ist allerdings weder davon auszugehen, dass in diese Art der Kommunikation der Eltern auch Dritte – und insbesondere auch nicht das Kind – einbezogen wurden, noch ist auf den Fotos erkennbar, um wessen Körperteile es sich tatsächlich handelt, die dort dargestellt sind (vgl AS 163 ff). Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Mutter die Fotos beziehungsweise die Anfragen des Vaters, welches der Fotos er hochladen solle, mit Zwinkersmileys beantwortete.

2.3.5. Es ist zwar richtig, dass aufgrund des Wohlverhaltensgebots des § 159 ABGB jeder Elternteil verpflichtet ist, zur Wahrung des Kindeswohls alles zu unterlassen, was das Verhältnis des minderjährigen Kindes zu anderen Personen, denen das Kind betreffende Rechte und Pflichten zukommen, beeinträchtigt oder die Wahrnehmung von deren Aufgaben erschwert (RIS-Justiz RS0127236); den Eltern steht es deshalb auch nicht zu, sich vor oder gegenüber dem Kind über den anderen Elternteil in einer herabwürdigenden Weise zu verhalten oder zu äußern (4 Ob 8/11x EF Z 2011/85 = iFamZ 2011/136 [ Thoma Twaroch ]; Gitschthaler in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2013] ErgBd 1a § 159 Rz 4; G. Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger , ABGB 5 [2017] § 159 Rz 2). Allerdings reichen abstrakte Befürchtungen, es sei „nicht von der Hand zu weisen, dass bei unbegleiteten Besuchskontakten das Kind einen Einblick in die herabwürdigende Einstellung des [ Vaters ] gegenüber der Mutter bekommt“, nicht aus, das Kontaktrecht des Vaters zu beschränken.

2.4. Damit haben aber die Vorinstanzen das mit Beschluss vom 18. 8. 2017 festgesetzte vorläufige Kontaktrecht des Vaters zur minderjährigen Aurelie zu Unrecht sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch durch Anordnung einer Besuchsbegleitung eingeschränkt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren deshalb hinsichtlich des Punktes 8. des erstinstanzlichen Beschlusses zu beseitigen, womit die vorläufige Kontaktregelung laut genanntem Beschluss weiterhin in Kraft zu bleiben hat.

2.5. Das Erstgericht hat in Punkt 9. die Besuchsmittlung durch die Familiengerichtshilfe angeordnet. In Anbetracht der Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern zueinander war diese Anordnung, die im Übrigen vom Vater selbst intendiert worden war (vgl dessen Antrag ON 38), aufrecht zu belassen und insoweit dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

Rechtssätze
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