JudikaturJustiz6Ob288/00x

6Ob288/00x – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt, Hauptplatz 14, 8010 Graz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der G***** Gesellschaft mbH, gegen die beklagte Partei MSB M***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Thurner und Dr. Peter Schaden, Rechtsanwälte in Graz, wegen 55.128 S, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zvilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 20. September 2000, GZ 7 R 95/00t-21, womit über die Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6. April 2000, GZ 3 C 264/99y-15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 7.103,04 S (darin 1.183,84 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 11.491,04 S (darin 811,84 S Umsatzsteuer und 6.620 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger (als Masseverwalter) begehrt den Aufwandsersatz für die Behebung eines von einem Subunternehmer der Beklagten herbeigeführten Schadens. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Gemeinschuldnerin habe den Aufwand im Rahmen einer Garantie zu tragen gehabt. Die Baustelle sei ordnungsgemäß abgerechnet worden. Außer Streit gestellt wurde, dass die Garantiefrist für das hergestellte Bauwerk am 31. 12. 1996 geendet hat.

Einen Tag vor der vom Erstgericht für den 15. 6. 1999 anberaumten Tagsatzung stellten beide Parteien in einem gemeinsamen Schriftsatz eine "Vertagungsbitte", weil dem Kläger von der Gemeinschuldnerin ein Urkundenkonvolut überlassen worden sei, das er dem Gericht vorlegen werde (ON 10). Bei Aufruf der Sache am 15. 6. 1999 erschien nur der Kläger, der erklärte, nicht verhandeln zu wollen. Dies hielt das Erstgericht in einem Amtsvermerk mit der weiteren Feststellung fest, dass das Verfahren ruht. Über die Vertagungsbitte beider Parteien wurde nicht entschieden. Am 10. 2. 2000 stellte der Kläger einen Fortsetzungsantrag und ergänzte sein Parteivorbringen. In der Tagsatzung vom 21. 3. 2000 wandte die Beklagte Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein. Der Kläger verwies auf den gemeinsam gestellten Vertagungsantrag. Die Parteien seien von einer antragsgemäßen Erledigung ausgegangen. Deshalb sei die Verhandlung unbesucht geblieben. Ein Beschluss über die gemeinsame Vertagungsbitte sei nicht erfolgt. Dieser Umstand sei dem Kläger erst im Rahmen einer routinemäßigen Aktenüberprüfung bekannt geworden. Er habe mit einer Beschlussfassung über den Vertagungsantrag rechnen dürfen. Der Fortsetzungsantrag sei rechtzeitig gestellt worden. In der Unterlassung einer Entscheidung über den Vertagungsantrag liege eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung auf Grund nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ab. Infolge der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sei eine Entscheidung über die Vertagungsbitte vor der für den 15. 6. 1999 anberaumten Tagsatzung nicht möglich gewesen. Der Richter habe vorgehabt, die Entscheidung über den Erstreckungsantrag in der Tagsatzung zu verkünden. Dazu sei es nicht mehr gekommen, weil die Beklagte nicht erschienen sei und der Kläger erklärt habe, nicht verhandeln zu wollen. Gemäß § 136 Abs 2 ZPO seien die Rechtsfolgen der Versäumung der Tagsatzung eingetreten, nämlich Ruhen des Verfahrens. Gemäß § 1497 ABGB falle die Unterbrechungwirkung einer Klage bei nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens weg. Nach der Rechtsprechung begründe schon ein erst dreieinhalb Monate nach dem Verstreichen der dreimonatigen Ruhensfrist gestellter Fortsetzungsantrag die Verjährung, wenn keine triftigen Gründe für die Untätigkeit vorliegen. Hier sei der Fortsetzungsantrag erst viereinhalb Monate nach Ablauf der dreimonatigen Ruhensfrist gestellt worden. Der Kläger hätte beachtliche Gründe für seine Untätigkeit zu behaupten und zu beweisen gehabt. Solche Gründe habe er nicht geltend gemacht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und hob das angefochtene Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Am 15. 6. 1999 sei nur der Kläger erschienen und habe erklärt, nicht verhandeln zu wollen. Säumnisfolgen hätten nur eintreten können, wenn dem Aufschiebungsantrag (gemeint: Vertagungsantrag) nicht stattgegeben worden wäre. Die Folge des Nichterscheinens beider Parteien zur anberaumten Verhandlung bzw des Erscheinens mit der Erklärung, nicht verhandeln zu wollen, sei das Ruhen des Verfahrens (§ 170 ZPO). Die Feststellung des Ruhens des Verfahrens sei kein Beschluss des Gerichtes, sondern ein Aktenvermerk. Hier sei infolge des Nichtentscheidens über den gemeinsamen Vertagungsantrag keine Säumnisfolge eingetreten. Dem Aktenvermerk über das Ruhen des Verfahrens komme keine Rechtswirksamkeit zu. Damit sei dem Einwand der Beklagten, der Kläger habe das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt, der Boden entzogen. Die Fällung eines Urteils ohne vorherige rechtskräftige Entscheidung über einen gemeinsamen Vertagungsantrag begründe einen wesentlichen Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen müsse. Das Erstgericht hätte vor dem festgestellten Ruhen des Verfahrens den von ihm offenbar beabsichtigten Beschluss über die Abweisung des Vertagungsantrages handschriftlich festhalten und dem erschienenen Kläger zur Kenntnis bringen können. In diesem Fall hätte das Entfernen des Klägers vor Aufruf der Sache die Säumnisfolgen ausgelöst.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zulässig sei.

Mit ihrem Rekurs beantragt die Beklagte die Abänderung dahin, dass der Berufung des Klägers nicht Folge gegeben werde.

Der Kläger beantragt, den Rekurs zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

Das Nichterscheinen der Parteien zur mündlichen Verhandlung hat das Ruhen des Verfahrens zur Folge (§ 170 ZPO). Dem Nichterscheinen gleichzuhalten ist das Erscheinen ohne Antragstellung (§ 133 Abs 2 ZPO). Zur Feststellung des Eintritts des Ruhens des Verfahrens bedarf es keines Beschlusses. Geboten ist nur ein Aktenvermerk, der den von Gesetzes wegen selbständig eingetretenen Verfahrensstillstand festhält. Außer dieser Dokumentation kommt dem Vermerk keine Bedeutung zu (7 Ob 578/95 = EFSlg 79.190 = RdW 1996, 117). Die gemeinsame Vertagungsbitte war keine Anzeige eines vereinbarten Ruhens (§ 168 ZPO), sondern ein Antrag auf Abberaumung der Tagsatzung und Verlegung auf einen anderen Termin (§ 134 ZPO). Auch eine gemeinsame Vertagungsbitte ist zu begründen. Die Verlegungsgründe sind glaubhaft zu machen. Über den Vertagungsantrag ist mit Beschluss zu entscheiden, und zwar vor Eingehen in die Sache. Der Vertagungsantrag hat aber nicht aufschiebende Wirkung, sodass Säumnis eintritt, wenn dem Antrag nicht Folge gegeben wird und die Parteien die Tagsatzung nicht wahrgenommen haben (§ 136 Abs 2 ZPO; SZ 54/105). Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass mangels einer Entscheidung des Erstgerichtes über den Fortsetzungsantrag keine Säumnisfolgen eingetreten seien und stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Entscheidung SZ 54/105. Dort wurde zwar die Fällung eines Versäumungsurteils vor der Entscheidung über einen mit Krankheit begründeten Vertagungsantrag nicht als Nichtigkeit, aber im Einklang mit der Lehrmeinung Faschings (Kommentar II 702 und IV 125) als Mangelhaftigkeit des Verfahrens qualifiziert, gleichzeitig aber auch hervorgehoben, dass ein Antragsteller bis zur Entscheidung über seinen Erstreckungsantrag davon ausgehen müsse, dass die Tagsatzung zum vorgesehenen Termin durchgeführt werde und dass er im Verhinderungsfall für eine Vertretung sorgen müsse. Diese Entscheidung bestätigt also die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes nicht. § 136 Abs 2 erster Satz ZPO normiert, dass das Gericht vor seiner Entscheidung über den Vertagungsantrag die Verhandlung nicht aufnehmen oder fortsetzen und eine Sachentscheidung nicht treffen darf. Die Parteien treffen Säumnisfolgen aber schon dann, wenn sie sich vor der Entscheidung über den Vertagungsantrag entfernt haben (Satz 2 leg cit). Dies ist die Grundlage für die in der Lehre und Rechtsprechung unstrittige Ansicht, dass dem Vertagungsgesuch keine aufschiebende Wirkung zukommt. Mit der Aufnahme der Verhandlung vor der Entscheidung über den Vertagungsantrag verletzt das Gericht die Verfahrensvorschrift des § 136 ZPO, was die schon erwähnte Mangelhaftigkeit des Verfahrens auslöst (so schon ZBl 1929/114).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht mit seinem Aktenvermerk über das Ruhen des Verfahrens weder die Verhandlung aufgenommen noch eine Entscheidung gefällt. Unter der Aufnahme der Verhandlung kann schon nach dem Wortsinn nur das Eingehen in die Sache mit den Parteien oder zumindest mit der allein erschienenen Partei gemeint sein. Der Aktenvermerk ist - wie schon ausgeführt - keine Entscheidung des Gerichtes, aber auch keine Aufnahme der Verhandlung. Das Ruhen des Verfahrens ist die gesetzliche Folge des Sachverhalts, dass die Parteien zum Termin nicht erschienen sind. Der Aufruf der Sache ist noch kein Eingehen in die Sache im Sinne einer Verhandlung, sondern nur der Beginn der Tagsatzung (§ 133 Abs 1 ZPO). Wenn zu dieser die geladenen Parteien nicht erscheinen, ist das Ruhen des Verfahrens die unvermeidbare gesetzliche Folge, unabhängig davon, ob über einen Vertagungsantrag schon entschieden wurde. Der Kläger hätte daher nach der dargelegten Rechtslage nicht mit einer den Ruhenseintritt beseitigenden, dem Vertagungsantrag stattgebenden Entscheidung des Erstgerichtes rechnen dürfen. Dass der Termin nicht abgesetzt worden war, musste ihm auf Grund des Aufrufs der Sache klar sein.

Dass der erst viereinhalb Monate nach dem Ablauf der Ruhensfrist gestellte Fortsetzungsantrag keine gehörige Fortsetzung des Verfahrens darstellt und die Verjährungsfolge auslöst, entspricht der oberstgerichtlichen Judikatur (vgl zur Zulässigkeit der Dauer des Zuwartens Mader in Schwimann ABGB2 Rz 27 zu § 1497 mwN aus der Rechtsprechung). Der Kläger führte dagegen nur die nicht zu teilende Ansicht ins Treffen, dass kein Ruhen und demgemäß auch keine Säumnisfolgen eingetreten seien. Die Sache ist daher spruchreif im Sinne einer Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes (§ 519 Abs 2 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Rechtssätze
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